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OGH vom 08.11.2018, 15Os143/18w

OGH vom 08.11.2018, 15Os143/18w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Kontr. Bodinger als Schriftführer in der Strafsache Friedrich H***** und einen weiteren Beschuldigten wegen des Verbrechens des Hochverrats nach § 15, 12 zweiter Fall, 242 Abs 1 StGB, AZ 22 HR 58/18b des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten Harald M***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom , AZ 10 Bs 286/18m, 287/18h, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Harald M***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

In dem von der Staatsanwaltschaft Graz zu AZ 15 St 72/18z geführten Ermittlungsverfahren setzte das Landesgericht für Strafsachen Graz mit Beschluss vom (ON 34) die über Harald M***** am verhängte Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht und der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a StPO fort. Der gegen diesen Beschluss vom genannten Beschuldigten erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs 1 und Abs 6 StPO (iVm § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO) fort.

Dabei stellte das Beschwerdegericht die dringende Verdachtslage fest, dass er und Friedrich H***** am in S***** und O***** „Polizeibeamte sowie den Bundesminister für Inneres Herbert Kickl zu bestimmen versucht haben, mit Gewalt oder Drohung mit Gewalt die Verfassung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu ändern, indem sie diese mittels der von Harald M***** verfassten und von beiden Beschuldigten unterfertigten 'Strafanträge' und 'Strafanzeigen' zur Festnahme des Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen, des Bundeskanzlers Sebastian Kurz, des Vizekanzlers HeinzChristian Strache, sämtlicher Abgeordneter zum österreichischen Nationalrat, sämtlicher Abgeordneter zu den Landtagen und sämtlicher Gemeinderäte sowie zur Bildung einer 'Übergangsregierung' aufforderten, wobei es aufgrund der diesbezüglichen Weigerung der Adressaten beim Versuch blieb“ (BS 2).

Dieses Verhalten subsumierte das Oberlandesgericht dem Verbrechen des Hochverrats nach § 15, 12 zweiter Fall, 242 Abs 1 StGB (vgl 12 Os 64/18f; vgl weiters Salimi/Tipold SbgK § 242 Rz 24 ff und Rz 29 f mwN zur faktischen Änderung der Verfassung durch Ausschaltung verfassungsmäßiger Einrichtungen und Rz 39 sowie Huber in Leukauf/Steininger, StGB4§ 242 Rz 14a zur versuchten Bestimmungstäterschaft).

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichts Graz erhobene Grundrechtsbeschwerde des Harald M***** ist nicht berechtigt.

Indem der Beschuldigte rügt, das Beschwerdegericht hätte betreffend den dringenden Tatverdacht für die Annahme des Vorsatzes keine Begründung angeführt (§ 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO; RISJustiz RS0110146), werden die Erwägungen auf BS 4 außer Acht gelassen. Das Oberlandesgericht leitete die dringende Verdachtslage des Wissens und Wollens des Beschuldigten hinsichtlich der „tatsächlichen Ausschaltung der Verfassung“ aus dem Sinngehalt der „Strafanzeigen“ und „Strafanträge“ sowie des „Begleitschreibens“ ab (BS 4 iVm BS 3).

Weiters bringt die Grundrechtsbeschwerde vor, die vom Oberlandesgericht angenommene dringende Verdachtslage könne nicht unter den Tatbestand des Hochverrats nach § 242 Abs 1 StGB subsumiert werden, weil weder der Gewaltbegriff noch der Begriff der Drohung mit Gewalt erfüllt wäre. Dabei übergeht sie aber die Feststellungen des Beschwerdegerichts zum Bedeutungsinhalt der „Strafanzeigen“, wonach die gegenständlichen „Erklärungen als an die Angehörigen des Exekutivdiensts der adressierten Polizeidienststellen gerichtete Aufforderungen, die genannten Staatsfunktionäre durch deren widerrechtliche Festnahme, somit unter Anwendung körperlicher Kraft und/oder mittels deren Androhung auszuschalten“, zu verstehen sind (BS 3).

