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OGH vom 23.02.1994, 7Ob621/93

OGH vom 23.02.1994, 7Ob621/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Pepi R*****, vertreten durch Dr.Roland Pescoller und Dr.Peter Pescoller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei G***** & Co Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hans Pfersmann, Rechtsanwalt in Wien, sowie die auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten 1. S***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Alfred Strobl, Rechtsanwalt in Wien, und 2. Z-***** AG, ***** vertreten durch Dr.Wolfgang Boesch, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 535.000,-- s.A., infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den in den Spruch des folgend genannten Urteiles aufgenommenen Berichtigungsbeschluß und infolge Revisionen beider Streitteile gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 262/92-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 16 Cg 152/90-27, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung 1.) den

Beschluß

gefaßt:

Dem Rekurs der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag auf Zuspruch von Rekurskosten wird abgewiesen.

2.) zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben und die Entscheidung des Erstgerichtes in ihrer vom Berufungsgericht berichtigten Fassung wiederhergestellt.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 42.895,25 (davon S 7.149,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 38.365,60 (davon S 4.394,27 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger bevollmächtigte am mit einem Maklervertrag die beklagte Partei auf unbestimmte Zeit, seine Versicherungsinteressen zu vertreten. Diese Vollmacht erstreckte sich auch auf die Regulierung von Schadensfällen. Die beklagte Partei betreibt in Innsbruck eine Niederlassung. Dem mit Dienstvertrag vom aufgenommenen Harald S***** wurde von der beklagten Partei die selbständige Leitung dieser Filiale übertragen. Laut Dienstvertrag sollte ihm eine weitgehend eigenständige und eigenverantwortliche Tätigkeit zukommen. S***** erhielt den Diensttitel "Disponent mit Handlungsvollmacht". Es wurde ihm aber vom Geschäftsführer der beklagten Partei verboten, die finanziellen Transaktionen der Kunden durchzuführen und Zahlungen für sie entgegenzunehmen. Er durfte Schriftstücke nur mit einem zweiten hiezu Bevollmächtigten unterzeichnen. Tatsächlich befand sich in der Außenstelle Innsbruck kein gesetzlicher Vertreter der beklagten Partei. Sowohl der Geschäftsführer als auch der Prokurist der beklagten Partei waren in Wien. Die Filiale in Innsbruck war nicht protokolliert. Tatsächlich zeichneten bei der täglichen Geschäftsführung die Mitarbeiter der beklagten Partei in Innsbruck deren Briefe einfach. Darüber hinaus hat S***** schon vor den gegenständlichen Vorfällen bereits mit anderen Kunden die finanzielle Endabwicklung von Versicherungsfällen in die eigene Hand genommen. Da er auf Firmenkonten der beklagten Partei nicht zeichnungsberechtigt war, veranlaßte er die Versicherer seiner Kunden, die Versicherungsleistungen entweder auf sein Privatkonto zu bezahlen, oder überbrachte Schecks, die auf die Versicherungsleistung ausgestellt waren. Schon vor dem streitgegenständlichen Versicherungsfall hatte Sestak aus einem anderen Versicherungsfall dem Kläger die finanzielle Abwicklung verschafft und auch über ihn persönlich zugezählt.

