OGH vom 09.02.1999, 10Ob269/98a
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr, Dr. Steinbauer, Dr. Hopf und Dr. Fellinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hermann S*****, Rechtsanwalt, *****, wider die beklagten Parteien 1. D***** Handelsgesellschaft mbH in Liquidation, vertreten durch den Notliquidator Dr. Günther H*****, Rechtsanwalt, *****, sowie als deren Gesellschafter 2. Heinz P*****, Produktionsleiter, und 3. Elfriede P*****, Lehrerin, beide *****, beide vertreten durch Dr. Karlheinz Klema, Rechtsanwalt in Wien, 4. Dr. Riyadh A*****, Techniker, und 5. Dr. Svetlana A*****, Univ.-Lektorin, beide *****, beide vertreten durch Dr. Michael Günther, Rechtsanwalt in Wien, und
6. Evelyn W*****, Private, *****, vertreten durch Dr. Manfred Winkler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 74.503,76 sA, infolge der Rekurse der zweit- und drittbeklagten Parteien (ON 32), der viert- und fünftbeklagten Parteien (ON 30) und der sechstbeklagten Partei (ON 31) gegen den Beschluß des Handelsgerichtes Wien als Berufungs- und Rekursgerichtes vom , GZ 1 R 722/97s und 1 R 723/97p-29, womit aus Anlaß der Berufung und des Rekurses der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom , GZ 13 C 1734/96m-19, und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Sämtlichen Rekursen wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß, der in Ansehung der erstbeklagten Partei unberührt bleibt, wird hinsichtlich des gegen die zweit- bis sechstbeklagten Parteien gerichteten Verfahrens aufgehoben. In diesem Umfang wird die Rechtssache an das Gericht zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung des Klägers (betreffend dritt- bis sechstbeklagten Parteien) und den Rekurs des Klägers (betreffend die zweitbeklagte Partei) zurückverwiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung des Klagebetrages als Entlohnung für seine im Zeitraum 12. 1. bis entfaltete Tätigkeit als gerichtlich bestellter Notliquidator der erstbeklagten Gesellschaft gemäß §§ 15a, 92 GmbHG. Der Antrag sei vom Zweitbeklagten, schlüssig aber auch von den übrigen Gesellschaftern gestellt worden. Der Kläger habe bei Übernahme der Funktion unwidersprochen erklärt, seine Leistungen nach dem Rechtsanwaltstarif abzurechnen. Seine Tätigkeit sei zum überwiegenden Vorteil der Gesellschaft und aller Gesellschafter erfolgt, die es unterlassen hätten, einen Liquidator zu bestellen. Subsidiär werde das Klagebegehren auf jeden erdenklichen Rechtsgrund gestützt, insbesondere den der Bereicherung, des Verwendungsanspruchs und des Schadenersatzes.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Sie hätten weder einen Auftrag erteilt noch eine Verpflichtung zur Kostentragung übernommen. Die Handlungen des Klägers seien zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig gewesen und hätten keine Bereicherung der Beklagten bewirkt. Das Begehren sei auch überhöht.
Das Erstgericht wies mit Urteil (Teilurteil) das gegen die dritt- bis sechstbeklagten Parteien gerichtete Klagebegehren kostenpflichtig ab und faßte in derselben Entscheidung (ON 19) den Beschluß, a) das Verfahren gegen den Zweitbeklagten - mangels Spruchreife - wiederzueröffnen und b) die Vollstreckbarkeitsbestätigung des Zahlungsbefehles vom hinsichtlich der Erstbeklagten - mangels rechtswirksamer Zustellung - aufzuheben. Die Abweisung des Begehrens gegen Dritt- bis Sechstbeklagte begründete das Erstgericht damit, daß nicht ersichtlich sei, welchen Bereicherungstatbestand der Kläger erfüllt haben wollen. Die Gesellschafter seien zu keinen Aufwendungen verpflichtet, die der Kläger für sie tätigen hätte können, und daher auch nicht bereichert. Ein Schadenersatzanspruch scheitere daran, daß den Gesellschaftern kein Verschulden zugerechnet werden könne.
Das Gericht zweiter Instanz faßte den - unrichtigerweise "im Namen der Republik" ausgefertigten - Beschluß, aus Anlaß der Berufung des Klägers und seines Rekurses gegen die Zurückweisung seines Rekurses gegen den den oben zu a) genannten Beschluß - ON 22 - werde das angefochtene Urteil (Teilurteil) und das diesem vorangegangene Verfahren einschließlich der Erlassung des Zahlungsbefehls als nichtig aufgehoben und die Klage an das Handelsgericht Wien als Firmenbuchgericht überwiesen. Es erklärte den ordentlichen "Revisionsrekurs" für zulässig. Das Erstgericht habe über eine nicht auf den Rechtsweg gehörige Sache erkannt. Der Anspruch eines Notgeschäftsführers gemäß § 15a GmbHG gegen die Gesellschaft auf Ersatz von Barauslagen und Entlohnung sei nämlich nach der neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs im Außerstreitverfahren durchzusetzen. Dies gelte aber auch für die Durchsetzung des "identen Anspruchs gegen alle Personen, die auf Grund des Gesellschaftsvertrages in welcher Form auch immer miteinander verknüpft" seien. Die in einen Antrag umzudeutende Klage sei daher an das zuständige Außerstreitgericht zu überweisen (§§ 40a, 44 JN).
