VfGH vom 27.02.1989, B1361/88
Sammlungsnummer
11957
Leitsatz
Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung zu einem Schenkungsvertrag zwischen Ausländern, in Vorwegnahme der gesetzlichen Erbfolge; keine denkunmögliche Gesetzesanwendung; keine Bedenken gegen die Zusammensetzung der Landesgrundverkehrsbehörde im Hinblick auf Art 6 MRK; kein Verstoß gegen Art 6 MRK durch Unterlassen einer öffentlichen mündlichen Verhandlung
Spruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Schenkungsvertrag vom 21./26.5./ übertrug G C die ihm gehörige Liegenschaft EZ 601 GB Kitzbühel-Stadt an seine Ehegattin N C und an seine Kinder F C und S W je zu 1/3 Anteilen unter Vorbehalt des lebenslänglichen Fruchtgenußrechtes mit der Auflage an seine Kinder, an ihren ideellen Drittelanteilen seiner Ehegattin das unentgeltliche lebenslängliche Fruchtgenußrecht zu bestellen. Diese Schenkung erfolge in Vorwegnahme der gesetzlichen Erbfolge.
Sämtliche Vertragsparteien sind ausländische Staatsangehörige.
2.1. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Kitzbühel vom wurde diesem Rechtserwerb gemäß § 3 Abs 1 lita iVm § 4 Abs 2 lita des Grundverkehrsgesetzes 1983, LGBl. für Tirol Nr. 69/1983 (künftig: GVG), die Zustimmung verweigert.
2.2. Mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Z LGv-408/4-87, wurde die von sämtlichen Vertragspartnern erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt:
"Der nur allgemein formulierte Inhalt des § 4 Abs 2 1.Satz wird ... durch die lita und b dieser Gesetzesstelle näher erläutert ... Liegt einer der im § 4 Abs 2 lita oder b GVG demonstrativ aufgezählten Fälle vor, so bedarf es keiner weiteren Prüfung der Interessenslage im Sinne des 1.Satzes des § 4 Abs 2, weil der Widerspruch zu den dort genannten Interessen in den Beispielsfällen vom Gesetz unwiderleglich vermutet wird ...
Wohl hat die Grundverkehrsbehörde I.Instanz in der Begründung des angefochtenen Bescheides bei der Auslegung des Begriffes 'Überfremdung' auf die Regelung des 1.Halbsatzes des § 4 Abs 2 GVG ('Generalklausel') Bezug genommen und entsprechende Begründungselemente zur Stützung des angefochtenen Bescheides herangezogen. Die erkennende Behörde geht allerdings davon aus, daß den in der erstinstanzlichen Entscheidung enthaltenen allgemeinen Ausführungen über das Bestehen einer Überfremdungsgefahr bzw. den aufgezeigten generalpräventiven Überlegungen bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides auf seine Rechtmäßigkeit keine wesentliche Bedeutung zukommt. Konnte nämlich die Behörde I.Instanz zu Recht davon ausgehen, daß die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 lita GVG vorliegen, so war die Versagung der Zustimmung durch den angefochtenen Bescheid nicht rechtswidrig.
Die Landesgrundverkehrsbehörde kann in diesem Zusammenhang nicht finden, daß bei dem in der Begründung des angefochtenen Bescheides aufgezeigten (Miß-)Verhältnis zwischen der Anzahl der inländischen und ausländischen Grundbesitzer in der Gemeinde Kitzbühel bzw. dem bereits gegebenen Ausmaß des ausländischen Grundbesitzes der Behörde I.Instanz der Vorwurf gemacht werden kann, sie habe zu Unrecht angenommen, daß in dieser Gemeinde eine Überfremdung einzutreten drohe; vielmehr ist davon auszugehen, daß diese Überfremdung bereits eingetreten ist (vergl. in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse des VfGH. vom , Zl. B202/83, und Zl. B667783 (richtig wohl: B667/83), sowie insbesondere vom , Zl. B68/86-10, in dem es das Höchstgericht unter dem Blickwinkel der Prüfung einer allfälligen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte als zulässig erachtet hat, eine 'Überfremdung' für die Stadtgemeinde Kitzbühel anzunehmen). Da der Tatbestand des § 4 Abs 2 lita GVG immer schon dann anzunehmen ist, wenn infolge Versagung der Zustimmung die bloße Möglichkeit begründet wird, einer aus welchen Gründen immer eingetretenen Überfremdung entgegenzuwirken, war es daher nicht rechtswidrig, wenn die Grundverkehrsbehörde I.Instanz den vorliegenden Rechtserwerben die Genehmigung versagte.