Dass „bei der Anstiftung von Organen der Republik im Sinne des § 242 StGB ein vom Täter ausgehender Druck einen solchen Grad erreicht haben muss, dass die verantwortungsbewussten Organe sich von der 'Forderung der Gewalttäter' gezwungen oder überzeugt sehen, die rechtswidrigen Festnahmen auch tatsächlich vorzunehmen“, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen (vgl RISJustiz RS0102168, RS0089780).

Weiters reklamiert der Beschuldigte absolute Untauglichkeit des Versuchs nach § 15 Abs 3 StGB. Die hier in Rede stehende absolute Untauglichkeit der (Bestimmungs-)Handlung ist nach der sogenannten Eindruckstheorie zu prüfen (Hager/Massauer in WK2 StGB § 15, 16 Rz 78; RISJustiz RS0102826 [T1], RS0087720 [T7]). Absolut untauglich und damit straflos ist ein Versuch nur dann, wenn die Verwirklichung des durch die Tathandlung angestrebten schädigenden Erfolges auf die vorgesehene Art bei generalisierender Betrachtung, somit losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls, aus der ex-ante-Sicht eines über den Tatplan informierten verständigen Beobachters geradezu ausgeschlossen erscheint und demzufolge unter keinen wie immer gearteten Umständen erwartet werden kann (RISJustiz RS0102826 [T3], RS0098852, RS0087720 [T7]). Die Versuchstauglichkeit der Bestimmungshandlung (vgl 15 Os 161/08b) ist nicht an den misslungenen Versuchshandlungen, sondern am Tatplan des Täters zu prüfen. Dabei kommt es nicht auf die mehr oder weniger große Wahrscheinlichkeit eines Scheiterns an (RISJustiz RS0115363). Gemessen an diesen Kriterien ist absolute Untauglichkeit nicht gegeben.

Eine unrichtige Beurteilung eines Haftgrundes liegt nur dann vor, wenn die Prognose willkürlich getroffen wurde, also unvertretbar war (RISJustiz RS0117806). Zudem ist bei einer – wie hier aufgrund der Strafdrohung des § 242 Abs 1 StGB gegebenen – sogenannten „bedingt-obligatorischen“ Untersuchungshaft zu beachten, dass Umstände, die einen Haftgrund nicht annehmen lassen (§ 173 Abs 2 StPO), nicht gleichzusetzen sind mit solchen, die im Sinn des § 173 Abs 6 StPO sein Vorliegen ausschließen (RIS-Justiz RS0113413 [T2]).

Ausgehend davon erweisen sich die Erwägungen des Oberlandesgerichts (BS 5), wonach Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a StPO nicht auszuschließen sei, als nicht zu beanstanden. Demnach erscheint die Gefahr, der Beschuldigte werde – seinen Beteuerungen zuwider – ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens weitere gleichartige hochverräterische oder staatsfeindliche strafbare Handlungen mit schweren Folgen begehen, weiterhin erhöht, zumal „gesteigerte Intensität der Tatausführung“ anzunehmen sei, überdies mehrjähriges Engagement des Beschuldigten in staatsfeindlichen Verbindungen vorliege und er außerdem den Versuch unternahm, gegenüber der Oberstaatsanwaltschaft Graz unter Anmaßung amtlicher Befugnisse und unter Androhungen die Enthaftung weiterer wegen staatsfeindlicher Aktivitäten behördlich angehaltener Personen zu fordern (ON 3). Indem die Grundrechtsbeschwerde kritisiert, das Beschwerdegericht hätte die staatsfeindlichen Verbindungen nicht konkret bezeichnet, und das Schreiben ON 3 als offensichtlich querulatorisch bezeichnet, wird Willkür nicht aufgezeigt.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00143.18W.1108.000

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