Der Kläger hatte sein Lokal "Club L***** C*****" in K***** bei der S***** Versicherungs-AG (im folgenden S*****) gegen Feuerrisiko und Betriebsunterbrechung versichert. Nach einem Brand in diesem Lokal im April 1987 beauftragte er die Geschäftsstelle der beklagten Partei in Innsbruck, wobei er S***** ansprach, mit der gesamten Abwicklung dieses Versicherungsfalles. S***** handelte die einzelnen Versicherungsleistungen aus und erhielt dann entsprechende Entschädigungsquittungen der S***** zugesandt. Da eine der Versicherungssummen vinkuliert war, beauftragte der Kläger S***** mit der Erhebung des entsprechenden Kontos, damit die Entschädigungsleistung darauf überwiesen werden konnte. Hinsichtlich einer dem Kläger allein zukommenden Restentschädigung von S 735.000,-- präsentierte S***** dem Kläger die vorbereitete Entschädigungsquittung der S*****, in der der Vordruck "Überweisung erbeten an: ..." unausgefüllt geblieben war und darauf hingewiesen wurde, daß bereits S 250.000,-- akontiert worden sind. Der Kläger unterfertigte diese Entschädigungsquittung ohne Ergänzung, worauf S***** ohne Wissen des Klägers an der freigebliebenen Stelle sein Privatkonto bei der L***** Innsbruck einsetzte, obgleich er dieses gegenüber der Bank als Konto des Klägers deklarierte. Da die Abwicklung des Schadensfalles im Gange war, beachtete der Kläger den Hinweis auf die Akontierung nicht weiter. Der Kläger hat S***** voll vertraut. S***** hat dem Beklagten von dieser Entschädigung in zwei gleichen Teilbeträgen S 200.000,-- zukommen lassen. Wegen dieser auch in anderen Schadensabwicklungsfällen von S***** praktizierten Methoden beendigte die beklagte Partei das Beschäftigungsverhältnis im Dezember 1987. S***** ist nach Behebung der auf sein Konto geflossenen Entschädigungssumme des Klägers untergetaucht und ist nach wie vor flüchtig.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bezahlung von letztlich S 535.000,-- s.A. und brachte vor, diese mit der Regulierung seines Brandschadens beauftragt zu haben. Seine Feuer- und Betriebsunterbrechungsversicherung habe am einen Entschädigungsbetrag von S 735.000,-- an die Beklagte bezahlt. Der Disponent der Beklagten S***** habe eigenmächtig und ohne Wissen des Klägers sein eigenes Bankkonto in die Entschädigungsquittung eingesetzt und von der erhaltenen Summe dem Kläger nur S 100.000,-- (im Sinne der Protokollberichtigung vom ON 33 richtig S 200.000,--) ausgefolgt. Die beklagte habe ihre Aufsichts- und Sorgfaltspflicht gegenüber S***** verletzt, weil sie nicht überprüft habe, ob das von der S***** überwiesene Geld auch an den Kläger weitergeleitet werde.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung und wendet ein, daß der Entschädigungsbetrag der S***** auf das vom Kläger bezeichnete Konto, nämlich das des Harald S***** geflossen sei. Letzterer habe den Entschädigungsbetrag veruntreut. Der Kläger habe sich den erlittenen Nachteil sohin selbst zuzuschreiben. Zwischen dem Kläger und S***** liege ein offenkundiges Zusammenspiel vor.

Die auf seiten der Beklagten als Nebenintervenientin beigetretene S***** wendete ein, daß bei der Kontonummer auf der Entschädigungsquittung kein Name des Empfängers angegeben gewesen sei.

Die ebenfalls auf seiten der Beklagten eingetretene Z-*****bank ***** wendete ein, ihrem Zweigstellenleiter sei bei der Anweisung die Diskrepanz zwischen Empfänger und dem Kontoinhaber aufgefallen. Eine Nachfrage beim Handlungsbevollmächtigten der beklagten Partei S***** habe aber ergeben, daß der Kläger mit dieser Vorgangsweise einverstanden sei.

Das Erstgericht sprach dem Kläger S 635.000,-- s.A. unter Abweisung eines nicht mehr revisionsgegenständlichen Zinsenbegehrens zu. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß S***** als Handlungsbevollmächtigter der Beklagten gemäß § 54 HGB und Art. 6 Nr. 10 der 4.EVzHGB und § 1008 ABGB namens der Beklagten Geldvollmacht gehabt habe. Beschränkungen von S***** Vollmacht habe der Kläger nicht gekannt und brauche er auch nicht gegen sich gelten zu lassen. Der zwischen dem Kläger und der Beklagten abgeschlossene Maklervertrag enthalte zwar keine ausdrückliche Regelung über einen Geldempfang der Beklagten namens des Klägers. S***** habe aber namens der Beklagten dem Kläger die Geldabwicklung angetragen, sodaß zwischen den Streitteilen eine Vereinbarung in diesem Sinne zustandegekommen sei. Obwohl S***** für die Beklagte nur kollektivvertretungsbefugt gewesen sei, habe die Beklagte für die von S***** allein abgeschlossenen Vereinbarungen einzustehen, weil ihr Verhalten darauf schließen ließe, daß sie S***** Einzelvollmacht erteilt habe. Die Beklagte habe nämlich gegenüber Kunden in Tirol den Rechtsschein ge setzt, daß S***** ihr Geschäftsführer in Innsbruck sei. Die Beklagte hafte für die Erfüllung des Inkassoauftrages trotz der Veruntreuung des Geldbetrages durch ihren früheren Mitarbeiter S***** nach § 1313a ABGB.

