OGH 17.11.2015, 10ObS120/15t
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau (Senat gemäß § 11a Abs 3 Z 1 ASGG) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*****, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Waisenpension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 59/15y-8, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 59 Cgs 81/15v-5, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Erstgericht mit dem Auftrag
zurückgestellt, sie unter Anschluss eines Nachweises über eine bereits erfolgte Zustellung der Revision an den Kläger wieder vorzulegen. Sollte dies nicht möglich sein, wird dem Erstgericht aufgetragen, neuerlich eine Gleichschrift der Revision der beklagten Partei dem Kläger nachweislich zur allfälligen Erstattung einer Revisionsbeantwortung binnen 4 Wochen zuzustellen sowie die Akten nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung bzw fruchtlosem Verstreichen der Frist erneut dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.
Text
Begründung:
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Gewährung einer Waisenpension über den hinaus statt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung in ein klageabweisendes Urteil.
Das Erstgericht verfügte am die Zustellung der Revision der beklagten Partei an den Kläger zur allfälligen Erstattung einer Revisionsbeantwortung (AS 41). Ein Nachweis über die erfolgte Zustellung der Revision an den Kläger liegt aber nicht vor. Der der Verfügung AS 41 angeheftete ERV-Zustellnachweis bezieht sich lediglich auf eine Zustellung der Revision an die beklagte Partei (selbst).
Das Erstgericht legte daraufhin die Revision der beklagten Partei im Wege des Berufungsgerichts dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
Die Aktenvorlage ist verfrüht.
Dem Kläger steht es gemäß § 507 Abs 2 ZPO frei, eine Revisionsbeantwortung einzubringen. Das Erstgericht wird daher einen Nachweis über eine bereits erfolgte Zustellung der Revision der beklagten Partei an den Kläger vorzulegen haben. Sollte dies nicht möglich sein, wird das Erstgericht eine Gleichschrift der Revision der beklagten Partei dem Kläger zuzustellen haben. In diesem Fall ist der Akt erst nach Einlangen einer Revisionsbeantwortung oder nach fruchtlosem Ablauf der Revisionsbeantwortungsfrist wieder vorzulegen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Thomas Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*****, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Waisenpension, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 59/15y-8, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 59 Cgs 81/15v-5, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die Waisenpension über den hinaus im gesetzlichen Ausmaß weiterzugewähren, wird abgewiesen.“
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom entzog die beklagte Pensionsversicherungsanstalt dem damals 20-jährigen Kläger die Waisenpension mit Ablauf des Monats Jänner 2015. Als Begründung wurde ausgeführt, dass die Arbeitskraft des Klägers nicht mehr überwiegend für seine Schulausbildung beansprucht werde.
In seiner fristgerecht erhobenen Klage brachte der Kläger vor, er habe eine Erwerbstätigkeit als Hotelrezeptionist aufgenommen, um seine Mutter bei der Finanzierung seines Schulbesuchs und der Rückzahlung von Krediten zu unterstützen. Er lerne nach wie vor für die Schule und besuche regelmäßig den Unterricht.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Da der Kläger ab Jänner 2015 ein Beschäftigungsverhältnis mit einer wöchentlichen Normalarbeitszeit von 40 Stunden zu einem monatlichen Bruttoentgelt von 1.546 EUR aufgenommen habe, liege keine die Arbeitskraft überwiegend beanspruchende Schul- oder Berufsausbildung iSd § 252 Abs 2 Z 1 ASVG mehr vor. Die Waisenpension sei daher gemäß § 99 Abs 1 ASVG mit Ablauf des Monats Jänner 2015 zu entziehen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Gewährung der Waisenpension über den hinaus statt. Es traf folgende Feststellungen:
