OGH vom 08.09.2009, 10ObS123/09z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Christa Brezna (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Bernhard L*****, vertreten durch Mag. Christian Pilz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1, vertreten durch Das Haus des Rechts Destaller-Mader, Rechtsanwälte in Graz, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 25/09i-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 49 Cgs 129/08x-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Der Antrag des Klägers, beim Verfassungsgerichtshof die Überprüfung der §§ 2 und 5 KBGG wegen Verfassungswidrigkeit zu beantragen, wird zurückgewiesen.
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Die „Replik" des Klägers auf die Revisionsbeantwortung der beklagten Partei wird zurückgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe :
Der Kläger ist Vater des am geborenen Simon S*****, der am geborenen Elena Lola R*****, des am geborenen Laurenz H***** und der am geborenen Clara Marianne Sch*****.
Für den unehelich geborenen Laurenz H***** bezog dessen Mutter Mag. Klaudia H***** in der Zeit vom bis Kinderbetreuungsgeld. Nachdem sie sich mit dem Bezugswechsel zugunsten des Klägers einverstanden erklärt hatte, beantragte der Kläger am die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für seinen Sohn Laurenz H***** für die Zeit vom bis .
Nachdem sich auch die Mutter der am geborenen unehelichen Tochter Clara Sch*****, Mag. Konstanze Sch*****, mit einem Bezugswechsel zugunsten des Klägers einverstanden erklärt hatte, beantragte der Kläger am bei der beklagten Partei die Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes für seine mj Tochter Clara Sch***** für die Zeit vom bis .
Mit Bescheid vom sprach die beklagte Partei aus, dass der Kläger keinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für seinen Sohn Laurenz H***** im Zeitraum vom bis habe.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage ist auf Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes im gesetzlichen Ausmaß sowie 24 % Säumniszinsen für die rückständigen Kinderbetreuungsgeldbeträge gerichtet. Der Kläger erfülle alle gesetzlichen Voraussetzungen für den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes, weil er im selben Ausmaß wie die Mutter für seinen im gemeinsamen Haushalt lebenden Sohn Laurenz H***** sorge. Auch die Bestimmung des § 5 Abs 5 KBGG stehe seinem Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nicht entgegen, weil es sich bei der Mutter der mj Clara Sch***** nicht um die Mutter des mj Laurenz H***** handle.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie brachte - nachdem ihr die Tatsache der Geburt der Tochter des Klägers, Clara Sch*****, am durch den Antrag des Klägers vom bekannt geworden war - vor, gemäß § 5 Abs 5 KBGG ende der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld spätestens mit Ablauf des Tages, der der Geburt eines weiteren Kindes vorangehe. Daher habe der Anspruch des Klägers auf Kinderbetreuungsgeld für seinen Sohn Laurenz H***** jedenfalls am durch die Geburt der Tochter Clara Sch***** geendet.
Das Erstgericht wies ausgehend vom eingangs wiedergegebenen Sachverhalt das Klagebegehren ab. In rechtlicher Hinsicht verwies es auf § 5 Abs 5 KBGG, wonach der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld spätestens mit einem neuen Anspruch für ein weiteres Kind ende. Bei nachfolgenden Geburten während des Kindesbetreuungsgeld-Bezugszeitraums ende der Anspruch für das zuerst geborene Kind demnach mit dem Tag, der der Geburt des nachfolgenden Kindes vorangehe. Ab dem Tag der Geburt des nachfolgenden Kindes beginne ein neuer Anspruch für dieses weitere Kind; es müsse ein neuer Antrag für dieses Kind gestellt werden. Daraus ergebe sich, dass - abgesehen von den in § 2 KBGG geregelten Voraussetzungen - Kinderbetreuungsgeld immer nur für das jüngste Kind gebühre. Durch die EB zur RV zu § 5 Abs 5 KBGG, BGBl I 2001/103, zuletzt geändert durch BGBl I 2007/76, sei im Übrigen klargestellt worden, dass das Kinderbetreuungsgeld jedenfalls ende, wenn in der Zeit des Bezugs ein weiteres Kind geboren bzw ein jüngeres Kind adoptiert oder in Pflege genommen werde. Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für das ältere Kind ende unabhängig davon, ob die Eltern für das nun jüngste Kind Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nehmen oder nicht.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Ergänzend wies es darauf hin, § 5 Abs 5 KBGG sei mit BGBl I 2007/76 dahin geändert worden, dass diese Bestimmung idgF nunmehr ausdrücklich auf die Tatsache abstelle, dass ein weiters Kind geboren bzw ein jüngeres Kind adoptiert oder in Pflege genommen werde. Nach § 49 Abs 13 KBGG trete § 5 Abs 5 idF BGBl I 2007/76 mit in Kraft. Da diese Übergangsbestimmung, anders als jene des § 49 Abs 14 zweiter Satz KBGG, nicht auf den Zeitpunkt der Geburt abstelle, sei § 5 Abs 5 KBGG hier bereits in der nunmehr geltenden Fassung anzuwenden. Außerdem habe die Novellierung des § 5 Abs 5 KBGG ohnehin nur der Klarstellung der Rechtslage gedient und sei auch in der Stammfassung in gleicher Weise zu interpretieren gewesen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil - soweit überblickbar - eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob ein Anspruch eines Vaters auf Kinderbetreuungsgeld auch dann wegfalle, wenn das „weitere Kind" von einer anderen Frau geboren werde, nicht vorliege.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurück- bzw abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Der Kläger vertritt weiterhin den Standpunkt, § 5 Abs 5 KBGG gehe von der Situation aus, dass bei Kindern einer Mutter Kinderbetreuungsgeld immer nur für das jüngste Kind gebühre. Er lebe jedoch in aufrechter Mehrfachbeziehung mit sechs Kindern von sechs Frauen, weshalb hier § 5 KBGG keine Anwendung finde. Das KBGG bezwecke das Wohl des Kindes und die Entlastung der Mutter, weshalb er Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für seinen Sohn Laurenz H***** habe.
Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Nach den Gesetzesmaterialien (RV 620 BlgNR XXI. GP 54 f) soll durch das Kinderbetreuungsgeld die Betreuungsleistung der Eltern anerkannt und teilweise abgegolten und gleichzeitig - im Sinne einer größeren Wahlfreiheit bezüglich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Art der Kinderbetreuung - die mit einer außerhäuslichen Betreuung eines Kindes verbundene finanzielle Belastung teilweise abgegolten werden. Anspruchsberechtigt sind grundsätzlich Eltern bzw ein Elternteil, der die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Z 1 bis 5 KBGG kumulativ erfüllt. Gemäß § 2 Abs 2 KBGG ist ein gleichzeitiger Bezug von Kinderbetreuungsgeld durch beide Elternteile ausgeschlossen.
Nach § 5 Abs 5 erster Satz KBGG idF BGBl I 2001/103 (Stammfassung) endet der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld spätestens mit einem neuen Anspruch für ein weiteres Kind. Nach den Gesetzesmaterialien (RV 620 BlgNR XXI. GP 60) endet bei nachfolgenden Geburten während des Kinderbetreuungsgeld-Bezugszeitraums der Anspruch für das zuerst geborene Kind mit dem Tag, der der Geburt des nachfolgenden Kindes vorangeht. Ab dem Tag der Geburt des nachfolgendes Kindes beginnt ein neuer Anspruch für dieses weitere Kind. Der Gesetzgeber ging somit bei der Regelung des § 5 Abs 5 KBGG ganz offensichtlich davon aus, dass das Kinderbetreuungsgeld für das jeweils jüngste Kind, also für das Kind, das den höchsten Betreuungsaufwand verursacht, gebühren soll, während er für ältere Kind keine Veranlassung sah, zusätzlich zu anderen Familienleistungen und Beihilfen auch noch Leistungen nach dem KBGG vorzusehen. Es ist daher nochmals festzuhalten, dass das Kinderbetreuungsgeld nur für das jeweils jüngste Kind eines Anspruchsberechtigten gebührt.
