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VfGH vom 19.03.1993, B1321/92

VfGH vom 19.03.1993, B1321/92

Sammlungsnummer

13373

Leitsatz

Keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch Abweisung des Antrags der Beschwerdeführerinnen auf Verleihung des akademischen Grades "Magistra der Rechtswissenschaften"; geschlechtsneutraler Gebrauch der männlichen Sprachform durch den Gesetzgeber zulässig; Recht auf Verwendung einer Bezeichnung in einer das Geschlecht der betroffenen Person zum Ausdruck bringenden Form

Spruch

Die Beschwerdeführerinnen sind durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Die zu B541/92 protokollierte Beschwerde wird dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Die Beschwerdeführerin zu B541/92 hat zu Beginn des Jahres 1992 das Diplomstudium der Rechtswissenschaften beendet und stellte am beim Fakultätskollegium der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien den Antrag auf Verleihung des akademischen Grades "Magistra der Rechtswissenschaften". Mit Bescheid des genannten Fakultätskollegiums vom wurde dieser Antrag mit der Begründung abgewiesen, im Gesetz sei die Verleihung dieses Grades nicht vorgesehen, sondern nur die des Grades "Magister der Rechtswissenschaften" bzw. "Magister iuris".

1.2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Akademischen Senates der Universität Wien vom , Zl. 82/11 - 1991/92, keine Folge gegeben; dieser abweisliche Bescheid wird im wesentlichen wie folgt begründet:

"§35 AHStG sowie § 15 Abs 1 der Rechtswissenschaftlichen Studienordnung sehen für die Absolventen des Diplomstudiums der Rechtswissenschaften ausdrücklich die Verleihung des akademischen Grades 'Magister der Rechtswissenschaften' bzw. 'Magister iuris' abgekürzt 'Mag. iur.' vor.

Art 7 Abs 1 BVG normiert, daß alle Bundesbürger vor dem Gesetze gleich sind. Dies ist jedoch nicht dahingehend zu interpretieren, daß § 35 AHStG auch die Verleihung des akademischen Grades in der lateinischen weiblichen Form ermöglicht. Dies ergibt sich auch aus der Novelle des BVG, BGBl Nr. 341/1988. Der im Zuge dieser Änderung eingeführte Art 7 Abs 3 lautet: 'Amtsbezeichnungen können in der Form verwendet werden, die das Geschlecht des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringen. Gleiches gilt für Titel.'

Das BVG spricht ausdrücklich von Amtsbezeichnungen und Titel. Darunter sind Amtstitel und Berufstitel zu verstehen. Der Begriff Amtsbezeichnung geht über den Begriff 'Amtstitel' hinaus und kann dabei auch mit dem Begriff 'Funktionsbezeichnung' gleichgesetzt werden.

Amtstitel ist ein mit der Bekleidung eines staatlichen Amtes verbundener Titel eines Organwalters (siehe §§63 und 136 ff BDG). Berufstitel sind Titel, die eine berufliche Tätigkeit hervorhebend kennzeichnen und zur Auszeichnung für besondere Leistungen in diesem Beruf bestimmt sind (siehe die generelle Entschließung des Bundespräsidenten vom , BGBl. 320).

Der Begriff 'Titel' kommt im BVG im Art 61 Abs 2 vor, bezieht sich aber ebenso auf den 'Amtstitel' 'Bundespräsident'. Der akademische Grad 'Magister...' bzw. 'Doktor...' wird schon im Gesetz nicht als 'Titel' definiert, sondern wie schon erwähnt als 'akademischer Grad' (siehe UOG, AHStG).

