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OGH vom 30.07.1985, 7Ob604/84

OGH vom 30.07.1985, 7Ob604/84

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Barbara A, Inhaberin der Fa. Oskar A'S B, Holzindustrie in Imst, vertreten durch Dr. Eberhard Molling, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Konrad C & Sohn, Maschinenfabrik in Wolfurt, vertreten durch Dr. Arne Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 590.000 S s.Nbg., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom , GZ 5 R 298/83-64, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 7 Cg 299/80-59, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 15.221,70 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.200 S Barauslagen und 1.274,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei betreibt den Wetterstein-Schlepplift in Ehrwald, der von der beklagten Partei im Jahre 1969 geliefert und montiert wurde. Am brach während des Betriebes des Liftes ein Stützlagerzapfen im Getriebe. Die klagende Partei war nicht bereit, der beklagten Partei die Reparaturkosten zu bezahlen, und macht mit der vorliegenden Klage einen Verdienstentgang für die restliche Wintersaison 1973/74 geltend. Die beklagte Partei bestritt ihre Haftung für eine allfällige Schadhaftigkeit des von der Schweizer Firma D gelieferten Getriebes.

Die Erstrichterin wies das Klagebegehren ab. Nach ihren Feststellungen waren die Allgemeinen Lieferbedingungen des Fachverbandes der Maschinen- und Stahlindustrie Österreichs auf Grund der (von der klagenden Partei gegengezeichneten) Auftragsbestätigung vom Bestandteil des Vertrages der Streitteile. Diese Allgemeinen Lieferbedingungen enthalten unter anderem die Bestimmung, daß der Verkäufer dem Käufer keinen Schadenersatz für Gewinnentgang zu leisten hat, sofern sich nicht aus den Umständen des Einzelfalles ergibt, daß dem Verkäufer grobes Verschulden zur Last fällt. Die Betriebsgenehmigung für den Schlepplift wurde am von der Bezirkshauptmannschaft Reutte auf Grund eines Prüfberichtes des Dipl.Ing. Fritz E erteilt, wobei ein Erlaß des F berücksichtigt wurde, der anerkannte Regeln und den neuesten Stand der Technik forderte. Es wurde festgestellt, daß die Anlage im wesentlichen plan- und sachgemäß erstellt worden sei.

