OGH vom 15.12.1999, 13Os157/99

OGH vom 15.12.1999, 13Os157/99

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Handler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Yaroslav O***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 42 Vr 1284/98 des Landesgerichtes Klagenfurt, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Graz vom , AZ 9 Bs 423/99 (= ON 198), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Yaroslav O***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Über den am verhafteten Yaroslav O***** wurde mit Beschluss des Untersuchungsrichters des Landesgerichtes Klagenfurt am aus den (nunmehr aktuellen) Haftgründen des § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit a StPO die Untersuchungshaft verhängt (ON 21).

Die rechtswirksam gewordene Anklageschrift (ON 126) legt ihm sowie den Mitangeklagten Volodymyr M*****, Oleksiy L***** und Serhiy V***** die Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall (I.) sowie der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (II.) zur Last.

Danach soll er am

zu I. im Bezirk Völkermarkt als Mitglied einer Bande unter Mitwirkung anderer Bandenmitglieder und unter Verwendung von Waffen - wie in der Anklageschrift detailliert beschrieben - Lenker und Fahrgäste eines polnischen Reisebusses durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben sowie mit Gewalt gegen Personen Bargeld in verschiedenen Währungen Video- und Fotoausrüstungen sowie Schmuckstücke und Uhren mit dem Vorsatz abgenötigt haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weiters

zu II. in Lamberg, Gemeinde Raaba, Bezirk Graz-Umgebung, im bewusst gemeinsamen Zusammenwirken mit den oben genannten Mitangeklagten als unmittelbare Täter die im Punkt I. genannten Personen durch Drohung mit dem Tod, nämlich durch die Äußerung, wenn sie den Überfall der Polizei melden, würden sie alle im Nachhinein umgebracht werden, genötigt haben, die Anzeigeerstattung bei der Gendarmerie zu unterlassen.

Die am durchgeführte Hauptverhandlung wurde nach kursorischer Vernehmung der Angeklagten und der Stellung von Beweisanträgen (zeugenschaftliche Vernehmung der Autobusinsassen) vertagt. Am verfügte der Vorsitzende die "Rückleitung der Akten gemäß § 276 StPO an den Untersuchungsrichter" zur Durchführung (bzw Veranlassung im Rechtshilfeweg) der kontradiktorischen Vernehmung der in der Hauptverhandlung beantragten Zeugen (S 3 j).

Nach Haftverhandlungen am und am wurde jeweils die Fortsetzung der Untersuchungshaft angeordnet. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Oberlandesgericht einer Beschwerde gegen den letztgenannten Haftfortsetzungsbeschluss nicht Folge gegeben und weiters ausgesprochen, dass gemäß § 181 Abs 6 StPO die Wirksamkeit dieses Beschlusses durch eine Haftfrist nicht mehr begrenzt ist (ON 198).

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten O*****, welche jedoch nicht berechtigt ist.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerdekritik an der Meinung des Oberlandesgerichtes, dass eine Rückleitung gemäß § 276 StPO an den Untersuchungsrichter nicht vorliege und infolge des Beginns der Hauptverhandlung die zeitliche Begrenzung der Untersuchungshaft durch Haftfristen (§ 181 Abs 6 StPO) entfalle, genügt zu entgegnen, dass die den Akt bearbeitende Untersuchungsrichterin ohnedies im Sinne der Beschwerdemeinung (die auch jene des Vorsitzenden des Schwurgerichtshofes ist) - von einer Aktenrückleitung nach § 276 StPO ausgehend - Haftverhandlungen durchgeführt hat. Soweit die Beschwerde in der Vorgangsweise des Vorsitzenden eine unnötige Verfahrensverzögerung erblickt, wäre diese dann relevant, wenn hiedurch eine Unverhältnismäßigkeit der Untersuchungshaft (§ 193 Abs 2 StPO) eintreten würde (s. Mayerhofer/Steininger GRBG 1992 § 2 Rz 27, 29). Hievon kann jedoch im Hinblick auf die aktuelle Strafdrohung des § 143 erster Satz StGB (Freiheitsstrafe von fünf bis fünfzehn Jahren) derzeit noch keine Rede sein. Inwieweit neben dieser Subsumtion der Tat auch noch jene nach §§ 105 f StGB heranzuziehen ist, wird fallbezogen rechtlich (s. 12 Os 118, 119/99, SSt 47/26, SSt 52/50) zu beantworten sein; auf die Haftfrage hat dies vorliegend keinen Einfluss.

Die Grundrechtsbeschwerde bekämpft weiters die Dringlichkeit des Tatverdachtes, indem sie - so ihre Diktion - die dem angefochtenen Beschluss zugrundeliegenden "höchst zweifelhaften Beweisergebnisse" einer "kritischen Würdigung" unterzieht und selbst den Akteninhalt, insbesondere unter Bezug auf die behauptete Täterschaft anderer Personen (Russen) und die Art der Diebsbeute und die Angaben der Tatopfer zu den Tätern unter bloß nominellem Vorwand formaler Mängel einer eigenen Bewertung unterzieht.

Damit verfehlt sie jedoch ihr Ziel, weil nach den gemäß § 10 GRBG sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der §§ 281 Abs 1 Z 5 und Z 5a, 285a Z 2 zweiter Halbsatz StPO das Aufzeigen der dort genannten Mängel im angefochtenen Beschluss verlangt wird (11 Os 62/99, 13 Os 77,78/99 uva). Die vom Oberlandesgericht auf Grund aktenkonform dargelegter Verfahrensergebnisse gezogenen Schlüsse zum Tatverdacht und dessen Beurteilung als dringlich sind aber jedenfalls logisch und werden durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet.

Auch bei der Beurteilung der Haftgründe hat das Oberlandesgericht nicht geirrt. Aus welchen Gründen die Unschuldsvermutung einer Untersuchungshaft entgegenstehen soll, ist unerfindlich (s. Mayerhofer, Nebenstrafrecht4, 1. Halbband, MRK Art 6 ENr 20aa). Im übrigen ist den zutreffenden Ausführungen des Oberlandesgerichtes zu den angenommenen Haftgründen und zur Unanwendbarkeit gelinderer Mittel (§ 180 Abs 5 StPO) nichts hinzuzufügen.

Da sohin eine Grundrechtsverletzung des Yaroslav O***** nicht stattgefunden hat, war seine Grundrechtsbeschwerde (die teilweise nicht gesetzgemäß ausgeführt war) ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.