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OGH 23.05.2018, 10Ob28/18t

OGH 23.05.2018, 10Ob28/18t

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj A***** und des mj M*****, beide geboren ***** 2000, vertreten durch das Land Oberösterreich als Kinder- und Jugendhilfeträger (Magistrat der Stadt Linz, Soziales, Jugend und Familie, 4041 Linz, Hauptstraße 1–5), dieses vertreten durch Dr. Alfred Hawel und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Weitergewährung von Unterhaltsvorschüssen, über den Revisionsrekurs der Kinder gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 499/17h, 15 R 500/17f-79, mit dem die Beschlüsse des Bezirksgerichts Linz vom , GZ 36 Pu 169/16f-67 und 68, abgeändert wurden, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Das Erstgericht gewährte den beiden Kindern die Unterhaltsvorschüsse bis weiter.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Bundes, vertreten durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Linz, Folge und wies die Anträge auf Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse ab. Der Revisionsrekurs wurde zugelassen.

Der von den Rechtsvertretern der Kinder übermittelte (rechtzeitige) Revisionsrekurs wurde nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht, sondern persönlich überreicht. Eine Bescheinigung darüber, dass die konkreten technischen Möglichkeiten zur Einbringung im elektronischen Rechtsverkehr im Einzelfall ausnahmsweise nicht vorliegen, fehlt (§ 1 Abs 1c ERV 2006).

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 89c Abs 5 Z 1 GOG sind Rechtsanwälte nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet. Ein Verstoß gegen § 89c Abs 5 Z 1 GOG ist wie ein Formmangel zu behandeln, der zu verbessern ist (§ 89c Abs 6 GOG). Für Eingaben eines Rechtsanwalts, die – wie hier – persönlich überreicht und nicht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht werden, ist demnach ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. Im Fall der Verbesserung durch Rechtsmitteleinbringung im elektronischen Rechtsverkehr innerhalb zu setzender Frist gilt das Anbringen als zum ursprünglichen Zeitpunkt eingebracht (§ 10 Abs 5 Satz 1 AußStrG). Im Fall des Unterbleibens der fristgerechten Verbesserung ist mit Zurückweisung der Eingabe vorzugehen (RIS-Justiz RS0128266).

Zur Durchführung dieses Verbesserungs-verfahrens sind die Akten dem Erstgericht zurückzustellen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj A* und des mj M*, beide geboren am * 2000, beide vertreten durch das Land Oberösterreich als Kinder und Jugendhilfeträger (Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Soziales, Jugend und Familie, 4041 Linz, Hauptstraße 1–5), dieses vertreten durch Dr. Alfred Hawel und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen Weitergewährung von Unterhaltsvorschüssen, über den Revisionsrekurs der Kinder gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 15 R 499/17h, 15 R 500/17f-79, mit dem die Beschlüsse des Bezirksgerichts Linz vom , GZ 36 Pu 168/16f-67 und -68, abgeändert wurden, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Revisionsrekurswerber haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die im Juni 2000 geborenen Zwillinge A* und M* sind Staatsangehörige der Russischen Föderation. Sie und ihre Mutter stammen aus Tschetschenien und leben in Österreich.

Mit Bescheiden des Bundesasylamts vom wurde der Asylantrag der Mutter und die von den Kindern als Familienangehörige gestellten Asylanträge gemäß § 7 AsylG abgewiesen. Zugleich wurde festgestellt, dass ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 AsylG nicht zulässig sei, weil sie im Fall einer Rückkehr in ihr Heimatland in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würden (Status als „subsidiär Schutzberechtigte“). Es wurde ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs 3 iVm § 15 Abs 1 AsylG bis zum erteilt. Diese Aufenthaltsberechtigung wurde in der Folge mehrfach verlängert. Als Begründung für die Verlängerung wurde noch im Jahr 2012 auf die allgemeine Situation in Tschetschenien, insbesondere auf die wirtschaftliche und humanitäre Lage sowie auf die individuelle Situation der Familie hingewiesen. Es sei davon auszugehen, dass die Mutter und auch die Kinder im Fall ihrer Rückkehr in ihr Heimatland in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würden.

Im Jahr 2012 wurden beiden Kindern erstmals Unterhaltsvorschüsse gemäß § 4 Z 2 UVG vom bis gewährt.