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurse der zweit- bis sechstbeklagten Parteien (ON 30 bis 32) sind in Analogie zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO nF zulässig (EvBl 1991/62; Stohanzl, Zivilprozeßgesetze MTA8 384; Rechberger/Mayr ZPO Rz 6 zu § 40a JN, Rechberger/Kodek, ZPO, 1114 in Rz 3 zu § 519 mwN) und auch berechtigt.
§ 15a GmbHG sieht in dringenden Fällen die Bestellung eines Notgeschäftsführers durch das zuständige Firmenbuchgericht vor, soweit die zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Geschäftsführer fehlen und ein Beteiligter dies beantragt. Eine inhaltsgleiche Vorschrift ist in § 76 AktG vorgesehen. Eine Regelung über den Entlohnungsanspruch derselben enthalten die genannten Gesetze ebensowenig, wie eine entsprechende Verfahrensvorschrift. Gemäß § 102 GmbHG verhandelt und entscheidet über Angelegenheiten, die im GmbHG dem Gericht zugewiesen sind, das zuständige Firmenbuchgericht im Verfahren außer Streitsachen, sofern es sich nicht um bürgerliche Rechtsstreitigkeiten handelt, die dem Prozeßgericht zugewiesen sind. Die Generalklausel des § 1 AußStrG weist dagegen eine Rechtssache im Zweifel dem Zivilprozeß zu. Mit § 102 GmbHG, der allgemein die Absicht verfolgt, die Durchsetzung aus diesem Gesetz abgeleiteter Ansprüche in das Außerstreitverfahren zu verweisen, soweit nicht eine gesetzliche Anordnung in der Richtung besteht, daß über derartige Ansprüche im streitigen Rechtsweg abzusprechen ist (EvBl 1991/47; EvBl 1991/85; Koppensteiner, GmbHG-Komm. 663), ist die strittige Verfahrensfrage nicht zu lösen; die Frage, ob § 102 GmbHG dem § 1 AußStrG derogiert hat (so EvBl 1991/47 und EvBl 1991/85), ist hier auch nicht entscheidend, weil die Regelung über den Notgeschäftsführer weder für den Entlohnungsanspruch noch für das Verfahren, in dem dieser Anspruch durchzusetzen ist, eine ausdrückliche Anordnung enthält.
Der Oberste Gerichtshof hat zunächst in einer früheren Entscheidung (ecolex 1995, 493) die in der Lehre und zweitinstanzlichen Rechtsprechung umstrittene Frage offen gelassen, ob ein auf eine amtlich übertragene Organstellung gestützter Entgeltanspruch im Rechtsweg oder im Außerstreitverfahren geltend zu machen ist, dabei aber die Zulässigkeit des streitigen Rechtsweges für den Fall bejaht, daß der Anspruch des Notgeschäftsführers auf eine mit der Gesellschaft getroffene Vereinbarung gestützt wird.
In der neueren Entscheidung 4 Ob 342/97s = EvBl 1998/68 = WBl 1998/177 hat der Oberste Gerichtshof zur Entgeltlichkeit der Tätigkeit des Notgeschäftsführers gemäß § 15a GmbHG und zur Frage, in welchem Verfahren ein Entgeltanspruch durchzusetzen ist, folgendes ausgeführt:
"Mit dem überwiegenden Teil der Lehre ist davon auszugehen, daß für das Amt des Notgeschäftsführers gemäß § 15a GmbHG nicht die Unentgeltlichkeit zu vermuten ist. Dieses ist regelmäßig mit Mühe, Lasten und Haftungsrisken verbunden. Wie regelmäßig der von der Gesellschaft bestellte Geschäftsführer hat daher auch der Notgeschäftsführer einen Entlohnungsanspruch. Die Unentgeltlichkeit ist auch dann nicht zu vermuten, wenn - wie hier - ein Rechtsanwalt beauftragt wird (vgl die zu § 1004 ABGB ergangene Rechtsprechung SZ 34/30; EvBl 1965/341; NZ 1971, 127; SZ 51/27; EvBl 1990/20; Apathy in Schwimann, ABGB2 Rz 2 zu § 1004). Der Entlohnungsanspruch des Notgeschäftsführers ist privatrechtlicher Natur, richtet sich gegen die Gesellschaft und entsteht dem Grunde nach mit der Annahme der Bestellung. Daher besteht auch kein Anspruch auf Tragung dieser Kosten aus Amtsgeldern.
