OGH vom 09.10.2007, 10ObS119/07h

OGH vom 09.10.2007, 10ObS119/07h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Georg Eberl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Diözese L*****, *****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Zuschuss nach Entgeltfortzahlung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 72/07y-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 7 Cgs 298/05g-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist Rechtsträgerin der „Katholischen H*****" und betreibt zudem ein Bildungshaus, ein Personalserviceunternehmen, eine Pädagogische Akademie sowie ein Oberstufenrealgymnasium. Bei ihr sind insgesamt mehr als 51 Dienstnehmer beschäftigt. Die „Katholische H*****" erbringt Leistungen im Bereich der Persönlichkeitsbildung sowie der Aus- und Weiterbildung und betreibt Studentenheime. Sie ist verpflichtet, kostendeckende Entgelte zu verlangen und verwaltet ein eigenes Budget. Bei ihr sind durchschnittlich 15 Dienstnehmer beschäftigt, darunter auch Adelheid K*****. Diese Dienstnehmerin befand sich aufgrund eines Unfalles in der Zeit vom bis im Krankenstand. Für diesen Zeitraum wurde von der Klägerin Entgeltfortzahlung geleistet.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde ein Antrag der „Katholischen H*****" auf Zuschuss nach Entgeltfortzahlung für die Arbeitsverhinderung der Dienstnehmerin Adelheid K***** in der Zeit vom bis abgewiesen.

Das Erstgericht wies das von der Klägerin dagegen erhobene und auf die Gewährung eines Zuschusses zur Entgeltfortzahlung der Mitarbeiterin Adelheid K***** für den genannten Zeitraum gerichtete Klagebegehren ab. Es gelangte in rechtlicher Hinsicht zu dem Ergebnis, dass der „Katholischen H*****" unbestritten keine Rechtsfähigkeit als juristische Person zukomme, weshalb die Klägerin Dienstgeberin der genannten Mitarbeiterin sei. Da die Klägerin aber regelmäßig mehr als 51 Dienstnehmer in ihrem Unternehmen beschäftige, erfülle sie nicht die Voraussetzungen für die Gewährung eines Zuschusses nach Entgeltfortzahlung iSd § 53b Abs 3 Z 1 ASVG. Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei keine Folge. Es schloss sich im Wesentlichen der Rechtsansicht des Erstgerichtes an und sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob bei der Berechnung der nach § 53b ASVG relevanten Arbeitnehmerzahl auf den Gesamtbeschäftigtenstand des jeweiligen Rechtsträgers oder nur auf den Beschäftigtenstand einer diesem Rechtsträger zugehörigen wirtschaftlich selbstständigen Organisationseinheit abzustellen sei, fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die klagende Partei macht in ihren Revisionsausführungen im Wesentlichen geltend, sie betreibe mehrere Unternehmen, darunter auch die „Katholische H*****", und sei auch Dienstgeberin der Mitarbeiterin Adelheid K*****. Jede wirtschaftlich selbstständige Organisationseinheit sei als „Unternehmen" iSd § 53b ASVG anzusehen und es bestehe demnach eine Zuschussberechtigung, sofern innerhalb einer solchen Einheit die relevante Dienstnehmerzahl nicht überschritten werde. Jede andere Auslegung sei gleichheitswidrig. So bestehe in der Frage der wirtschaftlichen Selbstständigkeit zwischen einem rechtlich selbstständigen Tochterunternehmen eines Konzerns und der „Katholischen H*****" kein Unterschied, der es sachlich rechtfertigen würde, nur ersterer den Zuschuss zur Entgeltfortzahlung zu gewähren. Außerdem seien Unternehmen mit weniger als 51 Dienstnehmern nicht automatisch jene vom Gesetzgeber als förderungswürdig erachteten finanzschwachen Klein- und Mittelbetriebe. Das Ergebnis, dass allein die rechtliche Gestaltung der Organisationsstruktur ausschlaggebend sei für die Zuschussberechtigung, sei eine Folge einer gleichheitswidrigen Interpretation des § 53b ASVG.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Gemäß § 53b Abs 1 ASVG können den Dienstgebern Zuschüsse aus Mitteln der Unfallversicherung zur teilweisen Vergütung des Aufwandes für die Entgeltfortzahlung einschließlich allfälliger Sonderzahlungen iSd § 3 EFZG oder vergleichbarer österreichischer Rechtsvorschriften an bei der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt oder der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau unfallversicherte Dienstnehmer geleistet werden. Gemäß Abs 3 Z 1 dieser Gesetzesstelle ist Abs 1 bei Arbeitsverhinderung nach Unfällen so anzuwenden, dass die Zuschüsse nur jenen Dienstgebern gebühren, die in ihrem Unternehmen regelmäßig weniger als 51 Dienstnehmer beschäftigen, wobei die Anzahl der Dienstnehmer nach § 77a ASchG zu ermitteln ist.