In ihrem Antrag auf Weitergewährung vom bringen die Kinder vor, es sei kein Grund für den Wegfall der Voraussetzungen zur Vorschussgewährung bekannt. Dem Antrag war eine Niederschrift mit der Mutter angeschlossen, in der sie angibt, sie und die Kinder wären im Fall ihrer Rückkehr nach Tschetschenien obdachlos. Allein die wirtschaftlichen Gründe wären schon für sich existentiell bedrohlich. Maßgeblich sei aber insbesondere, dass die Mutter in Tschetschenien keine Familie hätte, unter deren Schutz sie sich stellen könnte. Infolge der dort gegebenen patriarchalischen Gesellschaftsform wäre dies aber erforderlich, andernfalls sie als alleinstehende Frau jeder nur denkmöglichen Unterdrückung ausgesetzt und von Gewalt bedroht wäre. Geschiedene und allein erziehende Frauen würden verachtet, missbraucht und ausgestoßen, ohne dass sie Hilfe von den örtlichen Behörden erwarten könnten. Auch Kinder aus geschiedenen Ehen würden verhöhnt und schlechter gestellt.

Mit Beschlüssen des Erstgerichts vom wurden die – herabgesetzten – Unterhaltsvorschüsse über den hinaus bis (Eintritt der Volljährigkeit der Kinder) weiter gewährt. Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Voraussetzungen der Vorschussgewährung nicht mehr gegeben seien.

Das Rekursgericht gab den Rekursen des Bundes, vertreten durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts Linz, Folge und wies die Weitergewährungsanträge ab. Es traf Feststellungen aus dem im Rekurs zitierten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Russischen Föderation, Gesamtaktualisierung (aktualisierte Version vom ). Diese Feststellungen sind – im Wesentlichen – wie folgt wiederzugeben:

Die Situation von alleinstehenden Frauen bzw Frauen mit Kindern bei ihrer Rückkehr nach Tschetschenien verbessert sich nach und nach. Die wirtschaftliche Situation in Tschetschenien hat sich in den letzten Jahren aufgrund massiver Transferzahlungen stabilisiert. Die materiellen Lebensumstände haben sich für die Mehrheit der tschetschenischen Bevölkerung seit 2007 deutlich verbessert. Die ehemals zerstörte Hauptstadt Tschetscheniens Grosny ist inzwischen fast vollständig wieder errichtet …. Das Gesundheitssystem ist seit den beiden Kriegen großteils wieder aufgebaut worden. Es ist sowohl primäre als auch spezialisierte Gesundheitsversorgung verfügbar. Bestimmte Medikamente werden kostenfrei zur Verfügung gestellt ... Dem auswärtigen Amt sind keine Fälle bekannt, in denen russische Staatsangehörige bei ihrer Rückkehr nach Russland allein deshalb staatlich verfolgt wurden, weil sie zuvor im Ausland einen Asylantrag gestellt hatten. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass Russen mit tschetschenischer Volkszugehörigkeit nach ihrer Rückführung besonderen Repressionen ausgesetzt sind.

Rechtlich ging das Rekursgericht davon aus, die subsidiäre Schutzberechtigung sei vom Gericht selbständig zu prüfen, weil die Bescheide (über die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung) bereits aus dem Jahr 2012 stammten. Im Fall einer Weitergewährung habe der Unterhaltsvorschussberechtigte an sich nur zu behaupten, dass die Voraussetzungen, die bei der Erstgewährung angenommen worden seien, weiterhin bestehen. Wenngleich eine Überprüfung jener Umstände, die zur Erstgewährung geführt haben, nicht stattfinde, seien neue Versagungsgründe uneingeschränkt von Amts wegen zu beachten. Gerichtsbekannt sei, dass sich Tschetschenien im Wiederaufbau befinde und in jüngster Vergangenheit Asylanträge von aus Tschetschenien stammenden Asylwerbern abgewiesen werden. Aus den ergänzend getroffenen Feststellungen ergebe sich, dass ein Grund für eine subsidiäre Schutzberechtigung nicht mehr vorliege. Die wirtschaftlichen Verhältnisse in Tschetschenien haben sich verbessert, ebenso die Situation von alleinstehenden Frauen bzw Frauen mit Kindern. Das erstmals nach Ergehen des erstgerichtlichen Beschlusses erstattete Vorbringen der Mutter, im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation wäre sie durch den
– vielleicht – dort lebenden gewalttätigen Vater der Kinder gefährdet, verstoße gegen das Neuerungsverbot. Außerdem sei der Vater unbekannten Aufenthalts, es sei daher nicht einmal sicher, dass er sich in der Russischen Föderation aufhalte und von der Rückkehr der Mutter Kenntnis erlangen könnte.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, dass zur Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft bzw der subsidiären Schutzberechtigung zwar auf Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts bzw des Asylgerichtshofs zurückgegriffen werden könne, jedoch dazu Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle. Aufgrund der aktuell gehäuften Befassung der Gerichte mit der selbständigen Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft liege eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG vor.

