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OGH vom 31.05.2011, 10Ob34/11i

OGH vom 31.05.2011, 10Ob34/11i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj M*****, geboren am , *****, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger Land Niederösterreich (Bezirkshauptmannschaft Horn, Fachgebiet Jugendwohlfahrt, Frauenhofstraße 2, 3580 Horn), über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau als Rekursgericht vom , GZ 2 R 178/10d-54, womit infolge Rekurses des Bundes der Beschluss des Bezirksgerichts Horn vom , GZ 10 PU 347/09t 43, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Erhöhung des dem Kind mit Beschluss des Bezirksgerichts Horn vom , GZ 10 PU 347/09t-37, für die Zeit vom bis gewährten Unterhaltsvorschusses von monatlich 101,74 EUR ab auf 150 EUR monatlich als unangefochten unberührt bleiben, werden im übrigen Umfang, also hinsichtlich der Zeiträume bis und bis , ersatzlos aufgehoben.

Text

Begründung:

Die am geborene M*****, ist die Tochter von C***** und M*****. Der Vater wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , GZ 2 P 20/98m-12, zu einer Unterhaltsleitung von monatlich 101,74 EUR verpflichtet.

Die dem Kind zunächst (mit Beschluss vom [ON 3]) gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG für die Zeit vom bis in Titelhöhe weitergewährten Unterhaltsvorschüsse wurden mit Ablauf des Monats August 2009 eingestellt und der Minderjährigen in der Zeit vom bis (Haft-)Vorschüsse gemäß § 4 Z 3 UVG gewährt (Beschluss vom [ON 12]).

Für die Zeit vom bis wurden ihr (mit Beschluss vom [ON 18]) wiederum Titelvorschüsse gemäß §§ 3, 4, Z 1 UVG bewilligt. Diese Vorschussgewährung wurde mit Beschluss vom (ON 27) mit Ablauf des Monats März 2010 eingestellt , weil die Minderjährige ab dem (iSd § 2 Abs 2 Z 2 UVG) aufgrund einer Maßnahme der vollen Erziehung nach dem öffentlichen Jugendwohlfahrtsrecht untergebracht war.

Zuletzt wurden der Minderjährigen mit Beschluss vom (ON 37) wieder Titelvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von 101,74 EUR monatlich für die Zeit vom bis gewährt, weil die Minderjährige nach Ende des Schuljahres 2009/2010 wieder in Pflege und Erziehung der Mutter war (ON 36).

Aufgrund eines (zuletzt eingeschränkten) allein auf Unterhaltserhöhung gerichteten Antrags des Kindes vom (vgl ON 24 und 34) wurde der Vater mit vollstreckbarem Beschluss vom (ON 42) verpflichtet, ab zusätzlich zur auferlegten Unterhaltsverpflichtung von bisher 101,74 EUR einen weiteren Betrag von monatlich 48,26 EUR, insgesamt somit monatlich 150 EUR, zum Unterhalt der Minderjährigen zu bezahlen.

Mit Beschluss vom (ON 43) erhöhte das Erstgericht daraufhin von Amts wegen auch den dem Kind mit Beschluss ON 3 „und 10 PU 347/09t vom “ für die Zeit vom „ bis “ gewährten monatlichen Unterhaltsvorschuss von 101,74 EUR wie folgt:

a) Vom bis ,

b) vom bis (und)

ab auf jeweils 150 EUR.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Bundes nicht Folge und sprach zunächst aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs vorbehaltlich § 63 AußStrG nicht zulässig sei. Unter Berufung auf Neumayr (in Schwimann I³ § 19 UVG Rz 23 mwN [Anm: vgl jedoch FN 109]) vertrat es die Auffassung, die Einstellung der Unterhaltsvorschüsse sei für eine rückwirkende Erhöhung der Vorschüsse in den ersten beiden Zeiträumen nicht schädlich:

