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OGH vom 17.08.2006, 10ObS119/06g

OGH vom 17.08.2006, 10ObS119/06g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Albert Ullmer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Margarethe P*****, Pensionistin, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pensionshöhe, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 38/06d-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 29 Cgs 21/05p-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am geborene Klägerin beantragte am bei der beklagten Partei die Gewährung der Alterspension zum Stichtag .

Mit Bescheid vom anerkannte die beklagte Partei den Anspruch der Klägerin auf Alterspension ab und sprach aus, dass die Pension EUR 833,26 brutto monatlich beträgt. Die Alterspension gebühre in der unter Anwendung der ab geltenden Bestimmungen über die Berechnung der Pension ermittelten Höhe, weil die Leistung um nicht mehr als 5 % geringer sei als die unter Berücksichtigung der am in Geltung gestandenen Bestimmungen über die Pensionsberechnung ermittelte Leistung. Die unter Berücksichtigung der am geltenden Bestimmungen über die Pensionsberechnung ermittelte Leistung würde EUR 862,10 brutto monatlich betragen. Dagegen erhob die Klägerin rechtzeitig Klage mit dem Begehren auf Gewährung einer Alterspension in der gesetzlichen Höhe unter Anwendung der am geltenden Rechtslage, weil sie die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer spätestens am erfüllt habe, sodass nach der Übergangsbestimmung des § 607 Abs 9 ASVG die für sie günstigere Rechtslage zum bei der Berechnung ihrer Pension zu berücksichtigen sei.

Die beklagte Partei räumte zwar ein, dass die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer zum erfüllt habe. Sie beantragte aber die Abweisung des Klagebegehrens im Wesentlichen mit der Begründung, dass die die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer betreffende Übergangsbestimmung des § 607 Abs 9 ASVG auf die Klägerin, die eine Alterspension beantragt habe, nicht anzuwenden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seiner Rechtsansicht setze die Übergangsbestimmung des § 607 Abs 9 ASVG nur die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen für eine vorzeitige Alterspension zum voraus, nicht jedoch, dass tatsächlich eine solche vorzeitige Alterspension beantragt werde. Da die Klägerin diese Voraussetzungen zum maßgeblichen Zeitpunkt unbestritten erfüllt habe, sei ihre Alterspension nach der am geltenden Rechtslage zu berechnen.

Das Berufungsgericht änderte in Stattgebung der Berufung der beklagten Partei das Ersturteil dahin ab, dass es die beklagte Partei schuldig erkannte, der Klägerin ab eine Alterspension in der bescheidmäßig zuerkannten Höhe von EUR 833,26 monatlich zu bezahlen, und das darüber hinausgehende Mehrbegehren abwies. Für die Klägerin, die eine Alterspension beantragt habe, sei nicht die eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer betreffende Übergangsbestimmung des § 607 Abs 9 ASVG, sondern die eine Alterspension betreffende Übergangsbestimmung des § 609 Abs 7 ASVG maßgebend. Nach dieser Übergangsbestimmung sei auf Personen, die die Anspruchsvoraussetzungen für die Alterspension spätestens am erfüllen, weiterhin die am geltende Rechtslage anzuwenden. Da die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen für die von ihr begehrte Alterspension erst am (Erreichung des 60. Lebensjahres) erfüllt habe, komme die Übergangsbestimmung des § 607 Abs 7 ASVG nicht zur Anwendung. Die beklagte Partei habe daher die Höhe der Alterspension der Klägerin zutreffend nach der ab geltenden Rechtslage zum Stichtag berechnet. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Auslegung der Übergangsbestimmungen des § 607 Abs 7 und Abs 9 ASVG fehle.

Gegen den abweisenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollinhaltlichen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Klägerin vertritt in ihren Revisionsausführungen die Ansicht, mit der Bestimmung des § 607 Abs 7 und Abs 9 ASVG seien nicht Übergangsbestimmungen für zwei Pensionsarten (Alterspension bzw vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer) sondern für zwei Personengruppen geschaffen worden, nämlich zum einen für jene Personen, die am die Anspruchsvoraussetzungen für die Alterspension und zum anderen für jene Personen, die am die Anspruchsvoraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer erfüllt haben. Selbstverständlich sollten für die zweite Personengruppe nicht auch eindeutig nur mit der Alterspension im Zusammenhang stehende Bestimmungen wie beispielsweise § 261c ASVG (Zuschlag zur Alterspension) weiter gelten. Daraus könne aber nicht der Schluss gezogen werden, dass auch § 261 ASVG betreffend das Ausmaß der Pension nicht in der am geltenden Fassung anzuwenden sei, wenn nicht eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer sondern eine Alterspension beantragt werde.

