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VfGH vom 28.02.1994, B1319/92

VfGH vom 28.02.1994, B1319/92

Sammlungsnummer

13665

Leitsatz

Aufhebung der angefochtenen Bescheide hinsichtlich festgesetzter Aussetzungszinsen infolge Aufhebung des § 212a Abs 9 BAO mit E v , G275/92 ua.

Mit der nichtöffentlichen Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren G275/92 wurde am begonnen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beschwerdeführer bereits Verfahrenshilfeanträge beim Verfassungsgerichtshof gestellt. Die nach Bewilligung der Verfahrenshilfe (durch einen Rechtsanwalt) am eingebrachten Beschwerden galten aufgrund § 73 Abs 2 und § 464 Abs 3 ZPO iVm § 35 Abs 1 VfGG als zum Zeitpunkt der Einbringung des Verfahrenshilfeantrages, somit also noch vor Beginn der nichtöffentlichen Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren G275/92 erhoben. Die Verfahren sind somit Anlaßfällen gleichzuhalten.

Was hingegen die Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Abgabeneinhebung wegen Erledigung der Berufungen betrifft, sind verfassungsrechtliche Bedenken nicht entstanden.

Da die angefochtenen Bescheide diesbezüglich eine Trennung zulassen, sind die Beschwerden insoweit abzuweisen.

Kostenzuspruch. Die teilweise Erfolglosigkeit der Beschwerden kann außer Betracht bleiben, da dieser Teil keinen zusätzlichen Prozeßaufwand verursacht hat.

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtenen Bescheide insoweit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden, als die Berufung gegen die bekämpften Bescheide auch in bezug auf die Aussetzungszinsen abgewiesen wurde.

Die Bescheide werden insoweit aufgehoben.

Im übrigen ist der Beschwerdeführer durch die angefochtenen Bescheide weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerden werden insoweit abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch die angefochtenen Bescheide in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Vertreters die mit 30.000 S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Das Finanzamt Scheibbs verfügte mit Bescheid vom den Ablauf der mit Bescheid vom bewilligten Aussetzung einer Abgabeneinhebung wegen Erledigung der gegen den Abgabenbescheid erhobenen Berufung und setzte gemäß § 212a Abs 9 BAO Aussetzungszinsen in Höhe von 4.099 S fest.

Mit dem zu B1319/92 angefochtenen Bescheid wies die Finanzlandesdirektion die dagegen erhobene Berufung ab.

Mit Bescheid vom verfügte das Finanzamt Scheibbs den Ablauf einer mit Bescheid vom bewilligten Aussetzung der Abgabeneinhebung wegen Erledigung der gegen den Abgabenbescheid erhobenen Berufung und setzte Aussetzungszinsen in der Höhe von 9.954 S fest.

Mit dem zu B1344/92 angefochtenen Bescheid wies die Finanzlandesdirektion die dagegen erhobene Berufung ab.

II. Aus Anlaß anderer Beschwerden leitete der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 212a Abs 9 BAO in der Fassung der Novelle BGBl. 312/1987 ein und hob diese Gesetzesbestimmung mit Erkenntnis G275/92 ua. vom als verfassungswidrig auf.

Gemäß Art 140 Abs 7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zur Zeit der Verwirklichung des den Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art 140 Abs 7 B-VG genannten Anlaßfall im engeren Sinn (anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist) sind alle jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung mit Beginn der nichtöffentlichen Beratung) bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 10736/1986, 11711/1988).

Mit der nichtöffentlichen Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren G275/92 wurde am begonnen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Beschwerdeführer bereits Verfahrenshilfeanträge beim Verfassungsgerichtshof gestellt. Die nach Bewilligung der Verfahrenshilfe (durch einen Rechtsanwalt) am eingebrachten Beschwerden galten aufgrund der §§73 Abs 2 und 464 Abs 3 ZPO iVm § 35 Abs 1 VerfGG als zum Zeitpunkt der Einbringung des Verfahrenshilfeantrages, somit also noch vor Beginn der nichtöffentlichen Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren G275/92 erhoben.

Die Verfahren waren somit am bereits anhängig und sind Anlaßfällen gleichzuhalten.

Die belangte Behörde hat bei Erlassung der angefochtenen Bescheide, soweit sie sich mit der Frage der Aussetzungszinsen befassen, die als verfassungswidrig erkannte Vorschrift angewendet. Nach Lage des Falles ist es offenkundig, daß diese für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Insoweit wurde er durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt.

Die Bescheide sind daher insoweit aufzuheben (§19 Abs 4 Z 3 VerfGG).

III. Was hingegen die Verfügung des Ablaufes der Aussetzung der Abgabeneinhebung wegen Erledigung der Berufungen betrifft, tragen weder die Beschwerden verfassungsrechtliche Bedenken vor noch sind solche im Verfassungsgerichtshof entstanden.

Da die angefochtenen Bescheide diesbezüglich eine Trennung zulassen, sind die Beschwerden insoweit abzuweisen und antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs 4 Z 1 VerfGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VerfGG. Die teilweise Erfolglosigkeit der Beschwerden kann dabei außer Betracht bleiben, da dieser Teil keinen zusätzlichen Prozeßaufwand verursacht hat. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von 5.000 S enthalten.