Unschädlich sei nämlich auch eine Einstellung für einen zeitlich begrenzten Zeitraum „in der Vergangenheit“ (etwa wegen kurzzeitigen Vorliegens eines Grundes nach § 2 Abs 2 UVG), weil damit der Vorschussanspruch dem Grunde nach nicht verändert werde, allerdings für eine gewisse Zeit nur in der Höhe von Null bestehe. Das Prinzip des Gleichlaufs von Unterhalts und Vorschusserhöhung sei hier vorrangig und solle nicht durch kürzere Unterbrechungen des Vorschussanspruchs eingeschränkt werden ( Neumayr aaO). Dieser Grundsatz habe nach Ansicht des Rekursgerichts nicht nur bei Vorliegen eines Grundes nach § 2 Abs 2 UVG zu gelten, sondern auch bei kurzzeitiger Unterbrechung infolge Umstellung auf Haftvorschüsse nach § 4 Z 3 UVG. Das - durch die Novelle (FamRÄG 2009) in seiner Bedeutung erhöhte - Prinzip des Gleichlaufs von Unterhalts und Vorschusserhöhung sei hier ebenso vorrangig und daher unabhängig vom Unterbrechungsgrund zu sehen.

Über Zulassungsvorstellung des Bundes ließ das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs im Hinblick darauf doch zu, dass die vom Antragsteller angeführte, einen vergleichbaren Fall (Unterbrechung durch Haftvorschüsse) betreffende Entscheidung 4 Ob 209/99k den [gegenteiligen] Standpunkt des Bundes zu bestätigen scheine.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer ersatzlosen Behebung des angefochtenen Beschlusses für die Zeiträume bis und bis ; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die übrigen Verfahrensparteien haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber weist darauf hin, die Beschlussfassung im Fall einer wie hier amtswegigen Erhöhung von Unterhaltsvorschüssen müsse nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 209/99k) noch innerhalb ununterbrochener Bevorschussungsperioden erfolgen. Die Periode, für die Vorschüsse gewährt werden, dürfe im Zeitpunkt der Beschlussfassung über deren Erhöhung weder abgelaufen, noch durch einen davor gefassten Einstellungsbeschluss beendet sein. Daher stünden die zeitlich begrenzten Einstellungen einer Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse für die Zeiträume bis und bis entgegen; im Zeitpunkt der Beschlussfassung hätten nämlich keine durchgehenden Unterhaltsvorschussperioden „des gleichen Typs“ (vgl Neumayr in Schwimann I³ § 19 UVG Rz 23 f) vorgelegen. Eine Erhöhung sei erst ab möglich, weil nur diese Periode im dargelegten Sinn noch nicht „abgelaufen“ gewesen sei.

Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.

1. Gemäß § 19 Abs 2 UVG hat das Gericht, wenn der Unterhaltsbeitrag erhöht wird, von Amts wegen oder auf Antrag die Vorschüsse bis zum Ende des im zuletzt gefassten Beschluss über die Gewährung oder Weitergewährung bestimmten Zeitraums zu erhöhen; die Erhöhung ist mit dem auf das Wirksamwerden der Unterhaltserhöhung folgenden Monatsersten, fällt die Erhöhung auf einen Monatsersten, mit diesem anzuordnen. Wie der Oberste Gerichtshof unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien ausgeführt hat, besteht der Zweck dieser Bestimmung darin, Unterhaltsvorschüsse an den zugrundeliegenden Titel anzupassen, wenn der Unterhaltsbeitrag während des Laufs der Vorschüsse erhöht wird (stRsp; RIS-Justiz RS0107561; 7 Ob 150/01m). Mit dieser - auch nach dem FamRÄG 2009 unverändert in Geltung stehenden - Bestimmung wollte der Gesetzgeber also den Gleichlauf zwischen den Unterhaltsvorschüssen und dem Unterhaltstitel herstellen, wenn während des Laufens der Vorschüsse der Unterhaltsbeitrag erhöht wird (276 BlgNR 15. GP 7 und 14; 4 Ob 209/99k; Neumayr in Schwimann I³ § 19 UVG Rz 22).

