VfGH vom 27.09.2010, B1290/09
19167
Leitsatz
Entzug des gesetzlichen Richters durch Feststellung der Unzulässigkeit der Kündigung einer Zusatzvereinbarung zu einem Gesamtvertrag durch die Sozialversicherungsanstalt(SVA) der Bauern; keine Zuständigkeit der Landes- bzw Bundesschiedskommission wegen fehlender Kompetenz dieser SVA zur Mitwirkung am Abschluss von Gesamtverträgen
Spruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.400,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Die beschwerdeführende Sozialversicherungsanstalt der
Bauern wurde mit dem ASRÄG 1997 (BGBl. I 139) bzw. mit der 23. Novelle zum BSVG (BGBl. I 176/1999) mit Wirkung ab unter die in § 2 des Gesamtvertrages vom zusammengefassten Krankenversicherungsträger als Vertragspartei eingereiht und kraft Gesetzes Vertragspartei des Gesamtvertrages vom .
1.2. Zwischen der Ärztekammer für Steiermark und dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger wurden insgesamt drei "Zusatzvereinbarungen" zum Gesamtvertrag vom in der geltenden Fassung unter Mitwirkung der beschwerdeführenden Partei und der in § 2 des Gesamtvertrages vom angeführten weiteren Krankenversicherungsträger abgeschlossen:
Die erste Zusatzvereinbarung vom wurde für den Zeitraum vom bis abgeschlossen. Diese Zusatzvereinbarung regelte auf gesamtvertraglicher Basis die Einbeziehung der beschwerdeführenden Partei in den Kreis der so genannten "§2 Kassen" und setzte - im Wesentlichen - die Auswirkungen der Limitierungs- und Degressionsregelungen der einen Bestandteil des Gesamtvertrages bildenden Honorarordnung für den Bereich der beschwerdeführenden Partei außer Kraft.
Am wurde eine zweite - unbefristete - Zusatzvereinbarung abgeschlossen, welche mit in Kraft trat und bestimmte, dass die erste Zusatzvereinbarung vom mit Ablauf des außer Kraft gesetzt werde. Sie enthielt eine Neuregelung, mit welcher auch für die beschwerdeführende Partei Teile der Limitierungs- und Degressionsregelungen anwendbar gemacht wurden und den anderen "§2 Kassen" angenähert wurde.
Die - hier maßgebliche - dritte Zusatzvereinbarung vom setzte die zweite Zusatzvereinbarung mit Ablauf des außer Kraft. Die Bestimmungen dieser dritten Zusatzvereinbarung traten rückwirkend mit in Kraft und wurden unbefristet abgeschlossen. Besondere Kündigungsbestimmungen wurden dabei nicht getroffen.
Diese dritte Zusatzvereinbarung hat folgenden Wortlaut:
"Zusatzvereinbarung
zum Gesamtvertrag vom in der geltenden Fassung
abgeschlossen zwischen der Ärztekammer für Steiermark einerseits und dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger - unter Mitfertigung der Sozialversicherungsanstalt der Bauern und der im § 2 des Gesamtvertrages vom angeführten Krankenversicherungsträger - andererseits.
Dieser Gesamtvertrag wird wie folgt geändert:
1.
Im § 2 (Geltungsbereich) lautet die Ziffer 8.
'8. Sozialversicherungsanstalt der Bauern, 1031 Wien, Ghegastraße 1'
2.
Im Rahmen der Honorarordnung gelten für die Leistungsverrechnung für Versicherte der Sozialversicherungsanstalt der Bauern folgende Sonderregelungen:
a) Prozentuell oder zahlenmäßig festgelegte Limitierungen kommen für Versicherte der Sozialversicherungsanstalt der Bauern für folgende Tarifpositionen nicht zur Anwendung:
100, 111, 112, 132, 147, 162, 204, 205, 246, 282, 309, 312, 313, 314, 315, 316, 317, 318, 320, 330, 353, 409, 435, 464, 456, 506, 507, 590, 591, 592, 595, 940, 941, 942.
