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OGH vom 12.08.2020, 10ObS121/19w

OGH vom 12.08.2020, 10ObS121/19w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Lotz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Josef Putz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in Feldkirch, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-HillegeistStraße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Alterspension, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 37/19f16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Arbeits und Sozialgericht vom , GZ 33 Cgs 240/18y10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil zu lauten hat:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ab eine Alterspension in Höhe von monatlich brutto 3.079,13 EUR zu zahlen.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei ab eine darüber hinausgehende Alterspension von monatlich brutto 35,14 EUR, gesamt daher eine Alterspension von monatlich brutto 3.114,27 EUR zu zahlen, wird abgewiesen.“

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger bezog am von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt eine Alterspension in Höhe von 3.065,13 EUR zuzüglich 2,53 EUR Höherversicherung, gesamt daher 3.067,66 EUR monatlich.

[2] Der Kläger war Landesbediensteter. Er bezieht
– infolge Verzichts auf eine Abfertigung – eine Zusatzpension in Höhe von monatlich 1.532,55 EUR vom Land Vorarlberg (§ 112c Vbg LandesbedienstetenG 2000 idF LGBl 2003/25; § 142d Vbg LandesbedienstetenG 1988 idF LGBl 2003/26).

[3] Mit Bescheid vom setzte die Beklagte die Höhe der Alterspension des Klägers mit monatlich brutto 3.079,13 EUR ab fest. Die Alterspension des Klägers sei unter Berücksichtigung seines monatlichen Gesamtpensionseinkommens gemäß § 711 ASVG mit dem Hundertsatz von 1,003739 zu vervielfachen.

[4] Mit seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Klage begehrt der Kläger die Zuerkennung einer Alterspension in Höhe von 3.114,27 EUR brutto monatlich ab . Die dem Kläger gewährte Zusatzpension sei eine Abgeltung für die ihm gebührende Abfertigung, es handle sich dabei nicht um eine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung. Seine Alterspension sei ausgehend von einem Gesamtpensionseinkommen von 3.065,13 EUR gemäß § 711 Abs 1 Z 3 ASVG um 1,6 % zu erhöhen.

[5] Die Beklagte wandte dagegen ein, dass das Gesamtpensionseinkommen des Klägers zum 4.600,21 EUR betrage, sodass sich die Pensionserhöhung für das Jahr 2018 gemäß § 711 Abs 1 Z 4 ASVG linear absinkend mit 1,003739 errechne. Die Zusatzpension des Klägers sei eine vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz 2014 (BGBl I 2014/46; in der Folge auch: SpBegrG) erfasste Leistung und daher bei der Berechnung des Gesamtpensionseinkommens gemäß § 711 Abs 2 ASVG zu berücksichtigen.

[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. § 711 Abs 2 ASVG erfasse die explizit im SpBegrG genannten Berufsgruppen. Die vom Land dem Kläger gewährte Zusatzpension gehöre nicht zu den gesetzlichen Pensionsleistungen und werde nicht vom SpBegrG erfasst. Die dem Kläger gewährte Alterspension sei daher mit gemäß § 711 Abs 1 Z 3 ASVG um 1,6 % zu erhöhen.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Der Verweis in § 711 Abs 2 ASVG auf alle Leistungen, die vom SpBegrG erfasst sind, beschränke sich auf die in Art 2 bis 27 des SpBegrG angeführten, auf bundesgesetzlicher Grundlage beruhenden Leistungen, deren Beschränkung durch den einfachen Bundesgesetzgeber erfolgte. Die dem Kläger vom Land gewährte Zusatzpension werde vom SpBegrG hingegen nicht erfasst. Selbst im Fall des Aufgreifens der gemäß § 10 Abs 6 des Bundesverfassungsgesetzes über die Begrenzung von Bezügen öffentlicher Funktionäre (BezBegrBVG, BGBl I 1997/64) normierten Ermächtigung für den Landesgesetzgeber, Pensionssicherungsbeiträge analog den bundesgesetzlichen Regelungen für Funktionäre und Bedienstete von Rechtsträgern im Sinn des Art 14b Abs 2 Z 2 BVG, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen, zu schaffen, erfolge ein solcher Eingriff nicht durch das SpBegrG, sondern durch landesgesetzliche Umsetzung im Rahmen der dafür für die Länder vorgesehenen Kompetenz gemäß Art 21 Abs 1 BVG. § 711 Abs 2 ASVG erfasse daher nicht die Zusatzpension des Klägers. Auch aus § 711 Abs 6 ASVG sei nichts für den Standpunkt der Beklagten zu gewinnen, weil sich aus dem Vorhaben der Pensionsanpassung 2018 nach den Materialien keine finanziellen Auswirkungen für Länder, Gemeinden und Sozialversicherungsträger ergeben sollen. Die Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den hier zu behandelnden Rechtsfragen fehle.