2. Dem Wortlaut des § 19 Abs 2 UVG und dem vom Gesetzgeber verfolgten Zweck entsprechend, setzt daher die Vorschusserhöhung - nach ständiger Rechtsprechung - voraus, dass Unterhaltsvorschüsse zumindest im Zeitpunkt der Antragstellung auf Erhöhung der Vorschüsse überhaupt noch gewährt werden (RIS-Justiz RS0076743; 4 Ob 209/99k mwN). Gleiches gilt für die Erhöhung des Unterhaltsvorschusses von Amts wegen (RIS-Justiz RS0076743 [T2]; 7 Ob 150/01m mwN), welche nur unter der Voraussetzung zu erfolgen hat, dass Unterhaltsvorschüsse (des gleichen Typs) zumindest im Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz auf Erhöhung der Vorschüsse noch gewährt werden ( Neumayr aaO § 19 UVG Rz 23); auch hier fordert der Gesetzeszweck (den Gleichlauf zwischen Unterhaltsvorschuss und Unterhaltstitel herzustellen) eine Anpassung nämlich nur, wenn während des Laufens der Vorschüsse der Unterhaltsbeitrag erhöht wird (so bereits 3 Ob 533/95).

3. Eine Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse ist daher ausgeschlossen, wenn der Beschluss erster Instanz über die Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse in einem Zeitpunkt gefasst wird, in welchem Unterhaltsvorschüsse (des gleichen Typs) nicht mehr gewährt werden; damit wird nämlich kein laufender Vorschuss erhöht, sondern ausschließlich eine rückwirkende Erhöhung vorgenommen (RIS-Justiz RS0076743 [T3]; Neumayr aaO § 19 UVG Rz 23).

3.1. Die Periode, für die die Vorschüsse gewährt wurden, darf im Zeitpunkt der Beschlussfassung über deren Erhöhung weder abgelaufen, noch auch durch einen davor gefassten Einstellungsbeschluss beendet sein (stRsp; RIS Justiz RS0076743 [T4]). Entscheidend ist also die „Periode“: Wurden die Vorschüsse zB bis 31. 3. gewährt und liegt noch kein Einstellungsgrund vor, ist die Erhöhungsentscheidung im Lauf des März möglich ( Neumayr aaO § 19 UVG Rz 23). Der Beschluss über die Vorschusserhöhung gemäß § 19 Abs 2 UVG muss innerhalb einer ununterbrochenen Kette von Bevorschussungsperioden gefasst werden (4 Ob 209/99k). Auch der erkennende Senat hat zu 10 Ob 52/09h bereits ausgeführt, dass eine Vorschusserhöhung nach § 19 Abs 2 UVG nicht in Betracht kommt, wenn keine „ununterbrochene Gewährung von Unterhaltsvorschüssen des gleichen Typs“ vorliegt.

4. Diese Voraussetzung war hier was die im Rechtsmittelverfahren bekämpften Zeiträume rückwirkender Vorschusserhöhungen betrifft schon im Zeitpunkt des Antrags auf Unterhaltserhöhung (vom [ON 34]) nicht erfüllt, weil „laufende“ Unterhaltsvorschüsse für die ersten beiden (abgeschlossenen) Perioden, auf die sich die amtswegige Erhöhung nunmehr bezieht, bereits damals nicht mehr gewährt wurden.

4.1. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts wurde die Vorschussgewährung aber auch nicht für „zeitlich begrenzte Zeiträume in der Vergangenheit“ eingestellt (vgl zu dieser Möglichkeit: Neumayr in Schwimann I³ § 20 UVG Rz 4 mwN [mit diesbzgl Hinweis in FN 109 zu § 19 UVG]; RIS Justiz RS0076769; 7 Ob 194/01g = SZ 74/163 mwN), weil die Einstellung nicht rückwirkend, sondern jeweils für die Zukunft verfügt wurde; und zwar zunächst infolge Gewährung von Haftvorschüssen und schließlich deshalb, weil die Unterbringung der Minderjährigen nunmehr im Rahmen einer Maßnahme der vollen Erziehung erfolgte.