Für diese Tarifpositionen kommt die abgestufte Honorierung gemäß Teil A Abschnitt IX der Honorarordnung nicht zur Anwendung.
b) Zukünftig vereinbarte Limitierungen für neue Tarifpositionen gelten auch für die Sozialversicherungsanstalt der Bauern.
c) Für die Ordinationshonorierung gilt, dass die Erstordination gemäß Tarifposition 015 honoriert wird. Jede weitere Ordination wird mit EURO 8,47 verrechnet. Eine allfällige Erhöhung des Tarifansatzes für jede weitere Ordination in den Folgejahren bedarf einer ausdrücklichen Vereinbarung zwischen der Ärztekammer für Steiermark und der Sozialversicherungsanstalt der Bauern.
d) Für die Berechnung der Sonderzulage für Landärzte (Teil A, VIII, Ziffer 2 der Honorarordnung) durch die Gebietskrankenkasse werden die SVB-Krankenscheine außer Ansatz gelassen.
e) Die SVB-Fälle werden in die Limitierungsbestimmungen für Labormediziner (Teil B, V, 4.8.) und für Radiologen (Teil B, VI, 3.1. bzw. 3.2.) einbezogen und die Beträge entsprechend der prozentuellen Zunahme an Behandlungsfällen erhöht.
3.
Bei der monatlichen Honorarvorauszahlung gemäß Teil A, VII, Ziffer 6, der Honorarordnung werden die abgerechneten Leistungen für Versicherte der Sozialversicherungsanstalt der Bauern mitberücksichtigt.
4.
Soweit nicht in dieser Zusatzvereinbarung Sonderregelungen für die SVB vereinbart sind, gelten alle Bestimmungen des Gesamtvertrages vom in der geltenden Fassung auch für die SVB.
5.
Die Gebietskrankenkasse wird die Daten der Honorarstatistik, untergliedert nach Versicherten der SVB und der anderen § 2-Kassen, erstellen und sämtliche Daten im bisher vereinbarten Umfang an die Ärztekammer für Steiermark übermitteln.
6.
Die bestehende EDV-Abrechnungsregelung gilt auch für Versicherte der SVB mit dem Unterschied, dass für diese der Schlüsselcode '50' zu verwenden ist.
7.
Die Bestimmungen dieser Zusatzvereinbarung treten mit in Kraft.
Die Zusatzvereinbarung vom tritt mit Ablauf des außer Kraft.
Graz, Wien, am ".
1.3. Mit Schreiben vom kündigte die Beschwerdeführerin unter Mitfertigung der anderen "§2 Kassen", aber ohne Zustimmung des Hauptverbandes, diese dritte Zusatzvereinbarung per .
1.4. Am beantragte die Ärztekammer für Steiermark gemäß § 345a Abs 2 ASVG bei der Landesschiedskommission für das Land Steiermark, die Unzulässigkeit und daher Rechtsunwirksamkeit der von der beschwerdeführenden Partei ausgesprochenen Kündigung dieser 3. Zusatzvereinbarung zum Gesamtvertrag vom zu erklären und festzustellen, dass diese Zusatzvereinbarung noch aufrecht sei und die Beschwerdeführerin verpflichtet sei, auch über den hinausgehend, sich an die in dieser Zusatzvereinbarung getroffenen Sonderregelungen zu halten bzw. diese zu erfüllen.
1.5. Mit Bescheid vom gab die Landesschiedskommission dem Antrag der Ärztekammer Folge und stellte fest, dass die Kündigung der Zusatzvereinbarung unzulässig sei und diese nach wie vor aufrecht bestehe. Die Landesschiedskommission schloss sich der Meinung der Ärztekammer für Steiermark an, wonach die Zusatzvereinbarung auf Dauer angelegt gewesen und nur mit Kündigung des Gesamtvertrages lösbar sei, weil mit ihr eine ständige Ausnahmeregelung in Honorarfragen für die Vertragsärzte der beschwerdeführenden Partei gegenüber den Vertragsärzten der anderen in § 2 des Gesamtvertrages genannten Krankenversicherungsträger beabsichtigt gewesen sei.
1.6. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei am Berufung an die Bundesschiedskommission.
1.7. Mit Bescheid vom gab die Bundesschiedskommission der Berufung keine Folge. Dazu führt sie Folgendes aus:
"...
