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OGH 25.11.2008, 10ObS123/08y

OGH 25.11.2008, 10ObS123/08y

Rechtssätze


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Normen
AEUV Lissabon Art267
ZPO §503 Abs1 Z2 C6
B-VG Art89
EGV Maastricht Art177
EG Amsterdam Art234
RS0058452
Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Partei nicht befugt zu begehren, dass der Oberste Gerichtshof beim Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit stelle; ein solcher Antrag ist daher zurückzuweisen. Das gleiche muss auch für die Anrufung des EuGH nach Art 177 EGV gelten; auch hier hat allein das Gericht von Amts wegen darüber zu befinden, ob die Voraussetzungen für die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH vorliegen; die Parteien können ein entsprechendes Ersuchen nur anregen.
Normen
RS0124419
Es bestehen keine Bedenken gegen die Verfassungskonformität des § 258 Abs 2 Z 2 lit a ASVG.
Norm
RS0116507
Sowohl der Gesetzeswortlaut des § 258 Abs 4 litd ASVG als auch die Gesetzesmaterialien stellen darauf ab, dass die erbrachten Leistungen einen Unterhaltsbedarf decken müssen. Werden jedoch Leistungen erbracht, die nicht Unterhaltscharakter haben, sondern anderen Zwecken dienen, können sie nicht zur Begründung eines Witwenpensionsanspruchs führen. In diesem Sinn erfüllt die Erbringung von Leistungen der Partner in einer Lebensgemeinschaft nicht die von § 258 Abs 4 lit d ASVG für einen Anspruch auf Witwenpension geforderten Voraussetzungen (10 ObS 70/02w).
Normen
B-VG Art89
EG Amsterdam Art234
EGV Maastricht Art177
StPO §281
StPO §345
RS0053805
Der Angeklagte ist nicht befugt zu begehren, dass der OGH beim VfGH den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit stelle; ein derartiger in der NB des Angeklagten enthaltener Antrag ist durch Beschluss zurückzuweisen.
Norm
RS0054189
Kein Antragsrecht eines Angeklagten dahin, dass der OGH gemäß dem Art 89 Abs 2 B-VG den VfGH anrufen möge.
Normen
RS0117422
Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die durch das Sozialrechts-Änderungsgesetz 2000 (SRÄG 2000-BGBl I Nr 92/2000) in § 264 Abs 2 ASVG geänderte Formel zur Ermittlung der Höhe der Witwenpension (Witwerpension) (Berechnung).

Der Zweck der Hinterbliebenenpensionen besteht darin, die ausbleibenden Unterhaltsleistungen des verstorbenen Versicherten zu ersetzen (VfSlg8871). Eine schutzwürdige Vertrauensposition auf Fortbestand der Rechtslage, auf die der Gesetzgeber in dieser Situation hätte Bedacht nehmen müssen, konnte von vornherein nicht entstehen, da die in Betracht kommenden Personen nicht schon während ihrer aktiven Berufstätigkeit den Standard ihrer Lebensführung auf den Bezug einer später anfallenden Witwenpension (Witwerpension) eingerichtet haben (VfSlg14.960).

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter MR Dr. Peter Ladislav (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Gabriele L*****, vertreten durch Dr. Alexander Haas, Rechtsanwalt in Seiersberg, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, wegen Witwenpension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 61/08i-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 35 Cgs 41/08w-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Der Antrag der klagenden Partei, beim Verfassungsgerichtshof einen Antrag auf Aufhebung des § 258 Abs 2 Z 2 lit a ASVG zu stellen, wird zurückgewiesen.

2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am geborene Klägerin lebte mit dem am geborenen Herberth S***** seit 1997 in einer Lebensgemeinschaft. Am schlossen sie die Ehe. Zu diesem Zeitpunkt hatte Herberth S***** bereits einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf Alterspension. Am ist Herberth S***** verstorben.