4.2. Zum erstgenannten Fall vertritt Neumayr (in Schwimann I³ § 19 UVG Rz 24) aber ausdrücklich den Standpunkt, der Umstand, dass aktuell Haftvorschüsse nach § 4 Z 3 UVG gewährt werden, könne nicht rechtfertigen, dass Titelvorschüsse rückwirkend erhöht werden: Wurden früher Vorschüsse eines bestimmten Typs gewährt und diese - wie hier - „eingestellt“, rechtfertigen aktuelle Vorschüsse eines anderen Typs keine rückwirkende Erhöhung der früheren Vorschüsse.

5. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht die bekämpfte amtswegige Vorschusserhöhung nicht innerhalb einer ununterbrochenen Kette von Bevorschussungsperioden vorgenommen; die frühere Vorschussgewährung (des gleichen Typs) wurde vielmehr mit Ablauf der Monate August 2009 bzw März 2010 jeweils (für die Zukunft) eingestellt. Nach der dargelegten Rechtsprechung, an der mangels Änderung der Rechtslage festgehalten wird, ist die (vom Erstgericht so bezeichnete) Bevorschussungsperiode „ bis “ durch die Einstellungsbeschlüsse (ON 12 und 27) somit jeweils unterbrochen worden.

6. Die durch § 19 Abs 3 UVG idF FamRÄG 2009 geschaffene neue Rechtslage vermag daran nichts zu ändern:

6.1. Hier ist zunächst davon auszugehen, dass - der früheren Rechtslage entsprechend die auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO gewährten Vorschüsse nach ganz herrschender Meinung und Judikatur nicht rückwirkend auf die Höhe des endgültigen Titels erhöht werden konnten (RIS-Justiz RS0122465; ausführlich: 10 Ob 52/09h).

6.2. Nach ständiger Rechtsprechung des für alle Unterhaltsvorschusssachen zuständigen Fachsenats ist der mit dem FamRÄG 2009 eingeführte § 19 Abs 3 UVG vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Ziels zu sehen, die Vorschussgewährung auf einen früheren Zeitpunkt als nach der früheren Rechtslage vorzuziehen, und zwar gegebenenfalls durch Ermöglichung einer Nachzahlung der Differenz zwischen dem vorläufigen und dem „endgültig“ festgesetzten Unterhalt, um den „Ausfall“ von Unterhaltsleistungen ex post auszugleichen (673/A BlgNR 24. GP 39 und 44). Um das Ziel einer solchen „frühen“ Bevorschussung des Geldunterhalts zu erreichen, nimmt der Gesetzgeber nunmehr bewusst eine Begünstigung von Vorschüssen in Kauf, die auf der Grundlage einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO in verhältnismäßig einfacher Weise erlangt und erhöht werden können (10 Ob 79/09d; 10 Ob 82/09w; jeweils mit Hinweis auf 10 Ob 52/09h).

6.3. Der „endgültige“ Unterhaltstitel gilt dabei gemäß § 19 Abs 3 UVG nF gegenüber der vorangegangenen Provisorialentscheidung nicht mehr als neuer Unterhaltstitel, was entgegen der zuvor geltenden Rechtslage eine rückwirkende Anpassung der bisher gewährten Vorschüsse nach endgültiger Unterhaltsfestsetzung ermöglicht (10 Ob 53/09f).

6.4. Hinsichtlich des hier anzuwendenden § 19 Abs 2 UVG ist die Rechtslage durch das FamRÄG 2009 hingegen unverändert geblieben. Da eine rückwirkende Vorschusserhöhung in Bezug auf die bekämpften Zeiträume daher nicht mehr in Betracht kommt, sind die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse (erst) ab abzuändern.