§ 2 Abs 2 der Entgeltfortzahlungs-Zuschussverordnung (BGBl II 2005/64) legt fest, dass als „Unternehmen" iSd § 53b Abs 2 Z 1 und Abs 3 Z 1 ASVG solche gelten, in denen regelmäßig insgesamt weniger als 51 Dienstnehmer beschäftigt werden.

Die arbeitsrechtlichen Schutzregelungen verpflichten den Arbeitgeber zur Fortzahlung des Entgelts im Falle einer Dienstverhinderung wegen Krankheit oder Unfall für eine bestimmte Zeit. Nach der Abschaffung der Entgeltfortzahlungsfonds zugunsten der Senkung von Lohnnebenkosten zeigte sich bald, dass durch diese Maßnahme jene Dienstgeber, die ein Klein- oder Mittelunternehmen betreiben, besonders belastet wurden. Durch den Wegfall der Erstattungsfonds mussten die Dienstgeber die gesamte Last der Entgeltfortzahlung selbst tragen. Während dies für große Unternehmen in der Regel kein Problem darstellte, waren die Doppelbelastungen durch Entfall einer Arbeitskraft und die gleichzeitige Verpflichtung zur Fortzahlung des Entgelts für zahlreiche Klein- und Mittelbetriebe problematisch und zum Teil sogar existenzbedrohend. Um den mit der Entgeltfortzahlung verbundenen finanziellen Aufwand für die Arbeitgeber zu verringern, wurden die Zuschüsse nach Entgeltfortzahlung gemäß § 53b ASVG eingeführt. Voraussetzung für die Zuschusserlangung ist die regelmäßige Beschäftigung von höchstens 50 Dienstnehmern (vgl Putzer, Zuschüsse zur Entgeltfortzahlung für KMU, RdW 2006/602, 638 f mwN). Soweit für den vorliegenden Fall maßgeblich, gebührt der Zuschuss nach § 53b Abs 3 Z 1 ASVG in der seit seinem Inkrafttreten durch das

3. SVÄG 2004, BGBl I 2004/171, geltenden Fassung „nur jenen Dienstgeber/innen, die in ihrem Unternehmen regelmäßig weniger als 51 Dienstnehmer/innen beschäftigen ...". Wie der erkennende Senat unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien bereits ausgeführt hat, erfolgte die durch das 2. SVÄG 2003, BGBl I 2003/145, in der nunmehr gleichlautenden Bestimmung des § 53b Abs 2 Z 1 ASVG vorgenommene Umstellung der Begriffsfolge „in Betrieben" auf „in ihrem Unternehmen" (hinsichtlich der Beschäftigtenzahl) deshalb, da § 53b ASVG ursprünglich auf die Beschäftigung von „weniger als 51 Dienstnehmer/innen in Betrieben (§ 77a ASchG)" abstellte, während § 2 Abs 2 der Durchführungsverordnung, BGBl II 2002/443, Betriebe iSd § 53b Abs 2 Z 1 ASVG als „Unternehmen, in denen regelmäßig insgesamt weniger als 51 Dienstnehmer/innen beschäftigt werden" definierte. Durch die vorgenommene Änderung sollte diese Diskrepanz zwischen Gesetzestext und Verordnung bereinigt werden, indem nunmehr eindeutig auf die Zahl der Dienstnehmer in einem Unternehmen abgestellt wird. Die ursprüngliche Intention des Gesetzgebers, in § 53b ASVG eine Begünstigung von Klein- und Mittelunternehmen vorzusehen, sollte damit auf eine eindeutige Rechtsgrundlage gestellt werden (10 ObS 86/06d mwN ua).