Entgegen der Meinung der Berufungswerber war von der Grundverkehrsbehörde I.Instanz bei ihrer Entscheidung auch nicht darauf Bedacht zu nehmen, daß die in Frage stehende Liegenschaft auf die Geschenknehmer im Erbwege übergehen konnte, ohne daß es einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürfte (vergl. hiezu das Erk. des VfGH. vom , Zl. B502/82-13).
... Es findet sich aber auch kein Verfassungsgebot, demzufolge ein naher Verwandtschaftsgrad der Person(en), zwischen denen der Rechtserwerb stattfindet, den Gesetzgeber hindern würde, eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung daran zu binden, daß ein Rechtserwerb den im § 4 Abs 2 geschützten öffentlichen Interessen nicht widersprechen darf (VfGH-Erk. vom , B444/85-13).
Keine Relevanz konnte schlußendlich auch dem nach der Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes (vergl. etwa das Erk. vom , B229/86-9) an sich zu beachtenden Umstand zukommen, daß es sich bei einer der Rechtserwerberinnen um die Ehegattin des Geschenknehmers (gemeint wohl: Geschenkgebers) handelt, weil der zur Genehmigung vorgelegte Schenkungsvertrag zum einen als untrennbares Ganzes angesehen werden muß ...; zum anderen es den Verwaltungsbehörden im antragsbedürftigen Verfahren verwehrt ist, einem Parteienbegehren eine Deutung zu geben (hier: gesonderter Abspruch über die einzelnen Rechtserwerbe), die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht erschlossen werden kann (so auch VwGH. in seinem Erkenntnis vom , Slg. 10179 A)."
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und nach Art 6 MRK geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1.1. Die Beschwerdeführer behaupten zunächst, der angefochtene Bescheid verletze sie im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums. Die belangte Behörde habe die Besonderheiten des vorliegenden Falles unberücksichtigt gelassen und damit das Gesetz denkunmöglich angewendet. Eine Vergrößerung des ausländischen Liegenschaftsbesitzes sei schon deshalb ausgeschlossen, weil auch der Geschenkgeber ausländischer Staatsangehöriger sei. Die Grundverkehrsbehörde hätte auch berücksichtigen müssen, daß der Schenkungsvertrag nur eine Vorwegnahme der Erbfolge beabsichtige; es sei sachlich nicht zu rechtfertigen, eine Regelung des Vermögensüberganges auf die Ehegattin und die Kinder bei Lebzeiten ohne zureichende Begründung zu verhindern. Wie im Erkenntnis VfSlg. 10935/1986 werde einem für sich gesehen unbedenklichen Rechtserwerb ausschließlich aus generalpräventiven Gründen die Zustimmung versagt. Auch im vorliegenden Fall sei der Landesgrundverkehrsbehörde daher eine denkunmögliche Gesetzesanwendung anzulasten.
