OGH vom 26.01.1994, 13Os176/93
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kramer als Schriftführerin, in der Finanzstrafsache gegen Georg P***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG und eines weiteren Finanzvergehens über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Finanzamtes Salzburg-Stadt gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom , GZ 38 Vr 2021/92-13, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, des Angeklagten und des Verteidigers Dr.Koller zu Recht erkannt:
Spruch
Den Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Finanzamtes Salzburg-Stadt wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem freisprechenden Teil und demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Staatsanwaltschaft und das Finanzamt Salzburg-Stadt werden mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem (nur im Freispruch) angefochtenen Urteil wurde Georg P***** des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG (Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen durch deren Unterlassung für die Jahre 1984 bis 1987, für 1987 auch teils durch Abgabe unrichtiger Voranmeldungen, Verkürzungsbetrag insgesamt 1,300.195 S als faktischer Geschäftsführer und in Wahrnehmung der steuerlichen Agenden der "Ing.W***** *****gesellschaft mbH") schuldig erkannt.
Von der weiteren Anklage, vorsätzlich unter Verletzung der abgabenrechtlichen Offenlegungs- bzw Wahrheitspflicht in derselben Eigenschaft durch Nichtabgabe von Umsatz-, Körperschafts- und Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1986 bis 1988 eine Abgabenverkürzung in der Höhe von insgesamt 996.071 S bewirkt und hiedurch das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG begangen zu haben, wurde der Angeklagte gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Das Erstgericht ging dazu davon aus, daß der (den diesbezüglichen Verkürzungsvorsatz leugnende, S 172) Angeklagte keinen Überblick über die finanzielle Lage des von ihm als faktischen Geschäftsführer geleiteten Unternehmens hatte und deshalb die Abgaben durch das Finanzamt im Schätzungswege feststellen ließ, weswegen eine vorsätzliche bewirkte Abgabenverkürzung nicht erwiesen wäre (S 182).
Die Staatsanwaltschaft und das Finanzamt Salzburg-Stadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz bekämpfen den Freispruch mit Nichtigkeitsbeschwerden, die auf § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO, jene des Finanzamtes auch auf Z 5 leg cit, gestützt werden.
Beide eine unrichtige Beurteilung der subjektiven Tatseite behauptenden und unter Hinweis auf die vorliegenden Beweisergebnisse die Annahme einer vorsätzlichen Abgabenverkürzung anstrebende Rechtsrügen (Z 9 lit a) gehen jedoch nicht vom (gegenteiligen) Urteilssachverhalt aus, weswegen der geltend gemachte materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund nicht zu prozeßordnungsmäßiger Darstellung gebracht wird.
Ebenso verfehlt ist die von der Finanzstrafbehörde erhobene Mängelrüge (Z 5), mit der Unvollständigkeit bzw Widersprüchlichkeit der eine vorsätzliche Herbeiführung der Abgabenverkürzung verneinenden Urteilsannahmen releviert wird. Dabei ging das Schöffengericht, gestützt auf die für nicht widerlegt erachtete Verantwortung des Angeklagten davon aus, dieser habe wegen Arbeitsüberlastung die steuerlichen Angelegenheiten des Unternehmens nicht beachtet und deshalb ohne Verkürzungsvorsatz die Feststellung der Abgabenschuld der Finanzbehörde zur Schätzung überlassen (S 168, 172).
Die vorsätzliche Unterlassung der Abgabe der vorgeschriebenen Steuererklärungen bewirkt eine Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige- und Offenlegungspflicht im Sinne des § 51 Abs. 1 lit a FinStrG. Diesfalls kann eine Abgabenverkürzung eintreten, wenn ein abgabenrechtliches Verfahren nicht eingeleitet wird oder wegen Verweigerung der gesetzlich vorgeschriebenen Mitwirkung des Abgabenschuldners im Ermittlungsverfahren gemäß § 184 BAO mit Schätzung vorgegangen wird, die dann zu einem Ergebnis unter der wahren Höhe der Steuerbemessungsgrundlage führt (Dorazil-Harbich-Reichel-Kropfitsch, FinStrG, § 33 ENr 21). Rechnet ein Abgabenpflichtiger, (wie im vorliegenden Fall vom Angeklagten behauptet) von vornherein damit, die Behörde werde die Abgabenschuld auch ohne seine Mitwirkung im Wege einer solchen Schätzung festsetzen, dann kommt die Annahme eines Verkürzungsvorsatzes nur unter besonders gelagerten Umständen des Einzelfalles in Betracht, weil derartige Schätzungen erfahrungsgemäß in der Regel kein den Steuerpflichtigen begünstigendes Ergebnis erwarten lassen (10 Os 19/83).
