OGH vom 13.07.1989, 8Ob574/88
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verlassenschaft nach der am verstorbenen Franziska J***, Pensionistin, zuletzt wohnhaft in Voitsberg, Franz Schöpfergasse 48, vertreten durch die erbserklärten Erben Ingeborg L***, Lehrerin, 22 Petworth Drive, Burgess-Hill, Sussex, England, und Elisabeth K***, Hausfrau, Voitsberg, Lacknergasse 16, beide vertreten durch Dr. Josef Peißl, Rechtsanwalt in Köflach, wider die beklagte Partei Ernst J***, Angestellter, Voitsberg, Stiftergasse 7, vertreten durch Dr. Harold Schmid und Dr. Kurt Klein, Rechtsanwälte in Graz, wegen Nichtigerklärung eines Schenkungsvertrages infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom , GZ. 6 R 245/87-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom , GZ. 17 Cg 181/87-9, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit Notariatsakt vom hat Franziska J***, geboren am 25. Dezember 1897, ihre 4/6-Anteile an den Liegenschaften EZ 283 und 526 KG Voitsberg ihrem Sohn Ernst J***, dem nunmehrigen Beklagten, schenkungsweise ins Eigentum übertragen. Franziska J*** ist am gestorben. Im Verlassenschaftsverfahren gaben Ernst J*** sowie Ingeborg L*** und Elisabeth K***, die beiden weiteren Kinder der Franziska J*** und Schwestern des Ernst J***, Erbserklärungen zu je 1/3 des Nachlasses ab.
In der vorliegenden Klage stellen Ingeborg L*** und Elisabeth K*** "als gesetzliche Erben und Repräsentantinnen der Erblasserin" das Begehren, der vorgenannte Notariatsakt werde zufolge (seinerzeitiger) Geschäftsunfähigkeit der Schenkgeberin als nichtig aufgehoben. Sie streben damit die Einbeziehung der 4/6-Liegenschaftsanteile in das Nachlaßverfahren an. Der Beklagte bestritt die Behauptung der Geschäftsunfähigkeit der Franziska J*** und beantragte Klageabweisung.
Nach Klageeinbringung faßte das Verlassenschaftsgericht den Beschluß, mit der weiteren Durchführung des Verlassenschaftsverfahrens bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreites innezuhalten.
Mit dem erstgerichtlichen Urteil wurde das Klagebegehren abgewiesen. Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, ein Klageanspruch nach § 865 ABGB ermögliche zwar die deklarative Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertrages, das vorliegende Begehren sei aber nicht namens der Franziska J***, sondern von zwei ihrer durch den angefochtenen Vertrag allenfalls benachteiligten Erben gestellt worden. Diese könnten jedoch nur auf Übertragung der Eigentumsanteile klagen.
Das Berufungsgericht verwarf die von den Klägerinnen wegen Nichtigkeit erhobene Berufung und gab ihr im übrigen dahin Folge, daß es das erstgerichtliche Urteil aufhob und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, S 300.000,-- übersteigt und daß das Verfahren erst nach Rechtskraft seines Beschlusses fortzusetzen ist. Zur Begründung führte es aus, entgegen der erstgerichtlichen Ansicht sei hier nicht nur ein Leistungsbegehren, sondern auch ein bloßes Begehren auf Nichtigerklärung des Vertrages gemäß § 865 ABGB zulässig. Der Umstand, daß das Klagebegehren nicht namens der verstorbenen Franziska J*** erhoben worden sei, rechtfertige nicht die Klageabweisung. Abgesehen davon, daß der Beklagte die Klagelegitimation der Klägerinnen ausdrücklich zugestanden habe und Lehre und Rechtsprechung die Möglichkeit einer selbständigen Geltendmachung von Nachlaßansprüchen durch einen erbserklärten Erben vor der Einantwortung gegenüber einem erbserklärten Miterben bejahten, seien die beiden Klägerinnen hier nach dem Inhalt der Klage ausdrücklich als Repräsentantinnen der Erblasserin, also in Wahrheit ohnehin im Namen der Verlassenschaft, aufgetreten. Somit laute die Parteienbezeichnung der klagenden Partei richtig "Verlassenschaft nach Franziska J***" und sie werde in diesem Sinne vom Berufungsgericht von Amts wegen richtiggestellt. Mit dem im Verlassenschaftsverfahren ergangenen, in Rechtskraft erwachsenen Beschluß, bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites mit dem Verfahren innezuhalten, um zu klären, ob die klagegegenständlichen Liegenschaftsanteile in den Nachlaß fielen, habe das Verlassenschaftsgericht zugleich auch implizit die Vertretung des Nachlasses durch die beiden Klägerinnen und die Prozeßführung genehmigt. Demgemäß habe das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren über die Klage zu verhandeln und neuerlich zu entscheiden.
Gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß wendet sich der rechtzeitige (siehe AS 88), auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützte, Rekurs des Beklagten mit dem sinngemäßen Antrage auf Abänderung dahin, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt werde.
Die Klägerinnen beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht gerechtfertigt.
Der Rekurswerber behauptet weiterhin die ausschließliche Zulässigkeit eines Leistungsbegehrens und bringt vor, in den in der Berufung und vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen JBl 1965, 420 und EvBl 1956/289 habe es sich um den mit dem vorliegenden nicht vergleichbaren Fall gehandelt, daß die Streitteile selbst die vertragschließenden Parteien gewesen seien; dies werde hier vom Berufungsgericht aber erst durch die amtswegige Änderung der Parteienbezeichnung erreicht. Der Oberste Gerichtshof habe zu 5 Ob 315/69 und wiederholt ausgesprochen, daß zur Anfechtung eines von einem handlungsunfähigen Erblasser abgeschlossenen Vertrages nach dessen Tod nur seine Verlassenschaft, vertreten durch einen Kurator oder alle, also nicht bloß einzelne, erbserklärte Erben, denen die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses überlassen worden sei, legitimiert erscheine. Die Klägerinnen hätten hier selbst nicht vorgebracht, daß sie die Verlassenschaft repräsentierten, sondern sich immer auf ihre Erbquoten bezogen. Eine Ermächtigung der Klägerinnen zur Geltendmachung des klagegegenständlichen Anspruches sei vom Verlassenschaftsgericht nicht ausgesprochen worden. Zwar könne eine Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses auch konkludent erfolgen, jedoch nur an alle Erben oder an einen Teil derselben mit Zustimmung der übrigen Miterben. Eine solche Zustimmung durch den Beklagten sei hier keinesfalls gegeben, sodaß zur Anfechtung des Schenkungsvertrages durch die Verlassenschaft ein Kurator hätte bestellt werden müssen. Somit mangle es an den Voraussetzungen für die vom Berufungsgericht vorgenommene Änderung der Parteienbezeichnung und an einem rechtlichen Interesse der Klägerinnen an der Feststellung der Nichtigkeit des Schenkungsvertrages. Aber selbst wenn die Klägerinnen die Verlassenschaft wirksam verträten, so hätten sie nur auf Leistung im Sinne der Übertragung der Liegenschaftsanteile klagen können, wobei die Frage der Nichtigkeit des Schenkungsvertrages lediglich eine Vorfrage gebildet hätte.
Diesen Ausführungen kann insgesamt nicht gefolgt werden. In der Klqge wurde nicht nur ausgeführt, daß die Klägerinnen als Erben anteilsmäßig die Erblasserin repräsentierten (AS 13), sondern ausdrücklich auch vorgebracht (AS 11), daß "bei aufrechtem Bestand des Notariatsaktes vom dieses Liegenschaftsvermögen nicht in das Nachlaßverfahren einbezogen würde" und daß streitgegenständlich sämtliche dem Beklagten von der Erblasserin geschenkten 4/6 Miteigentumsanteile, also nicht etwa nur die anteiligen Erbquoten der beiden Miterbinnen von 4/9, seien. Damit wurde ganz eindeutig auf die Notwendigkeit der Einbeziehung der geschenkten Liegenschaftsanteile in die Verlassenschaftsabhandlung verwiesen und nicht ein eigener Anspruch geltend gemacht. Davon ausgehend ist aber die berufungsgerichtliche Ansicht zu billigen, daß - anders als im Falle der Entscheidung JBl 1980, 270 - die beiden Klägerinnen in Wahrheit ohnehin namens des Nachlasses nach Franziska J*** eingeschritten sind, so daß lediglich die Parteienbezeichnung von Amtswegen zu berichtigen war. Was ihre Legitimation zur Vertretung des Nachlasses betrifft, übersieht der Rekurswerber, daß gemeinsames Einschreiten aller erbserklärten Erben bzw. zumindest deren Zustimmung zu einem