OGH vom 12.01.2000, 13Os156/99
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Dr. Schmucker, Dr. Habl und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Handler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Manfred Sch***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Bettina T***** sowie die Berufung der Privatbeteiligten Helene W***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 11b Vr 2467/99-74, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde unter anderem Bettina T***** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.
Darnach hat sie vom bis 4. Feber 1999 in Wien als Mittäterin der (rechtskräftig) verurteilten Manfred Sch***** und Alois K***** mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz insgesamt 87 Wohnungssuchende unter der falschen Vorgabe, ihnen einen Hauptmietvertrag vermitteln zu wollen, zu Anzahlungen zwischen 10.000 S und 100.000 S im Gesamtschadensbetrag von 2,169.396 S verleitet.
Der aus Z 3, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Verfahrensrüge (Z 3) zeigt an sich zutreffend eine Verletzung des § 152 StPO auf, weil in der Hauptverhandlung mit Isabella M*****, Elke F***** und Ingrid F***** Angestelle der Sch***** GesmbH, in deren Geschäftsbetrieb die Betrügereien begangen worden waren, als Zeuginnen vernommen wurden, ohne über ihr Recht, sich wegen Selbstbezichtigungsgefahr nach § 152 Abs 1 Z 1 erster Fall StPO des Zeugnisses zu entschlagen, belehrt worden zu sein und auf dieses ausdrücklich verzichtet zu haben (§ 152 Abs 5 StPO), haben deren Aussagen doch den Verdacht einer Tatbeteiligung dieser Zeugen in Kenntnis wesentlicher Teile des Tatplanes begründet. Dazu kommt die Beschwerde auch ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach, deutlich und bestimmt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) jene Beweisergebnisse zu bezeichnen, welche die erforderliche (Sachverhalts-)Grundlage für die Zeugnisbefreiung (§ 152 Abs 5 erster Satz StPO) bilden.
Seiner Pflicht zur Anerkennung des den Zeuginnen demnach zukommenden Entschlagungsrechtes und zu der damit gesetzlich verknüpften Belehrung darüber ist der Vorsitzende nicht nachgekommen. Losgelöst von der Verwertung im Urteil (zuletzt 14 Os 3/99) erweist sich solcherart das Verfahren deshalb, weil Aussagen entschlagungsberechtigter Personen, die auf dieses Recht nicht ausdrücklich verzichtet hatten, in der Hauptverhandlung vorgekommen (§ 258 Abs 1 erster Satz StPO) sind, im Sinn des § 281 Abs 1 Z 3 StPO als mangelhaft.
Daraus aber, daß der wesentliche Inhalt der nichtigen Aussagen weder von den (rechtskräftig verurteilten) Mitangeklagten, noch von der Beschwerdeführerin in Abrede gestellt wurde und diesem - als unstrittig - im Rahmen der Beweiswürdigung nur illustrative Bedeutung zukommen konnte, weshalb auch eine Aufklärung über erhebliche Tatsachen damit nicht damit verbunden war (vgl § 254 StPO), ist für den Obersten Gerichtshof unzweifelhaft die fehlende Möglichkeit eines für die Angeklagte nachteiligen Einflusses auf die Entscheidung erkennbar (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 letzter Absatz E 3, 5b).
Mit Mängelrüge (Z 5) hinwieder kann nur der Ausspruch über entscheidende Tatsachen, also solche, die auf die Unterstellung der Tat unter das Gesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes Einfluss üben können (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 26), angefochten werden. Dabei liegt Aktenwidrigkeit nur dann vor, wenn in den Entscheidungsgründen der Inhalt einer Urkunde oder eines Vernehmungs- oder Sitzungsprotokolles unrichtig wiedergegeben wird (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 185); die Richtigkeit der auf freier Beweiswürdigung beruhenden Schlüsse kann unter diesem Gesichtspunkt nicht aufgezeigt werden (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 191).
Die wertende Einschätzung der Angeklagten als "rechte Hand" des Alois K***** ist ebensowenig entscheidend wie die - aktenkonform und ohne Übergehung dessen darauf bezogener Angaben (vgl US 31) bejahte - Frage, ob ihr gegenüber anderen Angestellten eine Sonderstellung zukam. Ob der Inhalt der von T***** eingestandenermaßen (S 339 Bd III) erstellten Mietanbote von Sch***** oder K***** vorgegeben wurde, kann als ebensowenig entscheidend dahinstehen.