Die Mängelrüge zeigt jedoch keine einen Verkürzungsvorsatz des Angeklagten indizierenden aktenkundigen Umstände auf, die das Erstgericht bei den dazu angestellten (beweiswürdigenden) Überlegungen nicht berücksichtigt hätte. Soweit sie versucht, zur subjektiven Tatseite aus den Verfahrensergebnissen andere Schlüsse als das Erstgericht abzuleiten, wird jedoch ein formaler Begründungsmangel in der Bedeutung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nicht aufgezeigt.
Das Schöffengericht beurteilte auf Grund der getroffenen Urteilsfeststellungen die dem Angeklagten ursprünglich angelastete Abgabenhinterziehung als lediglich fahrlässig begangene Abgabenverkürzung und gelangte wegen der Annahme diesbezüglich fehlender gerichtlicher Zuständigkeit (rechtsirrig) zu einem Freispruch gemäß § 259 Z 3 StPO. In einem solchen Fall wäre jedoch rechtsrichtig ein Freispruch nach dem § 214 Abs. 2 FinStrG zu fällen.
Beide Beschwerden zeigen jedoch zutreffend auf, daß das hier gemäß § 53 Abs. 1 lit b FinStrG für die Aburteilung des dem Angeklagten im Schuldspruch zur Last liegenden vorsätzlich begangenen Finanzvergehens (§ 33 Abs. 2 lit a FinStrG) jedenfalls zuständige Erstgericht auch zur Ahndung des damit zusammentreffenden, in die örtliche und sachliche Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde fallenden fahrlässig verübten Finanzvergehens nach § 34 Abs. 1 FinStrG zuständig ist (§ 53 Abs. 3 FinStrG). Dieser bei der Abgrenzung der gerichtlichen von der finanzstrafbehördlichen Zuständigkeit unterlaufene Rechtsirrtum bewirkt Nichtigkeit des angefochtenen Freispruches nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO (SSt 53/41).
Das Schöffengericht hat (im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung des Freispruchfaktums, S 182) dem Angeklagten eine fahrlässige Abgabenverkürzung unterstellt. Infolge des (rechtlich verfehlten) Freispruchs vom Anklagevorwurf der (vorsätzlichen) Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG bestand für ihn keine Möglichkeit, die zu diesem Freispruch getroffenen, ihm fahrlässiges Verhalten anlastenden Feststellungen zu bekämpfen. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst setzt jedoch mängelfrei zustande gekommene Feststellungen des Erstgerichtes voraus (Mayerhofer-Rieder, StPO3, § 288 ENr 37 bis 39).
Das angefochtene Urteil war daher im Freispruch und demzufolge auch im Strafausspruch aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zu verweisen.
Im zweiten Rechtsgang wird insbesondere zu beachten sein, daß sich der Freispruch des Angeklagten vom Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 FinStrG auch auf eine Verkürzung der Umsatzsteuer für die Jahre 1986 (239.028 S 1987 (183.870 S) und 1988 (117.402 S) bezieht, aber auch der Schuldspruch nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG Umsatzsteuerverkürzungen im Anmeldestadium betreffend diese Zeiträume (1986 von 230.000 S 1987 von 160.295 S und 1988 von 300.000 S) umfaßt.
Im Hinblick auf die (wenn auch nicht deckungsgleich) überschneidenden Beträge an verkürzter Umsatzsteuer ist angesichts des Umstandes, daß die auf einen bestimmten Zeitraum bezogene Umsatzsteuer nur einmal geschuldet wird, zunächst zu klären, ob und in welchem Umfang sich die vom Angeklagten laut Schuldspruch für die Jahre 1986 bis 1988 bewirkte Verkürzung von Umsatzsteuer gemäß § 33 Abs. 2 lit a FinStrG mit jenen Beträgen identisch ist, die ihm laut Anklage (siehe ON 7, 1.) auch unter dem Gesichtspunkt einer Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG angelastet werden und (unter anderem) nunmehr Gegenstand des von der Staatsanwaltschaft und dem Finanzamt erfolgreich angefochtenen Freispruchs nach § 259 Z 3 StPO sind.
