OGH vom 27.11.2007, 10ObS124/07v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dieter F*****, vertreten durch Mag. Horst Fössl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Höhe der Invaliditätspension, über die „außerordentliche Revision" der klagenden Partei gegen das Urteil und den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 74/07m-48, womit aus Anlass der Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 18 Cgs 195/05f-34, teilweise als nichtig aufgehoben und die Klage und die Berufung teilweise zurückgewiesen wurden und im Übrigen der Berufung der klagenden Partei nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher
Sitzung
I) durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko
als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr als weitere Richter (Senat gemäß § 11a ASGG) den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rechtsmittel wird, soweit es sich als Rekurs gegen die teilweise Aufhebung des Ersturteils als nichtig und die teilweise Zurückweisung der Klage und der Berufung richtet, nicht Folge gegeben. II) durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter den Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision des Klägers wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Mit Bescheid vom hat die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch des Klägers auf Invaliditätspension ab dem anerkannt und ausgesprochen, dass die Pension ab dem EUR 197,62 (ab dem : EUR 200,58, ab dem : EUR 203,59) zuzüglich einer Ausgleichszulage von EUR 445,92 (ab dem : EUR 452,61, ab dem : EUR 459,40), gesamt EUR 643,54 (ab dem : EUR 653,19, ab dem : EUR 662,99) beträgt. In einem gesonderten Blatt 2 (Blatt 1 des Bescheides enthält den Spruch, die Belehrung über das Klagerecht sowie die Bezeichnung der aussprechenden Stelle) wurde der Kläger darüber informiert, dass die Nachzahlung für die Zeit von bis EUR 18.005,78 beträgt, dass der Betrag von EUR 17.242,04 - nach Abzug eines Krankenversicherungsbeitrages von EUR 763,74 - zur Verrechnung der Ersatzforderung für das Sozialamt einbehalten werde und dass der Kläger über die Verwendung des einbehaltenen Betrages noch eine Verständigung erhalten werde. Weiters wurde dem Kläger mitgeteilt, dass ab Juni 2005 ein Betrag von monatlich EUR 630,17 (nach Abzug eines Krankenversicherungsbeitrages von EUR 32,82) im Nachhinein zur Anweisung gelange. Schließlich war dem Bescheid eine Pensionsberechnung zum Stichtag angeschlossen. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Klage wandte sich der Kläger - nicht näher konkretisiert - gegen die Pensionsberechnung, die Bemessungsgrundlage und die Gesamtbemessungsgrundlage zum Stichtag, die Anzahl der leistungswirksamen Versicherungsmonate, die Beitragsmonate, den Steigerungsbetrag, den Krankenversicherungsbeitrag für die Zeit von bis sowie die Verrechnung der Ersatzforderung für das Sozialamt. Das Erstgericht hat dem Kläger die Invaliditätspension zuzüglich Ausgleichszulage wie im angefochtenen Bescheid zugesprochen, das Klagebegehren auf Leistung einer höheren Invaliditätspension abgewiesen und den Kläger verpflichtet, den Einbehalt von EUR 17.242,04 zur Verrechnung der Ersatzforderung für das Sozialamt zu dulden. Seiner Entscheidung legte das Erstgericht folgenden Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger stellte am einen Antrag auf Zuerkennung der Invaliditätspension.
Während der Prüfung des Antrags bezog der Kläger Sozialhilfe von der Stadt Wien. Der in der Zeit ab entstandene Sozialhilfeaufwand beläuft sich insgesamt auf EUR 13.689,73. Mit Verständigung vom und Bescheid vom wurden für Ersatzforderungen des Sozialhilfeträgers insgesamt EUR 18.935,28 einbehalten. Die endgültige Ersatzforderung für Sozialhilfeleistungen betrug EUR 13.689,73. Dieser Betrag wurde dem Magistrat der Stadt Wien überwiesen. Der verbleibende Restbetrag in der Höhe von EUR 5.245,55 wurde dem Kläger überwiesen.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht die Berechnung der Pensionsleistung durch und gelangte zu der im angefochtenen Bescheid festgehaltenen Pensionshöhe. Unter Bezugnahme auf die Bestimmungen der §§ 324 und 329 ASVG führte das Erstgericht aus, dass im Hinblick darauf, dass der Kläger über den hinaus Sozialhilfe im Gesamtausmaß von EUR 13.689,73 erhalten habe, ein dieser Sozialhilfeleistung entsprechender Betrag vom Nachzahlungsbetrag einzubehalten und dem Träger der Sozialhilfe zu überweisen gewesen sei.
Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung das Ersturteil, soweit es den Kläger verpflichtete, den Einbehalt von EUR 17.242,04 zur Verrechnung der Ersatzforderung für das Sozialamt zu dulden, sowie das dem zugrunde liegende Verfahren als nichtig auf und wies die Klage und die Berufung, soweit sie sich gegen den Abzug eines Krankenversicherungsbeitrages von EUR 763,74 von der Nachzahlung für die Zeit von bis in der Höhe von EUR 18.005,78 sowie gegen den Einbehalt des restlichen Nachzahlungsbetrages von EUR 17.242,04 zur Verrechnung der Ersatzforderung für das Sozialamt wenden, zurück; im Übrigen wurde der Berufung nicht Folge gegeben. Seiner rechtlichen Beurteilung legte es die Judikatur des Obersten Gerichtshofes zugrunde, wonach es sich bei der Überprüfung, an wen eine zuerkannte Leistung auszuzahlen sei, nicht um eine Sozialrechtssache iSd § 65 Abs 1 Z 1 ASGG handle; diese Frage sei der Jurisdiktion der ordentlichen Gerichte entzogen, abgesehen davon, dass der Abzug des Krankenversicherungsbeitrages sowie der Einbehalt des restlichen Nachzahlungsbeitrages nicht im Bescheidspruch, sondern nur in einer anhängenden Mitteilung festgehalten worden seien. Die diesbezügliche Klage und Berufung seien daher wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen; das diesbezügliche Urteil (Verpflichtung des Klägers zur Duldung des Einbehalts) und das dem zugrunde liegende Verfahren seien als nichtig aufzuheben. Im Übrigen sei die Berufung nicht berechtigt, weil der ausschließlich herangezogene Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (wegen Verletzung der Anleitungs- und Belehrungspflicht durch das Erstgericht) zu verneinen sei.
Die Revision sei nicht zulässig, da die Berufungsentscheidung der herrschenden oberstgerichtlichen Rechtsprechung entspreche. Gegen diese Entscheidung richtet sich das als „außerordentliche Revision" bezeichnete Rechtsmittel des Klägers, mit dem er sowohl den vom Berufungsgericht gefassten Beschluss als auch das Urteil bekämpft und beantragt, die angefochtene Entscheidung in ein gänzlich klagsstattgebendes Urteil abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Als Rechtsmittelgründe werden eine wesentliche Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.
Eine Gleichschrift der Rechtsmittelschrift wurde der beklagten Partei am zugestellt; sie hat sich am Rechtsmittelverfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht beteiligt.
In seinem Rechtsmittel wendet sich der Kläger gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass die Überprüfung der Auszahlung einer vom Sozialversicherungsträger zuerkannten Leistung nicht der Jurisdiktion der Gerichte unterliege; dies zeige sich schon anhand der vergleichbaren Streitigkeiten über die Aufrechnung von Leistungen des Sozialversicherungsträgers mit Ansprüchen des Sozialversicherers gegen den Leistungsempfänger: Streitigkeiten über die Rechtmäßigkeit einer Aufrechnung seien sehr wohl Sozialrechtssachen nach § 65 Abs 1 Z 1 ASGG, was auch für Auszahlungsstreitigkeiten zu gelten habe. Weiters habe das Erstgericht gegenüber dem Kläger seine Anleitungs- und Belehrungspflicht verletzt; die Verneinung dieses erstinstanzlichen Verfahrensmangel durch das Berufungsgericht bewirke eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und führe auch zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung.
