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OGH vom 15.11.1990, 8Ob565/89

OGH vom 15.11.1990, 8Ob565/89

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Schwarz, Dr. Graf und Dr. Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*** Mineralölhandels-Gesellschaft mbH, Schwedenplatz 2, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer und Dr. Martin Riedl, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei M*** Aktiengesellschaft, Bergstraße 15, CH-8702 Zollikon, Schweiz, vertreten durch Dr. Wolfgang Taussig und Dr. Arno Brauneis, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 1,155.699,82 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 2 R 146/88-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 13 Cg 13/86-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.099,80 (einschließlich S 3.183,30 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Gesellschaft mbH hat ihren Sitz in Österreich, der Sitz der beklagten Aktiengesellschaft befindet sich in der Schweiz. Die seit einiger Zeit in Geschäftsverbindung stehenden Streitteile haben die Frage des darauf anzuwendenden Rechtes nie besprochen. Telefonisch bestellte die klagende Partei bei der beklagten Partei ein als Komponente für die Herstellung von Heizöl-leicht verwendetes Produkt namens "V***". Mit Fernschreiben vom bestätigte die beklagte Partei zur Kontraktnummer 2228 der Gegenseite 3.000 bis 4.000 t "V***" bekannter Qualität zum Preis von US-Dollar 285/je t, CIF Wien, netto unverzollt, unversteuert, exklusive aller fiskalischen und sonstigen Abgaben mit Lieferzeit "abgehend Dezember 1982" verkauft zu haben. Der Geschäftsverkehr zwischen den Streitteilen wurde regelmäßig durch Verschiffung der Ware auf der Donau abgewickelt, als Frachtführer kam die jugoslawische Flußschiffahrtgesellschaft Belgrad (JRB) zum Einsatz. Zahlung war von der klagenden Partei 30 Tage nach Ankunft der Schiffe gegen Akkreditiv, das sieben Tage vor Ankunft der Schiffe vorzuliegen hatte, zu leisten. Am stellte die Versandagentie in Novisad den Frachtbrief Nr. 93/28 über die Beladung des Schiffes (Barge, Kahn) JRB 01002 mit 964.840 kg "V***" aus. Mit Fernschreiben vom teilte die beklagte Partei der klagenden Partei mit, daß die Barge JRB 01002 als letzte aus der Dezember-Menge am mit 964.840 mt (= kg) "V***" beladen wurde. Um die Jahreswende 1982/1983 hatte die beklagte Partei der klagenden Partei aus dem gegenständlichen, aber auch aus einem anderen Kaufvertrag etwa sechs Schiffe mit "V***" geliefert. Die Frachtverträge schloß jeweils der Vorlieferant der beklagten Partei, die "Firma C***". Diese lieferte üblicherweise an die beklagte Partei so, daß diese keine Schiffe chartern mußte. Der Kahn (Barge) JRB 01002 war kein "Selbstfahrer", dh er konnte nicht aus eigener Kraft nach der Beladung aus dem Hafen fahren. Der Frachtbrief Nr. 93/28 betreffend die Barge JRB 01002 vom schreibt dem Schifffrachtführer keinen bestimmten Abfahrtstag vor. Es konnte nicht festgestellt werden, die Streitteile hätten mit der Vertragsklausel "Lieferzeit:

abgehend Dezember 1982" vereinbart, daß das beladene Schiff auch innerhalb dieser Zeitspanne den Hafen zu verlassen habe; gegen eine solche generelle Vereinbarung sprächen die vereinbarte Klausel "CIF-Wien" und das Fehlen einer konkreten Absprache, wann die einzelnen Schiffe in Wien sein müßten. Nach umfangreichen, aber ergebnislosen fernmündlichen und fernschriftlichen Einigungsversuchen lehnte letztlich die klagende Partei die Übernahme der erst Mitte Februar 1983 in Wien eingelangten Ware ab und die beklagte Partei verkaufte diese anderweitig. Im vorliegenden Verfahren begehrt die klagende Partei von der beklagten Partei Schadenersatz in Höhe des Klagebetrages mit der Behauptung, die beklagte Partei hätte gegen ihre Vertragsverpflichtung das beladene Schiff im Dezember 1982 abgehen zu lassen bzw. einen derartigen Frachtvertrag zu schließen, verstoßen und sei deshalb in Verzug geraten, so daß der späterhin von der klagenden Partei erklärte Vertragsrücktritt gerechtfertigt sei.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein, mit der Vertragsklausel "Lieferzeit: abgehend Dezember 1982" sei nicht ihre Verantwortung für die Ingangsetzung des beladenen Schiffes, sondern auf Grund der Vereinbarung der Klausel "CIF-Wien ...." nur die Beladung des Schiffes in Novisad (Versandhafen) innerhalb der genannten Frist vereinbart worden.