6.5. Die Vereinbarung über die Vergütung der ärztlichen Leistungen (Honorarordnung) gehört nach dem Gesetz zum notwendigen Inhalt ('essentialia negotii') eines Gesamtvertrags. Teilkündigungen der essentialia negotii sind daher jedenfalls unzulässig. Dies gilt insbesondere für die allfällige Teilkündigung der Honorarordnung. Da der Gesamtvertrag eine Einheit ist, kann er nur einheitlich bestehen und endigen (...). Falls - wie die Berufungswerberin meint - in den Ausführungen der Landesschiedskommission zum Ausdruck kommen sollte, die Zusatzvereinbarung sei als selbständige, vom Gesamtvertrag unabhängige Vereinbarung zu beurteilen, so ist dies nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Zusatzvereinbarung unzutreffend.
6.6. Auch die Berufungswerberin vertritt die Auffassung, dass Teilkündigungen der essentialia negotii des Gesamtvertrags, insbesondere die allfällige Teilkündigung der (gesamten) Honorarordnung unzulässig ist. Sie meint jedoch, im Anlassfall sei nicht die gesamte Honorarordnung gekündigt worden, sondern lediglich eine 'Zusatzvereinbarung zur Honorarordnung' (unstrittig unter Mitfertigung der übrigen '§2 Kassen', aber ohne Zustimmung des Hauptverbands).
Die Honorarordnung des Gesamtvertrags sei aufrecht. Bei entsprechender Vereinbarung bzw entsprechender Selbstständigkeit der Zusatzvereinbarung bestehe die Möglichkeit der Teilkündigung. Es habe nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprochen, für die Antragsgegnerin Sonderregelungen zu schaffen, wie die durch das ASRÄG 1997 normierten Änderungen des § 181 Z 1 BSVG und § 343 Abs 1 ASVG und die Gesetzesmaterialien zeigten. Zweck der gesetzlichen Regelung, die Antragsgegnerin von Gesetzes wegen zur Vertragspartei der Gesamtverträge zu machen, sei gewesen, genau jene Bestimmungen für die Antragsgegnerin in Geltung zu setzen, die zwischen den Landesärztekammern und den Gebietskrankenkassen für die in § 2 der Gesamtverträge genannten Krankenversicherungsträger abgeschlossen gewesen seien. Die Zusatzvereinbarung (Ausnahmeregelung) sei als Übergangs- und Einschleifregelung abgeschlossen worden. Es sei den verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich des Eingriffs in 'wohl erworbene Rechte' und den Befürchtungen der Ärzteschaft Rechnung getragen worden. Dieses Übergangsrecht nunmehr als Dauerrecht etablieren zu wollen, entspreche weder Treu und Glauben noch redlicher Verkehrsanschauung. Eine am Vertragszweck orientierte Auslegung könne nicht dazu führen, dass die Zusatzvereinbarung für alle Zukunft weiter gelten müsse und die einzige Alternative hiezu die Aufkündigung des Gesamtvertrages und damit der Zusammenbruch des Sachleistungssystems wäre.
6.7. Dem ist zu erwidern:
6.7.1. Da der Gesamtvertrag gekündigt werden kann, kann keine Rede von einem durch eine unkündbare Zusatzvereinbarung geschaffenen 'Dauerrecht' sein. Für den Fall der Kündigung des Gesamtvertrags sieht § 348 ASVG eine Übergangslösung vor. Nach dieser Bestimmung kann die Bundesschiedskommission den Inhalt eines aufgekündigten Gesamtvertrags für höchstens drei Monate festsetzen, gerechnet vom Tag der Entscheidung. Wird der Antrag auf Festsetzung fristgerecht gestellt, dann bleibt der aufgekündigte Gesamtvertrag bis zur Entscheidung der Bundesschiedskommission vorläufig in Kraft. Der Gesetzgeber akzeptiert, dass kein Gesamtvertrag zustande kommt und das Sachleistungssystem 'zusammenbricht'. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollen die Vertragspartner beim Kampf um den Abschluss mit den ihnen gegebenen wirtschaftlichen und politischen Mitteln zu einem primär aus den widerstreitenden Interessen resultierenden Ergebnis kommen; der Gesamtvertrag soll das Ergebnis eines freien Spielens der Kräfte sein (...).
