OGH vom 23.10.2012, 10Ob29/12f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Schramm und die Hofrätin Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj J*****, geboren am , vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirke 17, 18, 19, Gatterburggasse 12-14, 1190 Wien), über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 662/11p-126, womit infolge Rekurses des Bundes der Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom , GZ 7 Pu 59/09t 118, teilweise bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die am geborene J*****, ist die Tochter von M***** und Ing. E*****. Der Vater wurde zunächst mit Einstweiliger Verfügung des Bezirksgerichts Döbling vom (ON U4) nach § 382a EO zur Leistung eines vorläufigen Unterhalts von monatlich 105,40 EUR ab verpflichtet. Der daraufhin mit Beschluss vom (ON U19) gewährte Unterhaltsvorschuss gemäß § 4 Z 5 UVG für die Zeit vom bis in Titelhöhe wurde aufgrund eines am beim Erstgericht eingebrachten Antrags bis in dieser Höhe weitergewährt.
Mit rechtskräftigem Beschluss vom (ON 116) wurde der Vater schließlich zur Leistung eines monatlichen Unterhalts für das Kind von 232 EUR vom bis , von 125 EUR vom bis sowie von 175 EUR ab bis auf weiteres verpflichtet und gleichzeitig das Außerkrafttreten der Einstweiligen Verfügung angeordnet.
Das Erstgericht erhöhte mit dem von Amts wegen gefassten Beschluss vom (ON 118) den für die Zeit vom bis (weiter-)gewährten monatlichen Unterhaltsvorschuss von monatlich 105,40 EUR
a) von bis auf monatlich 232 EUR
b) von bis auf monatlich 125 EUR und
c) ab auf monatlich 175 EUR. Dazu verwies es auf den rechtskräftigen und vollstreckbaren Unterhaltsfestsetzungsbeschluss ON 116 und darauf, dass gemäß § 19 Abs 2 UVG das Gericht die Erhöhung mit dem auf das Wirksamwerden der Unterhaltserhöhung folgenden Monatsersten anzuordnen habe.
Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, teilweise Folge. Es bestätigte den angefochtenen Beschluss mit der Maßgabe, dass die dem Kind für die Zeit vom bis in Höhe von monatlich 105,40 EUR weitergewährten Unterhaltsvorschüsse beginnend ab gemäß § 19 Abs 2 UVG auf monatlich 175 EUR erhöht werden; behob ihn jedoch insoweit ersatzlos, als die für die Zeit vom bis gewährten Unterhaltsvorschüsse von monatlich 105,40 EUR nach § 19 Abs 2 UVG erhöht wurden. Begründend führte es im Wesentlichen aus, dass nach der Rechtslage vor dem FamRÄG 2009 die auf der Grundlage einer Einstweiligen Verfügung gewährten Unterhaltsvorschüsse nicht rückwirkend auf die Höhe des endgültigen Titels erhöht werden konnten (RIS-Justiz RS0122465), dies sei erst durch die Einführung des § 19 Abs 3 UVG nF ermöglicht worden. Nach der Übergangsbestimmung des § 37 Abs 10 UVG sei die Neuregelung jedoch erst auf Verfahren anzuwenden, in denen der Antrag auf Vorschussgewährung aufgrund einer Einstweiligen Verfügung nach dem bei Gericht eingelangt sei. Da erst die Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse für die Zeit vom bis auf einem nach dem eingelangten Antrag beruht habe, komme nur für diesen Zeitraum eine Erhöhung in Betracht.
Über Zulassungsvorstellung des Bundes ließ das Rekursgericht den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu vorliege, ob nach dem Wortlaut des § 37 Abs 10 UVG idF FamRÄG 2009 die Bestimmung des § 19 Abs 3 UVG nF nur auf Verfahren anzuwenden sei, in denen der (Erst )Antrag auf Vorschussgewährung und nicht auf Weitergewährung nach dem eingelangt sei.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Bundes mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer ersatzlosen Behebung des angefochtenen Beschlusses.
Die übrigen Verfahrensparteien haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.
Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der erkennende Senat in der Entscheidung 10 Ob 104/11h zur rückwirkenden Erhöhung von Unterhaltsvorschüssen auf die endgültige Titelhöhe aufgrund der neuen Rechtslage, die von den Rechtssätzen RIS-Justiz RS0113996 und RS0122465 abweicht, bereits Folgendes festgehalten hat:
1.1. § 19 Abs 2 UVG regelt die Erhöhung der Unterhaltsvorschüsse. Wird der Unterhaltsbeitrag erhöht, so hat das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag die Vorschüsse bis zum Ende des im zuletzt gefassten Beschluss über die Gewährung oder Weitergewährung bestimmten Zeitraums zu erhöhen; die Erhöhung ist mit dem auf das Wirksamwerden der Unterhaltserhöhung folgenden Monatsersten, fällt die Erhöhung auf einen Monatsersten, mit diesem anzuordnen. Zweck dieser Bestimmung ist es, die Vorschusserhöhung parallel mit der Unterhaltserhöhung wirksam werden zu lassen, um den Gleichlauf zwischen den Unterhaltsvorschüssen und dem Unterhaltstitel herzustellen, wenn während des Laufens der Vorschüsse der Unterhaltsbeitrag erhöht wird ( Neumayr in Schwimann/Kodek , ABGB I 4 § 19 UVG Rz 22 mwN).