Im Revisionsrekurs wird als erhebliche Rechtsfrage geltend gemacht, die Rechtsprechung, wonach die Gerichte die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft bzw subsidiären Schutzberechtigung selbständig prüfen könnten, widerspreche der Flüchtlingskonvention.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs nicht zulässig, weil weder das Rekursgericht eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigt, noch die Revisionsrekurswerber eine derartige Rechtsfrage im Hinblick darauf geltend machen, dass zwischenzeitig die Entscheidung 10 Ob 40/18g ergangen ist.

I. Zu der vom Rekursgericht aufgeworfenen Rechtsfrage ist auszuführen:

I.1.1 Flüchtlinge sind nach der Genfer Flüchtlingskonvention (BGBl 1955/55, GFK) und dem Flüchtlingsprotokoll (BGBl 1974/78) österreichischen Staatsbürgern iSd § 2 Abs 1 UVG gleichzustellen. Sie haben demnach Anspruch auf Unterhaltsvorschuss (10 Ob 46/10b; 10 Ob 19/17t ua). Flüchtlinge sind iSd Art 1 A Z 2 GFK Personen, „die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus den Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes befinden und nicht in der Lage oder im Hinblick auf ihre Furcht nicht gewillt sind, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen“.

I.1.2 Da die Situation subsidiär Schutzberechtigter nach § 8 AsylG 2005 im Wesentlichen derjenigen von Konventionsflüchtlingen entspricht, sind subsidiär Schutzberechtigte im Bereich des UVG Konventionsflüchtlingen rechtlich gleichgestellt. Auch sie haben daher bei Erfüllung der weiteren Voraussetzungen einen Vorschussanspruch (RIS-Justiz RS0126325).

I.2.1 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter an einen Fremden ist, dass dessen Asylantrag abgewiesen oder dessen Asylstatus aberkannt wurde, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in dessen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde (§ 8 Abs 1 Z 2 AsylG; 10 Ob 46/10b). Es muss somit eine reale Gefahr einer Verletzung im Recht auf Leben, auf Schutz vor Folter, unmenschlicher Behandlung oder erniedrigender Strafe oder einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person im Rahmen eines bewaffneten Konflikts bestehen.

I.2.2 Eine früher bejahte Eigenschaft als Flüchtling oder als subsidiär Schutzberechtigter kann auch wieder wegfallen, wenn Umstände, aufgrund derer eine Zuerkennung dieser Eigenschaft erfolgte, nicht mehr bestehen, und eine Person – beispielsweise aufgrund einer Änderung der politischen Verhältnisse – nicht mehr ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatstaats zu stellen (6 Ob 183/98z).

I.2.3 Die Zuerkennung des Status als Flüchtling setzt ein spezielles Verwaltungsverfahren voraus (Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 2 UVG Rz 15); dies trifft auch auf die Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter zu (§ 8 AsylG 2005).

I.2.4 In Rechtsmaterien, die nicht in die Kompetenz der ordentlichen Gerichte fallen, kommt dem Obersten Gerichtshof aber keine Leitfunktion zu (RIS-Justiz RS0116438; RS0123321). Geben die Gerichte die Entscheidungspraxis der primär zuständigen Behörden richtig wieder und ziehen daraus keine unvertretbaren Schlussfolgerungen, so liegt im Regelfall keine erhebliche Rechtsfrage vor (RIS-Justiz RS0123321 [T1]).

I.2.5 Das Rekursgericht hat die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungs-gerichts zu den Elementen des Begriffs der Eigenschaft als subsidiär Schutzberechtigter zutreffend zitiert. Nach der Judikatur des VwGH müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre. Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Die Gefahrenprognose hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (; 2005/20/0095). Für eine Verletzung von Art 3 EMRK müssen außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände glaubhaft gemacht werden (). Diese Gefahr muss sich auf das gesamte – und nicht nur auf Teile des – Staatsgebiets beziehen.