6.7.2. Die Zusatzvereinbarung legt den Inhalt des zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin und den weiteren Vertragsparteien (Krankenversicherungsträgern) vereinbarten Gesamtvertrags in Bezug auf die Versicherten (Anspruchsberechtigten) der Antragsgegnerin fest. Sie ist nach ihrem Inhalt, aber auch von der rechtlichen Konstruktion her kein 'Zusatz', der zum Gesamtvertrag der Gebietskrankenkasse hinzutritt und neben diesem bestünde, rezipiert sie doch, soweit Sonderregelungen in der Zusatzvereinbarung nicht getroffen wurden, den Inhalt des Gesamtvertrages. Die Vorstellung der Berufungswerberin von der 'Selbstständigkeit' der Zusatzvereinbarung ist ebenso unzutreffend, wie die Ansicht, dass eine Kündigung der Zusatzvereinbarung zur Geltung des mit der Gebietskrankenkasse vereinbarten Gesamtvertrags, und sei es nur der Honorarordnung, führen könnte. Die von der 23. Novelle zum BSVG getroffene Anordnung in § 181 Z 1 BSVG, dass für die Beziehungen der Antragsgegnerin zu den freiberuflich tätigen Ärzten ein zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger namens einer Gebietskrankenkasse und der örtlich zuständigen Ärztekammer 'jeweils abgeschlossener Gesamtvertrag bindend ist und der Versicherungsträger kraft Gesetzes zur Vertragspartei wird', bedeutet nicht, dass die Abschlusspartei Hauptverband namens der Antragsgegnerin nicht einen Gesamtvertrag mit einem anderen Inhalt als jenem mit einer Gebietskrankenkasse abschließen darf. Aus den Gesetzesmaterialien (AB 2016 BlgNR 20. GP 1) erhellt, dass damit im Zusammenhang mit den ab im Bereich der bäuerlichen Krankenversicherung wirksam gewordenen Änderungen im Vertragspartnerrecht - und damit erfolgten Überleitung des Geldleistungssystems in ein Sachleistungssystem auf Krankenscheinbasis - nur klargestellt werden sollte, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Konzepts in Kraft gestandene Gesamtvert[r]äge zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger namens einer (der) Gebietskrankenkasse(n) und der örtlich zuständigen Ärztekammer gleichermaßen für die Antragsgegnerin bindend und diese Vertragspartei ist."
1.8. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die beschwerdeführende Partei erachtet sich in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt. Sie macht einerseits geltend, der Bescheid sei hinsichtlich der Anwendung des ASVG und des BSVG durch die belangte Behörde qualifiziert rechtswidrig, und andererseits, es hafteten dem bekämpften Bescheid schwere Begründungsmängel, sowie dem Verfahren vor der Bundesschiedskommission Verfahrensmängel an.
2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von einer Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.
3. Die Ärztekammer für Steiermark erstattete eine Äußerung, in der sie beantragte, den Anträgen der Sozialversicherungsanstalt der Bauern nicht stattzugeben.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. § 341 ASVG, BGBl. 189/1955 idF BGBl. I 99/2001, lautet:
"Gesamtverträge
§341. (1) Die Beziehungen zwischen den Trägern der Krankenversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten sowie den Gruppenpraxen werden jeweils durch Gesamtverträge geregelt. Diese sind für die Träger der Krankenversicherung durch den Hauptverband mit den örtlich zuständigen Ärztekammern abzuschließen. Die Gesamtverträge bedürfen der Zustimmung des Trägers der Krankenversicherung, für den der Gesamtvertrag abgeschlossen wird. Die Österreichische Ärztekammer kann mit Zustimmung der beteiligten Ärztekammer den Gesamtvertrag mit Wirkung für diese abschließen.
(2) Aufgehoben.
(3) Der Inhalt des Gesamtvertrages ist auch Inhalt des zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt oder der Gruppenpraxis abzuschließenden Einzelvertrages. Vereinbarungen zwischen dem Träger der Krankenversicherung und dem Arzt oder der Gruppenpraxis im Einzelvertrag sind rechtsunwirksam, insoweit sie gegen den Inhalt eines für den Niederlassungsort des Arztes oder für den Sitz der Gruppenpraxis geltenden Gesamtvertrages verstoßen.
(4) Für Verträge zwischen den Trägern der Unfall- und Pensionsversicherung und den freiberuflich tätigen Ärzten oder den Gruppenpraxen zum Zwecke der Leistungserbringung (§338 Abs 2 erster Satz) gelten unbeschadet der Bestimmungen des § 343b die Abs 1 und 3 entsprechend."