„Der Kläger besucht als ordentlicher Studierender die Bundeshandelsakademie II-Abendakademie für Wirtschaftsberufe im zweiten Studienjahr. Im Wintersemester 2014/2015 betrug das Stundenausmaß 24 Wochenstunden. Der Unterricht wird an fünf Wochentagen von Montag bis Freitag abgehalten; er beginnt jeweils um 18:00 Uhr und dauert bis 22:00 Uhr. An zwei Wochentagen besucht der Kläger im Anschluss an die reguläre Unterrichtszeit eine unverbindliche Übung (Förderunterricht). Der zeitliche Aufwand für den Schulbesuch samt Vorbereitungen und Übungen beläuft sich auf etwa 30 Wochenstunden. Seit ist der Kläger in einem Hotel als Rezeptionist mit einer Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden zu einem Bruttomonatsgehalt von 1.546 EUR zuzüglich Zulagen beschäftigt. Die Wochenarbeitszeit ist auf fünf Arbeitstage verteilt und zwar jeweils von 6:30 Uhr bis 15:00 Uhr.“
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass einer Waise, die das 18. Lebensjahr vollendet habe, im Fall einer „hauptberuflichen“ Ausbildung eine die Selbsterhaltungsfähigkeit garantierende Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden könne. Übe die Waise eine solche Erwerbstätigkeit dennoch aus, werde dadurch ihr Anspruch auf Waisenpension nicht vernichtet. Neben einer die Arbeitskraft überwiegend beanspruchenden Schul- oder Berufsausbildung erzielte Einkünfte jeglicher Art berührten weder den Grund noch die Höhe des Anspruchs auf Waisenpension.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe und die beklagte Partei schuldig sei, dem Kläger bis zur Erlassung des die Höhe dieser Leistung festsetzenden Bescheids eine vorläufige Zahlung von 50 EUR monatlich ab zu erbringen. Das Berufungsgericht ließ die Tatsachenrüge mit der Begründung unerledigt, es sei nicht entscheidungswesentlich, ob der zeitliche Aufwand für den Schulbesuch 25 bis maximal 28 Stunden oder aber 30 Stunden wöchentlich ausmache. Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, die vom Kläger absolvierte Schul- bzw Berufsausbildung übersteige jedenfalls die Hälfte der Normalarbeitszeit pro Woche nach § 3 AZG, weshalb sie seine Arbeitskraft überwiegend beanspruche. Die neben der „hauptberuflichen“ Ausbildung ausgeübte Erwerbstätigkeit, die seine Selbsterhaltungsfähigkeit garantiere, vernichte seinen Anspruch auf Waisenpension nicht. Dass das zeitliche Ausmaß dieser Erwerbstätigkeit die wöchentliche Normalarbeitszeit nach § 3 AZG erreiche, könne an dem Anspruch auf Waisenpension nichts ändern. Anhaltspunkte dafür, dass die Tätigkeit als Rezeptionist gleichzeitig der Ausbildung in der Handelsakademie diene oder als Praktikum erforderlich wäre, bestünden nicht. Für das vom Erstgericht getroffene Grundurteil bestehe kein Raum, weil die Leistungshöhe - für den Fall, dass der Entziehungsgrund verneint werde - ohnehin feststehe. Werde die Verpflichtung zur Weitergewährung der entzogenen Leistung dennoch nur dem Grunde nach ausgesprochen, so sei eine vorläufige Zahlung anzuordnen. Deren Höhe orientiere sich an der Höhe der entzogenen Pensionsleistung.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu bestehe, nach welchen Kriterien das gesetzliche Tatbestandsmerkmal „der überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft“ in § 252 Abs 2 Z 1 ASVG auszulegen sei, wenn neben einer „hauptberuflichen“ Schulbildung eine Erwerbstätigkeit in Vollzeit ausgeübt werde.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Klageabweisung, hilfsweise mit dem Antrag auf Aufhebung.
Der Kläger hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.
Die Revisionswerberin macht zusammengefasst geltend, zur Fortsetzung der Kindeseigenschaft über das 18. Lebensjahr hinaus werde verlangt, dass die Arbeitskraft durch die Schul- oder Berufsausbildung so in Anspruch genommen werde, dass eine die Selbsterhaltung garantierende Berufstätigkeit nicht zugemutet werden könne. Arbeite die Waise trotzdem, mindere dies nicht den Anspruch auf Waisenpension. Der Gesetzgeber sei aber offenkundig nicht von einer Arbeitsbelastung ausgegangen, die das Ausmaß einer Vollzeitbeschäftigung erfülle. Schon begrifflich schlössen sich eine „hauptberufliche Ausbildung“ und eine Vollzeitbeschäftigung aus. Ob die Arbeitskraft durch eine Schul- oder Berufsausbildung überwiegend iSd § 252 Abs 2 Z 1 ASVG in Anspruch genommen werde, sei durch Vergleich der konkreten Belastungen zu ermitteln. Bei der vom Kläger ausgeübten Vollzeitbeschäftigung sei jedenfalls nicht mehr von einer überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft durch eine Schul- oder Berufsausbildung auszugehen.