Wohl der Terminus 'Akademischer Titel' jedoch auch dem UOG bekannt ist. Die Bestimmung des § 73 Abs 3 litp UOG ('Vom Akademischen Senat sind im selbständigen Wirkungsbereich zu besorgen: - die Verleihung von Ehrendoktoraten, anderen akademischen Titeln sowie von sichtbar zu tragenden Auszeichnungen sowie der Widerruf der Verleihung') kann gemäß 'Ermacora - (Kommentar zum UOG )' nur dahingehend interpretiert werden, als man unter den Worten 'anderen akademischen Titeln' nur solche versteht, deren Verleihung nicht schon in die Zuständigkeit des Fakultätskollegiums gemäß § 64 Abs 3 litq UOG (Verleihung akademischer Grade) fällt. Man muß obige Bestimmung im Zusammenhange mit §§99 f UOG, wo von einem Titel 'Ehrensenator' bzw. 'Ehrenbürger' gesprochen wird, sehen.

Der Gesetzgeber unterscheidet also zwischen Titel und akademischem Grad. Titel ist als Bezeichnung im Sinne einer Funktionsbezeichnung zu verstehen.

Der Verfassungsgesetzgeber hat im 1988 eingeführten Abs 3 des Art 7 BVG eine 'Generalklausel' vorgesehen, die normiert, daß Amtsbezeichnungen in der Form verwendet werden können, die das Geschlecht des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringen und daß dies ebenso für Titel gelte.

Verschiedene einfachgesetzliche Vorschriften sehen eine dem Art 7 Abs 3 BVG analoge Regelung vor: so z.B: § 63 Abs 2 BDG (Beamtinnen führen die Amtstitel und die Verwendungsbezeichnungen, soweit dies sprachlich möglich ist, in der weiblichen Form). Ebenso sieht § 1 Abs 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates vor, daß die 'Mitglieder des Bundesrates den Titel Bundesrat bzw. Bundesrätin führen. Mitglieder des Bundesrates, die eine Funktion gemäß der Bestimmungen dieser GeO ausüben, führen die geschlechtsspezifische Bezeichnung dieser Funktion'. Aus dem Protokoll der 504. Sitzung des Bundesrates vom - nach dem Gesetzesbeschluß des Nationalrates über den neuen Art 7 Abs 3 BVG vom ergibt sich, daß es auch dem Bundesrat wichtig und wesentlich erscheint, durch 'geschlechtsspezifische Funktionsbezeichnungen, wo Frauen in Funktionen angesprochen oder genannt werden, durch die Verwendung der weiblichen Form dieser Bezeichnung sichtbar zu machen, daß eine Frau die Funktion ausübt.'

Aus all diesem ergibt sich, daß der Gesetzgeber geschlechtsspezifische Unterscheidungen bei Amtsbezeichnungen, Amtstitel und Funktionsbezeichnungen vorsieht, aber hierbei auch gleich die Grenze zieht, und daß akademische Grade, die, wie oben bereits erläutert ist, in keiner gesetzlichen Norm als 'Titel' oder 'Funktionsbezeichnung' definiert werden daher nicht unter die Generalklausel des Art 7 Abs 3 BVG subsumiert werden können. Auch das Protokoll der 504. Sitzung des Bundesrates spricht nur von 'Funktionsbezeichnungen' und von 'Frauen in Ausübung einer Funktion'.

Der Inhaber eines akademischen Grades hat als solcher keine Funktion und kein Amt inne. Der akademische Grad eines Magister iuris ist keine Amtsbezeichnung oder Funktionsbezeichnung. Eine analoge Anwendung des Art 7 Abs 3 BVG auch auf die Benennung von akademischen Graden scheint nicht im Willen des Verfassungsgesetzgebers gelegen zu sein."

1.3. Gegen diesen abweislichen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte, zu B541/92 protokollierte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, in eventu die Verletzung von Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird. Die Begründung dieser Beschwerde lautet im wesentlichen wie folgt:

"1. Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger (!) vor dem Gesetz

1.1. Unterstellung eines gleichheitswidrigen Inhalts

1.1.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlichen Rechts auf Gleichheit aller StaatsbürgerInnen vor dem Gesetz liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes unter anderem dann vor, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt (VfSlg. 8551/1979, 10232/1984, 10413/1985).