I.3 Neben den verwaltungsrechtlichen Voraussetzungen für das Fortbestehen der Eigenschaft als subsidiär Schutzberechtigter ist im vorliegenden Fall weiters zu berücksichtigen, dass es sich nicht um eine erstmalige Gewährung von Unterhaltsvorschüssen, sondern um eine Weitergewährung handelt. Maßgeblich ist daher § 18 Abs 1 Z 2 UVG, nach dem die Gerichte die Vorschüsse weiter zu gewähren haben, wenn keine Bedenken dagegen bestehen, dass die Voraussetzungen der Gewährung der Vorschüsse weiter gegeben sind. Der Antrag auf Weitergewährung ist damit an weniger strenge Voraussetzungen geknüpft als die Erstgewährung. Im Fall der Weitergewährung hat das Kind im wesentlichen nur zu behaupten, dass die Voraussetzungen, die bei der Erstgewährung angenommen wurden, weiterhin gegeben sind (10 Ob 15/16b mwN; Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 18 UVG Rz 1, 4 und 5). Das Gericht ist nur berechtigt zu prüfen, ob – abgesehen vom Fall des § 18 Abs 2 UVG – die früheren Gewährungsgrundlagen noch gegeben sind (RIS-Justiz RS0122248).

I.4 Der Bund hat in seinem Rekurs unter Hinweis auf das Länderinformationsblatt zur Staatendokumentation betreffend die Russische Föderation eine Änderung der seinerzeitigen Gewährungsgrundlagen geltend gemacht. Das Rekursgericht vertrat dazu die Ansicht, das Länderinformationsblatt gebe – auch zur Situation alleinstehender Frauen – ein zutreffendes und ausreichendes Bild wieder und traf daraus die oben wiedergegebenen Feststellungen. Damit hat das Rekursgericht den von der Mutter (von der die Kinder ihre Eigenschaft als subsidiär Schutzberechtigte ableiten) geäußerten Bedenken den Stellenwert rein subjektiver, nach objektiven Kriterien nicht mehr begründeter Sorgen vor einer die Existenz bedrohenden Notlage, Gewalt oder unmenschlicher Behandlung beigemessen und ist davon ausgegangen, dass sich die zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigte gegebenen Umstände auch für die Mutter mittlerweile maßgeblich verändert hätten. In dieser Beurteilung liegt ein Akt in dritter Instanz nicht bekämpfbarer Beweiswürdigung (RIS-Justiz RS0043414 [T11]). Ausgehend von dieser – im vorliegenden Einzelfall gegebenen – Sachverhaltsgrundlage, hat das Rekursgericht aus der Rechtsprechung der primär zuständigen Behörden jedenfalls keine unvertretbaren Schlussfolgerungen abgeleitet.

Das machen die Revisionsrekurswerber in ihrem Revisionsrekurs auch gar nicht geltend, sondern wenden sich grundsätzlich gegen die Rechtsprechung, wonach die Gerichte die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft bzw subsidiären Schutzberechtigung selbständig prüfen können.

II.1 Im Hinblick auf die zwischenzeitig ergangene Entscheidung 10 Ob 40/18g wird auch damit keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt:

Es entsprach schon vor der Entscheidung 10 Ob 40/18g der ständigen Rechtsprechung, dass das Gericht die Flüchtlingseigenschaft selbständig als Vorfrage zu prüfen hat (RIS-Justiz RS0110397; RS0037183; 10 Ob 19/17t und 10 Ob 3/18s). Es wurde jeweils ausgeführt, dass zwar der Feststellung der Flüchtlingseigenschaft im Verwaltungsverfahren stärkste Indizwirkung zukommt, sie dem Gericht aber nicht die Möglichkeit der selbständigen Vorfragenprüfung nimmt. Liegt eine solche Feststellung erst kurze Zeit vor der gerichtlichen Entscheidung, in der die Flüchtlingseigenschaft eine Vorfrage darstellt, wird das Gericht in der Regel von einer weiteren selbständigen Prüfung mangels gegenteiliger Anhaltspunkte absehen können. Anders wird es dann sein, wenn seit der Feststellung ein geraumer Zeitraum verstrichen ist und sich die Verhältnisse im Heimatstaat des Flüchtlings wesentlich geändert haben (RIS-Justiz RS0110397; RS0037183). Dies gilt auch im Fall des Status eines/r „subsidiär Schutzberechtigten“ iSd § 8 Abs 1 AsylG (RIS-Justiz RS0037183 [T4]).

II.2 In der Entscheidung 10 Ob 40/18g hat der Oberste Gerichtshof zu der Frage der selbständigen Prüfung der Flüchtlingseigenschaft bzw der selbständigen Prüfung der Eigenschaft als subsidiär Schutzberechtigter durch die Gerichte und die sich daraus ergebenen Konsequenzen jüngst neuerlich Stellung genommen und an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten. Auf die dort getroffenen weiterführenden Aussagen kann daher verwiesen werden.