Diesen Ausführungen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Die Pensionsreform 2003, Art 73 Teil 2 des Budgetbegleitgesetzes 2003 (BGBl I 2003/71), hat eine grundlegende Änderung der Pensionsberechnung, nämlich das sukzessive Absenken des Steigerungsbetrages (§ 607 Abs 12 ASVG), eine stärker als bisher an versicherungsmathematischen Kriterien orientierte Ausrichtung der Abschläge vorzeitiger Pensionierung (§ 261 ASVG) bzw des Bonus (§ 261c ASVG) sowie eine Verlängerung des Bemessungszeitraumes (§ 607 Abs 4 ASVG) mit sich gebracht. Einen weiteren wesentlichen Punkt der Pensionsreform 2003 bildete die Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen Arbeitslosigkeit ab (§ 253a ASVG iVm § 607 Abs 2 Z 1 ASVG) sowie die Aufhebung der vorzeitigen Alterspension wegen langer Versicherungsdauer mit Übergangsbestimmungen ab (§ 607 Abs 10 ASVG). Weiters enthält die Pensionsreform 2003 für große Versichertenkreise langfristige Übergangsregeln und Schutzbestimmungen. So sieht die Übergangs- bzw Schutzbestimmung des § 607 Abs 7 ASVG vor, dass für Personen, die die Anspruchsvoraussetzungen für die Alterspension (Knappschaftsalterspension) spätestens am erfüllen, die §§ 238, 239, 253, 261, 261c, 284, 284c, 285 und 563 Abs 19 in der am in Geltung gestandenen Fassung weiterhin anzuwenden sind, sofern es für diese Personen günstiger ist. Nach § 607 Abs 9 ASVG sind auf Personen, die die Anspruchsvoraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer (vorzeitige Knappschaftsalterspension bei langer Versicherungsdauer) - mit Ausnahme der Voraussetzung des Fehlens einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit am Stichtag (§ 253b Abs 1 Z 4) - spätestens am erfüllen, die §§ 238, 239, 253b, 261, 261b, 284, 284b und 588 Abs 7 in der am in Geltung gestandenen Fassung weiterhin anzuwenden, sofern es für diese Personen günstiger ist. Nach den bereits vom Berufungsgericht zitierten Gesetzesmaterialien (RV 310 BlgNR XXII. GP 20 f) soll durch diese Übergangsbestimmungen zum einen die Möglichkeit geschaffen werden, dass auch auf Personen, für die grundsätzlich die Rechtslage vor der Pensionssicherungsreform 2003 (nämlich jene zum ) weiterhin gilt, die neue, ab geltende Rechtslage anzuwenden ist, wenn es für sie günstiger ist. Zum anderen soll klar gestellt werden, welche konkreten Bestimmungen von der im Übergangsrecht angeordneten Weitergeltung der zum bestehenden Rechtslage umfasst sind.

Es wird daher durch die Übergangsbestimmung des § 607 Abs 7 ASVG für den Bereich der Alterspension sichergestellt, dass für Personen, die bis zum sämtliche Pensionsvoraussetzungen (Anfallsalter und Wartezeit) erfüllt haben, weiterhin die am bestehende Rechtslage gilt. In gleicher Weise wird durch die Übergangsbestimmung des § 607 Abs 9 ASVG für den Bereich der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer sichergestellt, dass für Personen, die bis zum sämtliche Pensionsvoraussetzungen (Wartezeit, lange Versicherungsdauer) mit Ausnahme des Fehlens einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit erfüllt haben, weiterhin die am bestehende Rechtslage gilt. Durch diese Übergangsbestimmungen soll in den beschriebenen Fällen die weitere Anwendung der am geltenden Rechtslage sichergestellt werden, auch wenn der Pensionsantritt erst später erfolgen sollte. Damit sollen Vorzieheffekte vermieden werden. Personen, die noch im Jahr 2003 in Pension gehen konnten, sind von den Bestimmungen der Pensionsreform 2003 nicht betroffen. Sie müssen also keine Pensionsverluste befürchten, wenn sie den Pensionsantritt noch hinausschieben. Werden die Anspruchsvoraussetzungen erst ab 2004 erreicht, kommen die Änderungen durch die Pensionsreform 2003 hingegen grundsätzlich voll zum Tragen. In diesem Zusammenhang sieht § 607 Abs 23 ASVG vor, dass bei allen Pensionen mit Stichtag nach dem (Neupensionen) eine Vergleichsberechnung vorzunehmen ist. Zu diesem Zweck ist zum Stichtag eine Vergleichspension unter Anwendung der am in Geltung gestandenen Rechtslage zu ermitteln; dabei sind die §§ 108 Abs 8 letzter Satz und 572 Abs 10a viertletzter bis letzter Satz nicht anzuwenden. Die Vergleichspension ist der Neupension gegenüberzustellen. Ist die Neupension im Jahr 2004 5 % niedriger als die Vergleichspension, so gilt 95 % der Vergleichspension als die gebührende Pension.

Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass, wie sich insbesondere auch aus der konkreten Aufzählung der im Übergangsrecht im Einzelnen weiter geltenden Bestimmungen zweifelsfrei ergibt, mit der Bestimmung des § 607 Abs 7 und Abs 9 ASVG eigene Übergangsbestimmungen für zwei unterschiedliche Pensionsleistungen (Alterspension bzw vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer) geschaffen wurden, die auch im Übergangsrecht getrennt zu behandeln sind. Nach der für den Anspruch der Klägerin auf Alterspension allein maßgebenden Übergangsbestimmung des § 607 Abs 7 ASVG gilt daher die am bestehende Rechtslage nur dann weiter, wenn die Klägerin bis zum sämtliche Voraussetzungen für die Alterspension (Anfallsalter und Wartezeit) erfüllt hätte. Da die Klägerin jedoch die Anspruchsvoraussetzung für die Alterspension (Vollendung des 60. Lebensjahres - § 253 Abs 1 ASVG) erst zum Stichtag erfüllt hat, kommt die Übergangsbestimmung des § 607 Abs 7 ASVG nicht zur Anwendung. Die beklagte Partei hat daher die Höhe der Pension der Klägerin zutreffend unter Anwendung der ab geltenden Rechtslage zum Stichtag berechnet.

Die Revision musste somit erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.