Der Gleichheitsgrundsatz gebietet es, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln; wesentliche Unterschiede im Tatsachenbereich müssen zu entsprechenden unterschiedlichen Regelungen führen (VfSlg. 8217/1977, 8806/1980). Art 7 Abs 1 B-VG verpönt ausdrücklich jedes Vorrecht des Geschlechtes, das weder aus Unterschieden in der Natur der Geschlechter (zB VfSlg. 2979/1956) noch durch sonstige Unterschiede im Tatsächlichen (zB VfSlg. 7461/1974) gerechtfertigt werden kann.

Durch die Vergabe eines einheitlichen akademischen Grades 'Magister' scheinen Männer und Frauen nur auf den ersten Blick gleich behandelt zu werden. Sie erhalten zwar den gleichen Titel; die Ungleichbehandlung besteht jedoch darin, daß Frauen im Gegensatz zu Männern mit einem ihr Geschlecht nicht zum Ausdruck bringenden Titel vorlieb nehmen müssen. Sowohl die deutsche als auch die lateinische Sprache kennen männliches und weibliches Geschlecht. Hätte die belangte Behörde § 35 AHStG im Hinblick auf Art 7 Abs 1 B-VG verfassungskonform ausgelegt, so hätte sie zum Ergebnis kommen müssen, daß dem Antrag auf Verleihung des akademischen Grades 'Magistra der Rechtswissenschaften' stattzugeben gewesen wäre.

1.1.2. Verhältnis von Art 7 Abs 3 zu Art 7 Abs 1 B-VG

Dem Recht auf sprachliche Gleichbehandlung wurde durch das Bundesverfassungsgesetz vom , BGBl. Nr. 341, hinsichtlich der Amtsbezeichnungen und Titel - durch die Einfügung eines Absatz 3 in Artikel 7 B-VG Rechnung getragen. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde stellt Art 7 Abs 3 keine lex specialis zu Art 7 Abs 1 B-VG dar:

Die Anfügung von Art 7 Abs 3 B-VG war verfassungsrechtlich geboten, weil das B-VG schon in seiner Stammfassung zahlreiche Funktionsbezeichnungen nur in der männlichen Form enthielt (zB 'Minister', 'Staatssekretär'), denen gegenüber Art 7 Abs 1 B-VG keine derogatorische Wirkung entfalten konnte.

Diesen Bestimmungen - und nicht Art 7 Abs 1 B-VG - hat Art 7 Abs 3 B-VG als lex posterior materiell derogiert. Es ist evident, daß sich der Nationalrat die mühsame sprachliche Anpassung sämtlicher Einzelbestimmungen im Text des 'altehrwürdigen' B-VG ersparen wollte. Dieselbe Vorgangsweise (Anpassung des Textes der Geschäftsordnung des Bundesrates durch Einfügung einer Generalklausel in § 1 Abs 1 GO-BR) wurde wenig später vom Bundesrat gewählt; dazu die Wortmeldung der Bundesrätin Dr. Hieden-Sommer, StenProt BR, S 22023):

...

Es mutet nachgerade grotesk an, daß die belangte Behörde Art 7 Abs 3 B-VG 'als Ausnahmebestimmung eng interpretiert', im Wege des e-contrario-Schlusses einen inhaltlichen Gegensatz zwischen Art 7 Abs 1 und Abs 3 B-VG konstruiert und dergestalt der in Art 7 Abs 3 B-VG ausdrücklich angeordneten sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen sofort eine Grenze ziehen will.

Art 7 Abs 3 B-VG hat 'Antwortcharakter' für die im B-VG enthaltenen Amtsbezeichnungen und Titel; diese Bestimmung kann daher nicht als Argument für die Unzulässigkeit einer geschlechtspezifischen Formulierung des im AHStG geregelten akademischen Grades herangezogen werden.

1.1.3.