4.1.2. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiell-rechtlicher Hinsicht auf § 4 Abs 2 lita GVG. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Gesetzesstelle (vgl. VfSlg. 6546/1971, 7274/1974, 8436/1978, 8501/1979, 10688/1985, 10935/1986) könnte die behauptete Grundrechtsverletzung nur im Falle einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung stattgefunden haben. Auch das ist jedoch offenkundig nicht der Fall. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits im Erkenntnis VfSlg. 10688/1985 dargelegt hat, können die hier in Rede stehenden Umstände (Familienverhältnis, Durchsetzung im Erbwege) nichts daran ändern, daß die Behörde den Rechtserwerb an Hand der Bestimmungen des GVG und der darin normierten öffentlichen Interessen zu messen hat. Der Verfassungsgerichtshof hat im eben zitierten Erkenntnis auch bereits ausgesagt - und dies gilt auch für den vorliegenden Fall -, daß im Hinweis der Behörde, sie habe bei ihrer Entscheidung nicht darauf Bedacht nehmen können, daß die in Rede stehende Liegenschaft im Erbwege auf die Gattin und die Kinder des Geschenkgebers übergehen würde, ohne daß es einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedürfe, keine denkunmögliche Gesetzesanwendung erblickt werden kann. Die belangte Behörde verweist in der Gegenschrift auch zu Recht auf das Erkenntnis VfSlg. 10895/1986, in welchem ausgesagt wurde, daß es auch keineswegs abwegig ist, wenn die Grundverkehrsbehörde einem Ausländer die Zustimmung zum Rechtserwerb wegen drohender Überfremdung untersagt, obwohl auch sein Rechtsvorgänger die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besaß.
Eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes kann der belangten Behörde somit offenkundig nicht angelastet werden.
4.2.1. Die Beschwerdeführer behaupten weiters, der angefochtene Bescheid verstoße gegen Art 6 MRK. Diese Bestimmung gewährleiste verfassungsgesetzlich einen Anspruch auf rechtliches Gehör. Die belangte Behörde habe gegen dieses Verfassungsgebot verstoßen, da sie ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durchgeführt, die Beschwerdeführer hierüber jedoch nicht informiert habe. Es müsse daher angenommen werden, daß die Verfahrensergebnisse zu einer Bestätigung der Angaben der Beschwerdeführer geführt haben. Dazu komme, daß die belangte Behörde von einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen habe. Dieses Vorgehen verstoße gegen das Recht der Beschwerdeführer auf ein fair trial, welches garantiere, daß die Parteien eines Verfahrens ihre Rechte effektiv verfolgen können. Dagegen verstoße es, wenn eine Behörde Verfahrensergebnisse, die ihren Intentionen nicht entsprächen, einfach negiere.
Dazu komme, daß die belangte Behörde so zusammengesetzt sei, daß sie von den Kammern Tirols dominiert werde, was Art 6 MRK widerspreche.
4.2.2. Der Verfassungsgerichtshof verweist zunächst auf sein Erkenntnis VfSlg. 10639/1985 (Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der lita, c, d, e und f in der Z 1 sowie der lita und des Buchstaben "c" in der litb der Z 2 des § 13 Abs 4 GVG). Soweit über damals aufgeworfene verfassungsrechtliche Bedenken abgesprochen wurde, besteht Rechtskraft; der vorliegende Beschwerdefall bietet keinerlei Anlaß, gegen die Bestimmungen über die Zusammensetzung der Landesgrundverkehrsbehörde verfassungsrechtliche Bedenken anderer Art aufzuwerfen.
Auch die unter Berufung auf Art 6 MRK gegen den Vollzug gerichteten Vorwürfe sind offenkundig unbegründet. Nach der Aktenlage kann keine Rede davon sein, daß die belangte Behörde Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Entscheidung maßgeblich sind, in einer ein faires Verfahren verletzenden Weise außer acht gelassen oder negiert hätte. Mit Recht weist die belangte Behörde in der Gegenschrift auch darauf hin, daß sich der angefochtene Bescheid ausschließlich auf § 4 Abs 2 lita GVG stützt, der - wie bereits dargelegt - jedenfalls nicht denkunmöglich angewendet wurde. Ein Verstoß gegen Art 6 MRK kann auch im Unterlassen einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht erblickt werden (vgl. hiezu insbes. ).
Auch die behauptete Verletzung des Art 6 MRK trifft somit nicht zu.
4.3. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.