VfGH vom 23.09.2013, B1332/2012
Leitsatz
Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Anlassfall
Spruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden. Der Bescheid wird aufgehoben.
II. Die Universität Linz ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.620,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
1.1. Der Beschwerdeführer ist Studierender der Universität Linz. Die Universität Linz zählt zu jenen Universitäten, die – nachdem der Verfassungsgerichtshof mit VfSlg 19.448/2011 unter anderem § 91 Abs 1 bis 3 und Abs 8 des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 – in der Folge: UG 2002), BGBl I 120/2002 idF BGBl I 134/2008, als verfassungswidrig aufgehoben und der Gesetzgeber bis zum Ablauf der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist für das Außerkrafttreten am keine Ersatzregelungen getroffen hatte – ihre Satzungen dahingehend änderten bzw. ergänzten, dass Bestimmungen eingeführt wurden, die mit Wirksamkeit ab dem Wintersemester 2012/13 eine Studienbeitragspflicht für Studierende vorsahen, die bestimmte, in den jeweiligen Satzungen (über weite Strecken gleichartig) geregelte Voraussetzungen erfüllen.
Gestützt auf § 46 des Satzungsteils "Studienrecht" der Satzung der Universität Linz, Mitteilungsblatt der Universität Linz vom , 26. Stück, Pkt. 228, stellte der Vizerektor für Lehre der Universität Linz auf Antrag des Beschwerdeführers in erster Instanz fest, dass dieser verpflichtet sei, für das Wintersemester 2012/13 einen Studienbeitrag in der Höhe von € 363,36 zu entrichten, weil er die beitragsfreie Studiendauer überschritten habe. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Senat der Universität Linz, in der er neben der Aufhebung des die Studienbeitragspflicht aufhebenden erstinstanzlichen Bescheides auch die Rückerstattung des von ihm entrichteten Studienbeitrages beantragte. Der Senat der Universität Linz wies den Antrag auf Rückerstattung und die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und insbesondere die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetz- und verfassungswidrigen Verordnung, in concreto der eine Studienbeitragspflicht vorsehenden Bestimmungen der Satzung der Universität Linz, behauptet wird. Der Senat der Universität Linz legte die Verwaltungsakten vor und erstattete als belangte Behörde eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Der Beschwerdeführer erstattete eine Replik.
1.2. Nachdem der Verfassungsgerichtshof in seinem (anlässlich der Behandlung der zu B878/2012 protokollierten Beschwerde eines Studierenden der Universität Wien gefassten) Prüfungsbeschluss vom Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit von Studienbeitragsregelungen, die ohne entsprechende gesetzliche Grundlage als Teil von im Verordnungsrang stehenden Satzungen öffentlicher Universitäten erlassen wurden, geäußert hatte, wurde am das Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 und das Studienförderungsgesetz 1992 geändert werden, im BGBl I 18/2013 kundgemacht. Der durch dieses Bundesgesetz eingeführte § 143 Abs 30 Satz 3 UG 2002 ordnete an, dass die in den Ziffern 1 bis 9 genannten "Regelungen über Studienbeiträge in Satzungen von Universitäten […] vom bis zum Wirksamwerden des § 91 Abs 1 bis 3 in der Fassung BGBl I Nr 18/2013 als Bundesgesetze" gelten. Zu diesen Regelungen zählten gemäß Ziffer 7 auch die §§46 und 47 des Satzungsteils "Studienrecht" der Satzung der Universität Linz idF Mitteilungsblatt der Universität Linz vom , 26. Stück, Pkt. 228.
1.3. Ob der Verfassungsmäßigkeit dieser, u.a. auch die den angefochtenen Bescheid tragende Studienbeitragsregelung der Satzung der Universität Linz in Gesetzesrang hebenden Bestimmung entstanden beim Verfassungsgerichtshof u.a. aus Anlass der vorliegenden Beschwerde Bedenken. Daher beschloss der Verfassungsgerichtshof am , sowohl die Verfassungsmäßigkeit von § 143 Abs 30 Satz 3 UG 2002 idF BGBl I 18/2013 als auch die Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit (u.a.) der §§46 und 47 des Satzungsteils "Studienrecht" der Satzung der Universität Linz idF Mitteilungsblatt der Universität Linz vom , 26. Stück, Pkt. 228, – letzteres auf Grund derselben Bedenken, die den Verfassungsgerichtshof veranlasst hatten, am im zu B878/2012 protokollierten Verfahren einen Prüfungsbeschluss hinsichtlich der eine Studienbeitragspflicht vorsehenden Bestimmungen der Satzung der Universität Wien zu fassen () – von Amts wegen zu prüfen ( ua.).
1.4. Nachdem mit (Teil-)Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom zunächst § 143 Abs 30 Satz 3 UG 2002 idF BGBl I 18/2013 als verfassungswidrig aufgehoben wurde (, V32-36/2013-18), hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom (, V32-36/2013-22, V71/2012-18) u.a. die §§46 und 47 des Satzungsteils "Studienrecht" der Satzung der Universität Linz in der Fassung Mitteilungsblatt der Universität Linz vom , 26. Stück, Pkt. 228, als verfassungswidrig auf.
2. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.
2.1. Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.303/1984, 10.515/1985).
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. Die Verpflichtung der Universität Linz zum Ersatz der Prozesskosten ergibt sich aus den §§4 und 5 UG 2002 iVm Art 81c B-VG (vgl. ; , B1852/02; , B1088/06). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 220,– enthalten.