Vielmehr ergibt sich - entgegen der formalistischen Betrachtungsweise der belangten Behörde - das Recht auf sprachliche Gleichbehandlung schon aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 7 Abs 1 B-VG.

Für die Richtigkeit dieser Auffassung finden sich Anhaltspunkte in den Stenographischen Protokollen des Bundesrates:

In seiner 64. Sitzung vom - also noch vor der Beschlußfassung über die Anfügung von Art 7 Abs 3 B-VG in seiner

67. Sitzung vom - beschloß der Nationalrat eine Novelle zum Beamtendienstrechtsgesetz. Zu dieser äußerte sich die Bundesrätin Haselbach (StenProt BR, S 21910ff) wie folgt:

...

Das Protokoll vermerkt allgemeinen Beifall.

1.1.3.1.

Das Bundesverfassungsgesetz vom , die zitierte Novelle zum BDG sowie die Novellierung der Geschäftsordnung des Bundesrates vom stehen nicht nur in engem zeitlichen, sondern auch in engem sachlichem Zusammenhang:

Sämtliche Debattenrednerinnen - männliche Abgeordnete haben sich nicht zu Wort gemeldet - nehmen in ihren Beiträgen inhaltlich auf eine Studie der Sprachwissenschafterin Univ.-Prof. Dr. Wodak Bezug (Wodak ua., Sprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann, Schriftenreihe zur sozialen und beruflichen Stellung der Frau 16/1987 - Beilage./2); in der Wortmeldung der AbgzNR Korosec wird sie ausdrücklich erwähnt (StenProt NR, XVII. GP, S 7193).

Es ist davon auszugehen, daß sich die Gesetzgebung die von Wodak vertretenen sprachwissenschaftlichen Thesen zu eigen gemacht hat und dergestalt eine Wertentscheidung zugunsten der sprachlichen Gleichbehandlung getroffen hat. Diese hat auch in die Auslegung des § 35 AHStG einzufließen und gebietet die Verleihung des akademischen Grades auch in seiner weiblichen Form.

'Da es im öffentlichen und beruflichen Leben immer mehr Frauen gibt und geben soll, ist es höchste Zeit, sie auch zu benennen, sie sprachlich sichtbar zu machen. Einmal vorhanden und verankert, können Frauen weder sprachlich noch 'in natura' wieder so leicht verdrängt werden.' (Wodak, ebd, 9)

1.1.3.2. Zusätzliche systematische Argumente

Der Verfassungsgerichtshof hatte in seiner Rechtsprechung die Frage der Vereinbarkeit von spezifisch männlichen Bezeichnungen mit dem Gleichheitsgrundsatz bisher nicht zu beurteilen. Die rechtliche Qualifikation der akademischen Grade ist umstritten. Nach Raschauer (Namensrecht, S 132) sind sie Bestandteil des Namens im weiteren Sinn. Es liegt daher nahe, daß auf den akademischen Grad diejenigen Ordnungsprinzipien Anwendung finden, wie sie für den Namen gelten.

'Der Name des Menschen gehört in unserer Gesellschaft zur Identität der Person in der Öffentlichkeit...Der Name hat immer eine Rolle gespielt, in der Gegenwart ebenso wie in der Vergangenheit, und es spiegelt sich in der Namensgesetzgebung ein Stück bürgerlicher Freiheit wider.' (Wortmeldung des AbgzNR Dr. Ermacora anläßlich der Beschlußfassung der geschlechtsneutralen Neufassung des § 93 ABGB, StenProt NR, XVII. GP, S 6305).

Anlaß für die Neufassung des § 93 ABGB war das Erkenntnis VfSlg. 10384/1985, mit dem § 93 ABGB aF als gleichheitswidrig aufgehoben wurde, weil er das Recht zur Führung eines Doppelnamens auf die Frau beschränkte.

