OGH vom 24.07.2018, 9Ob26/18s

OGH vom 24.07.2018, 9Ob26/18s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers D*****, vertreten durch Mag. Verena Riedherr, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen den Antragsgegner C*****, vertreten durch Dr. Reinhard Junghuber, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom , GZ 21 R 308/17s-100, mit dem dem Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom , GZ 2 Fam 8/13v-96, teilweise Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der am ***** 1990 geborene Antragsteller ist der Sohn von L***** und dem Antragsgegner. Er leidet an einer paranoiden Schizophrenie in unvollständiger Remission sowie einem Zustand nach multiplem Substanzgebrauch und Konsum anderer psychotroper Substanzen. Eine Lehre wurde im August 2010 abgebrochen. Bereits ab Anfang 2010 bestand aus ärztlicher Sicht keine Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt. Aufgrund eines Vergleichs vom ist der Antragsgegner zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von 400 EUR verpflichtet.

Der Antragsteller begehrt, die Unterhaltspflicht für den Zeitraum Juli 2010 bis Oktober 2012 auf im einzelnen bestimmt angegebene monatliche Beträge abhängig von seinem Eigeneinkommen in dieser Zeit zu erhöhen, sodass sich eine Nachzahlung von insgesamt 16.460 EUR sA ergibt.

Der Antragsgegner spricht sich gegen eine Erhöhung aus.

Mit – mittlerweile rechtskräftigem – (Zwischen)Beschluss vom (ON 81) stellte das Erstgericht fest, dass die Unterhaltspflicht des Antragsgegners für den Antragszeitraum dem Grunde nach aufrecht ist.

Mit Beschluss vom wies das Erstgericht aber den gegenständlichen Unterhaltsantrag ab.

Dem Rekurs des Antragstellers gegen diesen Beschluss gab das Rekursgericht teilweise Folge und verpflichtete den Antragsgegner zu einer Unterhaltsnachzahlung von 16.002 EUR sA; das Mehrbegehren von 458 EUR sA wies es ab.

Über Antrag des Antragsgegners ließ das Rekursgericht den Revisionsrekurs nachträglich zu, weil die Rechtsmeinung, dass der Unterhaltsbedarf des Kindes für die Vergangenheit nicht konkret erhoben werden müsse, möglicherweise in Widerspruch zur Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stehe.

Der Antragsgegner beantragt in seinem Revisionsrekurs erkennbar, den Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

Der Antragsteller beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden nachträglichen Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Nach § 231 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Gemäß § 231 Abs 2 Satz 1 ABGB leistet der Elternteil, der das Kind betreut, dadurch seinen Unterhaltsbeitrag, während der andere Elternteil, mit dem das Kind nicht im gemeinsamen Haushalt lebt, geldunterhaltspflichtig ist. Kinderbetreuung im eigenen Haushalt wird vom Gesetz grundsätzlich als voller Unterhaltsbeitrag des betreffenden Elternteils gewertet und der Leistung von Geldunterhalt gleichgestellt (RISJustiz RS0116443 [T6]).

2. Es steht bereits rechtskräftig fest, dass der Vater für den strittigen Zeitraum unterhaltspflichtig ist. Revisionsgegenständlich ist daher nur die Unterhaltshöhe.

Der Vater erzielt unstrittig ein überdurchschnittlich hohes Einkommen, weshalb die Prozentkomponente bei Ausmessung des Kindesunterhalts nicht voll auszuschöpfen ist. In einem solchen Fall sind den Kindern Unterhaltsbeträge zuzusprechen, die zur Deckung ihrer – an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen orientierten – Lebensbedürfnisse erforderlich sind (RISJustiz RS0007138). Zur Vermeidung einer pädagogisch schädlichen Überalimentierung ist in einem solchen Fall eine Angemessenheitsgrenze als Unterhaltsstopp zu setzen (RISJustiz RS0047447; RS0007138 [T20]). Bei überdurchschnittlichem Einkommen des Unterhaltspflichtigen wird diese „Luxusgrenze“ im Allgemeinen als im Bereich des Zwei- bis Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs liegend angenommen, wobei überwiegend die Meinung vertreten wird, dass dies keine absolute Obergrenze darstellt (RISJustiz RS0007138 [T15]). Wann und zu welchen Voraussetzungen im konkreten Fall ein „Unterhaltsstopp“ zur Vermeidung einer Überalimentierung anzunehmen ist, ist keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0007138 [T16, T 17]).

3. Soweit daher das Rekursgericht seiner Berechnung das Zweieinhalbfache des Regelbedarfs zugrunde legte, hält es sich in dem von der Judikatur gezogenen Rahmen, was der Revisionsrekurs letztlich auch nicht bestreitet. Er verweist vielmehr darauf, dass das Erstgericht keinen – das faktische Einkommen des Antragstellers für den relevanten Zeitraum übersteigenden – Unterhaltsbedarf habe feststellen können. Allerdings ist durch diese Feststellung für den Antragsgegner nichts gewonnen.

