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OGH vom 22.06.2010, 10Ob29/10b

OGH vom 22.06.2010, 10Ob29/10b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Roswitha K*****, vertreten durch Mag. Johannes Polt, Rechtsanwalt in Horn, gegen die beklagte Partei Frithjof K*****, vertreten durch Mag. Wolfgang Lentschig, Rechtsanwalt in Horn, wegen 60.000 EUR, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 15 R 34/10w 23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom , GZ 3 Cg 16/09z 18, sowie das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Der Rekurs wird, soweit er sich gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts richtet, zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird dem Rekurs nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.688,52 EUR (darin 281,42 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Zu I.:

Das Rechtsmittel des Beklagten richtet sich ausdrücklich auch gegen die Kostenentscheidung. Rekurse gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Kostenpunkt, sind aber grundsätzlich und ausnahmslos unzulässig (stRsp; RIS-Justiz RS0044233; RS0053407; RS0110033), was zu deren Zurückweisung führen muss (jüngst: 5 Ob 130/09t). Dies gilt auch für Rekurse gegen Kostenentscheidungen, die das Berufungsgericht funktionell als erste Instanz fällt (RIS Justiz RS0044288; RS0110033; RS0104146).

Zu II.:

Die Ehe der Streitteile, die beide deutsche Staatsbürger sind, wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Horn vom rechtskräftig geschieden. Bei diesem Gericht ist zu 13 C 322/08f ein Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG anhängig, das sich derzeit im Stadium der Beweisaufnahme befindet (Einholung von SV-GA bzw deren Ergänzung).

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Zahlung von 60.000 EUR sA, in eventu die Feststellung, dass der Beklagte gegenüber der Klägerin für diese Forderung hafte. Während aufrechter Ehe habe die Klägerin gemeinsam mit dem Beklagten Kredite im Zusammenhang mit dem Erwerb bzw der Sanierung mehrerer Häuser bei der Raiffeisenbank Region Waldviertel aufgenommen. Zur Sicherstellung hätten die Ehegatten einen Blankowechsel unterfertigt. Die Bank habe wider Treu und Glauben einen Wechselzahlungsauftrag über 120.000 EUR erwirkt, den die Klägerin aus finanziellen Gründen in Rechtskraft erwachsen habe lassen müssen. Der Beklagte hafte gegenüber der Klägerin schadenersatzrechtlich für die Hälfte dieses Betrags, habe aber seine Zahlungen an die Bank zur Gänze eingestellt oder bediene ein anderes Kreditkonto. Zumindest habe die Klägerin ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass der Beklagte ihr gegenüber für diese Forderung mit 60.000 EUR hafte.

Der Beklagte beantragte Klagsabweisung und wandte die von ihm für gemeinsame Kredite geleisteten bzw ihm zurechenbaren Rückzahlungen kompensando gegen die Klageforderung ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach Gegenüberstellung der für die Kreditverbindlichkeiten jeweils geleisteten Zahlungen der Parteien, stellte es eine berechtigte Klageforderung von 5.485,17 EUR und eine in gleicher Höhe berechtigte Gegenforderung fest.

Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung die Entscheidung des Erstgerichts und das ihr vorausgehende Verfahren als nichtig auf, und verwies die Rechtssache gemäß § 44 JN in das beim Bezirksgericht Horn zu 13 C 322/08f zwischen den Streitteilen anhängige Aufteilungsverfahren; die bisherigen Verfahrenskosten hob es gegeneinander auf. Das Berufungsgericht vertrat zusammengefasst die Rechtsansicht, dass die Klägerin in Wahrheit einen Aufteilungsanspruch, der die gemeinsamen Schulden betreffe, durchzusetzen versuche. Inhaltlich strebe sie nämlich ungeachtet der von ihr gewählten Bezeichnung weder Schadenersatz noch Regress, sondern eine Regelung der gemeinsam übernommenen Verpflichtungen gegenüber der Bank an; behaupte doch die Klägerin nicht einmal konkret, selbst Zahlungen „für den Beklagten“ in Höhe des Klagebegehrens an die Bank geleistet zu haben. Einen darauf beruhenden Rückforderungsanspruch auf schadenersatz- oder bereicherungsrechtlicher Basis schließe dies von vornherein aus. Dass unter anderem die hier gegenständlichen Schulden gleichzeitig auch bereits Gegenstand des anhängigen Aufteilungsverfahrens seien, folge im Übrigen nicht nur aus dem insoweit übereinstimmenden, im Rechtsmittelverfahren wiederholten Vorbringen der Klägerin und des Beklagten, sondern auch aus dem Parteienvorbringen im Aufteilungsverfahren (vgl S 4 des Protokolls vom in 13 C 322/08f des BG Horn). Es liege daher eine Rechtssache vor, die im außerstreitigen Rechtsweg zu erledigen und nach § 44 JN in das noch anhängige Aufteilungsverfahren zu überweisen sei.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos zu beheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung, allenfalls nach Verfahrensergänzung, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen; hilfsweise wird die „volle Bestätigung“ des Ersturteils beantragt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, das Rechtsmittel zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil nach herrschender Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs der (erstmalig) vom Berufungsgericht gefasste Überweisungsbeschluss in analoger Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO wie ein gleichartiger berufungsgerichtlicher Beschluss ohne Rücksicht auf das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen und die Höhe des Entscheidungsgegenstands mit Vollrekurs anfechtbar ist (RIS Justiz RS0008556; RS0041890; RS0043774; 10 Ob 16/08p mwN; E. Kodek in Rechberger ³ § 519 ZPO Rz 10; Ballon in Fasching ² § 40a JN Rz 13). Das Rechtsmittel des Beklagten ist aber nicht berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber macht im Wesentlichen geltend, die gegenständlichen Schadenersatzansprüche seien nicht (mehr) Gegenstand des Aufteilungsverfahrens, weil sie erst aufgrund des Wechselzahlungsauftrags vom entstehen konnten, also (erst) nach dem Zeitpunkt, der zur Beurteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens oder der ehelichen Ersparnisse maßgebend sei. Das gelte auch für die Kompensandoforderungen.

Die Klägerin hält dem entgegen, der Beklagte habe in seiner Berufungsbeantwortung (noch) selbst ausgeführt, dass sämtliche Vermögenswerte aber auch Verbindlichkeiten Gegenstand des Aufteilungsverfahrens seien.

Dazu wurde erwogen:

1. Für die Beurteilung, ob eine Rechtssache im streitigen oder außerstreitigen Verfahren zu entscheiden ist, kommt es auf den Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen an (RIS Justiz RS0013639, RS0045584). Gehört ein im Streitverfahren geltend gemachter Anspruch in Wahrheit in das Außerstreitverfahren, so ist gemäß § 40a JN vorzugehen. Dies gilt auch dann, wenn sich die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs erst im Rechtsmittelverfahren herausstellt (RIS Justiz RS0046245). Die Überweisung streitiger Rechtssachen, in denen Ansprüche zwischen ehemaligen Ehegatten hinsichtlich des ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse geltend gemacht werden, an das Außerstreitgericht ist innerhalb der Einjahresfrist des § 95 EheG bzw bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Aufteilungsverfahrens möglich (RIS Justiz RS0008531).

2. Nach ständiger Rechtsprechung kommt dem Aufteilungsverfahren Vorrang zu. Soweit aufzuteilendes Vermögen der Ehegatten betroffen ist, soll zuerst dessen Rechtszuständigkeit im Außerstreitverfahren geklärt werden. Erst nach dort erfolgter Klärung, dass einzelne Gegenstände, Ersparnisse oder Rechte nicht der Aufteilung unterliegen, können Rechtsstreitigkeiten der Ehegatten untereinander im Streitverfahren geführt werden. Damit soll verhindert werden, dass das in einem Rechtsstreit gewonnene Ergebnis durch eine noch mögliche Rechtsgestaltung im Außerstreitverfahren umgestoßen oder überholt werde (RIS Justiz RS0111605; jüngst: 7 Ob 48/10z).

2.1. Die ersatzlose Aufhebung des § 235 AußStrG 1854 durch das Außerstreitgesetz 2003 hat an der bisherigen Rechtslage insoweit nichts geändert. Die zu § 235 Abs 1 AußStrG 1854 ergangene Rechtsprechung ist daher weiterhin zu beachten; Rechtsgrundlage für die Überweisung sind allerdings nunmehr die §§ 40a, 44 und 46 JN (6 Ob 98/09v mwN).