Nach nunmehr geltender Rechtsprechung (verstärkter Senat des Obersten Gerichtshofs vom , 14 Os 127/90 = RZ 1993/47; 15 Os 90/91 und 14 Os 14/92) stehen die Finanzvergehen nach § 33 Abs. 1 und 2 lit a FinStrG zueinander im Verhältnis scheinbarer Konkurrenz, soweit diese beiden Vergehen Umsatzsteuerverkürzungen umfassen, die den gleichen Betrag und denselben Steuerzeitraum betreffen. Unter diesen Voraussetzungen würde die Annahme einer Realkonkurrenz beider Finanzvergehen zufolge § 21 Abs. 2 FinStrG im Ergebnis zu einer Doppelbestrafung desselben Täters wegen einer in Summe nur einmal bewirkten Verkürzung an Umsatzsteuer führen.
Diese Erwägungen gelten grundsätzlich auch für den vorliegenden Fall des Zusammentreffens des Finanzvergehens nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG mit jenem nach § 34 Abs. 1 FinStrG, soweit auch hier jeweils Umsatzsteuerverkürzungen mit Beziehung auf den gleichen Betrag und denselben Steuerzeitraum betroffen sind. Auch bei Zusammentreffen der Finanzvergehen nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG und § 34 Abs. 1 FinStrG gilt § 21 Abs. 2 FinStrG, sodaß auch bei dieser Konstellation der Annahme einer (echten) Realkonkurrenz eine Doppelbestrafung desselben Täters wegen einer von ihm in Wahrheit nur einmal herbeigeführten Verkürzung an Umsatzsteuer bezogen auf den gleichen Betrag und denselben Steuerzeitraum erfolgen würde. In diesem Fall kommt aber, anders als im Verhältnis des Finanzvergehens nach § 33 Abs. 1 zu jenem nach Abs. 2 lit a FinStrG, schon im Hinblick auf das mit höherer Strafe bedrohte Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG (vgl § 33 Abs. 5 FinStrG) eine Verdrängung dieses Finanzvergehens durch das mit geringerer Strafe bedrohten (§ 34 Abs. 4 FinStrG), bloß fahrlässig begangene nach § 34 Abs. 1 FinStrG nicht in Betracht. Der Unrechtsgehalt der vorsätzlich begangenen Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG wäre auch durch eine Unterstellung unter das, übrigens auch anders bezeichnete (s 14 Os 127/90) Delikt der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs. 1 FinStrG (wobei die fahrlässige Verwirklichung des § 33 Abs. 2 im Gegensatz zum Abs. 1 FinStrG im § 34 FinStrG ausdrücklich nicht genannt wird) keineswegs (vollständig) erfaßt (vgl Leukauf-Steininger Komm3 § 28 RN 24).
Hingegen kann ein Schuldspruch des Angeklagten wegen des Finanzvergehens nach § 34 Abs. 1 FinStrG (ein Schuldspruch nach § 33 Abs. 1 FinStrG scheidet angesichts der mängelfrei getroffenen, einen Vorsatz verneinenden Feststellungen des Erstgerichts zum Freispruchfaktum, aus) neben dem unbekämpft und unberührt gebliebenen Schuldspruch des Angeklagten wegen des Finanzvergehens nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG insoweit nicht erfolgen, als sich die nach den Verfahrensergebnissen des zweiten Rechtsganges allenfalls in Betracht kommende (durch den Angeklagten bewirkte) fahrlässige Abgabenverkürzung nach § 34 Abs. 1 FinStrG auf Umsatzsteuerbeträge erstreckt, die bereits vom Schuldspruch wegen des Finanzvergehens nach § 33 Abs. 2 lit a FinStrG erfaßt und mit diesen identisch sind.
Mit ihren Berufungen waren Staatsanwaltschaft und Finanzstrafbehörde auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.