Die Zuweisung der Durchsetzung des Anspruches des Notgeschäftsführers gemäß § 15a GmbHG in das Außerstreitverfahren ergibt sich aus Gründen der Rechtsanalogie. Überall, wo für handlungsunfähige oder behinderte Personen Kuratoren oder Sachwalter bestellt werden, die für diese tätig werden sollen, hat das bestellende Gericht die Entlohnung festzusetzen (vgl zB §§ 266, 282 ABGB, §§ 216, 252 Abs 2 AußStrG; Knell, Kuratoren 231 f). Auch die § 27 Abs 2 AktG und § 270 Abs 5 HGB sehen für die Festsetzung der Entlohnung der Gründungs- und der vom Gericht bestellten Abschlußprüfer das außerstreitige Verfahren vor. Diese Bestimmungen legen eine Zuständigkeit aus dem Sachzusammenhang fest (vgl dazu Fasching, LB2 Rz 1139). Für Personen, die auf Grund eines Gerichtsbeschlusses für andere tätig werden sollen, soll der Entlohnungsanspruch auch vom bestellenden Gericht bemessen werden. Die Bestimmung des § 15a GmbHG, mit der die Möglichkeit der Bestellung von Notgeschäftsführern neu geschaffen wurde, löste die bisherige Praxis ab, die sich mit der Bestellung von Prozeßkuratoren und von Abwesenheitskuratoren behelfen mußte (Reich-Rohrwig aaO Rz 2/54). Aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ist daher auch anzunehmen, daß der Gesetzgeber den Regelungsbedarf für die Festsetzung der Entlohnung nicht erkannte, so daß eine Gesetzeslücke anzunehmen ist, die durch Analogie geschlossen werden kann.
Ist somit die Zuständigkeit des Firmenbuchgerichts im Außerstreitverfahren für die Festsetzung der Entlohnung des Notgeschäftsführers gemäß § 15a GmbHG anzunehmen, dann ist die gemäß § 40a JN in einen Antrag umzudeutende Klage gemäß § 44 JN an das zuständige Gericht (die zuständige Gerichtsabteilung) zu überweisen (Mayr in Rechberger, ZPO Rz 4 zu § 40a JN)."
Der nunmehr zur Entscheidung berufene 10. Senat schließt sich dieser Auffassung des 4. Senates zur Gänze an. Danach ergibt sich aber lediglich, daß sich der privatrechtliche Entlohnungsanspruch des Notgeschäftsführers (Notliquidators) gegen die Gesellschaft richtet und insoweit im Außerstreitverfahren durchzusetzen ist, weil nur hier die angesprochene Rechtsanalogie zu den Kuratoren und Sachwaltern für handlungsunfähige oder behinderte Personen greift. Die vom Gericht zweiter Instanz vertretene Ansicht, dies müsse auch für "idente" Ansprüche gegen alle Personen gelten, die auf Grund des Gesellschaftsvertrages "in welcher Form auch immer miteinander verknüpft" seien, ist nicht überzeugend, weil der Notgeschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern eben keine einem Sachwalter oder Kurator vergleichbare Stellung einnimmt und es sich bei dem mit der vorliegenden Klage gegen die Gesellschafter geltend gemachten, auf Bereicherung, Verwendung und Schadenersatz gestützten Anspruch eben nicht um einen "identen" das heißt dem Entlohnungsanspruch eines Sachwalters oder Kurators gegen die handlungsunfähige oder behinderte Person vergleichbaren Anspruch handelt.
Daraus folgt, daß nur der Entlohnungsanspruch des Klägers gegen die erstbeklagte Partei im Außerstreitverfahren zu verfolgen ist; insoweit ist die Überweisung der Sache an das Außerstreitgericht bereits rechtskräftig erfolgt. Der gegenüber den übrigen Beklagten behauptete Anspruch wurde jedoch vom Kläger zutreffend im streitigen Verfahren geltend gemacht.
Das Erstgericht hat allerdings - ohne seine Entscheidung als Teilurteil zu bezeichnen - die Klage nur gegen die dritt- bis sechstbeklagten Parteien abgewiesen, hingegen das Verfahren gegen den Zweitbeklagten wiedereröffnet. Beides wurde vom Kläger bekämpft, doch hat das Gericht zweiter Instanz weder über seine Berufung noch über seinen Rekurs materiell entschieden, vielmehr infolge seiner nicht zu billigenden Rechtsansicht die beiden Rechtsmittel nur zum Anlaß für die Formalentscheidung der Nichtigerklärung genommen. Da eine Sachentscheidung durch den Obersten Gerichtshof in einem solchen Fall nicht in Betracht kommt (SSV-NF 5/36; 10 ObS 182/97f; 10 ObS 259/97d uva), war diese unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses dem Gericht zweiter Instanz aufzutragen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.