Durch die Novelle zum Kinderbetreuungsgeldgesetz, BGBl I 2007/76, wurde die Bestimmung des § 5 Abs 5 erster Satz KBGG dahin neu formuliert, dass der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld spätestens mit Ablauf jenes Tages endet, welcher der Geburt eines weiteres Kindes bzw der Adoption (In-Pflege-Nahme) eines jüngeren Kindes vorangeht. Diese mit in Kraft getretene Neufassung diente lediglich der Klarstellung, dass das Kinderbetreuungsgeld jedenfalls endet, wenn ein weiteres Kind geboren bzw ein jüngeres Kind adoptiert oder in Pflege genommen wird. Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für das ältere Kind endet unabhängig davon, ob die Eltern für das nun jüngste Kind tatsächlich Kinderbetreuungsgeld in Anspruch nehmen oder nicht (vgl RV 229 BlgNR XXIII. GP 5). Wie bereits dargelegt wurde, war aber auch die hier maßgebende Bestimmung des § 5 Abs 5 erster Satz KBGG in der Stammfassung bereits dahin zu verstehen, dass bei nachfolgenden Geburten während des Kinderbetreuungsgeld-Bezugszeitraums der Anspruch für das zuerst geborene Kind spätestens mit dem Tag, welcher der Geburt des nachfolgendes Kindes vorangeht, endet (10 ObS 118/07m).
Der Verfassungsgerichtshof hat in der Regelung über den Anspruchsverlust nach § 5 Abs 5 KBGG keine Verfassungswidrigkeit erblickt. Auch wenn die Betreuungsleistung und der finanzielle Aufwand für mehrere Kinder höher sei, müsse der Gesetzgeber nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs die Höhe der Leistungen im Einzelfall oder für bestimmte Fallgruppen nach Maßgabe der Verhältnisse nicht unterschiedlich bemessen. Die Bevorzugung der Mehrlingsgeburten durch den Mehrlingszuschlag sei durch die besondere Lage solcher Eltern sachlich gerechtfertigt (vgl VfSlg 17.954 = DRdA 2007/47, 468 [Pfeil]). Im Anschluss an dieses Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs hat auch der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen (vgl 10 ObS 9/07g = SSV-NF 21/4; 10 ObS 8/07k und 10 ObS 118/07m) den Anspruchsverlust für das ältere Kind grundsätzlich bejaht und auch einen gleichzeitigen Bezug des Kinderbetreuungsgeldes durch die leiblichen Eltern für zwei verschiedene Kinder abgelehnt.
Diese dargelegten Erwägungen kommen nach zutreffender Rechtsansicht der Vorinstanzen auch im vorliegenden Fall zum Tragen. Ein Anspruch des Klägers auf Kinderbetreuungsgeld für seinen am geborenen älteren leiblichen Sohn Laurenz endete daher mit dem der Geburt seiner jüngeren leiblichen Tochter Clara vorangehenden Tag (). Daraus ergibt sich, dass der Kläger - infolge der Geburt seiner jüngeren Tochter Clara - keinen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld für seinen älteren Sohn Laurenz im strittigen Zeitraum vom bis hat. Ein Anspruch der leiblichen Mutter des mj Laurenz H***** blieb hingegen durch die Geburt der leiblichen Tochter des Klägers, Clara Sch*****, unberührt (10 ObS 142/09v; vgl auch Ehmer ua, KBGG2 70).
Gegen dieses Ergebnis bestehen, wie der erkennende Senat ebenfalls bereits ausgeführt hat (vgl 10 ObS 9/07g = SSV-NF 21/04; 10 ObS 8/07k und 10 ObS 118/07m), unter Berücksichtigung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs und des grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers bei der Gewährung von Familienleistungen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. An dieser Beurteilung vermag auch das zuletzt ergangene Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , G 81/06 ua (= VfSlg 18.109), nichts zu ändern, weil darin vom Verfassungsgerichtshof eine Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs 5 KBGG nur im Hinblick auf die Regelung für Mehrlingskinder (§ 3a KBGG) festgestellt wurde (vgl 10 ObS 118/07m). Der Oberste Gerichtshof sieht sich somit zu der vom Kläger beantragten Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst. Da der Kläger die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nur anregen kann, war sein diesbezüglicher Antrag zurückzuweisen (vgl RIS-Justiz RS0054189 ua).
Die Revision musste somit erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Umstände, welche einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht geltend gemacht und sind aus der Aktenlage nicht ersichtlich.
Die Stellungnahme des Klägers zur Revisionsbeantwortung der beklagten Partei ist zurückzuweisen, weil eine Revision nur einmal erhoben werden kann und eine „Replik" auf die Revisionsbeantwortung des Gegners im Gesetz nicht vorgesehen ist (7 Ob 1619/91).