[8] Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die vom Kläger beantwortete Revision der beklagten Pensionsversicherungsanstalt, mit der diese die Abweisung des Klagebegehrens auf Zuerkennung einer höheren Pension, als der mit Bescheid der Beklagten zuerkannten, begehrt.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision ist zulässig, weil die zentrale Frage, ob eine von einem Land einem Landesbediensteten bezahlte Zusatzpension als vom SpBegrG im Sinn des § 711 Abs 2 ASVG „erfasst“ gilt, in den die Bestimmung des § 711 ASVG bisher behandelnden Entscheidungen 10 ObS 59/19b und 10 ObS 49/19g nicht zu beantworten war.

[10] Die Revision ist auch berechtigt.

[11] Die Beklagte führt in der Revision aus, dass § 711 ASVG keine Pensionsbegrenzung im Sinn einer Pensionskürzung wie das SpBegrG normiere, sondern lediglich eine Nichterhöhung der Pensionsleistung nach dem ASVG. Zu diesem Zweck verweise § 711 Abs 2 ASVG auf das SpBegrG. Bei Anwendung des § 711 ASVG sei nicht die Verpflichtung zur Leistung eines Pensionssicherungsbeitrags inhaltlich zu prüfen, sondern lediglich darauf abzustellen, ob eine vom SpBegrG erfasste Leistung bezogen werde. Dabei mache es keinen Unterschied, ob eine solche Leistung unter direkter Anwendung des SpBegrG – nach dessen Art 2 bis 27 – oder unter indirekter Anwendung dieses Gesetzes im Weg eines auf der Grundlage des § 10 Abs 6 BezBegrBVG zu erlassenden Landesgesetzes bezogen werde.

[12] 1.1 Die Pensionsanpassung für das Jahr 2018 regelt § 711 ASVG idF BGBl I 2017/151 (PAG 2018). Diese Bestimmung lautet auszugsweise (Unterstreichung durch den Senat):

§ 711 (1) Abweichend von § 108h Abs. 1 erster Satz und Abs. 2 ist die Pensionserhöhung für das Kalenderjahr 2018 nicht mit dem Anpassungsfaktor, sondern wie folgt vorzunehmen: Das Gesamtpensionseinkommen (Abs. 2) ist zu erhöhen

1. wenn es nicht mehr als 1.500 EUR monatlich beträgt, um 2,2 %;

2. wenn es über 1.500 EUR bis zu 2.000 EUR monatlich beträgt, um 33 EUR;

3. wenn es über 2.000 EUR bis zu 3.355 EUR monatlich beträgt, um 1,6 %;

4. wenn es über 3.355 EUR bis zu 4.980 EUR monatlich beträgt, um einen Prozentsatz, der zwischen den genannten Werten von 1,6 % auf 0 % linear absinkt.

Beträgt das Gesamtpensionseinkommen mehr als 4.980 EUR monatlich, so findet keine Erhöhung statt.

(2) Das Gesamtpensionseinkommen einer Person ist die Summe aller ihrer Pensionen aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, auf die nach den am in Geltung gestandenen Vorschriften Anspruch bestand, jedoch mit Ausnahme der Kinderzuschüsse und der Ausgleichszulage und vor Anwendung von Ruhensbestimmungen. … . Als Teil des Gesamtpensionseinkommens gelten auch alle Leistungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl. I Nr. 46/2014, erfasst sind, wenn die pensionsbeziehende Person am darauf Anspruch hat.