Im zugrundeliegenden Prüfungsbeschluß führte der Verfassungsgerichtshof aus, daß das zur Führung des Doppelnamens Anlaß gebende Bedürfnis bei Männern ebenso objektiven Momenten zu entspringen scheine wie bei Frauen. Dieses Bedürfnis (nach Beibehaltung des eigenen Geschlechtsnamens nach der Eheschließung) ist jenem nach Führung eines akademischen Grades, der das eigene Geschlecht zum Ausdruck bringt, zumindest vergleichbar.

1.1.4.

Daß § 35 AHStG einer verfassungskonformen Interpretation zugänglich ist, erhellt aus dem Bescheid des Fakultätskollegiums der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Leopold-Franzens Universität Innsbruck, welche diese Bestimmung frauen- und rechtsschutzfreundlich ausgelegt hat (Beilage./3). Es obliegt nun dem hohen Verfassungsgerichtshof, zu beurteilen, ob hier 'Gleichbehandlung im Unrecht' oder schlicht Gleichbehandlung vorliegt...

1.2. Analogiefähigkeit von Art 7 Abs 3 B-VG und anderen Rechtsvorschriften

Der belangten Behörde ist darüberhinaus - unter Zugrundelegung ihrer Prämisse, Art 7 Abs 3 B-VG beziehe sich nur auf Amtsbezeichnungen und (Amts-) Titel - vorzuwerfen, daß sie das Vorliegen einer echten Lücke nicht mit der gebotenen Sorgfalt geprüft hat:

Verschiedene unterverfassungsgesetzliche Rechtsvorschriften (§§63 Abs 2 BDG, 13a GleichbehandlungsG, 1 Abs 1 GO-BR) sehen - wie die belangte Behörde selbst erkennt - geschlechtsneutrale bzw. geschlechtsspezifische Formulierungen vor; insbesondere Art 7 Abs 3 B-VG legt schon vom Wortlaut her eine analoge Anwendung auf akademische Grade (Titel) nahe. Im Gegensatz zu der anläßlich des Erkenntnisses VfSlg. 10384/1985 zu beurteilenden Rechtslage ist auch die Absicht des historischen Gesetzgebers keineswegs eindeutig; dieser war sich - wie sich aus den Materialien zum AHStG ergibt - des Problems offenkundig nicht bewußt und scheint keine abschließende Regelung getroffen zu haben.

2. Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung

Sollte der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis kommen, daß § 35 AHStG - entgegen den bisherigen Ausführungen - einer verfassungskonformen Auslegung nicht zugänglich ist bzw. eine Analogie nicht in Betracht kommt, erachte ich mich durch die Anwendung einer (aus den bereits dargelegten Gründen) verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in meinen Rechten verletzt.

Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt dargetan hat, (vgl. zB. VfSlg. 8871/1980, 9995/1984), müssen Gesetze nicht nur zum Zeitpunkt der Erlassung, sondern jederzeit sachgerecht sein. Eine zum Zeitpunkt ihrer Erlassung sachgerechte Norm kann durch Änderung der Umstände gleichheitswidrig werden (vgl. VfSlg. 11048/1986).

Die zitierten Rechtsvorschriften zur sprachlichen Gleichbehandlung wurden von der österreichischen Gesetzgebung im Kontext der geänderten Vorstellungen über die Geschlechter zueinander (VfSlg. 8871/1980) gesehen (vgl. insb. die AbgzNR Korosec, StenProt NR, XVII. GP, S 7193f, welche in ihrer Wortmeldung auf die Familienrechtsreform und das Gleichbehandlungsgesetz mit seinem Verbot geschlechtsspezifischer Stellenausschreibungen verweist).

Der Verfassungsgerichtshof hat mehrfach auf den gesellschaftlichen Wandel (insb. die Familienrechtsreform) Bezug genommen. Dieser ist im Hinblick auf Art 7 Abs 1 B-VG auch (verfassungs-)rechtlich bedeutsam; § 35 AHStG ist durch Nichtanpassung an geänderte Verhältnisse verfassungswidrig geworden (vgl. zB. VfSlg. 8871/1980, 9995/1984, G163,164/91)."