Das Getriebe mit dem Stützlagerzapfen wurde von der Firma D in Zürich, einem international bekannten Getriebehersteller mit langjähriger Erfahrung im Seilbahn- und Schleppliftgetriebebau mit einem Anteil am Weltmarkt von etwa 40 %, auf Grund einer jahrelangen Geschäftsverbindung an die beklagte Partei geliefert. Die Firma D hatte überprüft, ob die von der beklagten Partei gewählte Getriebegröße den Belastungen entspreche. Bei der beklagten Partei selbst bestand die Eingangskontrolle in einer überprüfung der Identität des gelieferten Getriebes mit dem bestellten, einer überprüfung der Abmessungen und einem Probelauf ohne Belastung in der Werkstatt. Ein Dauerbruch eines Stützlagerzapfens war vor dem gegenständlichen Schadensfall bei Schleppliften überhaupt nicht bekannt gewesen. Die Ursache für den Bruch des strittigen Stützlagerzapfens lag in einem technischen Fehler bei der Herstellung durch die Firma D. Es konnte aber nicht geklärt werden, ob dieser Fehler in einer zu geringen Dimensionierung oder in einer falschen Formgebung der Welle bestand. Ein Nachweis, daß der Zapfen brechen mußte, konnte nicht erbracht werden; er war aber bruchgefährdet. Im Zeitpunkte der Fertigung des Zapfens waren die Methoden zur Berechnung der Dauerfestigkeit in der Lehre noch stark umstritten, sie sind auch heute noch nicht voll gesichert. Die von der Behörde geforderte fünffache statische Sicherheit war gegeben. Erst nach dem Schadensfall wurden alle ähnlichen Konstruktionen von der Firma D nach der nunmehrigen Berechnungsmethode nachgerechnet und alle gefährdeten Getriebewellen ausgetauscht. Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes könnte sich das Klagebegehren infolge Ablaufes der gesetzlichen und der vertraglichen Gewährleistungsfristen nur auf den Titel des Schadenersatzes stützen. Die Haftungsbeschränkung in den Allgemeinen Lieferbedingungen komme nicht zum Tragen, weil sie für den vorliegenden Fall des Verdienstentganges nicht vereinbart worden sei. Infolge des Kaufes des Getriebes bei einem weltbekannten Getriebehersteller falle der beklagten Partei kein Auswahlverschulden zur Last. Sie habe aber auch die zumutbaren Kontrollen vorgenommen und hätte einen Konstruktionsfehler selbst bei einer genaueren überprüfung nicht bemerken können. Im übrigen falle auch der Zulieferfirma kein Verschulden an dem technischen Fehler bei der Herstellung des Stützlagerzapfens zur Last, weil die Methoden der Berechnung der Dauerfestigkeit im Jahre 1969 noch umstritten waren und nicht einmal die genaue Ursache des Bruches festgestellt werden konnte.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstrichters und trat dessen rechtlicher Beurteilung mit der Ergänzung bei, daß auch eine Haftung des Produzenten für seine Erfüllungsgehilfen, wozu aber der Händler gar nicht zähle, für reine Vermögensschäden eines Dritten nicht bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Die Revisionswerberin meint, daß der Konstruktionsfehler des Stützlagerzapfens die Produktehaftung auslösen müsse, weil die beklagte Partei allein ihr als Herstellerin der Anlage gegenübergetreten sei und auch einen fremden Bestandteil einer entsprechenden Kontrolle hätte unterziehen müssen, zumal es sich um ein gefahrenträchtiges Erzeugnis handelte. Der beklagten Partei sei es nicht gelungen, ihre Schuldlosigkeit bzw. die Einhaltung der Sorgfaltspflicht zu beweisen.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Nach der zutreffenden rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen ist ein Händler im allgemeinen nicht verpflichtet, eigene kostspielige Versuche zur Prüfung der Tauglichkeit einer verkauften Ware vorzunehmen. Er kann sich regelmäßig auf die vom Produzenten gegebenen Hinweise verlassen, soferne er nicht auf Grund ihm bekanntgewordener Schadensfälle Zweifel an deren Richtigkeit haben muß (SZ 54/13, SZ 54/116 ua). Im vorliegenden Fall war der beklagten Partei, die das Getriebe für die Schleppliftanlage bei einem international bekannten Zulieferer kaufte, eine überprüfung dieses Getriebes auf das mögliche Vorhandensein eines Konstruktionsfehlers weder zumutbar noch wäre sie geeignet gewesen, den in den Einzelheiten nicht einmal heute rekonstruierbaren Konstruktionsfehler festzustellen. Besonderheiten der Produzentenhaftung kommen schon deshalb nicht zum Tragen, weil nicht der Produzent des schadhaften Getriebes, sondern der Endlieferant unmittelbar aus dem mit ihm geschlossenen Vertrag in Anspruch genommen wird.

Die beklagte Partei war allerdings nicht bloß Verkäufer und Händler, sondern infolge der Anfertigung der Schleppliftanlage nach den besonderen Bedürfnissen der klagenden Partei wohl Werkunternehmer. Sie scheint insofern auch als Produzent der gesamten Anlage aufgetreten zu sein; in diesem Fall träfen sie die überwachungs- und Kontrollpflichten des Produzenten selbst, weil ihm vertraut wird (Bydlinski in Klang 2 IV/2, 186; SZ 52/74). überdies wäre zu prüfen, ob der Erzeuger des Bestandteils nicht ausnahmsweise (vgl. SZ 52/74 mwN ua) als Erfüllungsgehilfe des Werkunternehmers anzusehen ist (so allg. Reischauer zuletzt in Rummel, ABGB II, Rz 40 ff zu § 1295), obwohl in einer arbeitsteiligen Wirtschaft regelmäßig nicht angenommen werden kann, daß ein Werkunternehmer alle Bestandteile selbst herstellt (Koziol, Haftpflichtrecht 2 II 340 mwN).

Diesen Fragen kommt aber hier keine entscheidende Bedeutung zu, weil entgegen der Ansicht des Erstgerichtes schon der von der beklagten Partei eingewendete Haftungsausschluß nach den dem Vertrag zugrundegelegten Allgemeinen Lieferbedingungen zur Klagsabweisung führen muß. Da die klagende Partei einen ursprünglichen Materialfehler behauptet, muß sie auch die Vertragsbestimmung gegen sich gelten lassen, daß die beklagte Partei für Verdienstentgang nur im Falle groben Verschuldens haftet. Wer für den höheren Verschuldensgrad in einem Fall der Vertragshaftung nach § 1298 ABGB beweispflichtig ist (vgl. SZ 44/87 uva und dagegen Reischauer aaO Rz 10 zu § 1298 mwN), kann hier dahingestellt bleiben, weil grobe Fahrlässigkeit selbst auf Seite des Getriebeherstellers nach den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen keinesfalls vorliegt. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Fundstelle(n):
CAAAD-81629