Rechtliche Beurteilung
1. Zum Rekurs gegen den Beschluss des Berufungsgerichtes:
Der in der Entscheidung des Berufungsgerichtes enthaltene Beschluss, mit dem das Ersturteil und das vorangegangene Verfahren zum Teil als nichtig aufgehoben und die Klage und die Berufung teilweise zurückgewiesen wurde, ist jedenfalls anfechtbar (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO).
1.1. Der mögliche Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens in Sozialrechtssachen ist - außer in den Säumnisfällen (§ 67 Abs 1 Z 2 ASGG) - dreifach eingegrenzt durch Antrag, Bescheid und Klagebegehren (RIS-Justiz RS0105139; Fink, Die sukzessive Zuständigkeit 277; Neumayr in ZellKomm § 67 ASGG Rz 4; eingehend Fasching/Klicka in Tomandl, SV-System [9. ErgLfg 1997] 713 [6.4.]). Im Fall einer Bescheidklage muss im Zeitpunkt der Klagseinbringung ein Bescheid vorhanden sein (10 ObS 45/97h = SSV-NF 11/22), der über den der Sozialrechtssache zugrunde liegenden Anspruch des Versicherten ergangen ist.
Ein solcher Bescheid liegt im vorliegenden Fall aber nicht vor, ergingen doch die Hinweise über die Nachzahlung in Form einer dem Bescheid vom beigeschlossenen Verständigung, die keinen Bescheidcharakter aufweist.
Zwar muss eine anfechtbare Entscheidung des
Sozialversicherungsträgers nicht unbedingt unter der Bezeichnung
„Bescheid" ergangen sein; maßgeblich ist, dass sich der Inhalt der
Erledigung in eindeutiger Weise als eine Entscheidung oder Verfügung
darstellt, durch die Rechtsverhältnisse festgestellt oder begründet
werden sollen (10 ObS 11/87 = SSV-NF 1/3 = ZAS 1988/26, 198 [Müller];
10 ObS 88/91 = SSV-NF 5/36; RIS-Justiz RS0085681; Oberndorfer/Muzak
in Tomandl, SV-System [19. ErgLfg 2006] 655 [6.1.3.3.]). In diesem
Sinn wäre etwa eine „Verständigung", in der in Wirklichkeit über
einen Antrag des Versicherten dem Grunde nach abgesprochen wird, als
Bescheid anzusehen (10 ObS 2/01v = SZ 74/23 = SSV-NF 15/22; 10 ObS
1/02y = DRdA 2002/23, 302 [Fink] = SSV-NF 16/7; RIS-Justiz RS0085681
[T3]), weil hier der Versicherungsträger zum Ausdruck bringt, über
einen Antrag des Versicherten zu entscheiden und ihm nicht nur eine
Information zukommen zu lassen (Neumayr in ZellKomm, § 67 ASGG Rz 8).
Demgegenüber stellen bloße Mitteilungen oder Verständigungen des
Versicherungsträgers ohne einen erkennbaren Willen, damit eine
bindende Regelung für den Versicherten zu erlassen, keinen Bescheid
dar (RIS-Justiz RS0085557; Oberndorfer/Muzak in Tomandl, SV-System
[19. ErgLfg 2006] 655 [6.1.3.3.]), so etwa eine einem Bescheid
angeschlossene „Abrechnung" über die Verwendung einbehaltener Beträge
(10 ObS 11/87 = SSV-NF 1/3 = ZAS 1988/26, 198 [Müller]; 10 ObS 87/99p
= SSV-NF 13/52; 10 ObS 67/05h); hier steht die Information über die
faktische Verwendung im Vordergrund.
Einen solchen Charakter weist auch die vorliegende Verständigung auf, die ganz offensichtlich nicht vom Entscheidungswillen des Versicherungsträgers getragen ist.
Bereits aus diesem Grund erweist sich der Rekurs des Klägers als unberechtigt.