1.2. Nach § 19 Abs 3 UVG idF FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) gilt als Änderung der Vorschüsse im Sinn von Abs 1 und 2 auch, wenn die Vorschüsse zunächst aufgrund des § 4 Z 4 oder einer einstweiligen Verfügung gewährt werden und danach der Unterhaltsbeitrag (endgültig) festgesetzt wird. Der Gesetzgeber verfolgte mit der mit dem FamRÄG 2009 eingefügten Bestimmung des § 19 Abs 3 UVG zwei Ziele: Zum einen sollte die herrschende Rechtsprechung (vgl RIS-Justiz RS0122465 ua) korrigiert werden, wonach im Fall einer Vorschussgewährung aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO die endgültige Titelfestsetzung keinen Grund für eine Vorschusserhöhung darstellt. Zum anderen sollte mit § 19 Abs 3 UVG die Absicherung der Kinder für die Dauer der Titelverfahren verbessert und damit das gesetzgeberische Ziel des FamRÄG 2009, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Vorschussleistungen zu gewähren, erreicht werden, und zwar gegebenenfalls durch Ermöglichung einer Nachzahlung der Differenz zwischen dem vorläufigen und dem „endgültig“ festgesetzten Unterhalt, um den „Ausfall“ von Unterhaltsleistungen ex post auszugleichen.
1.3. Um das Ziel des Gleichlaufs zwischen Unterhaltserhöhung und Vorschusserhöhung und der Auszahlungskontinuität der Vorschussleistungen zu erreichen, nimmt der Gesetzgeber nunmehr bewusst eine Begünstigung von Vorschüssen in Kauf, die auf der Grundlage einer Vorschussgewährung nach § 4 Z 4 UVG in verhältnismäßig einfacher Weise erlangt und erhöht werden können, wobei mit der Anpassung der Vorschüsse nach § 4 Z 4 UVG nicht nur eine betragsmäßige Änderung, sondern auch eine Änderung des Vorschussgrundes verbunden ist. Auch in diesem Fall des § 19 Abs 3 UVG ändert sich mit der Anpassung der Höhe an den Titel die Gewährungsdauer nicht (vgl Neumayr in Schwimann/Kodek , ABGB I 4 § 19 UVG Rz 32 f mwN). Durch eine Einstellung der Vorschussgewährung, neuerliche Antragstellung und nachfolgende Neugewährung von Unterhaltsvorschüssen wäre die vom Gesetzgeber bezweckte Auszahlungskontinuität jedenfalls unterbrochen.
1.4. Daher widerspricht die (dort vom Erstgericht vorgenommene) Einstellung der dem Kind gemäß § 4 Z 4 UVG gewährten Unterhaltsvorschüsse wegen rechtskräftiger Beendigung des Abstammungsfeststellungsverfahrens und des Unterhaltsverfahrens der durch das FamRÄG 2009 eingefügten Bestimmung des § 19 Abs 3 UVG: Wurde doch bereits in der Entscheidung 10 Ob 86/10k darauf hingewiesen, dass § 19 Abs 3 UVG idF FamRÄG 2009 nunmehr auch in den Fällen der Vorschussgewährung nach § 4 Z 4 UVG die rückwirkende Erhöhung des Vorschusses auf die endgültige Titelhöhe ermöglicht, was bis dahin nicht der Fall war. Mit dieser nunmehr möglichen Anpassung der Höhe der Unterhaltsleistung an den Titel ist keine Änderung der Gewährungsdauer oder Unterbrechung des Unterhaltsvorschussbezugs verbunden.
2. Der Revisionsrekurswerber macht geltend, dass die Übergangsbestimmung des § 37 Abs 10 UVG auf das Einlangen des Antrags auf „Vorschussgewährung“ und nicht auf das Einlangen eines Antrags auf „Weitergewährung“ von Vorschüssen abstelle.
Dazu wurde erwogen:
2.1. Nach § 19 Abs 2 UVG hat das Gericht, wenn der Unterhaltsbeitrag erhöht wird, von Amts wegen oder auf Antrag die Vorschüsse bis zum Ende des im zuletzt gefassten Beschluss über die Gewährung oder Weitergewährung bestimmten Zeitraums zu erhöhen; die Erhöhung ist mit dem auf das Wirksamwerden der Unterhaltserhöhung folgenden Monatsersten, fällt die Erhöhung auf einen Monatsersten, mit diesem anzuordnen. Nach § 19 Abs 3 UVG igF gilt auch als Änderung der Vorschüsse iSd Absätze 1 und 2, wenn die Vorschüsse zunächst aufgrund des § 4 Z 4 UVG oder einer einstweiligen Verfügung gewährt werden und danach der Unterhaltsbeitrag (endgültig) festgesetzt wird.