Das Berufungsgericht gab mit der angefochtenen Entscheidung der Berufung der Beklagten nur teilweise Folge, wobei es vorerst das Urteil des Erstgerichtes iS des Protokollberichtigungsbeschlusses des Erstgerichtes vom , ON 33, dahin berichtigte, daß der Zuspruch von S 635.000,-- s.A. auf S 535.000,-- reduziert wurde; davon ausgehend bestätigte es den Zuspruch von S 428.000,-- s.A. und wies das Mehrbegehren von S 107.000,-- ab. Es erklärte die Revision für zulässig. Die zweite Instanz teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Beklagte den von S***** erweckten Eindruck, alleiniger Handlungsbevollmächtigter für die Filiale Innsbruck zu sein, gegen sich gelten lassen müsse, und daß S***** in diesem Umfang auch zum Geldempfang berechtigt gewesen sei. Der vom Kläger der Beklagten erteilte Maklerauftrag habe sie zur gesamten Schadensabwicklung bevollmächtigt. Die Handlungsvollmacht S***** habe auch eine Inkassovollmacht umfaßt. Die Beklagte habe die von der S***** an S***** überwiesenen Entschädigungssummen aufgrund des Vertrages mit dem Kläger auch dann herauszugeben, wenn sie aufgrund der Malversationen S***** nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Beklagte hafte für das Fehlverhalten S***** nach § 1313a ABGB. Die Behauptung der Beklagten, daß sich der Kläger seinen Nachteil zufolge eigener auffallender Sorglosigkeit selbst zuzuschreiben habe, könne nicht als Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches, wohl aber als Einwand des Alleinverschuldens, der den Herausgabeanspruch des Klägers vernichten solle, gewertet werden. Einen solchen Schulderlöschungsgrund kenne aber das österreichische Recht nicht. Jeder Alleinverschuldenseinwand umfasse aber auch den eines Mitverschuldens. Die Malversationen S***** hätten beiden Streitteilen Schaden zugefügt. Schon aus diesem Grund müßten schadenersatzrechtliche Gesichtspunkte mitberücksichtigt werden, sodaß aufgrund der dem Klager zur Last zu legenden Sorglosigkeit, die einer Selbstschädigung nahekomme, die Schadensteilungsregeln nach § 1304 ABGB heranzuziehen seien. Da das Fehlverhalten des Klägers aber geringer als jenes S***** einzustufen sei, habe er sich am eingetretenen Schaden nur mit einem Fünftel zu beteiligen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Berichtigung des Ersturteils erhobene Rekurs des Klägers ist nicht berechtigt.

Die gegen das Berufungsurteil erhobene Revision des Klägers ist berechtigt, jene der Beklagten nicht.

1.) Zum Rekurs des Klägers:

Das Erstgericht hat mit Beschluß vom , sohin nach Urteilsfällung (der klagenden Partei zugestellt am ) das Protokoll vom AS 153 dahin berichtigt, daß der modifizierte/eingeschränkte Klagsbetrag auf S 535.000,-- zu lauten hat (ON 33). Dementsprechend hat das Berufungsgericht das Ersturteil im Rahmen der angefochtenen Entscheidung in diesem Sinn berichtigt. Der vom Kläger gegen den Protokollberichtigungsbeschluß erhobene, am beim Erstgericht eingelangte Rekurs wurde vom Erstgericht mit Beschluß vom (ON 36) als verspätet zurückgewiesen. Dem gegen diese Entscheidung vom Kläger erhobenen Rekurs wurde vom Berufungs- als Rekursgericht mit Beschluß vom keine Folge gegeben (ON 41). Da im Berichtigungszeitpunkt das Ersturteil bereits zugestellt gewesen sei, komme der Grundsatz, daß Berichtigungsbeschlüsse nur mit dem nächsten selbständigen Rechtsmittel erhoben werden können, hier nicht zum Tragen, der Rekurs gegen den Protokollberichtigungsbeschluß wäre daher innerhalb von 14 Tagen ab seiner Zustellung anzufechten gewesen, was der Kläger aber, der dieses Rechtsmittel erst mit der Erhebung der Revision verbunden habe, versäumt habe. Zum Zeitpunkt der mündlichen Berufungsverhandlung am war daher der Protokollberichtigungsbeschluß des Erstgerichtes bereits rechtskräftig. Dementsprechend war das Berufungsgericht gemäß § 419 Abs 2 ZPO zu einer Berichtigung des Ersturteiles im Sinne des Protokollberichtigungsbeschlusses verpflichtet.