1.2. Im Übrigen ist in Bezug auf die Frage, ob es sich bei einer „Auszahlungsstreitigkeit" um eine Leistungssache iSd § 65 Abs 1 Z 1 ASGG handelt, Folgendes klarzustellen:
Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, sieht der 10. Senat des Obersten Gerichtshofes die Überprüfung der Auszahlung einer (dem Grunde und der Höhe nach unbestrittenen) Sozialversicherungsleistung
nicht als Leistungssache an (10 ObS 69/87 = SSV-NF 1/42; 10 ObS
180/01w = SSV-NF 15/93; RIS-Justiz RS0085474; Neumayr in ZellKomm § 65 ASGG Rz 10; aA Konecny, ecolex 1991, 263 aufgrund der Rechtslage vor der ASGG-Nov 1994, mit dem § 1 Z 11 EO eingeführt wurde). Dies gilt insbesondere (auch) dann, wenn ein Sozialhilfeträger von einem Sozialversicherungsträger Ersatz begehrt und letzterer Teile der von ihm zu erbringenden Leistung direkt an den Sozialhilfeträger auszahlt (10 ObS 182/97f = SSV-NF 12/11 uva). Seit der ASGG-Nov 1994 (BGBl 1994/624) beruft sich der Oberste Gerichtshof darauf, dass die leistungszuerkennenden Bescheide der Sozialversicherungsträger in § 1 Z 11 EO als Exekutionstitel genannt sind und daher der Rechtsschutz des Auszahlungsgläubigers ausreichend gewährleistet ist (10 ObS 108/00f; RIS-Justiz RS0085474 [T5] und [T8]; Fink, Die sukzessive Zuständigkeit im Verfahren in Sozialrechtssachen [1995] 654 ff). Nach Ansicht des 10. Senates nimmt der Sozialversicherungsträger in einem solchen Fall keine Aufrechnung vor, sondern überweist lediglich die Nachzahlungssumme auf dessen Ersuchen an einen Sozialhilfeträger statt an den im Bescheid genannten Leistungsberechtigten. Die Rechtslage ist insoweit nicht anders, als würde ein Versicherungsträger eine bestimmte Leistung mit Bescheid zuerkennen, jedoch in der Folge an den Versicherten nicht auszahlen: Auch hier steht keine „Liquidierungsklage" zur Verfügung (10 ObS 127/98v = SSV-NF 12/97).
Diese Ansicht wird auch vom Verwaltungsgerichtshof geteilt (VwGH 99/11/0217 mit Hinweis auf Müller, Wichtige Verfahrensfragen der Sozialgerichtsbarkeit in Leistungsstreitverfahren, DRdA 1997, 449 [454 ff]).
Demgegenüber geht es bei der Frage der Berechtigung einer Aufrechnung auf die von einem Versicherungsträger zu erbringenden Geldleistungen (§ 103 ASVG) um den Bestand oder den Umfang eines Anspruchs auf eine Versicherungsleistung, sodass nach der Judikatur des 10. Senates des Obersten Gerichtshofes insoweit eine Sozialrechtssache iSd § 65 Abs 1 Z 1 ASGG vorliegt (OGH 10 ObS 173/89 = SSV-NF 3/66 = SZ 62/96; RIS-Justiz RS0084111; Neumayr in ZellKomm § 65 ASGG Rz 11). Von dieser Rechtsprechung ist zuletzt der 3. Senat des Obersten Gerichtshofes in einem eine Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückweisenden Beschluss (teilweise) abgewichen (3 Ob 248/05z = Zak 2006/415, 239), indem für die Fälle des § 324 Abs 1 ASVG eine Bescheidpflicht des Versicherungsträgers bejaht wurde; die dort zu beurteilende Oppositionsklage des Sozialversicherungsträgers sei schon deshalb abzuweisen gewesen, weil kein Bescheid des klagenden Versicherungsträgers über die Aufrechnung, als die die Auszahlung an den Sozialhilfeträger in Wirklichkeit anzusehen sei (§ 329 ASVG), vorgelegen sei. Der 3. Senat hat sich dabei auf Teschner/Widlar/Pöltner, ASVG § 324 Anm 1 (ebenso § 329 Anm 3 und § 367 Anm 5) berufen, ist aber auf die im Übrigen gegenteilige Lehre