(6) (Verfassungsbestimmung) Die Anpassung für das Kalenderjahr 2018 von Leistungen, die vom Sonderpensionenbegrenzungsgesetz, BGBl. I Nr. 46/2014, erfasst sind, darf die Erhöhung nach Abs. 1 unter Heranziehung des Gesamtpensionseinkommens (Abs. 2) nicht überschreiten.“

[13] 1.2 Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass die vorgeschlagene, nach dem Gesamtpensionseinkommen abgestufte Pensionserhöhung für das Jahr 2018 eine soziale Komponente in sich trägt (ErläutRV 1767 BlgNR 25. GP 1).

[14] 1.3 Die Verfassungsbestimmung des § 711 Abs 6 ASVG wurde erst im Zuge der Beratungen im Nationalrat in die Bestimmung aufgenommen. Im Abänderungsantrag ist sie wie folgt begründet: „Durch eine besondere Begrenzungsregelung, die im Verfassungsrang stehen soll, wird die Anpassung der 'Sonderpensionen' für das Kalenderjahr 2018 entsprechend der im § 711 Abs 1 ASVG festgelegten Staffelung unter Berücksichtigung des gemeldeten Gesamtpensionseinkommens limitiert.“ (AA-239 25. GP 3). § 711 Abs 6 ASVG betrifft ausschließlich die Anpassung der „Sonderpensionen“ und nicht die der Pensionsleistungen nach dem ASVG (10 ObS 59/19b).

[15] 1.4 Der Ausschuss für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz des Bundesrats weist in seinem Bericht im Gesetzgebungsprozess zum PAG 2018 darauf hin, dass der Beschluss des Nationalrats ein Fall des Art 44 Abs 2 B-VG sei, der daher in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen zu erteilenden Zustimmung des Bundesrats bedürfe (9903 BlgBR 1).

[16] 2.1 Mit der Systematik des SpBegrG und der hinter der Regelung des § 711 Abs 2 ASVG stehenden Absicht des Gesetzgebers hat sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 59/19b auseinandergesetzt. Für den vorliegenden Fall ist daraus hervorzuheben, dass das Ziel des SpBegrG die Fortsetzung der nachhaltigen Sicherung und verstärkten Harmonisierung von Pensionsregelungen in Bereichen mit Sonderpensionsrechten war. Der Begriff „Sonderpensionen“ soll dabei Zusatzpensionsleistungen abseits der üblichen Pensionsregelungen erfassen. Von Sonderpensionsregelungen sollen weitere Rechtsträger umfasst werden, soweit diese Rechtsträger der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen (ErläutRV 140 BlgNR 25. GP 1).

[17] 2.2 Art 1 SpBegrG enthält eine Änderung des BezBegrBVG zur verfassungsgesetzlichen Absicherung der zur Erreichung dieser Ziele nötigen einfachgesetzlichen Eingriffe in bestehende Leistungen von Bediensteten und Pensionisten rechnungshofkontrollierter Institutionen. Im Weg einer bundesverfassungsgesetzlichen Ermächtigung werden Eingriffe des einfachen Gesetzgebers in die bestehenden Leistungen von Bediensteten und Pensionisten der genannten Institutionen zugelassen. Gleichzeitig wird auch die zulässige Art der Eingriffe bundesverfassungsgesetzlich festgelegt. Abgesehen von der Festlegung von Obergrenzen für Bezüge und Ruhe- und Versorgungsbezüge (§ 10 Abs 2 und 3 BezBegrBVG), ist die Bundesgesetzgebung befugt, für Funktionäre und Bedienstete von Rechtsträgern, die der Kontrolle durch den Rechnungshof unterliegen, Beiträge von Bezügen und Sicherungsbeiträge von Ruhe- und Versorgungsbezügen vorzusehen (§ 10 Abs 4 und 5 BezBegrBVG; s VfGH G 478/2015 ua, VfSlg 20088/2016).

[18] 2.3 Zweifellos erfasst das SpBegrG die Ruhe- und Versorgungsgenüsse aus direkten Leistungszusagen aller explizit im Besonderen Teil des SpBegrG genannten Rechtsträger (10 ObS 59/19b mwH).