Beim Gesamtvertrag handelt es sich um einen zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und der jeweils örtlich zuständigen Ärztekammer abgeschlossenen privatrechtlichen Normenvertrag, der, soweit er Rechte und Pflichten der Ärzte und der Sozialversicherungsträger als Partner des Einzelvertrags regelt, auf letzteren unmittelbar einwirkt (§341 Abs 3 ASVG).
Ein Gesamtvertrag kann nur in jenen Angelegenheiten, die das Gesetz bestimmt, abgeschlossen werden, und er ist insoweit, als sein zulässiger Regelungsgegenstand durch Gesetz und Verordnung determiniert ist, an eben diese Vorgaben gebunden (vgl. VfSlg. 15.907/2000 mwH).
2. § 181 BSVG in der bis zum geltenden Fassung der Novelle BGBl. 678/1991 lautete:
"§181. Hinsichtlich der Beziehungen des Versicherungsträgers zu den Ärzten, Dentisten, Hebammen, Apothekern, freiberuflich tätigen klinischen Psychologen bzw. freiberuflich tätigen Psychotherapeuten, Krankenanstalten und anderen Vertragspartnern gelten die Bestimmungen des Sechsten Teiles des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes mit der Maßgabe, daß
1. der gemäß § 340 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes eingerichtete Bundesärzteausschuß auch grundsätzliche Fragen, welche die Beziehungen zwischen dem Versicherungsträger und den freiberuflich tätigen Ärzten betreffen, insbesondere die abzuschließenden Gesamtverträge, zu beraten hat;
2. die Beziehungen des Versicherungsträgers zu den freiberuflich tätigen Ärzten durch einen Gesamtvertrag geregelt werden, der für den Versicherungsträger durch den Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger mit der Österreichischen Ärztekammer abzuschließen ist und der Zustimmung des Versicherungsträgers bedarf;
3. die gemäß § 342 Abs 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu treffenden Vereinbarungen über die Vergütung der ärztlichen Tätigkeit nach Einzelleistungen nach einem bundeseinheitlichen Tarif zu erfolgen haben;
4. die Bestimmungen des § 343 a des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes entsprechend auch auf die Durchführung der Untersuchungen bzw. Maßnahmen gemäß den §§81, 82 und 82a anzuwenden sind;
5. die für jedes Land gemäß den §§345 und 345 a des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes errichteten Kommissionen bzw. die gemäß § 346 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes errichtete Bundesschiedskommission auch zuständig ist, wenn am Verfahren der Versicherungsträger beteiligt ist;
6. die Bestimmungen des § 350 Abs 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes auch auf Verschreibungen von Heilmitteln durch nicht in einem Vertragsverhältnis mit dem Versicherungsträger stehende Ärzte anzuwenden sind."
2.1.1. Mit dem ASRÄG 1997 wurde das System der Krankenversicherung nach dem BSVG, welches bis dahin nur nachträgliche Vergütungen für die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe (ein sog. "Geldleistungssystem") vorgesehen hatte, insofern geändert, als für die Versicherten das Sachleistungssystem ("Krankenscheinsystem") des ASVG eingeführt wurde. Gleichzeitig wurde die Befugnis der SVA der Bauern zur Mitwirkung am Abschluss von Gesamtverträgen beseitigt. Eine Änderung des § 343 Abs 1 zweiter Satz ASVG sah vor, dass die vom zuständigen Träger der Krankenversicherung aufgrund des Gesamtvertrages mit den Ärzten geschlossenen Einzelverträge auch für die SVA der Bauern wirksam sind (nunmehr: § 343 Abs 1 fünfter Satz ASVG).
2.1.2. § 181 BSVG in der Fassung des ASRÄG 1997, BGBl. I 139, in Kraft getreten am , lautete:
"§181. Hinsichtlich der Beziehungen des Versicherungsträgers zu den Ärzten, Dentisten, Hebammen, Apothekern, freiberuflich tätigen klinischen Psychologen bzw. freiberuflich tätigen Psychotherapeuten, Krankenanstalten und anderen Vertragspartnern gelten die Bestimmungen des Sechsten Teiles des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes mit der Maßgabe, daß
1. § 343 Abs 1 zweiter Satz des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes für die im § 85 Abs 1 Z 1 bis 3 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes den Ärzten Gleichgestellten nicht anzuwenden ist;
2. Aufgehoben.
3. Aufgehoben.
4. die Bestimmungen des § 343a des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes entsprechend auch auf die Durchführung der Untersuchungen bzw. Maßnahmen gemäß den §§81, 82 und 82a anzuwenden sind;
5. die für jedes Land gemäß den §§345 und 345a des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes errichteten Kommissionen bzw. die gemäß § 346 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes errichtete Bundesschiedskommission auch zuständig ist, wenn am Verfahren der Versicherungsträger beteiligt ist;
6. die Bestimmungen des § 350 Abs 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes auch auf Verschreibungen von Heilmitteln durch nicht in einem Vertragsverhältnis mit dem Versicherungsträger stehende Ärzte anzuwenden sind."