2.) Zu den beiden Revisionen:

Der (selbständige) Versicherungsmakler wird im § 93 HGB als Unterart des Handelsmäklers genannt und unterliegt daher den allgemeinen Vorschriften, die diesen treffen. Der Versicherungsmaklervertrag ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Er ist nach Lehre und Rechtsprechung ein Geschäftsbesorgungsvertrag, bei dem die Werkvertragselemente überwiegen. Gemeiniglich ist die Beratung im Versicherungsfall durch Überwachung der Schadensregulierung Gegenstand des Maklervertrages. Ohne eine spezielle Bevollmächtigung ist der Versicherungsmakler nicht berechtigt, den Versicherungsnehmer während des Versicherungsverlaufes aktiv oder passiv zu vertreten; er darf dann keine Wissens- und Willenserklärungen für diesen entgegennehmen oder abgeben und auch nicht den Schaden kassieren. Anders verhält sich dies, wenn dem Versicherungsmakler eine Vollmacht erteilt wird (vgl. Bruck-Möller VVG8 vor §§ 43 bis 48 Anm.43). Die Bevollmächtigung des Versicherungsmaklers zum Inkasso bei der Schadensabwicklung ist nicht unüblich. Der Kläger hat laut Absatz 2 der erteilten Vollmacht die Beklagte zur Regulierung von Schadensangelegenheiten bevollmächtigt, wobei nach Punkt II des Maklervertrages die letzte Entscheidung über die Austragung von Schadensfällen ihm vorbehalten bleiben sollte. Damit wurde der Beklagten eine Verhandlungs-, aber noch keine Inkassovollmacht erteilt. Tatsächlich muß sich aber die Beklagte auch die von S***** in Anspruch genommene Inkassovollmacht zurechnen lassen. Wurde ein Mitarbeiter zum Betrieb des Handelsgewerbes oder zur Vornahme einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörenden Art von Geschäften oder zur Vornahme einzelner zu einem Handelsgewerbe gehöriger Geschäfte ermächtigt, so erstreckt sich die Vollmacht auf alle Geschäfte und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Handelsgewerbes oder die Vornahme derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Ein Dritter braucht nach § 54 Abs. 3 HGB Beschränkungen der Handlungsvollmacht nur dann gegen sich gelten lassen, wenn er sie kannte oder kennen mußte. Die beklagte Partei räumte S***** eine weitgehende eigenständige und eigenverantwortliche Tätigkeit ein und betraute ihn mit der selbständigen Leitung ihrer Betriebsstätte in Innsbruck. Intern beschränkte sie jedoch diese Handlungsvollmacht dahin, daß S***** nur mit einem vertretungsbefugten Organ der Beklagten in Wien gemeinsam zeichnen und keine finanziellen Transaktionen abwickeln durfte. Obwohl die Fertigung des Maklervertrages seitens der Beklagten durch zwei Personen erfolgte, mußte dem Kläger aus diesem Umstand allein noch nicht klar sein, daß der Leiter der Innsbrucker Filiale nicht alleinvertretungsbefugt ist, zumal nur bei genauer Betrachtung die in die Firmenstampiglie der Beklagten eingesetzten Schriftzeichen als zwei Unterschriften erkennbar sind. Selbst wenn ein Handlungsbevollmächtigter nur mit einem anderen Handlungsbevollmächtigten oder Prokuristen gemeinsam vertreten darf, schließt dies nicht aus, daß dem betreffenden Handlungsbevollmächtigten durch schlüssiges Verhalten eine Einzelvertretungsmacht erteilt wird (vgl. SZ 56/7). Auch eine Geldvollmacht kann konkludent erteilt werden (vgl NZ 1980, 174).