[19] 2.4 Regelungen für Bedienstete der Länder und Gemeinden, der Landwirtschaftskammern und Landarbeiterkammern sowie für Bedienstete von Rechtsträgern im Sinn des Art 14b Abs 2 Z 2 B-VG, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen, werden in den Art 2 ff SpBegrG im Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz der Länder nicht getroffen. Die in Art 1 SpBegrG neu geschaffene bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung (§ 10 Abs 6 BezBegrBVG) ermächtigt die Landesgesetzgeber, für die Landes- und Gemeindeebene vergleichbare Regelungen, wie sie im BezBegrBVG vorgesehen sind, für Funktionäre und Bedienstete von Rechtsträgern im Sinne des Art 14b Abs 2 Z 2 B-VG, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen (Z 1), sowie für ehemalige Funktionäre und Bedienstete von solchen Rechtsträgern sowie deren Angehörige und Hinterbliebene (Z 2) zu erlassen (vgl auch 8 Ob 142/17s).

[20] 2.5 Obwohl § 10 Abs 6 BezBegrBVG nach dem Wortlaut nur eine Kompetenznorm darstellt, sind die Länder nach den Gesetzesmaterialien dazu „angehalten“, im Rahmen der ihnen eingeräumten Gesetzgebungskompetenz vergleichbare Regelungen wie im SpBegrG zu treffen (ErläutRV 140 BlgNR 25. GP 2). Offenbar war es dem Bundesgesetzgeber ein Anliegen, dass vergleichbare legistische Maßnahmen auch auf Landesebene getroffen werden sollten.

[21] 2.6 Die Revisionswerberin weist darauf hin, dass das Land Vorarlberg mit dem Landesgesetz über Sonderpensionen landes- und gemeindenaher Einrichtungen, LGBl 2015/24, von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht hat. § 1 Vbg Sonderpensionengesetz regelt die Verpflichtung zur Entrichtung von Pensionssicherungsbeiträgen durch ehemalige Funktionäre und Funktionärinnen sowie Bedienstete von Rechtsträgern im Sinne des Art 14b Abs 2 Z 2 B-VG, die der Kontrolle des Rechnungshofs unterliegen, und durch deren Hinterbliebene. § 2 dieses Gesetzes regelt im Einzelnen den Anfall und die Höhe der Pensionssicherungsbeiträge, eine Regelung für Sonderzahlungen sieht § 3 vor.

[22] 3. Die dem Kläger vom Land gezahlte Zusatzpension ist keine Pension aus der gesetzlichen Pensionsversicherung, sodass sie nicht schon gemäß § 711 Abs 2 Satz 1 ASVG in das Gesamtpensionseinkommen einzubeziehen ist.

[23] 4.1 Damit stellt sich die Frage, ob die Zusatzpension des Klägers eine Leistung ist, die vom SpBegrG „erfasst“ ist (§ 711 Abs 2 Satz 3 ASVG).

[24] 4.2 Beim Begriff des „Erfassens“ in § 711 Abs 2 ASVG handelt es sich um einen unbestimmten Gesetzesbegriff, der in erster Linie nach dem anzuwendenden Gesetz – hier: § 711 ASVG – und durch teleologische Interpretation in einer Weise zu konkretisieren ist, die der Vermeidung von Wertungswidersprüchen dient (Kerschner/Kehrer in Klang³ § 6, 7 ABGB Rz 122; Posch in Schwimann/Kodek, ABGB 14§ 6 Rz 12 mwH).

[25] 4.3 Im Schrifttum vertritt S. Zankel (Eine kuriose Variante der Pensionsanpassung, ASoK 2018, 218), dass das SpBegrG keine Regelungen für ua Bedienstete der Länder treffe. § 10 Abs 6 BezBegrBVG enthalte lediglich eine Ermächtigung an den Landesgesetzgeber, vergleichbare Regelungen wie das SpBegrG vorzusehen. Davon hätten nicht alle Länder Gebrauch gemacht, so beispielsweise nicht das Bundesland Wien. Wenn aber ohne landesgesetzliche Umsetzung keine Begrenzung der Sonderpensionen erfolge, habe dies denklogisch zur Folge, dass das SpBegrG überhaupt keinen Anwendungsbereich hinsichtlich zB der Landesbediensteten habe.