Mit dem 2. SVÄG 2003, BGBl I 2003/145, wurde somit klargestellt, dass bei der Ermittlung der Dienstnehmerzahl nicht auf einen Betrieb, sondern auf ein Unternehmen als Ganzes abzustellen ist, was sich mit dem Ziel deckt, nur kleine und mittelgroße Unternehmen zu fördern. Es kommt daher bei der Bestimmung der relevanten Dienstnehmerzahl auf das Unternehmen (das aus mehreren Betrieben bestehen kann) und nicht auf den einzelnen Betrieb an. Es entspricht der Absicht des Gesetzgebers, der mit § 53b ASVG unstrittig nur „kleine" Dienstgeber fördern will, nicht schon dort Zuschüsse zu gewähren, wo ein „großer" Dienstgeber über eine ganze Reihe von Betrieben verfügt, der jeder für sich unter dem Größenkriterium von weniger als 51 dauernd beschäftigten Dienstnehmern liegt. Vielmehr soll der Dienstgeber insgesamt weniger als 51 Dienstnehmer dauernd beschäftigen. Die relevante Dienstnehmerzahl hat sich daher nicht am einzelnen Betrieb, sondern an der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Dienstgebers zu orientieren (vgl auch Krejci, Betreiben juristische Personen des Kirchenrechts Unternehmen? in ÖZW 2006, 58 ff [60]; Putzer, Probleme der Zuschüsse zur Entgeltfortzahlung, DRdA 2006, 351 ff [356 ff]; Nora Melzer-Azodanloo, Zuschuss an Dienstgeber zur Entgeltfortzahlung bei Krankheit oder Unfall, ecolex 2006, 411 ff [503 f] mwN). Um anspruchsberechtigt zu sein, dürfen daher im „Unternehmen", das einem Dienstgeber zuzurechnen ist, grundsätzlich höchstens 50 Dienstnehmer beschäftigt sein. Alle wirtschaftlichen Tätigkeiten eines Dienstgebers sind daher einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen, sodass Teilbereiche der wirtschaftlichen Aktivitäten eines Dienstgebers, die sich in Form von „Standorten", „Filialen", „Betrieben" oder wie im vorliegenden Fall „Organisationseinheiten" verwirklichen, unabhängig vom Grad ihrer technisch-organisatorischen Selbstständigkeit der Einheit „Unternehmen" zuzurechnen sind (vgl Nora Melzer-Azodanloo aaO ecolex 2006, 411 ff [503 f]). In diesem Sinne hat auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung GZ 2004/08/0139 (= ARD 5586/10/2005) zumindest implizit zum Ausdruck gebracht, dass bei der Zählung iSd § 53b Abs 2 Z 1 ASVG auch Dienstnehmer einzubeziehen sind, die in den einzelnen Betrieben des Dienstgebers, der die Entgeltfortzahlung geleistet hat, beschäftigt sind. Die hier vertretene Auffassung steht auch nicht im Widerspruch zu der Entscheidung 10 ObS 170/06g (= JBl 2007, 260), wonach dem in § 53b ASVG verwendeten Begriff des „Unternehmens" insofern eine gewisse eigenständige Bedeutung zukommt, als die Eigenschaften eines Unternehmens auf einen Privathaushalt nicht zutreffen und daher für im privaten Haushalt des Dienstgebers Beschäftigte kein Anspruch auf Zuschuss nach Entgeltfortzahlung gemäß § 53b ASVG besteht. Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, dass die klagende Partei Dienstgeberin der Mitarbeiterin Adelheid K***** ist, daher Entgeltfortzahlung an diese Mitarbeiterin geleistet hat und bei der gebotenen Gesamtbetrachtung in ihrem „Unternehmen" unter Einbeziehung der verschiedenen Organisationseinheiten insgesamt mehr als 51 Dienstnehmer beschäftigt sind. Die Vorinstanzen haben daher eine Anspruchsberechtigung der klagenden Partei auf Gewährung eines Zuschusses nach § 53b ASVG zutreffend verneint. Der erkennende Senat hat bereits in der Entscheidung 10 ObS 170/06g (= JBl 2007, 260) auch darauf hingewiesen, dass es ausgehend vom sachlich rechtfertigbaren Zweck der Regelung, eine Begünstigung von Klein- und Mittelunternehmen vorzusehen, im verfassungsrechtlich zulässigen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegt, gewisse Gruppen von Dienstgebern (iSd § 35 ASVG), die nicht dieser Gruppe von Klein- und Mittelunternehmen zugerechnet werden können, vom Anspruch nach § 53b ASVG auszuschließen. Auch das Abstellen auf die Zahl der bei einem Dienstgeber beschäftigten Dienstnehmer erscheint in diesem Zusammenhang nicht unsachlich. Zutreffend verweist die beklagte Partei in ihrer Revisionsbeantwortung auch darauf, dass im Falle eines rechtlich selbstständigen Tochterunternehmens eines Konzerns dieses selbst als Dienstgeber iSd § 53b ASVG anzusehen ist, der die Entgeltfortzahlung geleistet hat, während bei rechtlich unselbstständigen Organisationseinheiten eines Rechtsträgers diese Eigenschaft allein dem Rechtsträger zukommt. Es entspricht schließlich auch der herrschenden Rechtsprechung, dass das Sozialversicherungsrecht nicht auf eine volle Äquivalenz von Beitragsleistung und Versicherungsleistung abzielt (RIS-Justiz RS0110085).

Der Revision musste daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.