Eine durch Erklärung Dritten gegenüber erteilte Handlungsvollmacht liegt vor, wenn der Inhaber des Handelsgewerbes einem Mitarbeiter nach außen hin eine Stellung und Befugnisse eingeräumt hat, die nach den Anschauungen des Verkehrs auf das Bestehen einer zur Ausfüllung dieser Befugnisse erforderlichen Handlungsvollmacht schließen läßt. Wird ein Mitarbeiter zum Leiter eines Zweigbetriebes bestellt, liegt darin jedenfalls die Erteilung einer Handlungsvollmacht für die dort routinemäßig anfallenden Geschäfte. Entscheidend ist, ob die Übertragung von Aufgaben an einen Mitarbeiter des Inhabers des Handelsgewerbes durch diesen nach den Anschauungen des Verkehrs als objektiver Ausdruck des Willens des Inhabers auf Übertragung der entsprechenden Handlungsvollmacht zu werten ist. Gegen die Annahme der Erteilung einer Handlungsvollmacht durch schlüssiges Handeln spricht nicht, daß der Inhaber des Handelsgewerbes seinem Mitarbeiter im Innenverhältnis gewisse Handlungen verboten hat. Maßgebend ist nicht das Innenverhältnis, sondern der Erklärungswert des Verhaltens des Inhabers Dritten gegenüber (vgl. Schlegelberger, HGB I5 § 54 Rz 6).

Ob es sich um ein "gewöhnliches" Geschäft handelt, ist nach den Umständen des einzelnen Falles zu beurteilen. Dabei ist einerseits auf die Branche abzustellen, andererseits gelten nach § 344 HGB die von einem Kaufmann, also auch die von dem Handlungsbevollmächtigten in Vertretung des Kaufmanns vorgenommenen Rechtsgeschäfte im Zweifel als zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehörig. Kraft Gesetzes erstreckt sich die Handlungsvollmacht hinsichtlich der übertragenen Geschäfte darauf, daß der Handlungsbevollmächtigte mit Wirkung für und gegen den Vollmachtgeber bei Abschluß und Durchführung alle Rechtshandlungen und Geschäfte vornehmen kann, die die Einleitung, der Abschluß, die Durchführung und die Abwicklung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt. Dazu gehört das Aushandeln der Vertragsbedingungen für Geschäfte, die Ausübung der Rechte des Inhabers des Handelsgewerbes einschließlich der Abgabe rechtserheblicher Erklärungen in Ansehung der Geschäfte. Hiezu kann nach Lage des Einzelfalles auch die Annahme von Zahlungen gehören, nicht jedoch dann, wenn auch für den Vertragspartner klar erkennbar ist, daß der Handlungsbevollmächtigte zur Annahme von Zahlungen nicht befugt sein soll (vgl. Schlegelberger aaO Rz 19 f). Zur Empfangnahme von Geld ist der Bevollmächtigte befugt, soweit die Gelderhebung zu seinem Wirkungskreis gewöhnlich gehört. Davon abgesehen kann eine Bevollmächtigung von Angestellten seitens des Geschäftsinhabers zur Gelderhebung aus dessen Verhalten entnommen werden, so aus der gewohnheitsmäßigen Duldung der Entgegennahme von Zahlungen durch Angestellte, so von Abhebungen gegen Blankoquittung, so durch Einziehung von Geschäftsgeldern durch Angestellte oder die regelmäßige Vertretung des Kassiers durch einen oder anderen Angestellten (vgl. Würdinger Großkommentar HGB § 54 Rz 5). Will der Inhaber des Handelsgewerbes diesen objektiven Erklärungswert seines Verhaltens ausschließen, so muß er eindeutig zum Ausdruck bringen, daß der Mitarbeiter keine Handlungsvollmacht in diesem Umfang haben soll. Im Interesse der Verkehrssicherheit ist zu fordern, daß eine echte Vollmachtsbeschränkung eindeutig zum Ausdruck gebracht werden muß. Ist dies der Fall, so wirkt die bei Erteilung der Vollmacht durch Erklärung gegenüber dem Bevollmächtigten vorgenommene Beschränkung auch Dritten gegenüber, die von dieser Beschränkung nichts gewußt haben und auch nichts wissen konnten.

