OGH vom 08.03.2012, 13Os162/11i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Linzner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ljubomir M***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Ljubomir M***** und Sladan S***** sowie die Berufung des Angeklagten Mirko L***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 61 Hv 83/10m 143, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden werden das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in der im Schuldspruch B des Ljubomir M***** vorgenommenen Subsumtion nach § 130 dritter und vierter Fall StGB und in der dazu gebildeten Subsumtionseinheit, demzufolge auch im Ljubomir M***** betreffenden Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), sowie im Ausspruch über die Einziehung der sichergestellten Grenzkontrollstempel abdrücke und der sichergestellten Pistole „Zastava“ sowie der Ljubomir M***** betreffende Beschluss auf Widerruf einer bedingten Entlassung aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten Sladan S***** und Mirko L***** werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Ljubomir M***** auf die teilweise Urteilsaufhebung verwiesen.
Den Angeklagten Ljubomir M***** und Sladan S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden (neben überflüssiger, aber nicht nichtigkeitsrelevanter [RIS Justiz RS0100041; Ratz , WK StPO § 293 Rz 6] deklarativer Wiederholung bereits im vorangegangenen Rechtsgang in Rechtskraft erwachsener Schuld und Freisprüche) Ljubomir M***** (richtig:) je eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A/II/1/b) und des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 dritter und vierter Fall StGB (B), Sladan S***** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 StGB (richtig: B) und Mirko L***** des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (A/I) schuldig erkannt.
Danach haben
(A) vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich
I) Mirko L***** vom Jänner 2009 bis zum in Wiener Neustadt täglich 5 bis 6 Gramm Heroin zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen sowie
II/1/b) Ljubomir M***** am in Vösendorf in einer das 25 fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 6 kg Heroin mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 38,5 % Heroin Reinsubstanz und 1,38 % Monoacetylmorphinreinsubstanz (US 3, 12, 13), einem verdeckten Ermittler des Bundeskriminalamts angeboten und
(B) Ljubomir M***** sowie Sladan S***** im einverständlichen Zusammenwirken mit einem weiteren, abgesondert verfolgten Mittäter in der Nacht vom auf den in Bruck an der Mur Designerkleidung im Wert von rund 91.000 Euro und 260 Euro Bargeld Gewahrsamsträgern der K***** GmbH mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Einbruch in Geschäftsräumlichkeiten weggenommen, wobei Ljubomir M***** in der Absicht handelte, sich „durch die wiederkehrende Begehung von schweren Einbruchsdiebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen“.
Dagegen wenden sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Ljubomir M***** und Sladan S*****.
Rechtliche Beurteilung
Da Ljubomir M***** bei der Anmeldung seiner Beschwerde (ON 142 S 29, ON 146) keinen Nichtigkeitsgrund bezeichnete und binnen vier Wochen nach Urteilszustellung (ON 1 S 47) das angemeldete Rechtsmittel nicht ausführte (§ 285 Abs 1 erster Satz StPO), hätte seine Nichtigkeitsbeschwerde schon gemäß § 285a Z 2 StPO vom Erstgericht zurückgewiesen werden sollen.
Die von Sladan S***** erhobene Beschwerde bezeichnet zwar gesetzliche Nichtigkeitsgründe (§ 281 Abs 1 Z 5, [richtig:] 9 lit a, 10 StPO), geht aber fehl:
Entgegen der Mängelrüge (Z 5) ist die Ableitung der Feststellung, wonach der 50.000 Euro übersteigende Wert der vom Schuldspruch B umfassten Beute vom zumindest bedingten (§ 5 Abs 1 StGB) Vorsatz des Beschwerdeführers umfasst gewesen ist, aus der Menge der gestohlenen Designerkleidung, dem Umstand, dass diese mit Preisschildern versehen war, und den Angaben des Ljubomir M***** zum erwarteten Schwarzmarkt Erlös (US 20) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden.