Der Antragsteller ist nicht selbsterhaltungsfähig und hat daher einen Unterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern, auf den die von ihm erzielten Einkünfte anzurechnen sind. Der Unterhaltsanspruch berechnet sich im Allgemeinen nach der Prozentkomponente, bei überdurchschnittlichem Einkommen wie zuvor dargestellt mit einer Angemessenheitsgrenze, die sich im Allgemeinen am Regelbedarf orientiert. Unter Regelbedarf versteht man jenen Bedarf, den jedes Kind einer bestimmten Altersstufe in Österreich ohne Rücksicht auf die konkreten Lebensverhältnisse seiner Eltern an Nahrung, Kleidung, Wohnung und zur Bestreitung der weiteren Bedürfnisse, wie etwa kulturelle oder sportliche Betätigung, sonstige Freizeitgestaltung und Urlaub, hat (RIS-Justiz RS0047531). Die Überschreitung des Regelbedarfs bei hohen Einkommen soll, wie bereits ausgeführt, dem Unterhaltsberechtigten die Teilnahme an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen ermöglichen. Warum im konkreten Fall dem Antragsteller dieser Bedarf nicht zuzugestehen ist, führt auch der Revisionsrekurs nicht aus. Dass der Antragsteller allenfalls in der Zeit, für die der Unterhaltsanspruch geltend gemacht wird, mit weniger auskommen musste und auch ausgekommen ist, mindert nicht grundsätzlich seinen Anspruch auf Unterhalt.

4. Diesbezüglich besteht auch kein Widerspruch zur vom Rekursgericht in der Zulassungsentscheidung zitierten Entscheidung 7 Ob 99/15g, in der der vom Unterhaltspflichtigen aufgrund gerichtlicher Festsetzung geleistete Unterhalt deutlich unter dem Regelbedarf lag. Es war daher eine Erhebung des konkreten Bedarfs des Unterhaltsberechtigten notwendig, um zu prüfen, ob aufgrund seines Eigeneinkommens nicht nur dieser Bedarf, sondern auch sein Unterhaltsanspruch gemindert wird. Dass im vorliegenden Fall das Einkommen des Antragstellers anzurechnen ist, ist aber ohnehin nicht strittig.

Soweit der Revisionsrekurs dem Rekursgericht vorwirft, von einem nicht festgestellten, über dem Regelbedarf liegenden Bedarf des Unterhaltsberechtigten ausgegangen zu sein, kommt es darauf nicht an, weil das Rekursgericht dessen ungeachtet keinen Sonderbedarf angenommen hat, sondern den Unterhalt ausgehend vom Einkommen des Antragsgegners und dem Regelbedarf bemessen hat. Dass die Höhe des Unterhalts für den – unter Sachwalterschaft stehenden – Antragsteller gesundheitsgefährdend wäre oder ihn an der Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit hindern könnte, ist eine durch keine Feststellungen gedeckte Behauptung des Antragstellers.

5. Die Verpflichtung zur Zahlung stellt entgegen dem Revisionsrekurs auch keine Zahlung zur Vermögensbildung dar, sondern eine solche auf den – für die Vergangenheit festgestellten – Unterhaltsanspruch. Eine Änderung der Unterhaltsbemessung für die Vergangenheit darf immer dann erfolgen, wenn wegen einer Änderung der Verhältnisse die seinerzeitige Bemessung nicht mehr bindend blieb. Die Einstellung oder Herabsetzung der Unterhaltspflicht ist daher auch für die Vergangenheit möglich, sofern sich der dafür maßgebliche Sachverhalt in der Vergangenheit verwirklichte (vgl RIS-Justiz RS0053283). Wie der Unterhaltspflichtige allfällige Nachzahlungen letztlich verwendet, ist für die Unterhaltsbemessung irrelevant.

6. Auch im Bereich des weithin vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahrens außer Streitsachen (§ 16 Abs 1 AußStrG) sind subjektive Behauptungs- und Beweislastregeln jedenfalls dann heranzuziehen, wenn über vermögensrechtliche (also auch unterhaltsrechtliche) Ansprüche, in denen einander die Parteien in verschiedenen Rollen gegenüberstehen, zu entscheiden ist (RIS-Justiz RS0006261). Der Unterhaltsschuldner hat die für seinen Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen ausreichend zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0106533) insbesondere jene Umstände, die seine Unterhaltsverpflichtung aufheben oder vermindern sollen (RIS-Justiz RS0111084). So trifft ihn – als den bei Anspannung des Kindes auf ein (fiktiv) erzielbares Einkommen Begünstigten – die Behauptungs- und Beweislast für die dafür erforderlichen Voraussetzungen. Dabei müssen die Tatsachen, auf die ein Antrag oder ein Gegenantrag gestützt werden soll, bereits in erster Instanz vorgebracht werden (RIS-Justiz RS0006790). Den Antragsgegner trifft daher auch die Behauptungs- und Beweislast für ein seine Unterhaltsverpflichtung minderndes anrechenbares Einkommen der Mutter (vgl 2 Ob 211/11k). Wenn das Rekursgericht davon ausgegangen ist, dass der Vater dieser Verpflichtung für die Zeiträume, in denen der Antragsteller nicht ohnehin im Haushalt der Mutter betreut wurde, nicht entsprochen hat, stellt das keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar.

7. Mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung war der Revisionsrekurs zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht.

Der Antragsteller hat nach § 78 AußStrG die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen, da darin auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses nicht hingewiesen wurde.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0090OB00026.18S.0724.000

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