1.4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.

1.5. Der allgemeinen Bedeutung der aufgeworfenen Verfassungsfrage wegen wurde das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst eingeladen, zu dieser Stellung zu nehmen, wovon in folgender Weise Gebrauch gemacht wurde:

"1. Art 7 Abs 3 B-VG bestimmt: ...

2. Im vorliegenden Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Reichweite des Begriffes 'Titel'. Bei einer - primär gebotenen - Wortinterpretation ist, orientiert am allgemeinen Sprachgebrauch, auf folgendes hinzuweisen:

Das dem Lateinischen entstammende Wort bezeichnet u.a. einen 'dem Namen vorangestellte(n) Rang, Stand oder Würde seines Trägers kennzeichnende(n) Zusatz'(Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 1978, Band 23, S. 528). Das Wort wird unscharf (auch) für Amtsbezeichnung , z.B. Universitätsprofessor, Regierungsrat u. für akademische Grade (bes. Doktorgrad)' verwendet. (vgl. Bertelsmann Universal Lexikon, 1989, Band 18, S. 89).

Bei einer am allgemeinen Sprachgebrauch orientierten Wortinterpretation des Terminus 'Titel' im Art 7 Abs 3 B-VG wird man daher davon ausgehen müssen, daß darunter auch 'akademische Grade' zu subsumieren sind.

3. Zum gleichen Ergebnis führt offenbar auch die interpretative Einbeziehung der Absichten des (historischen) Verfassungsgesetzgebers, wenn man etwa die für den für Verfassungsfragen zuständigen Bundesminister im Bundeskanzleramt erstellte Information des Verfassungsdienstes vom , GZ 600.573/52-V/1/88, mitberücksichtigt, die - unbeschadet des Umstandes, daß diese Bestimmung erst im Zuge der Ausschußberatungen vorbereitet wurde - bei der Vorbereitung der gegenständlichen Regelung der betreffenden B-VG-Novelle eine Rolle gespielt hat (vgl. die Beilage). Dem entspricht auch die Formulierung des Berichtes des Verfassungsausschusses vom (654 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XVII.GP), wonach durch die vom Ausschuß vorgeschlagene Ergänzung des Art 7 B-VG generell die Möglichkeit einer geschlechtsspezifischen Verwendung von Amtsbezeichnungen und Titeln geschaffen werden soll.

4. Daß darüberhinaus die Begriffe 'akademische Grade' und 'Titel' selbst in studienrechtlichem Zusammenhang nicht immer völlig exakt voneinander abgegrenzt werden, zeigt etwa der Notenwechsel mit Italien über die gegenseitige Anerkennung akademischer Titel und Grade, BGBl. Nr. 87/1956. Diese Rechtsvorschrift enthält in einer Aufzählung 'österreichischer Titel' etwa die Bezeichnungen 'Doktor' und 'Diplomingenieur' (vgl. auch den Notenwechsel BGBl. Nr. 22/1957).

5. Im Hinblick auf den Wortlaut des Art 7 Abs 3 B-VG (arg.: '... können ... verwendet werden ...') und ihre systematische Einordnung in die Grundrechtsbestimmung des Art 7 B-VG ist ferner davon auszugehen, daß damit ein unmittelbar von Verfassungs wegen wirkender Anspruch auf eine dem Geschlecht der betreffenden Person entsprechende sprachliche Form der Amtsbezeichnung oder des Titels eingeräumt wird. Es kann dem Verfassungsgesetzgeber unterstellt werden, daß er - hätte er die Geltung dieses Anspruches nur vorbehaltlich entsprechender, präzisierender gesetzlicher Regelungen anordnen wollen - dies im Wortlaut des Art 7 Abs 3 B-VG - etwa durch einen Gesetzesvorbehalt - ausdrücklich geregelt hätte.

6. Gegen die Verleihung des akademischen Grades 'Magistra iuris' bestehen daher aus der Sicht des Verfassungsdienstes keine verfassungsrechtlichen Bedenken."