Der Einwand der Rechts (Z 9 lit a) und der Subsumtionsrüge (Z 10), das Erstgericht habe hinsichtlich des Schuldspruchs B keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite getroffen, übergeht die diesbezüglichen Urteilskonstatierungen, wonach der Beschwerdeführer im einverständlichen Zusammenwirken mit Ljubomir M***** und einem weiteren Mittäter in das betroffene Geschäftslokal einbrach, dort Designerkleidung im Wert von rund 91.000 Euro und 260 Euro Bargeld an sich nahm, er sich durch diese Zueignung unrechtmäßig bereichern wollte und ihm klar war , dass die Beute einen Wert von mehr als 50.000 Euro hatte (US 13), und verfehlt solcherart den (auf der Sachverhaltsebene) in den Feststellungen der Tatrichter gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 581, 584).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass zum Nachteil der Angeklagten das Strafgesetz mehrfach unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):
Der Schuldspruch des Ljubomir M***** (auch) nach der Qualifikationsnorm des § 130 StGB wurde bereits im ersten Rechtsgang infolge unzureichender Feststellungsbasis aufgehoben (ON 136 S 3). Dabei wies der Oberste Gerichtshof ausdrücklich darauf hin, dass Gewerbsmäßigkeit (§ 70 StGB) die Absicht des Täters, sich durch die wiederkehrende Begehung der strafbaren Handlung für einen Zeitraum von zumindest einigen Wochen ( Jerabek in WK² § 70 Rz 7) eine wirksame Einkommensquelle zu erschließen, verlangt (ON 136 S 6). Da auch die angefochtene Entscheidung diesbezüglich keine Konstatierungen enthält, war in Bezug auf die Subsumtion nach § 130 dritter und vierter Fall StGB (und damit auch hinsichtlich der zu B gebildeten Subsumtionseinheit) erneut kassatorisch vorzugehen (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO).
Dies hat die Aufhebung des Ljubomir M***** betreffenden Strafausspruchs und des gemeinsam mit dem Urteil gefassten Widerrufsbeschlusses zur Folge.
Auch zu den Einziehungsvoraussetzungen bezüglich der Grenzkontrollstempelabdrücke und der Pistole „Zastava“ enthält die angefochtene Entscheidung wie schon das diesbezüglich im ersten Rechtsgang aufgehobene Urteil (ON 117) keine hinreichende Feststellungsgrundlage (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO). Es sei daher erneut (vgl ON 136 S 7 f) darauf hingewiesen, dass nach § 26 Abs 1 StGB bei entsprechender Gefährlichkeitsprognose nur solche Gegenstände einzuziehen sind, die der Täter zur Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung verwendet hat, die von ihm dazu bestimmt worden waren, bei Begehung dieser Handlung verwendet zu werden, oder die durch diese Handlung hervorgebracht worden sind. Bei der angesprochenen Prognoseentscheidung ist darauf abzustellen, ob die Einziehung nach der besonderen Beschaffenheit der Gegenstände geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken (§ 26 Abs 1 letzter Satzteil StGB).
Mit seiner Berufung war der Angeklagte Ljubomir M***** auf die teilweise Urteilsaufhebung zu verweisen.
Sollte das Erstgericht im dritten Rechtsgang (wie offenbar im zweiten [US 15]) davon ausgehen, dass die Grenzkontrollstempelabdrücke und die Pistole „Zastava“ keinem der gegenständlichen Schuldsprüche zuzuordnen sind, und demnach (erneut) im Sinn des § 446 StPO vorgehen, wird dies nichts daran ändern, dass im Fall des abermaligen Ausspruchs der Einziehung sämtliche Feststellungen zu den dargelegten Kriterien dieser vorbeugenden Maßnahme zu treffen sein werden (dazu eingehend Ratz in WK² § 26 Rz 9 bis 14; s auch RIS Justiz RS0121298).
Da die Sladan S***** und Mirko L***** betreffenden Strafaussprüche von den amtswegigen Teilaufhebungen nicht tangiert werden, ist vom Oberlandesgericht über deren Berufungen zu entscheiden (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch der die amtswegigen Maßnahmen nicht betrifft ( Lendl , WK StPO § 390a Rz 12) gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.