II.3.1 Im Hinblick auf die Argumentation im Revisionsrekurs ist aus dieser Entscheidung hervorzuheben, dass sich die Anspruchsberechtigung von Flüchtlingen nicht unmittelbar aus dem UVG ergibt, sondern daraus, dass einem in Österreich befindlichen Flüchtling das für den familienrechtlichen Bereich maßgebliche Personalstatut zukommt und ein enger Zusammenhang des Vorschussrechts mit dem Unterhaltsrecht besteht. Die personenrechtliche Rechtsstellung eines Flüchtlings nach § 53 IPRG und Art 12 Z 1 der GFK wird vom Gesetz seines Wohnsitzlandes oder mangels Wohnsitzes vom Gesetz seines Aufenthaltslandes bestimmt. Damit übereinstimmend normiert § 9 Abs 3 IPRG als Personalstatut einer Person, die Flüchtling im Sinn der für Österreich geltenden internationalen Übereinkommen ist oder deren Beziehungen zu ihrem Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen abgebrochen sind, das Recht des Staats, in dem sie ihren Wohnsitz, mangels eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.  Die Flüchtlingseigenschaft kommt gemäß § 9 Abs 3 IPRG somit auch (nicht zwingend staatenlosen) Personen zu, deren Beziehungen zu ihrem Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen wie in der GFK und im Flüchtlingsprotokoll, BGBl 1974/78, aufgezählten abgebrochen sind („subsidiär Schutzberechtigte“ nach § 8 AsylG). In jedem Fall ist die Flüchtlingseigenschaft einer Person als Vorfrage für die Beurteilung des Personalstatuts der Kinder und damit verbunden der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen gemäß § 2 Abs 1 UVG vom Gericht selbständig zu prüfen (siehe bereits RIS-Justiz RS0110397; RS0037183). Dies trifft auch auf subsidiär Schutzberechtigte zu (RIS-Justiz RS0037183 [T4]). Das Gericht kann demnach auch die Vorfrage „des Abbruchs der Beziehungen zum Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen“ (§ 9 Abs 3 IPRG) selbständig beurteilen.

II.3.2 Weiters wurde in dieser Entscheidung ausgeführt, dass Voraussetzung für die Eigenschaft als Flüchtling nicht die Erlaubtheit des Aufenthalts ist, sondern umgekehrt für die Asylgewährung das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung. Erst in weiterer Folge kommt einem Fremden, dem der Status als Asylberechtigter zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. In ähnlicher Weise wird einem Fremden, dem der Status als subsidiär Schutzberechtigter zuerkannt wurde, eine mit einem Jahr befristete (jeweils für zwei weitere Jahre verlängerbare) Aufenthaltsbewilligung als subsidiär Schutzberechtigter erteilt (§ 8 Abs 4 AsylG).

II.4.1 Der im Revisionsrekurs behauptete Verfahrensmangel wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Der Bund hat bereits in seinem Rekurs auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Bezug genommen und daraus jene Sachverhaltsfeststellungen begehrt, die das Rekursgericht dann ergänzend getroffen hat. Den Kindern stand es frei, dazu in ihrer Rekursbeantwortung Vorbringen zu erstatten. Sie haben aber nur dargelegt, ihre Mutter könnte im Fall ihrer Rückkehr in die Russische Föderation deshalb einer Gefährdung ausgesetzt sein, weil der gewaltbereite Vater
– falls er sich dort aufhalten sollte – gegen sie „Vergeltungsmaßnahmen“ setzen könnte.

II.4.2 Dieses erstmals nach Ergehen der erstgerichtlichen Entscheidung erstattete Vorbringen hat bereits das Rekursgericht als unzulässige Neuerung erachtet (§ 49 Abs 2 AußStrG). Dagegen wird im Revisionsrekurs nichts ins Treffen geführt, sondern nur vorgebracht, die im Fall der Rückkehr in die Russische Föderation vom Vater (eventuell) zu befürchtende Gefährdung der Mutter gehe über die gleichermaßen andere Staatsbürger treffenden Unbilligkeiten hinaus, weshalb die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes gegeben seien. Auch mit diesem Vorbringen wird keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 AußStrG dargelegt.

III. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

IV. Im Unterhaltsvorschussverfahren findet kein Kostenersatz statt (§ 10a UVG). Die Revisionsrekurswerber haben die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2018:0100OB00028.18T.0523.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
OAAAD-81706