Mit Bescheid vom anerkannte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt den Anspruch der Klägerin auf Witwenpension nach ihrem Ehemann ab und sprach aus, dass der Anspruch mit Wiederverehelichung, spätestens jedoch mit , somit mit dem Ablauf von 30 Kalendermonaten ab dem Monatsersten nach dem Todestag des Versicherten erlösche.

Das Erstgericht wiederholte den Bescheidinhalt und wies das auf Gewährung der Witwenpension über den  hinaus gerichtete Begehren mit der Begründung ab, dass die Ehe nicht mindestens drei Jahre gedauert habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu. Die von der Klägerin aufgeworfenen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 258 Abs 2 Z 2 lit a ASVG teilte es nicht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im gänzlich klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt. Weiters wird der Antrag auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens hinsichtlich der Bestimmung des § 258 Abs 2 Z 2 lit a ASVG gestellt.

Die beklagte Partei hat von der ihr freigestellten Möglichkeit der Einbringung einer Revisionsbeantwortung nicht Gebrauch gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil es noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage gibt, ob § 258 Abs 2 Z 2 lit a ASVG der Verfassung entspricht; sie ist jedoch nicht berechtigt.

In ihren Revisionsausführungen wendet sich die Klägerin vor allem gegen die Verfassungskonformität der Bestimmung des § 258 Abs 2 Z 2 lit a ASVG. Auch unter dem Blickwinkel des Art 8 EMRK sei nicht einzusehen, dass die zunehmende Gleichstellung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit der Ehe nicht auch im Sozialversicherungsrecht erfolge.

Dazu wurde erwogen:

Der Zweck der Hinterbliebenenpensionen besteht darin, die ausbleibenden Unterhaltsleistungen des verstorbenen Versicherten zu ersetzen (RIS-Justiz RS0117422). Zwischen Lebensgefährten besteht keine Unterhaltsverpflichtung (10 ObS 2/06a = RIS-Justiz RS0116507 [T3]). Es ist daher nicht unsachlich, dass der Gesetzgeber den Anspruch auf eine Witwenpension an die mit einer Unterhaltspflicht verbundene Ehe knüpft und zusätzlich eine gewisse Dauer der Ehe mit einem Gatten fordert, dem bereits ein Anspruch auf Alterspension zuerkannt wurde. Damit soll die Möglichkeit von „Rentenspekulationen" (genauer Pensionsspekulationen) in Form von Versorgungsehen ausgeschlossen werden (Teschner/Widlar/Pöltner, ASVG [104. ErgLfg] 1330/1 [§ 258 Anm 2]).

Der Verweis der Revisionswerberin auf Art 8 EMRK ist nicht zielführend, weil dieses Grundrecht grundsätzlich als Abwehrrecht ausgestaltet ist; der Zweck besteht darin, den Einzelnen gegen willkürliche Eingriffe der öffentlichen Gewalt in sein Privat- und Familienleben zu schützen (Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 190). Zu dieser vorwiegend negativen Verpflichtung können zwar Gewährleistungspflichten des Staates auf Schutz des Privat- und Familienlebens hinzutreten; entgegen der Ansicht der Revisionswerberin lässt sich aber aus Art 8 EMRK kein Anspruch auf finanzielle Leistungen zugunsten von Familien - einschließlich nichtehelicher Lebensgemeinschaften - ableiten (vgl Grabenwarter, EMRK3 200; Wiederin in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg [2002] Art 8 EMRK Rz 107).

Hegt das Gericht - wie hier - keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesbestimmung, besteht kein Anlass zur Antragstellung gemäß Art 140 B-VG (10 ObS 148/03t = SSV-NF 17/68; 10 ObS 92/04h). Den Parteien steht nach ständiger Rechtsprechung ein Recht, vom Gericht die Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit zu verlangen, nicht zu (RIS-Justiz RS0054189 und RS0058452). Der diesbezügliche, an das Revisionsgericht gerichtete Antrag ist daher zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0053805 [T13]).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin, die einen ausnahmsweisen Kostenzuspruch nach Billigkeit rechtfertigen könnten, wurden nicht dargetan und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2008:010OBS00123.08Y.1125.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAD-82517