Im Streitfall hat der Geschäftsinhaber zu beweisen, daß der Dritte die Einschränkung kannte oder daß er, der Geschäftsinhaber, alles getan habe, was nach der Verkehrsanschauung genügt, um ein Kennen jedes Dritten herbeizuführen. Die handelsrechtliche Ausgestaltung der Handelsvollmacht wird im Gegensatz zur bürgerlich-rechtlichen Vollmacht vom Prinzip des Verkehrsschutzes beherrscht (vgl. Würdinger aaO Rz 6 und 10c). Dieser Beweispflicht ist die Beklagte nicht nachgekommen, ebenso nicht auch der, daß der Kläger die Beschränkung der Vollmacht S***** kannte oder kennen mußte (vgl. SZ 52/82 = JBl. 1980, 92).

Beim Herausgabeanspruch des Vollmachtgebers gegenüber dem Vollmachtnehmer nach § 1009 ABGB handelt es sich nicht um einen Schadenersatz-, sondern um einen Erfüllungsanspruch (vgl. EvBl. 1962/414, Strasser in Rummel ABGB2 § 1009, Rz 24 mwN), der aber voraussetzt, daß der Nutzen dem Geschäftsbesorger auch zugekommen ist (vgl MGA ABGB33 § 1009/9 ff). Von Dritten zugunsten des Vollmachtgebers angewiesene Geldbeträge, die ein in Veruntreuungsabsicht handelnder Handlungsbevollmächtigter im Rahmen seines Aufgabenkreises von vornherein auf sein eigenes (Privat-)Konto sich überweisen läßt, sind aber wie dem Vollmachtnehmer "zugekommen",

weil sie nie auf ein Firmenkonto bzw. in die Firmenkassa einflossen und damit immer außerhalb der Einflußsphäre des Vollmachtnehmers blieben. Damit reduziert sich aber das klägerische Begehren auf einen auf § 1313a ABGB gestützten Schadenersatzanspruch. Eine Haftung der beklagten Partei für das Verhalten des S***** nach § 1313a ABGB haben die Vorinstanzen zu Recht angenommen, ist doch der Schaden bei und nicht nur gelegentlich der Erfüllung eingetreten (vgl. Koziol II2 343: "Die Verletzungshandlung muß gerade durch die übertragene Pflichtenwahrnehmung ihren Unrechtsgehalt empfangen"; SZ 32/153; SZ 16/92).

Das Revisionsgericht teilt nicht die Auffassung der zweiten Instanz, der Kläger habe den durch das Verhalten des Erfüllungsgehilfen der beklagten Partei eingetretenen Schaden durch sein sorgloses Verhalten mitverschuldet.

Es entspricht der Lebenserfahrung, daß auch sonst gewissenhaft handelnde Menschen Opfer von Betrügern werden, weil letztere durch ihre Geschicklichkeit es verstehen, Umstände zu verbergen, die sonst Argwohn auslösen, und das Vertrauen des Betrogenen zu erlangen. Der Umstand allein, daß es der Kläger unterließ, die Entschädigungsquittung hinsichtlich der Angabe des Kontos, auf das die Entschädigung fließen sollte, zu ergänzen, begründet noch kein nennenswertes Verschulden des Klägers, weil nicht übersehen werden darf, daß der Kläger einerseits keinen Grund hatte, S***** zu mißtrauen, überdies aber annehmen durfte, daß die Bank überprüfen werde, ob der Empfänger mit der Kontonummer übereinstimmt, was ja auch geschehen ist. Daß die Bank diese Auskunft nicht beim Kläger, sondern bei S***** eingeholt hat, kann dem Kläger nicht angelastet werden. Mag das Verhalten des Klägers deshalb auch als unvorsichtig angesehen werden, ist sein Verschulden an dem eingetretnen Schaden doch so gering, daß es zu vernachlässigen ist. Sohin war der Revision des Klägers Folge zu geben, jener der Beklagten nicht.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens stützt sich auf §§ 41 und 50 ZPO.