OGH vom 17.11.2015, 10ObS121/15i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Mag. Korn (Senat gemäß § 11a Abs 3 ASGG) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Mag. Helmut Marschitz, Rechtsanwalt in Mistelbach, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist Straße 1, 1021 Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 15 Cgs 33/14m des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 18/15y 7, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO berechtigen nur solche neuen Tatsachen und Beweismittel zur Wiederaufnahmsklage, deren Vorbringen und Benutzung im früheren Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
2. Ob im Einzelfall ein Vorbringen zur Darstellung eines Wiederaufnahmsgrundes ausreicht oder nicht, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO dar, soweit nicht eine krasse Fehlbeurteilung vorliegt, die aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigieren wäre (8 Ob 85/12a mwN).
3. Nach ständiger Rechtsprechung vermag auch in Sozialrechtssachen weder die (hier behauptete) Unrichtigkeit eines im Hauptprozess erstatteten Gutachtens noch der Umstand, dass später ein anderer Gutachter ein abweichendes Gutachten erstattet hat, die Voraussetzungen für einen Wiederaufnahmsgrund iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO zu erfüllen (RIS Justiz RS0044555, RS0044834). Später hervorgekommene Tatumstände, die die Unrichtigkeit eines Gutachtens oder die mangelnde Eignung des beigezogenen Sachverständigen nahelegen, sind für sich kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund, könnte doch sonst die Wiederaufnahme jedes Prozesses verlangt werden, in dem ein Sachverständigenbeweis hätte beantragt werden können, wenn die unterlegene Partei nachträglich ein für sie günstiges Gutachten vorlegt, oder, sofern der Sachverständigenbeweis im Vorprozess aufgenommen worden war, wenn sie ein gegenteiliges Gutachten vorlegt ( Kodek in Rechberger , ZPO 4 § 530 Rz 15 mwN).
Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise für ein abweichendes Privatgutachten und für ein abweichendes gerichtliches Gutachten (1 Ob 37/07k mwN). Ebenso wenig kann die Wiederaufnahmsklage allein darauf gestützt werden, dass spätere Tatsachen die objektive Unrichtigkeit eines Gutachtens ergeben haben (RIS Justiz RS0044834 [T6]).
4. Der Wiederaufnahmskläger müsste daher in einem solchen Fall entweder den Nachweis erbringen, dass der im Hauptverfahren vernommene Sachverständige eine behauptete Zwischenerhebung in Wahrheit nicht durchgeführt habe oder dass die jüngeren Gutachten auf einer neuen wissenschaftlichen Methode beruhen, die zum Zeitpunkt der Begutachtung im Hauptverfahren noch unbekannt war (10 ObS 151/06p; 10 ObS 157/00m, SSV NF 14/79 mwN zuletzt 10 ObS 34/14v; RIS Justiz RS0044834 [T5]; RS0044555 [T4]). Es wurde auch schon mehrfach die Ansicht vertreten, einem nachträglichen Gutachten könne die Eignung als Wiederaufnahmsgrund nicht abgesprochen werden, wenn das Gutachten des Vorprozesses auf einer unzulänglichen Grundlage beruhte, die durch das neue Gutachten richtiggestellt und vervollständigt worden sei (10 ObS 34/14v; 2 Ob 230/06x ua).
5. Das Rekursgericht ist bei seiner Entscheidung von diesen soeben dargelegten Grundsätzen ausgegangen.
Wenn die Klägerin anführt, dass die im wiederaufzunehmenden Verfahren bestellten Sachverständigen sich nicht ausreichend mit ihrer Krankengeschichte auseinandergesetzt hätten und sich aus den chefärztlichen Bestätigungen ihre Arbeitsunfähigkeit ergebe, stellt dies die keinen Wiederaufnahmsgrund bildende Behauptung der Unrichtigkeit der eingeholten Gutachten dar. Welche Zwischenerhebungen die Gutachter dabei unterlassen haben sollen, lässt auch der Revisionsrekurs offen.
6. Da die Entscheidungen der Vorinstanzen ausschließlich auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin ergingen und Feststellungen nicht getroffen wurden, geht die Behauptung der Nichtigkeit des Verfahrens wegen Fehlens einer überprüfbaren Beweiswürdigung ins Leere.
Der Revisionsrekurs ist mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00121.15I.1117.000
Fundstelle(n):
SAAAD-82237