2.1. Die Beschwerdeführerin zu B1321/92 stellte am den Antrag an die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien auf Verleihung des Titels "Magistra der Rechtswissenschaften". Mit Bescheid dieses Fakultätskollegiums vom wurde dieses Ansuchen gemäß § 35 AHStG iVm. § 15 der Rechtswissenschaftlichen Studienordnung abgewiesen.

2.2. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Akademischen Senates der Universität Wien vom , Zl. 82/24 - 1991/92, keine Folge gegeben; die Begründung dafür entspricht - abgesehen von gewissen Kürzungen - inhaltlich jener, wie sie zu I.1.2. wiedergegeben ist.

2.3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte, zu B1321/92 protokollierte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher ebenfalls die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, in eventu die Verletzung von Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird. Die Begründung dieser Beschwerde ist mit jener zu B541/92 (vgl. dazu oben I.1.3.) inhaltsgleich.

2.4. Auch in diesem Verfahren hat die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Beide Beschwerden sind zulässig. Der Verfassungsgerichtshof hat sie in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm. § 35 VerfGG 1953 zur gemeinsamen öffentlichen mündlichen Verhandlung und zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden.

2.1. Beide Beschwerden behaupten, der jeweils angefochtene Bescheid verletze die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz dadurch, daß er den angewendeten Rechtsvorschriften einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstelle, indem er ihren Antrag auf Verleihung des akademischen Grades "Magistra der Rechtswissenschaften" abweise. Vorliegendenfalls werde die Anordnung des Art 7 Abs 1 B-VG verletzt, währenddem Art 7 Abs 3 B-VG idF des BVG BGBl. 341/1988 "Antwortcharakter" nur im Hinblick auf die (bis dahin nur in männlicher Form vorgesehenen) Amtsbezeichnungen und Titel im B-VG habe. Folge man dieser Auffassung nicht, sei Art 7 Abs 3 B-VG entgegen der Ansicht der belangten Behörde auch hier anzuwenden. Sollte der Verfassungsgerichtshof jedoch zum Ergebnis kommen, § 35 AHStG sei einer verfassungskonformen Auslegung nicht zugänglich, erachten sich die Beschwerdeführerinnen durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

2.2. Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst meint im Ergebnis, gegen die Verleihung des von den Beschwerdeführerinnen gewünschten akademischen Grades "Magistra der Rechtswissenschaften" bestünden keine verfassungrechtlichen Bedenken.

2.3. Art 7 Abs 1 B-VG lautet:

"Artikel 7. (1) Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen."

Art 2 StGG hat folgenden Wortlaut:

"Artikel 2. Vor dem Gesetze sind alle Staatsbürger gleich."

§ 35 AHStG lautet:

"§35. Diplomgrade

(1) Die Diplomgrade haben 'Magister ...' oder 'Lizentiat ...'

oder 'Diplom...' mit einem die Studienrichtung kennzeichnenden Zusatz zu lauten.

(2) Die Diplomgrade werden auf Grund der besonderen Studiengesetze Bewerbern verliehen, die ihre wissenschaftliche Berufsvorbildung durch Zurücklegung der ordentlichen Studien (§13 Abs 1 lita) und Ablegung der vorgeschriebenen Diplomprüfungen abgeschlossen haben.

(3) Die feierliche Verleihung erfolgt durch Sponsion in Anwesenheit des Rektors, an Universitäten (Hochschulen) mit Fakultätsgliederung (Abteilungsgliederung) auch des zuständigen Dekans (Abteilungsleiters), durch einen Ordentlichen Universitäts(Hochschul)professor als Promotor. Die nähere Regelung der Form der Verleihung hat die zuständige akademische Behörde durch Verordnung zu treffen. Auf Antrag kann die Verleihung auch schriftlich vorgenommen werden."