nicht eingegangen (Fink, Die sukzessive Zuständigkeit 654 ff; die Rechtsprechung des 10. Senats ohne Kritik referierend Kuderna, ASGG2 [1996] 428, Fasching/Klicka in Tomandl, SV-System [15. ErgLfg 2003] 721 [6.4.1.3.1. FN 1a], Neumayr in ZellKomm [2006] § 65 ASGG Rz 10). Insbesondere Fink (Die sukzessive Zuständigkeit 656 f) hat überzeugende Praktikabilitäts- und verfassungsrechtliche Argumente vorgebracht, wonach jedenfalls seit dem Inkrafttreten des § 1 Z 11 EO Streitigkeiten über die Auszahlung bescheidmäßig zuerkannter Leistungen keine Sozialrechtsrechtssachen iSd § 65 Abs 1 ASGG sind. Insbesondere wäre ein Wahlrecht zwischen gerichtlicher Zwangsvollstreckung und Feststellungsanspruch im Verfahren in Leistungssachen wenig zweckmäßig; eine solche „Zweispurigkeit" würde Koordinationsschwierigkeiten geradezu vorprogrammieren. Verfassungsrechtliche Bedenken sieht er darin, dass es der aus dem Bescheid Berechtigte in der Hand hat, die Frage des Erlöschens bzw der Hemmung seiner Forderung entweder vom Sozialversicherungsträger entscheiden zu lassen oder die gerichtliche Exekution zu beantragen, derzufolge dieselbe Frage sodann im Rahmen einer Oppositionsklage unmittelbar von den Gerichten entschieden würde. In diesem Sinn kommt Fink zum Ergebnis, dass der sachliche Anwendungsbereich des § 65 Abs 1 Z 1 ASGG im Hinblick auf § 1 Z 11 EO in restriktiver Auslegung auf die „Kernfragen" des Leistungsverhältnisses einzuschränken sind; Streitigkeiten über die Auszahlung bescheidmäßig zuerkannter Leistungen gehören nicht (mehr) dazu.
Demgegenüber gehen Teschner/Widlar/Pöltner, (ASVG [87. ErgLfg] § 324 Anm 1) nach wie vor davon aus, dass der Leistungsberechtigte, gäbe es keinen Bescheid über den „Abzug", keine Möglichkeit hätte, sich gegen einen vermeintlich ungerechtfertigten Abzug von der Geldleistung zu wehren. Diese Ansicht ist seit dem Inkrafttreten des § 1 Z 11 EO als überholt anzusehen.
Der 10. Senat sieht daher ungeachtet der teilweise abweichenden Meinung des 3. Senats keine Veranlassung, von seiner bisherigen Rechtsprechung abzurücken.
1.3. Zu Recht hat daher das Berufungsgericht aus Anlass der Berufung des Klägers das Ersturteil, soweit es den Kläger verpflichtete, den Einbehalt von EUR 17.242,04 zur Verrechnung der Ersatzforderung für das Sozialamt zu dulden, sowie das dem zugrundeliegende Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage und die Berufung, soweit sie sich gegen den Abzug eines Krankenversicherungsbeitrages von EUR 763,74 von der Nachzahlung von bis in der Höhe von EUR 18.005,78 sowie gegen den Einbehalt des restlichen Nachzahlungsbetrages von EUR 17.242,04 zur Verrechnung der Ersatzforderung für das Sozialamt wenden, zurückgewiesen.
2. Zur Revision des Klägers:
Bereits in der Berufung geltend gemachte Mängel des Verfahrens erster Instanz, die das Berufungsgericht verneint hat, können nach ständiger Rechtsprechung - auch in Verfahren nach dem ASGG - im Revisionsverfahren nicht mehr mit Erfolg aufgegriffen werden (RIS-Justiz RS0042963 [T45] und RS0043061; Kodek in Rechberger3 § 503 ZPO Rz 9). Dies gilt auch für eine unter dem Gesichtspunkt der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erster Instanz gerügte Verletzung der richterlichen Anleitungspflicht (RIS-Justiz RS0043172 [T2]). Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.