2.2. Die Übergangsregelung des § 37 Abs 2 UVG normiert, dass die §§ 3 Z 2, 8, 10a, 12, 18 Abs 1, 24 und 27 Abs 1 idF des FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) auf Verfahren nach dem UVG anzuwenden sind, für die der verfahrenseinleitende Antrag nach dem bei Gericht eingelangt ist oder die nach dem von Amts wegen eingeleitet worden sind. Nach § 37 Abs 10 UVG ist § 19 Abs 3 idF des FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) auf Verfahren anzuwenden, in denen der Antrag auf Vorschussgewährung aufgrund des § 4 Z 4 oder einer einstweiligen Verfügung nach dem bei Gericht eingelangt ist.
2.3. Wie § 37 Abs 10 UVG zeigt, handelt es sich bei der Einführung des § 19 Abs 3 UVG also nicht um eine authentische Interpretation des Gesetzgebers; vielmehr ist die Neuregelung erst auf Verfahren anzuwenden, in denen der Antrag auf Vorschussgewährung aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach dem bei Gericht eingelangt ist ( Neumayr in Schwimann/Kodek , ABGB I 4 § 37 UVG Rz 2 mit Hinweis auf 10 Ob 79/09d).
3. Nach der eindeutig deklarierten Absicht (einer Verbesserung der Unterhaltsbevorschussung) verfolgte der Gesetzgeber bei der Einführung der Bestimmung des § 19 Abs 3 UVG idF FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) wie bereits ausgeführt zwei Ziele: Zum einen sollte die herrschende Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0122465) korrigiert werden, wonach im Fall einer Vorschussgewährung aufgrund einer einstweiligen Verfügung nach § 382a EO die endgültige Titelfestsetzung keinen Grund für eine Vorschusserhöhung darstellte. Zum anderen sollte mit § 19 Abs 3 UVG die Absicherung der Kinder für die Dauer der Titelverfahren verbessert und damit das gesetzgeberische Ziel des FamRÄG 2009, zu einem möglichst frühen Zeitpunkt Vorschussleistungen zu gewähren, erreicht werden, und zwar gegebenenfalls durch Ermöglichung einer Nachzahlung der Differenz zwischen dem vorläufigen und dem „endgültig“ festgesetzten Unterhalt, um den „Ausfall“ von Unterhaltsleistungen ex post auszugleichen.
4. Wie bereits zu 10 Ob 104/11h festgehalten wurde, nimmt der Gesetzgeber, um das Ziel des Gleichlaufs zwischen Unterhaltserhöhung und Vorschusserhöhung und der Auszahlungskontinuität der Vorschussleistungen zu erreichen, nunmehr bewusst eine Begünstigung von Vorschüssen in Kauf, die auf der Grundlage einer Vorschussgewährung nach § 4 Z 4 UVG in verhältnismäßig einfacher Weise erlangt und erhöht werden können, wobei mit der Anpassung der Vorschüsse nach § 4 Z 4 UVG nicht nur eine betragsmäßige Änderung, sondern auch eine Änderung des Vorschussgrundes verbunden ist. Auch in diesem Fall des § 19 Abs 3 UVG ändert sich mit der Anpassung der Höhe an den Titel die Gewährungsdauer nicht ( Neumayr aaO § 19 UVG Rz 32 f mwN).
5. Dieses klare Ziel der Neuregelung muss auch für Weitergewährungsanträge nach dem gelten. Es steht mit dem Wortlaut des Gesetzes auch in Einklang.
5.1. Zunächst muss dabei berücksichtigt werden, dass § 19 Abs 2 UVG undifferenziert „den zuletzt gefassten Beschluss über die Gewährung oder Weitergewährung “ anspricht. Davon ausgehend kann schon angesichts der dargelegten Zielsetzung der Novelle dem neuen § 19 Abs 3 UVG (auch wenn die Übergangsbestimmung des § 37 Abs 10 UVG lediglich den „ Antrag auf Vorschussgewährung “ nennt) nicht unterstellt werden, dass hier nur auf den ursprünglichen Vorschussgewährungsantrag abzustellen sei und ein Antrag auf Weitergewährung davon nicht erfasst wäre. So hat der erkennende Senat bereits in der Entscheidung 10 Ob 71/10d ausgesprochen, dass nicht nur der Antrag auf Gewährung sondern auch jener auf Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse als „verfahrenseinleitender Antrag“ iSd § 37 Abs 2 UVG anzusehen ist.
5.2. Die Übergangsbestimmung des § 37 Abs 10 UVG stellt aber anders als § 37 Abs 2 UVG ohnehin nicht auf das Einlangen des „ verfahrenseinleitenden Antrags oder auf das Datum der amtswegigen Verfahrenseinleitung “ ab, sondern ganz allgemein auf einen „ Antrag auf Vorschussgewährung “. Auch deshalb ist die neue Rechtslage jedenfalls dann anzuwenden, wenn wie hier im Anschluss an den früheren (einleitenden) Unterhaltsvorschussantrag nunmehr nach dem ein Antrag auf Weitergewährung von Unterhaltsvorschuss aufgrund (des § 4 Z 4 UVG oder) einer einstweiligen Verfügung eingelangt ist.
Der Revisionsrekurs muss daher erfolglos bleiben.