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OGH vom 19.02.2014, 15Os135/13m

OGH vom 19.02.2014, 15Os135/13m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ent als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Erwin F***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 8 Hv 44/12b 88, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen II und III, demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Strafsache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird er auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch von weiteren Taten enthaltenden Urteil wurde Dr. Erwin F***** der Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (I./) und der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (II./) sowie mehrerer Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB (III./) schuldig erkannt.

Danach hat er in H***** und G*****

I./ im Zeitraum von 2008 bis 2010 als Rechtsvertreter nachgenannter Personen sich ihm anvertraute Güter in einem 50.000 Euro übersteigenden Wert, nämlich auf Fremdgeldkonten befindliche Geldbeträge seiner Mandanten im Gesamtwert von 114.846,43 Euro, durch Behebung mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1./ 7.379,50 Euro der Ing. H***** GesmbH,

2./ 14.645,10 Euro der R***** GmbH,

3./ 25.432,42 Euro der S***** GmbH,

4./ 31.349,47 Euro der Verlassenschaft nach DI Günther P*****,

5./ 36.039,85 Euro des Dr. Heimo W*****;

II./ „die ihm in seiner Eigenschaft als Masseverwalter, mithin durch behördlichen Auftrag eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich missbraucht, wodurch die Konkursgläubiger in den jeweiligen Verfahren einen Vermögensnachteil in einem gesamt 50.000,00 Euro übersteigenden Betrag erlitten“, dass er

A./ von Konkursabwicklungskonten Über-weisungen (US 6 f: für private Zwecke) durchführte, und zwar

1./ am im Konkursverfahren Ewald J***** GmbH, AZ ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, 132.096,35 Euro,

2./ am und im Konkursverfahren Ewald J*****, AZ ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, insgesamt 24.988,12 Euro,

3./ am im Konkursverfahren „W***** KEG“, AZ ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, 10.297,32 Euro,

B./ „im Konkursverfahren Ewald J***** am der Absonderungsberechtigten B***** AG den durch Pfandrecht gesicherten Anteil am Verkaufspreis der Liegenschaft E 1033, KG *****, in Höhe von 40.085,78 Euro nicht überwies, sondern anderweitig verwendete“,

III./ „eine verfälschte Urkunde zum Beweis einer Tatsache im Rechtsverkehr gebraucht, indem er mehrere durch Änderung des Betrags verfälschte elektronische Kontoauszüge zum Beweis eines nicht existenten Habenstandes dem Einzelrichter des Konkursgerichtes vorlegte“, und zwar

A./ am , und im Konkursverfahren Ewald J***** GmbH, AZ ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz,

B./ am im Konkursverfahren Ewald J*****, AZ ***** des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit b, 10 und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur , dass dem Urteil ungerügt gebliebene, dem Angeklagten zum Nachteil gereichende materielle Nichtigkeit (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) anhaftet, die eine teilweise Aufhebung des Urteils gebietet:

Gemäß § 2 Abs 2 IO (zu den Tatzeiten 2009: § 1 Abs 1 KO idF [BGBl I 1997/114] vor dem IRÄG 2010) wird das der Exekution unterworfene Vermögen des Schuldners dessen freier Verfügung entzogen und bildet die Konkursmasse (Insolvenzmasse), die als solche kein selbständiger Rechtsträger ist. Die Berechtigung des Masseverwalters (Insolvenzverwalters), über fremdes Vermögen zu verfügen, bezieht sich demnach auf das Vermögen des Gemeinschuldners (RIS Justiz RS0106193).

Die Verwirklichung des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB setzt voraus, dass der tatbestandsmäßige Vermögensnachteil demjenigen erwächst, über dessen Vermögen der Täter verfügt, und dass sich auch der Vorsatz darauf bezieht, gerade dem Geschäftsherrn (und nicht einem Dritten) den Vermögensnachteil zuzufügen (vgl RIS Justiz RS0106192; Kirchbacher/Presslauer in WK 2 StGB § 153 Rz 36 und 42), im Falle missbräuchlicher Verfügungen eines Masseverwalters daher dem Gemeinschuldner. Dass letztlich Dritte fallbezogen die Konkursgläubiger an ihrem Vermögen geschädigt werden, genügt zur Verwirklichung des Tatbestands der Untreue nicht (RIS Justiz RS0106192; vgl auch 15 Os 159/96 und 14 Os 159/03).

Die erstgerichtlichen Feststellungen zu Schuldspruch II./ beschränken sich auf in Umsetzung des Entschlusses, „den Gläubigern einen Vermögensnachteil im Ausmaß eines 50.000,00 Euro übersteigenden Betrages zuzufügen“ (US 6 zweiter Absatz), gesetzte von den Konkursgläubigern (US 6 dritter Absatz; US 7 erster und zweiter Absatz sowie US 8 erster Absatz) bzw Absonderungsberechtigten (US 7 unten und US 8 erster Absatz) erlittene Vermögensnachteile und vermögen diesen daher (ungeachtet der den Schuldspruch II./A./1./ betreffenden Konstatierung, wonach der Entschluss des Angeklagten vom darauf gerichtet war, „der Konkursmasse dauerhaft den Betrag von zumindest 132.096,35 Euro zu entziehen, wobei der Vermögensnachteil für die Konkursgläubiger bereits zu diesem Zeitpunkt eintrat“ [US 7 erster Absatz]) nicht zu tragen, weil den Entscheidungsgründen damit weder mit hinreichender Deutlichkeit die Schädigung des (jeweiligen) Gemeinschuldners (vgl 14 Os 159/03; 15 Os 159/96) noch der darauf bezogene (Eventual )Vorsatz des Angeklagten zu entnehmen ist.

