OGH vom 22.11.1995, 13Os157/95
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Bodner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Andrzej M***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 zweiter Fall StGB sowie § 15 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 5 c Vr 10.040/94-48, und die Beschwerde gegen den Beschluß dieses Gerichtes vom , ON 69, des Angeklagten Andrzej M***** nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom , GZ 5 c Vr 10.040/94-48, wird verweigert.
Der Beschwerde gegen den Beschluß dieses Gerichtes vom , ON 69, wird nicht Folge gegeben.
Text
Gründe:
Im Verfahren zum AZ 5 c Vr 10.040/94 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurde am nach Durchführung der Hauptverhandlung vom Vorsitzenden des Schöffensenates das Urteil gegen Andrzej M***** und einen anderen Angeklagten (samt wesentlichen Entscheidungsgründen) verkündet und dazu Rechtsmittelbelehrung erteilt (Hauptverhandlungsprotokoll S 265). Der bezeichnete Angeklagte meldete nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls Berufung wegen Strafe an und gab sonst keine weitere Erklärung ab (S 266).
Nach Zustellung der Urteilsausfertigung an den Verteidiger am (RSA bei S 3 g) sowie einer mit datierten mit dem Wunsch nach Einleitung des Strafvollzuges begründeten ausdrücklichen Rückziehung der (angemeldeten) Berufung durch eigenhändigen Schriftsatz des Angeklagten, (ON 54) und eines ebenso eigenhändigen, mit datierten Widerrufes dieser Erklärung ON 57), langte beim Erstgericht die am zur Post gegebene, vom Verteidiger verfaßte Ausführung einer "Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld" ein (ON 62).
Die als Berufung wegen Nichtigkeit bezeichnete (Ausführung der) Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Vorsitzenden gemäß § 285 a Z 1 StPO mit Beschluß vom , ON 69, zurückgewiesen (Zustellung an den Verteidiger am , RSB bei ON 69). Am Tag der Zustellung des Beschlusses gab der Verteidiger einen Schriftsatz zur Post, der einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde, sowie einen Hinweis auf die bereits erfolgte Rechtsmittelausführung und eine Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluß des Vorsitzenden enthält (ON 71).
Rechtliche Beurteilung
Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht begründet.
Wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung eines Rechtsmittels gegen ein Urteil kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erteilt werden, sofern der Wiedereinsetzungswerber nachzuweisen vermag, daß es ihm durch unabwendbare Umstände ohne sein oder seines Verteidigers Verschulden unmöglich gemacht wurde, die Frist einzuhalten (§ 364 Abs 1 Z 1 StPO). Dies war weder nach der Aktenlage noch nach den Behauptungen im Wiedereinsetzungsantrag der Fall. Dem Angeklagten wurde nach Urteilsverkündung Rechtsmittelbelehrung erteilt. Nach dem Protokoll über die Hauptverhandlung hat er daraufhin Berufung wegen Strafe angemeldet. Innerhalb der dreitägigen Frist des § 284 Abs 1 StPO wurde Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil nicht angemeldet.
Auch der Wiedereinsetzungsantrag geht keineswegs davon aus, ein unabwendbarer Umstand habe es dem Angeklagten ohne sein oder seines Verteidigers Verschulden unmöglich gemacht, diese Frist einzuhalten. Vielmehr wird (der Aktenlage widersprechend) behauptet, die Erklärung des Angeklagten habe gelautet, er wolle gegen das Urteil "Rechtsmittel" erheben, wobei weder von ihm selbst noch vom Verteidiger "eine speziellere Erklärung abgegeben" worden sei (S 355).
Um ein Rechtsmittel als Nichtigkeitsbeschwerde behandeln zu können, ist es zumindest erforderlich, daß bei der Anmeldung eine Nichtigkeit behauptet wird und nur in diesem Fall kann das Rechtsmittel auch bei falscher Bezeichnung insoweit als Nichtigkeitsbeschwerde in Behandlung gezogen werden, als es den Bestimmungen des § 285 StPO entspricht (Mayerhofer/Rieder, StPO3, § 280 E 35). Zur Rechtzeitigkeit und Beachtlichkeit der Anmeldung einer Nichtigkeitsbeschwerde ist die deutliche und bestimmte Erklärung erforderlich, ein bezeichnetes Urteil wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe anzufechten (Mayerhofer/Rieder, aaO, § 284 E 13).
Der Angeklagte hat richtige Rechtsbelehrung erhalten, er hat dazu in Anwesenheit seines Verteidigers auch eine dieser Belehrung (und dem Gesetz) entsprechende Erklärung in Richtung der Anmeldung eines bestimmten Rechtsmittels (= Berufung wegen Strafe) abgegeben, ohne auf andere mögliche Rechtsmittel (Nichtigkeitsbeschwerde) zu verzichten. Ein Umstand im Sinne des § 364 Abs 1 Z 1 StPO, der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Anmeldung weiterer Rechtsmittel begründen könnte, ist darin nicht zu erblicken. Auch die (durch die Aktenlage nicht gedeckte) Behauptung des Wiedereinsetzungsantrages, der Angeklagte habe das angemeldete Rechtsmittel nicht spezifiziert, vermag daran nichts zu ändern, weil die (weiter offenstehende) Frist zur Erklärung, welches weitere Rechtsmittel angemeldet werden solle, nicht genützt wurde. Selbst eine nach Urteilsverkündung und Rechtsmittelbelehrung abgegebene allgemeine Erklärung "Rechtsmittel erheben zu wollen" (wie sie der Verteidiger behauptet) stellt eine nicht näher spezifizierte Absichtserklärung dar, die die Frist zur Rechtsmittelanmeldung offen läßt, wie etwa ebenso die Erklärung, auf Rechtsmittel nicht zu verzichten oder sich Bedenkzeit vorzubehalten. Tatsächlich wurde daher keine Frist versäumt sondern vom Angeklagten bewußt nicht genützt.
Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verweigern.
Die (nach Urteilsverkündung am ) erst am zur Post gegebene Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde ist somit als verspätet anzusehen und wurde zu Recht vom Vorsitzenden gemäß § 285 a Z 1 StPO zurückgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde war mithin der Erfolg zu versagen.