Dazu ist auszuführen:
1.1 Anspruch auf Waisenpension haben gemäß § 260 ASVG nach dem Tod des (der) Versicherten die Kinder iSd § 252 Abs 1 Z 1 bis 4 und Abs 2 ASVG.
1.2 Gemäß § 252 Abs 2 Z 1 ASVG besteht die Kindeseigenschaft auch nach der Vollendung des 18. Lebensjahres, wenn und solange das Kind sich in einer Schul- und Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Für das Bestehen der Kindeseigenschaft auch nach der Vollendung des 18. Lebensjahres kommt es demnach nur darauf an, dass sich das Kind in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, die seine Arbeitskraft überwiegend beansprucht (RIS-Justiz RS0089658; zur historischen Entwicklung siehe Panhölzl in SV-Komm § 252 ASVG [119. Lfg] Rz 25 ff). Wenn und solange eine die Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nehmende Schul- oder Berufsausbildung absolviert wird, besteht die Kindeseigenschaft bis zur festgesetzten Altersgrenze weiter.
1.3 Zweck der Waisenpension ist, den Lebensunterhalt einer Waise nach dem Tod des bisher Unterhaltsleistenden an dessen Stelle zu sichern und ihr eine entsprechende Schul- oder Berufsausbildung zu gewährleisten. Es soll der Wegfall der Unterhaltsleistungen des Verstorbenen so lange ausgeglichen werden, bis die Waise imstande ist, nach Abschluss einer entsprechenden Ausbildung selbst für ihren Lebensunterhalt aufzukommen (vgl Standeker, Verlängerte Kindeseigenschaft und Waisenpension, ZAS 2001, 129 [137]).
1.4 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Frage, ob die Arbeitskraft durch eine Schul- oder Berufsausbildung iSd § 252 Abs 2 Z 1 ASVG „überwiegend“ beansprucht wird, durch einen Vergleich der konkreten Auslastung der Arbeitskraft zu dem etwa im AZG oder in den Kollektivverträgen für vertretbar gehaltenen Gesamtbelastungsausmaß zu ermitteln (RIS-Justiz RS0085184). Als Faustregel wurde in der Praxis angenommen, dass eine einschließlich der Fahrt zum und vom Schul- und Ausbildungsort unter Aufarbeitung des Lehrstoffes mindestens 20 Wochenstunden umfassende Schulausbildung ausreicht, um das Tatbestandsmerkmal der überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft zu erfüllen (10 ObS 237/01b, SSV-NF 15/127). Die überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft wurde etwa durch den Besuch eines Gymnasiums für Berufstätige mit einer Unterrichtszeit von 20 Stunden pro Woche bejaht (10 ObS 2/89, SSV-NF 3/26), ebenso bei einer wöchentlichen Unterrichtszeit von fünf Stunden und einer täglichen Beschäftigung mit der Aneignung des Lehrstoffs zwischen vier und sechs Stunden (10 ObS 78/92, SSV-NF 6/47). Diese Rechtsprechung bezieht sich auf den - hier nicht vorliegenden - Fall, dass neben der Schulausbildung keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.
2.1 Davon sind jedoch die Fälle nebeneinander bestehender Erwerbsarbeit und Berufs- oder Schulausbildung zu unterscheiden. Wenn die Waise - wie im vorliegenden Fall - neben ihrer Schulausbildung einer Erwerbstätigkeit nachgeht, ist das Verhältnis zwischen der Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Ausbildung und der Beanspruchung durch die Erwerbstätigkeit maßgebend. Überwiegt die Inanspruchnahme durch die Erwerbstätigkeit, so fehlt es an der vom Gesetz geforderten überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft durch die Ausbildung, sodass die Kindeseigenschaft zu verneinen ist (M. Harrer, Zusammentreffen von Waisenpension und Arbeitslosengeld, DRdA 1988, 469 [473]; H. Ivansits in seiner Entscheidungsanmerkung in DRdA 1986/20, 330 [331]; M. Binder in seiner Entscheidungsanmerkung in ZAS 1989/10, 63 [65]; vgl auch OLG Wien, SSV 26/54).