[26] 4.3Resch (Die Sonderpensionserhöhung 2018 gemäß § 711 ASVG, RdW 2019/316, 397) hingegen sieht die besseren Argumente für die Einrechnung auch solcher Sonderpensionen, die von § 10 Abs 6 BezBegrBVG erfasst sind, in das Gesamteinkommen gemäß § 711 Abs 2 ASVG. Die Schaffung von Verfassungsbestimmungen in Art 1 SpBegrG – darunter auch § 10 Abs 6 BezBegrBVG – sei erforderlich gewesen, weil die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern geringfügig modifiziert worden sei, und weil eine verfassungsgesetzliche Absicherung des damit ermöglichten Eingriffs in bestehende Verträge erreicht werden sollte. Ein gewichtiges Argument für einen weit gefassten Regelungswillen des Gesetzgebers sei das sehr klar postulierte öffentliche Interesse an einer nach oben begrenzten Pensionserhöhung, in welche die Sonderpensionen miteingerechnet werden sollen. Insbesondere ergebe sich aus dem Ausschussbericht des Bundesrats zum PAG 2018 (9903 BlgBR), dass die Verfassungsbestimmung des § 711 Abs 6 ASVG die Kompetenzverteilung zulasten der Bundesländer verändere. Dieser Hinweis könne nur so verstanden werden, dass von § 711 Abs 6 ASVG auch unmittelbar die Sonderpensionen mitumfasst sein sollen, deren Regelung an sich dem Landesgesetzgeber zukommen würde. Nur auf diese Weise könne die Regelung in die Kompetenzverteilung zulasten der Länder eingreifen.

[27] 5.1 Regelungsziel des § 711 ASVG ist eine sozial gestaffelte Pensionserhöhung für das Jahr 2018. Niedrige Pensionen sollten in größerem Ausmaß erhöht werden als höhere Pensionen. Pensionen, die über der Höchstbeitragsgrundlage von 2017 liegen, sollten nicht erhöht werden. Für den von Resch genannten weit gefassten Regelungswillen des Gesetzgebers spricht schon dieses gesetzgeberische Ziel und der ausdrückliche Hinweis des Gesetzgebers auf das Gesamtpensionseinkommen und das SpBegrG, obwohl mit § 711 ASVG nur die Erhöhung der gesetzlichen Pension nach dem ASVG geregelt werden sollte. Anders als das SpBegrG normiert § 711 ASVG, worauf die Revisionswerberin zutreffend hinweist, keinen Eingriff in bestehende Pensionsansprüche.

[28] 5.2 Das SpBegrG verfolgt, wie bereits dargestellt, das Ziel, Sonderpensionen – also Zusatzpensionsleistungen abseits der üblichen Pensionsregelungen – der Höhe nach zu begrenzen und grundlegende Bestimmungen über Pensionsbeiträge, Pensionssicherungsbeiträge und das Pensionsantrittsalter zu treffen und diese Regelungen zu harmonisieren (ErläutRV 140 BlgNR 25. GP 2). Regelungs- technisch setzt es dieses Ziel betreffend in die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers fallenden Personengruppen direkt um, betreffend die in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallenden Personengruppen durch die bereits dargestellte bundesverfassungsgesetzliche Ermächtigung zur Schaffung vergleichbarer Regelungen. Betreffend die unter die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallenden Personengruppen ist eine andere Vorgangsweise aus den von Resch (RdW 2019, 397) dargestellten verfassungsrechtlichen Gründen – und auch wegen Art 21 Abs 1 B-VG – gar nicht anders möglich. Die verfassungsrechtlich vorgegebene Regelungstechnik des SpBegrG ändert nichts daran, dass dieses Gesetz im Sinn des § 711 Abs 2 ASVG auch jene Zusatzpensionen „erfasst“, für deren finanzielle Absicherung und Begrenzung die Länder erst vergleichbare Regeln schaffen müssen. Ob die Länder von der ihnen verfassungsgesetzlich eingeräumten Ermächtigung Gebrauch gemacht haben, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, weil für die Anwendbarkeit des § 711 Abs 2 ASVG nicht maßgeblich ist, ob beispielsweise Pensionssicherungsbeiträge tatsächlich eingehoben werden oder nicht.