Zu III./ des Schuldspruchs stellt das Erstgericht fest, dass der Angeklagte zum Zweck der Verschleierung von von ihm nicht ordnungsgemäß durchgeführten Abbuchungen von Konkursabwicklungskonten die auf den „elektronischen Kontoauszügen“ ersichtlichen Endbeträge änderte, um den Eindruck zu vermitteln, dass die abgebuchten Beträge noch auf dem Konto vorhanden wären, „diese Kontoauszüge ausdruckte“ und sie dem zuständigen Richter des Konkursgerichts zum Beweis seiner ordnungsgemäßen Gebarung als Masseverwalter vorlegte (US 8 zweiter Absatz Mitte).

Verfälscht iSd § 223 StGB wird eine Urkunde (§ 74 Abs 1 Z 7 StGB), wenn der Täter ihren gedanklichen Inhalt unbefugt abändert und zugleich den Anschein erweckt, als stamme der geänderte Inhalt vom Aussteller (RIS Justiz RS0095494). Mit der bloßen Bezugnahme auf „ausgedruckte“ „elektronische Kontoauszüge“ lässt das Urteil mangels näherer Ausführungen zum Hersteller bzw Aussteller derselben und des dahinterstehenden Systems nicht zweifelsfrei erkennen, ob die inkriminierten Fälschungshandlungen (vor dem Ausdruck der letztlich dem Gericht vorgelegten Papiere) tatsächlich die inhaltliche Abänderung von schriftlichen Verkörperungen rechtserheblicher Erklärungen (verschrifteten Kontoauszügen) der Bank (vgl RIS Justiz RS0093044) und damit taugliche Tatobjekte iSd § 223 Abs 2 StGB (iVm § 74 Abs 1 Z 7 StGB) oder etwa Daten der Bank iSd § 225a StGB (iVm § 74 Abs 2 StGB; vgl RIS-Justiz RS0122091; Kienapfel/Schroll in WK 2 StGB § 223 Rz 266a) betrifft.

Durch das vom Angeklagten erfolgte Ausdrucken der bereits davor verfälschten „elektronischen Kontoauszüge“ und die Vorlage dieser Ausdrucke an das Konkursgericht kann das Vergehen nach § 223 Abs 2 StGB dann verwirklicht werden, wenn dadurch der Anschein erweckt wird, dass die ausgedruckten Kontoauszüge vom betreffenden Kreditinstitut (und nicht vom Angeklagten als dem im elektronischen Banking System angemeldeten Benutzer) stammen und so iSd § 223 Abs 1 erster Fall StGB eine falsche Urkunde hergestellt wurde ( Kienapfel/Schroll in WK 2 StGB § 223 Rz 35 und 54), die durch Vorlage im Rechtsverkehr verwendet wird. Sollten Feststellungen zu einer Täuschung über die Identität des Ausstellers der Kontoauszüge nicht zu treffen sein (vgl ON 4 S 21 ff; ON 8 S 11; ON 9 S 23; ON 72 S 23 und 47), kann die Herstellung eines inhaltlich unrichtigen Kontoauszugs (EDV Ausdrucks) und dessen Verwendung im (konkurs )gerichtlichen Verfahren unter dem Aspekt der Fälschung eines Beweismittels strafbar sein (RIS Justiz RS0095744; Plöchl/Seidl in WK 2 StGB § 293 Rz 10).

Die aufgezeigten Rechtsfehler mangels Feststellungen gereichen dem Angeklagten zum Nachteil und zwingen zur Aufhebung der Schuldsprüche II./ und III./, womit sich ein Eingehen auf das gegen diese Schuldsprüche gerichtete Beschwerdevorbringen erübrigt.

In Bekämpfung des verbleibenden Schuldspruchs I./ verfehlt die Nichtigkeitsbeschwerde ihr Ziel:

Soweit der Beschwerdeführer zu den Schuldsprüchen I./1./, 2./, 3./ und 5./ Feststellungsmängel zum Vorliegen der Voraussetzungen der tätigen Reue nach § 167 Abs 4 StGB behauptet (nominell Z 5 zweiter Fall, der Sache nach Z 9 lit b), legt er mit dem bloßen Hinweis auf den „Kammerbeschluss vom “ (erwähnt in der Sachverhaltsdarstellung des Ausschusses der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer ON 3 S 11 letzter Absatz) und auf seine Vernehmung als Beschuldigter (ON 9 S 19) weder dar, weshalb der genannte Beschluss zur Abdeckung des Schadens aus der Veruntreuung von Klientengeldern „in der Höhe von derzeit 90.504,00 Euro“ aus Mitteln des bei der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer eingerichteten Notfallsfonds eine den Kriterien des § 167 Abs 2 Z 2 StGB (vgl RIS Justiz RS0112227) entsprechende vertragliche Verpflichtung derselben gegenüber den Geschädigten zur gänzlichen Schadensgutmachung im Namen des Angeklagten ( Kirchbacher in WK 2 StGB § 167 Rz 124) indizieren soll, noch welche in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnisse (vgl RIS-Justiz RS0118580 [T7, T 8, T 15]) konkrete ernstliche Bemühungen des Angeklagten um dessen Zustandekommen (RIS Justiz RS0095505 [T2], RS0095524, vgl auch 14 Os 159/03; Kirchbacher aaO Rz 123) nahelegen würden (vgl ON 8 S 7; ON 9 S 19 f; ON 12 S 3 und 21; ON 87 S 5, 13 f und 17 f).

Die den Schuldspruch I./4./ betreffende Kritik (nominell Z 5, teils auch Z 11) am Fehlen einer beweiswürdigenden Auseinandersetzung damit sowie auch von Feststellungen dazu, dass die betroffene Gläubigerin (Verlassenschaft nach DI Günther P*****) bis zum Tag der Hauptverhandlung keine Schadenersatzansprüche geltend gemacht habe, lässt nicht erkennen, weshalb dieser Umstand für die Frage des Eintritts eines strafrechtlich relevanten Schadens zu I./4./ im Tatzeitpunkt (Z 9 lit a), für die Höhe des eine Subsumtion auch unter § 133 Abs 2 zweiter Fall StGB (Z 10) ermöglichenden Schadens sämtlicher ihm zu I./ zur Last liegenden Taten (vgl § 29 StGB) oder für den für die Strafbemessung zur Verfügung stehenden Strafrahmen (Z 11 erster Fall) von entscheidender Bedeutung sein soll (RIS Justiz RS0099497, RS0106268, RS0116565, RS0118580, RS0125243, RS0118581, RS0116969).

Die „eher aus Gründen der anwaltlichen Vorsicht“ erhobene Tatsachenrüge (Z 5a) benennt mit dem Verweis auf das Vorbringen zu Z 5 keine aktenkundigen Beweisergebnisse, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken (RIS Justiz RS0119583) an der Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen erwecken.

Die den Schuldspruch I./4./ betreffende Subsumtionsrüge (Z 10) orientiert sich nicht an den Feststellungen des Erstgerichts, wonach der Angeklagte als „Rechtsvertreter der Verlassenschaft“ nach dem verstorbenen DI Günther P***** den „ihm zur Verwahrung anvertrauten“ Geldbetrag von einem „Fremdgeldkonto“ (vgl RIS Justiz RS0010471) behob und sich zueignete, um damit sein eigenes Einkommen „aufzubessern“ (US 5 letzter Absatz; vgl RIS Justiz RS0093878) und wird damit den Erfordernissen gesetzmäßiger Ausführung dieses materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes nicht gerecht. Weshalb der (nicht durch eindeutige Feststellungen geklärte) Umstand, dass der Angeklagte die inkriminierte Handlung als Verlassenschaftskurator (§§ 173, 175 AußStrG; vgl Mayr/Fucik , Verfahren außer Streitsachen, 631, 663, 665, 688, 711) begangen haben könnte, bloß aufgrund seiner „mit Dekret“ eines Gerichts eingeräumten „Vertrauensstellung“ rechtlich von Bedeutung sein soll, erklärt die Beschwerde mit dem bloßen Zitat einer Kommentarstelle ( Kirchbacher/Presslauer , WK 2 § 153 Rz 5), die sich nicht mit Fragen der Abgrenzung von Veruntreuung und Untreue beschäftigt, nicht.

Die mit Schadensgutmachung aus dem Notfallsfonds der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer argumentierende und deshalb unter Berufung auf tätige Reue § 167 StGB für einen Freispruch zu I./1./, 2./, 3./ und 5./ plädierende Rechtsrüge (Z 9 lit b) orientiert sich nicht am in den getroffenen Urteilsannahmen (US 5 f, US 9 unten und US 11 erster Absatz) gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit und verfehlt damit einmal mehr die prozessordnungsgemäße Darstellung eines dem Ersturteil (vermeintlich) anhaftenden Rechtsfehlers. Eine Bezugnahme auf vorgebliche, nicht aktenkundige Beweisergebnisse kann insoweit (vgl die obigen Ausführungen zum behaupteten Feststellungsmangel) fehlende Urteilsfeststellungen nicht ersetzen (RIS-Justiz RS0099810 [T16]).

Das angefochtene Urteil war somit in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur teils aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 285e StPO) und die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen entgegen der Äußerung des Verteidigers gemäß § 24 StPO gemäß § 285d Abs 1 StPO zurückzuweisen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a StPO. Sie bezieht sich nicht auf die amtswegige Maßnahme ( Lendl , WK StPO § 390a Rz 12).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0150OS00135.13M.0219.000