Damit wurde die bis zum ASRÄG 1997 in § 181 Z 2 und 3 BSVG enthaltene Befugnis der beschwerdeführenden Partei zum Abschluss eigener Gesamtverträge mit den Ärzten (jedoch nicht auch mit den gem. § 85 Abs 1 Z 1 bis 3 BSVG mit den Ärzten gleichgestellten Therapeuten, Psychologen und Psychotherapeuten) und eigener kassenärztlicher Verträge beseitigt (vgl. Teschner/Widlar, Die Sozialversicherung der Bauern, MGA, Anm. 2 zu § 181 BSVG, 69. Erg.Lfg.).
2.2. In Ergänzung zur Änderung des § 343 Abs 1 zweiter Satz ASVG, der die Geltung der von den Gebietskrankenkassen vorgesehenen Einzelverträge auch für die SVA der Bauern normierte, wurde schließlich durch die 23. Novelle zum BSVG, BGBl. I 176/1999, klargestellt, dass die SVA der Bauern nunmehr kraft Gesetzes den jeweiligen vom Hauptverband bzw. den Gebietskrankenkassen geschlossenen Gesamtverträgen unterliegt. Die Z 1 und 2 des § 181 BSVG wurden zu diesem Zweck - ebenfalls mit Wirkung vom - erneut geändert:
"1. für die Beziehungen des Versicherungsträgers zu den freiberuflich tätigen Ärzten ein zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger namens einer Gebietskrankenkasse (§26 Abs 1 Z 1 ASVG) und der örtlich zuständigen Ärztekammer abgeschlossener Gesamtvertrag bindend ist und der Versicherungsträger kraft Gesetzes zur Vertragspartei wird;
2. für die Beziehungen des Versicherungsträgers zu den freiberuflich tätigen Dentisten ein zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger namens der Gebietskrankenkassen (§26 Abs 1 Z 1 ASVG) und der Österreichischen Dentistenkammer abgeschlossener Gesamtvertrag bindend ist und der Versicherungsträger kraft Gesetzes zur Vertragspartei wird;".
Der Ausschussbericht zur 23. Novelle zum BSVG (AB 2016 BlgNR 20. GP) führt dazu Folgendes aus:
"Die vorgesehenen Ergänzungen stehen im Zusammenhang mit den ab im Bereich der bäuerlichen Krankenversicherung wirksam gewordenen Änderungen im Vertragspartnerrecht - und der damit erfolgten Überleitung des Geldleistungssystems in ein Sachleistungssystem auf Krankenscheinbasis - und sollen klarstellen, daß zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des genannten Konzeptes in Kraft gestandene Gesamtverträge zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger namens einer (der) Gebietskrankenkasse(n) und der örtlich zuständigen Ärztekammer bzw. der Österreichischen Dentistenkammer gleichermaßen für die Sozialversicherungsanstalt der Bauern bindend und diese Vertragspartei ist."
2.3. Durch die 24. Novelle zum BSVG, BGBl. I 101/2001, wurde ab - abgesehen von der Erweiterung des Personenkreises der Leistungserbringer um die Gruppenpraxen - in § 181 Z 1 BSVG der Ausdruck "abgeschlossener" durch "jeweils abgeschlossener" [sc. Gesamtvertrag] ersetzt. Abgesehen von Ergänzungen der Leistungserbringer um die Heilmasseure und Anpassungen im Zusammenhang mit dem Zahnärztereform-Begleitgesetz, BGBl. I 155/2005, steht § 181 BSVG in dieser Fassung seither mit der Maßgabe unverändert in Geltung, dass durch Art 8 des Bundesgesetzes BGBl. I 155/2005 in Z 1a die Trennung der Standesvertretungen der Ärzte von jener der Zahnärzte entsprechend berücksichtigt wurde.
3. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde u.a. dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002).
Ein solcher Fehler ist der belangten Behörde hier im Ergebnis dadurch unterlaufen, dass sie die strittige Zusatzvereinbarung als Teil eines bestehenden Gesamtvertrages beurteilt hat:
3.1. Die SVA der Bauern hat nämlich - nachdem der mit der Ärztekammer abgeschlossene Gesamtvertrag von dieser am aus wichtigem Grund aufgelöst worden war (vgl. VfSlg. 18.049/2007) - seit dem ASRÄG 1997 nicht mehr die Kompetenz zur Mitwirkung am Abschluss von Gesamtverträgen. Für sie ist vielmehr gemäß dem § 181 Z 1 BSVG in der Fassung der 24. Novelle zum BSVG, BGBl. I 101/2001, "ein zwischen dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger namens einer Gebietskrankenkasse (§26 Abs 1 Z 1 ASVG) und der örtlich zuständigen Ärztekammer jeweils abgeschlossener Gesamtvertrag" bindend. Die SVA der Bauern wird also kraft Gesetzes Vertragspartei dieses jeweils abgeschlossenen Gesamtvertrages.
3.2. Der Hauptverband der Sozialversicherungsträger hatte daher seit weder die Rechtsmacht, mit der Ärztekammer einen eigenen Gesamtvertrag als Abschlussbevollmächtigter für die SVA der Bauern (bzw. für die in dieser SVA zusammengefassten krankenversicherten Personen) abzuschließen, noch in einer solchen Vereinbarung von bestehenden Gesamtverträgen mit einer Gebietskrankenkasse abzuweichen, sind diese doch für die SVA der Bauern kraft Gesetzes nunmehr ausdrücklich "bindend". Daher konnte der Hauptverband unter Mitwirkung der SVA der Bauern auch "Zusatzvereinbarungen", die von dem für die Steiermärkische Gebietskrankenkasse geltenden Gesamtvertrag abweichen, nicht mit der Rechtswirkung einer Abänderung (der Honorarordnung) des jeweiligen Gesamtvertrages für die Versicherten der SVA der Bauern schließen.
3.3. Es gilt vielmehr sowohl der Einzelvertrag, den ein Arzt mit einer Gebietskrankenkasse geschlossen hat, als auch der für diese Gebietskrankenkasse im Gesamtvertrag vorgesehene Honorartarif (bzw. auch Änderungen dieses Gesamtvertrages und seines Honorartarifes) jeweils "bindend" auch im Verhältnis zur SVA der Bauern.
3.4. Da die strittige Zusatzvereinbarung, soweit sie Sonderbestimmungen für die Versicherten der SVA der Bauern enthält, sohin nicht Gesamtvertrag im Sinne des § 341 ASVG (und daher auch kein Teil eines solchen Gesamtvertrages) ist, fallen Streitigkeiten aus einem solchen Vertrag jedenfalls nicht in die Zuständigkeit der Landes- bzw. der Bundesschiedskommission:
Gemäß § 345a Abs 2 Z 1 ASVG ist die Landesschiedskommission - und ebenso die ihr im Instanzenzug übergeordnete belangte Bundesschiedskommission - nämlich nur zur Schlichtung und Entscheidung von Streitigkeiten zwischen den Parteien eines Gesamtvertrages "über die Auslegung und Anwendung eines bestehenden Gesamtvertrages" zuständig. Sie ist aber nicht zuständig, über Gültigkeit und Bestand sonstiger Verträge zu entscheiden, die zwischen dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger für die SVA der Bauern und der Ärztekammer geschlossen wurden, aber nicht Gesamtvertrag im Sinne des § 341 ASVG sind.
3.5. Die belangte Behörde hat dies verkannt und es daher unterlassen, den Antrag der Ärztekammer unter ersatzloser Behebung des erstinstanzlichen Bescheides als unzulässig zurückzuweisen.
Sie hat dadurch die beschwerdeführende Partei in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
3.6. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter aufzuheben.
4. Bei diesem Ergebnis war auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht einzugehen.
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 88 VfGG. Der zugesprochene Betrag enthält Umsatzsteuer in Höhe von EUR 400,- . Der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr (EUR 220,-) war wegen der bestehenden persönlichen Abgabenfreiheit der beschwerdeführenden Partei (§43 BSVG) nicht zuzusprechen.
6. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.