[29] 5.3§ 711 ASVG normiert die Erhöhung der gesetzlichen Pensionen nach dem ASVG ungeachtet des Umstands, ob die Bezieher einer solchen Pension dienstrechtlich in die Kompetenz des Bundes oder der Länder (vgl Art 21 Abs 1 B-VG) fallen (bzw gefallen sind). Die Bestimmung strebt eine einheitliche Erfassung aller von ihr betroffenen Pensionistinnen und Pensionisten an. Der Verweis in § 711 Abs 2 ASVG auf Leistungen, die vom SpBegrG „erfasst“ sind, ist daher nicht einschränkend zu verstehen. Gemeint sind von § 711 Abs 2 ASVG alle Sonderpensionen, für die entweder Regelungen im SpBegrG vorhanden sind oder Regelungen durch das SpBegrG ermöglicht, ja, nach dem dargestellten Willen des Bundesverfassungsgesetzgebers auch im Bereich der Länder angestrebt werden. Nur eine solche Auslegung vermeidet den sonst entstehenden Wertungswiderspruch: Es geht dem Gesetzgeber des ASVG nicht um eine Kürzung von Zusatzpensionen, sondern um eine gleichmäßige Erhöhung der gesetzlichen Pensionen. Und es wäre nicht einzusehen, dass gesetzliche Pensionen von Beziehern von Zusatzpensionen, deren Regelung dem Bundesgesetzgeber obliegt, nach strengeren Maßstäben erhöht werden sollten, als gesetzliche Pensionen von Beziehern von Zusatzpensionen, deren Regelung dem Landesgesetzgeber obliegt.

[30] 5.4 Eine sachliche Rechtfertigung für eine solche unterschiedliche Handhabung ist um so weniger zu erkennen, als der Gesetzgeber nicht nur in § 711 Abs 2 ASVG Bezug auf das SpBegrG nimmt, sondern auch in der Verfassungsbestimmung des § 711 Abs 6 ASVG. Zutreffend weist Resch darauf hin, dass diese Verfassungsbestimmung in kompetenzändernder Weise auch unmittelbar die Sonderpensionen miterfasst, dies auch dann, wenn deren Regelung an sich dem Landesgesetzgeber zukommt (RdW 2019, 399; 10 ObS 59/19b, Pkt 2.3).

[31] 5.5 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 711 ASVG macht der Kläger in der Revisionsbeantwortung nicht geltend (vgl in diese Richtung S. Zankel, ASoK 2018, 220). Der Vollständigkeit halber ist jedoch anzumerken, dass das Bundesverwaltungsgericht keine Bedenken gegen die Verfassungsgemäßheit der Bestimmung des § 711 ASVG gefunden hat (BVwG W178 2205461-1). Es handle sich bei dieser Bestimmung nicht um eine Leistungskürzung, wenn auch eine Kaufkraftminderung vorliege, sondern um eine Nichterhöhung einer Pension. Diese sei derart geringfügig (zumindest bezogen auf die für 2018 vorgesehene Regelung), dass weder eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes noch des Rechts auf Eigentum vorliegt. Der Verfassungsgerichtshof hat eine gegen diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gerichtete Beschwerde mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg abgelehnt (VfGH E 106/2019-11; s dazu DRdA-infas 2019/164 [Weißensteiner]).

[32] 5.6 Auch in einem vergleichbaren Fall, in dem
– ebenfalls im Zusammenhang mit der Pensionserhöhung 2018 – die Höhe eines Pensionszuschusses strittig war, hat der Oberste Gerichtshof jüngst entschieden, dass ein dem Steiermärkischen Sonderpensionenbegrenzungsgesetz 2015, LGBl 2016/45 unterliegender Pensionszuschuss im weiten Sinne eine Leistung im Sinn des SpBegrG ist, also von diesem Gesetz „erfasst“ ist, weshalb seine Erhöhung für das Jahr 2018 durch § 711 Abs 6 ASVG limitiert ist (8 ObA 27/20h).

[33] 5.7Ergebnis: Eine von einem Bediensteten eines Landes nach landesgesetzlichen Regeln bezogene Zusatzpension ist als Teil des Gesamtpensionseinkommens im Sinn des § 711 Abs 2 ASVG zu berücksichtigen.

[34] 6. Ausgehend davon kommt dem Standpunkt der Beklagten Berechtigung zu. Gegen die Berechnung der Höhe der Alterspension ab im angefochtenen Bescheid hat sich der Kläger nicht gewendet.

[35] Der Revision war daher Folge zu geben. Das Klagebegehren auf Zuerkennung einer höheren als im Bescheid zuerkannten Alterspension ab ist abzuweisen und der angefochtene Bescheid mit Urteil wiederherzustellen.

[36] Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit wurden nicht geltend gemacht und ergeben sich auch nicht aus der Aktenlage.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00121.19W.0812.000

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