§ 2 Abs 1 des Bundesgesetzes über das Studium der Rechtswissenschaften bestimmt wie folgt:

"Akademische Grade

§2. (1) An die Absolventen des Diplomstudiums wird der akademische Grad 'Magister der Rechtswissenschaften', beziehungsweise 'Magister iuris', abgekürzt 'Mag. iur.', verliehen."

2.4. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

2.5. Der Verfassungsgerichtshof kann aus folgenden Überlegungen nicht finden, daß solches hier der Fall wäre:

2.5.1. Art 7 Abs 1 B-VG verwendet für alle Bundesbürger, also sowohl für jene weiblichen als auch für jene männlichen Geschlechts den Begriff Bundesbürger (Bundesbürger im weiteren Sinne). In gleicher Weise verwendet Art 2 StGG den Begriff Staatsbürger, ohne nach dem Geschlecht zu unterscheiden. Die das Grundrecht auf Gleichheit schlechterdings konstituierenden Verfassungsrechtsvorschriften verwenden also den Oberbegriff Bundes- bzw. Staatsbürger für alle Bürgerinnen und Bürger. In der Verwendung dieser Begriffe auch für Frauen liegt sohin keine Gleichheitsverletzung.

Dieses Ergebnis wird durch Art 7 Abs 3 B-VG bestätigt. Diese Bestimmung, welche die in Art 7 Abs 1 B-VG getroffene Grundentscheidung des Bundesverfassungsgesetzgebers auf einem eingeschränkten Bereich näher ausführt, berechtigt Personen, Amtsbezeichnungen bzw. Titel in der Form zu verwenden, die das Geschlecht des Amtsinhabers oder der Amtsinhaberin zum Ausdruck bringen.

2.5.2. Wendet man diese Überlegungen auf § 35 AHStG an, ergibt sich, daß mit der Verleihung des Grades "Magister der Rechtswissenschaften" im Sinne dieser Rechtsvorschrift sowohl die Verleihung eines Grades "Magistra der Rechtswissenschaften" als auch die Verleihung eines Grades "Magister der Rechtswissenschaften" im engeren Sinne erfaßt ist. Folglich durfte einerseits die belangte Behörde das Ansuchen der Beschwerdeführerinnen in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise ablehnen, diese aber sind andererseits für den Fall der Verleihung des Grades "Magister der Rechtswissenschaften" je nach ihren individuellen Vorstellungen zur Führung dieses akademischen Grades in der Form von "Magister der Rechtswissenschaften", aber auch von "Magistra der Rechtswissenschaften" im Sinne des § 38 AHStG befugt. Die Art und Weise, in der die Bundesverfassung das Problem geschlechtsspezifischer Bezeichnungen löst, ist als ein die gesamte Rechtsordnung beherrschender Grundsatz anzusehen, derart nämlich, daß der geschlechtsneutrale Gebrauch der männlichen Sprachform durch den Gesetzgeber zulässig ist, einer Verwendung der Bezeichnung in einer das Geschlecht der betroffenen Person zum Ausdruck bringenden Form aber nicht entgegensteht. Durch diese Möglichkeit ist dem Gleichbehandlungsgebot des Art 7 Abs 1 B-VG und Art 2 StGG entsprochen.

Aus dem Recht, einen akademischen Grad in weiblicher Form zu verwenden, ergibt sich kein Anspruch darauf, daß dieser auch in weiblicher Form verliehen wird. Würde demgegenüber Frauen der Grad "Magistra der Rechtswissenschaften" verliehen werden, dürften sie nur diesen Grad führen. Für eine solche Bindung - und wäre diese auch nur die Folge einer ausgeübten Wahl - enthält die Rechtsordnung keinen Anhaltspunkt.

3. Somit erweist sich aber das Beschwerdevorbringen als unbegründet. Das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerinnen durch Anwendung einer sonstigen rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten bzw. in einem von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wären; die Beschwerden waren deshalb als unbegründet abzuweisen.

Die zu B541/92 protokollierte Beschwerde war antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (Art144 Abs 3 B-VG).