2.2 In der Rechtsprechung wurde das Vorliegen der Kindeseigenschaft bejaht, wenn die Waise neben ihrem Doktorratsstudium einer Halbtagsbeschäftigung nachgeht (10 ObS 87/87, SSV-NF 1/39) oder auch bei einer Tätigkeit als halbbeschäftigter Vertragsassistent an der Wirtschaftsuniversität (10 ObS 169/91, SSV-NF 5/77). Dahinter steht die Wertung, dass die Arbeitskraft desjenigen, der sich einer ihn überwiegend beanspruchenden Schul- oder Berufsausbildung unterzieht, in der Regel so in Anspruch genommen ist, dass ihm eine die Selbsterhaltungsfähigkeit garantierende Berufstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Übt er eine solche dennoch aus, so vernichtet das seinen Anspruch auf Waisenpension nicht (RIS-Justiz RS0085139). Solange Kindeseigenschaft durch eine iSd § 252 Abs 2 Z 1 ASVG die Arbeitskraft überwiegend beanspruchende Schul- oder Berufsausbildung besteht, wirken sich erzielte Einkünfte allenfalls darauf aus, ob das waisenpensionsberechtigte Kind Anspruch auf eine Ausgleichszulage zur Waisenpension hat (10 ObS 169/91, SSV-NF 5/77 mwN).
2.3 Der Kindesbegriff ist aber nur dann erfüllt, wenn eine Erwerbstätigkeit neben einer Ausbildung ausgeübt wird (Panhölzl in SV-Komm § 252 ASVG [119. Lfg], Rz 48; Harrer, DRdA 1988, 469 [473]). Hingegen wurde bereits mehrfach ausgesprochen, dass bei einer Vollzeitbeschäftigung im Rahmen einer 40-Stunden-Woche ein daneben betriebenes Studium die Arbeitskraft jedenfalls nicht überwiegend in Anspruch nehmen kann (vgl 10 ObS 68/99v, SSV-NF 13/46; 10 ObS 169/91, SSV-NF 5/77; 10 ObS 424/89, SSV-NF 4/9). Bei einer Vollzeitbeschäftigung muss nämlich angenommen werden, dass sie die Arbeitskraft der Waise überwiegend belastet (vgl Panhölzl in SV-Komm § 252 ASVG [119. Lfg] Rz 48).
3.1 Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Kläger eine Vollzeitbeschäftigung als Rezeptionist mit einer Normalarbeitszeit von 40 Wochenstunden und einem Gehalt von 1.546 EUR brutto zuzüglich Zulagen ausübt und sich einer (Abend-)Schulausbildung mit einem - deutlich unter 40 Stunden liegenden - zeitlichen Aufwand (von insgesamt etwa 30, allenfalls auch nur 25 oder 28 Wochenstunden) unterzieht. Aufgrund dieser Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Inanspruchnahme durch die Erwerbstätigkeit überwiegt, er also eine Ausbildung an der Abendschule neben einer Erwerbstätigkeit absolviert hat, sodass die Kindeseigenschaft iSd § 252 Abs 2 Z 1 ASVG nicht mehr weiter besteht.
3.2 Zutreffend verweist die Beklagte in ihrer Revision auch darauf, dass bereits in den EB zur RV 599 BlgNR 7. GP 43 der Gesetzgeber zu erkennen gegeben hat, dass wohl nur „kleine Verdienste“ das Abstandnehmen von einer Entziehung der Waisenpension nach dem 18. Lebensjahr des Beziehers rechtfertigen würden (vgl auch H. Ivansits in DRdA 1986/20, 331). Auch der Zweck der Waisenpension (siehe oben Pkt 1.3), insbesondere der Grundgedanke, dass die Waisenpension nur subsidiär zur Sicherung des Lebensunterhalts der Waise herangezogen werden soll, wenn und solange diese ihren Lebensunterhalt nicht selbst abdecken kann, spricht in Fällen wie dem vorliegenden für den Wegfall der Waisenpension.
Es waren daher in Stattgebung der Revision der beklagten Partei die Urteile der Vorinstanzen im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Sozialrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2015:010OBS00120.15T.1117.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
HAAAD-82083