Zum Wissen der Angeklagten über die angespannte finanzielle Situation der Sch***** GesmbH wird die unrichtige Wiedergabe eines Protokollsinhaltes gar nicht behauptet. Weshalb die Urteilsannahmen, wonach Zahlungsunfähigkeit der Sch***** GesmbH bereits vor Anstellung der Angeklagten eingetreten sei, mit deren Wissen um fehlende Liquidität bei Tatbegehung im Widerspruch stehen sollte, ist nicht nachzuvollziehen. Mit der Kritik an dieser - gar wohl zugestandenen (S 338, Bd III) - Feststellung aber wird nur unzulässig die formal einwandfreie - auch nach den Kriterien der Z 5a unbedenkliche - Beweiswürdigung des Schöffengerichtes bekämpft.
Auf welche Weise (Vereinbarung, gemeinsamer Beschluß oder bloß stillschweigende Fortführung bereits bestehender Praktiken) der Tatentschluss der Angeklagten zustandekam, ist - ebenso wie die Möglichkeit krimineller Verstrickung weiterer Angestellter - unwesentlich. Über das Erstellen von Mietanboten hinausgehende "weitere Zusagen oder Versprechungen" wurden ihr nicht vorgeworfen, sodass das Rechtsmittel insoweit ein nicht ergangenes Urteil bekämpft. Welche Umstände ihr zur Kenntnis verhalfen, dass die Opfer über den fehlenden Vertragswillen auf Seiten der Verantwortlichen der Sch***** GesmbH getäuscht werden sollten, ist nicht entscheidend.
Zur subjektiven Tatseite übergangene Beweismittel werden nicht aufgezeigt, vielmehr nur - unzulässig - eine andere Würdigung der Beweisergebnisse verlangt. Ob im Tatzeitraum auch nicht betrügerische Geschäfte der Sch***** GesmbH abgewickelt wurden, bedurfte mit Blick auf das Gebot gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) keiner Erörterung; ganz abgesehen davon, daß Beweismittel, die in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen sind, bei der Urteilsfällung außer Betracht bleiben müssen (§ 258 Abs 1 erster Satz StPO).
Die Angaben der Angeklagten, wonach sie betrogene Kunden "vertröstet" habe (S 353, Bd III), wurden keineswegs aktenwidrig wiedergegeben. Ob sie Opfern gezeigte Wohnungen auch selbst gesehen hat, ist erneut unerheblich, ein Schluss auf mangelnden Vertragswillen aus deren sinnlicher Wahrnehmung nicht möglich. Nicht entscheidend ist das Motiv ihres Handelns.
Zum 500.000 S übersteigenden Schadensbetrag wird die Mängelrüge mit bloß beweiswürdigenden Erwägungen ebensowenig zu prozessordnungsgemäßer Darstellung gebracht wie die Tatsachenrüge (Z 5a), die sich in teilweiser Wiederholung der zur Z 5 vorgetragenen Argumente erschöpft.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a), wonach es - trotz fehlenden Rückzahlungswillens - bei T***** als Angestellter einer im Immobiliengewerbe tätigen GesmbH über die Erstellung fingierter Mietanbote und die Entgegennahme dadurch bewirkter Akontozahlungen weiterer Pflichtverletzungen zur Erfüllung des Betrugstatbildes bedurft hätte, bezeichnet - ohne Bezugnahme darauf - keine dem Erstgericht unterlaufene Verletzung des Gesetzes (vgl zuletzt EvBl 1998/130). Indem sie den getroffenen Feststellungen eigene tatsächliche Annahmen entgegengestellt, verfehlt auch die Kritik an der rechtlichen Unterstellung der subjektiven Tatseite eine Orientierung am Verfahrensrecht (§ 285a Z 2 StPO).
Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits in nichtöffentlicher Sitzung hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufung der Privatbeteiligten zur Folge.
Die Kostenersatzpflicht der Angeklagten gründet auf § 390a StPO.