Beide Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Unter Hinweis auf die Verfahrensergebnisse des zwischen den Streitteilen mit veränderten Parteienrollen zu 13 Cg 181/83 des Erstgerichtes geführten Prozesses, insbesondere auf die Ausführungen in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom , 8 Ob 510/86, gingen beide Vorinstanzen von der Anwendung des Schweizer Obligationenrechtes (OR) aus, weil mangels Rechtswahl im Sinne des § 35 Abs 1 IPRG das Schuldstatut nach § 36 IPRG zur Anwendung komme, nach welchem auch vertragliche Schadenersatzansprüche, wie sie von der klagenden Partei geltend gemacht würden, zu beurteilen seien. Die vereinbarte "CIF-Klausel" lege der beklagten Partei als Verkäuferin die Verpflichtung auf, die Ware samt allen vertragsmäßigen Belegen zu liefern, den Vertrag über die Beförderung auf eigene Rechnung zu üblichen Bedingungen bis zum vereinbarten Bestimmungshafen Wien in einem Schiff der Bauart, die normalerweise für die Beförderung der Vertragsware verwendet werde, abzuschließen, die Ausführbewilligung auf eigene Kosten und Gefahr zu beschaffen und die Ware zum vereinbarten Zeitpunkt oder innerhalb der Lieferfrist an Bord des Schiffes im Verschiffungshafen zu laden und den Käufer (klagende Partei) unverzüglich von der Ladung zu verständigen. Habe die Ware die Reling des Schiffes überschritten, trage ab diesem Zeitpunkt die klagende Partei als Käuferin alle Gefahren. Für die Frage der Einhaltung der Lieferzeit sei allein der Zeitpunkt maßgebend, zu dem die Ware an Bord des Schiffes JRB 01002 gegangen sei. Da eine über die CIF-Vereinbarung hinausgehende einverständliche Parteienabsprache, wonach "abgehend Dezember 1982" so zu verstehen sei, daß sich der Kahn JRB 01002 noch im Dezember 1982 in Bewegung zu setzen und Novisad in Richtung Bestimmungshafen Wien-Lobau zu verlassen habe, nicht vorliege, gingen die vorgekommenen Verzögerungen bei der Abfahrt der Barge, deren Ursachen nicht feststellbar gewesen seien, zu Lasten der klagenden Partei. Die beklagte Partei sei daher nicht in Verzug geraten, es treffe sie auch kein Verschulden für einen Schaden, den die klagende Partei wegen des Einlangens des Kahns JRB 01002 erst am in Wien erlitten zu haben behaupte.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Im Rechtsmittelverfahren ist nur noch die Auslegung der in der Vertragsurkunde Beilage ./A vereinbarten Lieferzeit "abgehend Dezember 1982" strittig.

Zunächst ist den Vorinstanzen beizupflichten, daß auf den vorliegenden Rechtstreit mangels einer Rechtswahl der Streitteile an das Schuldstatut gemäß § 36 IPRG anzuknüpfen ist, so daß schweizerisches Recht zur Anwendung gelangt. Zu dieser Frage sowie zur Auslegung der Incoterm-Klausel "CIF" werden die Parteien auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , 8 Ob 510/86, verwiesen, die in einem Verfahren erging, in dem sie beide (lediglich mit vertauschten Parteirollen) in einem Streit über die Berechtigung vom Vertragsrücktritt der (hiesigen) Klägerin für einen anderen Vertragsfall verstrickt waren. Wenn der Verkäufer bei einem CIF-Geschäft seiner übernommenen Lieferverpflichtung grundsätzlich schon mit der Verladung der Ware an Bord des Schiffes im Verschiffungshafen nachkommt, muß eine die Lieferzeit betreffende Vereinbarung im Zweifel auf diesen Zeitpunkt bezogen werden und es wäre eine darüber hinausgehende Bedeutung einer solchen Vereinbarung nur dann anzunehmen, wenn eine darauf gerichtete übereinstimmende Parteienabsicht vorläge. Wie schon in der genannten Vorentscheidung ist daher auch hier die Klausel "abgehend Dezember 1982" nur so zu verstehen, daß die klagende Partei die Verpflichtung übernahm, die Ware bis Ende Dezember 1982 an Bord eines Schiffes zu verladen, nicht aber, daß sie auch noch für die Abfahrt des Schiffes im Dezember 1982 einzustehen habe. Durch die rechtzeitige Beladung eines nach den Vereinbarungen der Streitteile üblichen Transportmittels, und den Abschluß eines Frachtvertrages zu üblichen Bedingungen, der die Beförderung der Ware auf der üblichen direkten Beförderungsstrecke zum Bestimmungshafen Wien auf der Donau zum Gegenstand hatte, wovon sie die klagende Partei umgehend in Kenntnis setzte, entsprach die beklagte Partei ihren Vertragspflichten als Verkäuferin. Der erkennende Senat sieht sich nicht veranlaßt, hier von der in der angeführten Entscheidung 8 Ob 510/86 vorgenommenen Beurteilung abzugehen, daß die Lieferklausel "abgehend ..." als bestimmend für die Warenverladung auf das Schiff, nicht hingegen für die Abreise des Schiffes anzusehen ist. Für diese spricht auch die Erwägung, daß die Verladung auch auf nicht selbstfahrenden Kähnen möglich und erlaubt war, so daß die Verständigung des Empfängers von der Verladung und vom Abschluß eines üblichen Frachtvertrages dieser Lieferzeitklausel genügt, und daß mit dieser Lieferklausel der Beginn der Warenbewegung vom Verkäufer in Richtung Käufer im Wege eines Distanzkaufes zu verstehen ist. Der Incoterm "CIF" wird in der Schweiz ebenso wie in Österreich angewandt und verstanden (Guhl-Merz-Kummer, Das Schweizer Obligationenrecht7 332 f; Giger im Berner Komm VI/2 OR Art. 185 Nr. 87-89 und Art. 189 Nr. 65-67; Keller-Lörtscher, Kaufrecht2, 17-19 ua).

Demnach liegt das der beklagten Partei von der klagenden Partei vorgeworfene vertragswidrige Verhalten (Verzug bei der Lieferung) oder ein diesbezügliches Verschulden der beklagten Partei nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht vor, so daß das darauf gestützte Klagebegehren scheitert.

Die Revisionskostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.