2.2. Diesen (zu Punkt 2.1. dargelegten) Grundsatz hat der Oberste Gerichtshof zu 10 Ob 16/08p auf Benützungsentgelt aus der behaupteten titellosen (Mit-)Benützung der ehemaligen Ehewohnung sowie auf (anteiligen) Ersatz der für die ehemalige Ehewohnung angefallenen Betriebskosten angewendet; zu 1 Ob 177/09z wurde die Unzulässigkeit des (streitigen) Rechtswegs auch für eine auf Bereicherungsrecht gestützte Klage ausgesprochen, mit der ein vormaliger Ehegatte als bücherlicher Eigentümer von Wohnungen, die als eheliche Ersparnisse der Aufteilung unterlagen, vom anderen die Bezahlung der Mietzinserträgnisse aus einem Zeitraum nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft begehrte.

3. In die Aufteilung sind nach § 81 Abs 1 zweiter Satz EheG auch die Schulden einzubeziehen, die mit dem aufzuteilenden Vermögen in einem inneren Zusammenhang stehen ( Hopf/Kathrein , Eherecht 2 § 81 EheG Anm 14, 4 Ob 11/03a). Bedacht zu nehmen ist bei der Aufteilung aber auch auf Schulden, die in keinem solchen inneren Zusammenhang zum Aufteilungsvermögen stehen, deren Berücksichtigung aber im Hinblick auf den Zusammenhang mit der Lebensgestaltung der Ehegatten nur recht und billig ist ( Hopf/Kathrein aaO § 83 EheG Anm 11).

3.1. Demgemäß sind auch Wechselverbindlichkeiten der Ehegatten von der Aufteilung erfasst, wenn sich diese als persönliche Haftung der Ehegatten zur Sicherung ihrer dem Aufteilungsverfahren gemäß §§ 81 ff EheG unterliegenden Kreditverbindlichkeiten darstellen (RIS Justiz RS0057646; 8 Ob 22/88 = SZ 61/243). So können etwa Wechselgläubiger ihre Wechselforderung nur nach Maßgabe der kraft Richterspruchs gemäß § 98 EheG erfolgten Veränderung der Haftung der beklagten Wechselschuldnerin für die der Aufteilung nach §§ 81 ff EheG unterliegende Kreditverbindlichkeit der Ehegatten geltend machen (8 Ob 9/93 = SZ 66/107 mwN).

4. Soweit die Klägerin einwendet, dass der Zeitpunkt der Auflösung der ehelichen Gemeinschaft nicht festgestellt wurde und dass der von der Klägerin behauptete Anspruch erst aufgrund des Wechselzahlungsauftrags vom entstanden sei, ist ihr daher zu erwidern, dass die vom Wechselzahlungsauftrag erfassten Kreditverbindlichkeiten wie von der Klägerin selbst vorgebracht während aufrechter Ehe entstanden sind.

4.1. Mit dem zu Punkt 2. dargelegten Vorrang des außerstreitigen Aufteilungsverfahrens ist die behauptete Zulässigkeit, schadenersatzrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit in die Aufteilungsmasse fallenden (Wechsel-)Verbindlichkeiten im streitigen Verfahren geltend zu machen, bevor die endgültige Zuweisung im Aufteilungsverfahren erfolgt ist, jedenfalls nicht vereinbar (vgl 1 Ob 117/09z [hinsichtlich bereicherungsrechtlicher Ansprüche]).

4.2. Was die Rekursausführungen zu den kompensando eingewendeten Forderungen betrifft, ist darüber hinaus festzuhalten, dass das Berufungsgericht sowohl das Ersturteil als auch das dieser Entscheidung vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen überwiesen hat. Über die Qualität der Gegenforderung spricht der bekämpfte Beschluss somit gar nicht ab.

5. Zutreffend hat das Rekursgericht somit das vorliegende Rechtsschutzbegehren der Klägerin in das beim Bezirksgericht Horn zwischen den Parteien bereits anhängige außerstreitige Aufteilungsverfahren nach den §§ 81 ff EheG, ist, überwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, weil die Klägerin in einem, dem von ihr eingeleiteten Zivilprozess zugehörigen Zwischenstreit unterlegen ist (10 Ob 16/08p).