OGH vom 20.02.2018, 10ObS12/18i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Univ.Prof. Dr.
Neumayr als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter KAD Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei A*****, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15–19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Rs 101/17x30, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist mongolische Staatsbürgerin. Sie beantragte anlässlich der am erfolgten Geburt ihres Kindes Kinderbetreuungsgeld in der Variante 30+6 für den Zeitraum von bis .
Im Revisionsverfahren strittig verblieben ist noch der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld im Zeitraum von bis .
Die Klägerin bringt vor, sich in diesem Zeitraum rechtmäßig iSd § 2 Abs 1 Z 5 KBGG in Österreich aufgehalten zu haben, weil sie bis über einen befristeten Aufenthaltstitel als „Schüler“ verfügt und rechtzeitig einen Verlängerungsantrag im Sinn des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) gestellt habe.
Die Beklagte bestritt die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts. Die Klägerin habe infolge des Verlängerungsantrags nur ein durch die Antragstellung gewährtes Aufenthaltsrecht im Sinn eines fremdenrechtlichen Bleiberechts nach dem NAG für die Dauer des fremdenrechtlichen Verfahrens gehabt, der Aufenthaltstitel selbst sei jedoch nicht perpetuiert worden. Die in § 2 Abs 1 Z 5 KBGG enthaltene Voraussetzung des rechtmäßigen Aufenthalts nach den §§ 8 und 9 NAG sei nur dann erfüllt, wenn ein Verlängerungsantrag auch tatsächlich zu einer Verlängerung des bisherigen Aufenthaltstitels geführt habe. Diese Voraussetzung treffe für die Klägerin nicht zu.
Das Erstgericht traf noch folgende Feststellungen:
Der Klägerin war erstmals ein Aufenthaltstitel „Aufenthaltsbewilligung Studierender“ für den Zeitraum von bis erteilt worden. Mit Bescheid vom stellte das Amt der Wiener Landesregierung fest, dass der Aufenthalt der Klägerin von bis rechtmäßig war und stellte gleichzeitig einen bis befristeten Aufenthaltstitel „Schüler“ aus. Mit Antrag vom beantragte die Klägerin neuerlich die Erteilung des Aufenthaltstitels „Schüler“, welcher Antrag mit Bescheid vom abgewiesen wurde. Dagegen erhob die Klägerin fristgerecht ein Rechtsmittel, das mit Urteil des Verwaltungsgerichts Wien vom abgewiesen wurde. Am erhielt die Klägerin den bis befristeten Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ (humanitäres Bleiberecht), welcher in der Folge verlängert wurde.
Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren übereinstimmend statt.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Beklagten ist wegen Fehlens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung unzulässig.
1.1 Voraussetzung für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld ist ua, dass der die Leistung beanspruchende Elternteil sich nach den §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) rechtmäßig in Österreich aufhält.
1.2 Gemäß § 24 Abs 1 NAG sind Verlängerungsanträge (Anträge auf Verlängerung des gleichen oder Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels, § 2 Abs 1 Z 11 NAG) vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen. Nach Stellung eines Verlängerungsantrags ist der Antragsteller gemäß § 24 Abs 1 Satz 3 NAG, „unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig“.
1.3 Sinn und Zweck dieser Formulierung, mit der die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts während einer zeitlichen Lücke aufgrund einer ausstehenden Antragserledigung sichergestellt wird, ist, den bisherigen aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers bis zur rechtskräftigen Entscheidung zu wahren, sofern dem nicht fremdenpolizeiliche Maßnahmen entgegenstehen (VwGH 2007/08/0028; 2007/09/0109). Dem Antragsteller soll bis zur Entscheidung über seinen Verlängerungsantrag dieselbe Rechtsposition eingeräumt werden, die er nach dem Inhalt des letzten Aufenthaltstitels innehatte (VwGH 2007/09/0002; 2006/09/0213 je mwN). Demnach ist der weitere Aufenthalt des Fremden, der über einen Aufenthaltstitel verfügte und einen Verlängerungsantrag im Sinn des NAG stellte, – gründend auf einen wenn auch möglicherweise bereits abgelaufenen Aufenthaltstitel – rechtmäßig (VwGH 2012/18/0088).
2. Dieser Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofs schloss sich der Oberste Gerichtshof an und ging ebenfalls davon aus, dass das durch die rechtswirksame Erteilung eines Aufenthaltstitels erlangte Niederlassungsrecht oder Aufenthaltsrecht bei einem rechtzeitigen Verlängerungsantrag während des Verfahrens über den Verlängerungsantrag perpetuiert ist, sodass der weitere Aufenthalt des Fremden, der über einen Aufenthaltstitel verfügte und rechtzeitig einen Verlängerungsantrag im Sinn des NAG gestellt hat, rechtmäßig iSd § 2 Abs 1 Z 5 KBGG ist (RIS-Justiz RS0130845).
3. Von dieser Rechtsprechung weichen die Entscheidungen der Vorinstanzen nicht ab. Mit den Revisionsausführungen, es handle sich (dennoch) nur um einen rechtmäßigen Aufenthalt im fremdenrechtlichen Sinn nach dem NAG, der nicht den Anspruchsvoraussetzungen nach dem KBGG entspreche, wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Dass der Aufenthalt eines Antragstellers bis zur rechtskräftigen Entscheidung über dessen Verlängerungsantrag nur dann rechtmäßig sein soll, wenn etwaig erhobene Rechtsmittel erfolgreich sind, ist aus § 24 Abs 1 NAG nicht abzuleiten.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:010OBS00012.18I.0220.000 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.