solchen Einschreiten jedenfalls dann nicht zu fordern ist, wenn Miterben - nicht Noterben wie im Falle der Entscheidung EvBl 1962/227 - einen gegen einen anderen Miterben bestehenden Anspruch der Verlassenschaft für diese geltend machen. Auf diese Weise kann, wie bereits in der Entscheidung EvBl 1963/463 unter Hinweis auf ältere Rechtsprechung dargelegt wurde, die Durchsetzung des Anspruches des Nachlasses gegen einen Miterben ohne unnötige Erschwernis erfolgen. Weiß in Klang2 III 162, hält überhaupt jeden Miterben selbständig zur Geltendmachung eines zum Nachlaß gehörigen Anspruches berechtigt und verweist dabei insbesondere auch auf Ansprüche gegen einen deren Einrechnung in den Aktivstand bestreitenden Miterben. Die vom Berufungsgericht vergleichsweise ebenfalls zitierte teilweise gegenteilige Rechtsprechung bezieht sich entweder nicht auf Klageführungen der Verlassenschaft gegen einen Miterben oder es war wie in dem vom Berufungsgericht und vom Rekurswerber zitierten Fall der Entscheidung 5 Ob 315/69 = NZ 1971, 45, nicht nur der (dortige) Beklagte allfälliger Miterbe, sondern eben noch ein anderer, am Prozeß aber nicht beteiligter Miterbe vorhanden.
Zur Frage der Prozeßführungsbefugnis der für den Nachlaß einschreitenden Miterben vertritt Weiß, aaO, die Auffassung, eine diesbezügliche abhandlungsbehördliche Genehmigung sei überhaupt nicht erforderlich. Ob dieser Ansicht in ihrer Allgemeinheit zu folgen ist, kann dahingestellt bleiben. Das Verlassenschaftsgericht hat nämlich mit Beschluß vom die Erbserklärung aller Kinder der Erblasserin Franziska J*** angenommen und ausgesprochen, daß mit dem Verlassenschaftsverfahren bis zur Beendigung des gegenständlichen Rechtsstreites innegehalten werde. In seiner Entscheidungsbegründung verwies es auf die Bestimmung des § 2 Abs 2 Z 7 AußStrG, wonach die Parteien auf den Rechtsweg zu verweisen seien, wenn im Verlassenschaftsverfahren Rechtsfragen und Tatumstände zur Erörterung stehen, deren Klärung nur in einem förmlichen Beweisverfahren möglich sei. Bis zur Lösung solcher Vorfragen im Prozeß könne mit der Fortführung des Verlassenschaftsverfahrens innegehalten werden. Dies sei hier zweckmäßig, weil die Beantwortung der Frage, ob die umstrittenen 4/6-Liegenschaftsanteile in den Nachlaß der Franziska J*** fielen, vom Prozeßausgang abhänge.
Nach dieser Begründung besteht kein Zweifel, daß das Verlassenschaftsgericht die gegenständliche Klageführung als zur Klärung des für das Verlassenschaftsverfahren bedeutsamen Sachverhaltes erforderlich ansah und ihr dadurch mit zwingender Schlüssigkeit die nachträgliche Genehmigung erteilte, ohne dies noch ausdrücklich und förmlich auszusprechen.
Somit ist die grundsätzliche Legitimation und die verfahrensrechtliche Befugnis der beiden Miterbinnen zur Geltendmachung des klagsgegenständlichen Anspruches für die Verlassenschaft gegeben.
Entgegen den Rekursbehauptungen hat das Berufungsgericht schließlich auch zutreffend den Standpunkt vertreten, daß die gegenständliche Klage auf Nichtigerklärung des von der Erblasserin mit dem Beklagten geschlossenen Schenkungsvertrages zulässig ist, zumal sie sich ausdrücklich aus der materiellrechtlichen Bestimmung des § 865 ABGB herleitet. In diesem Sinne sind nicht nur die vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen JBl 1965, 420 und EvBl 1956/289 ergangen, sondern es hat der Oberste Gerichtshof an dieser Ansicht auch in der Entscheidung 2 Ob 544/81 festgehalten. Der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluß erweist sich daher in jeder Hinsicht frei von Rechtsirrtum. Demgemäß war dem dagegen gerichteten Rekurs des Beklagten ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.