OGH vom 08.04.2003, 10ObS117/03h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Johann Holper (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Halil C*****, vertreten durch Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft Borns & Partner, Gänserndorf, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 348/02h-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 7 Cgs 28/02z-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
Soweit sich die Revision gegen die Kostenentscheidung des Gerichtes zweiter Instanz wendet, wird sie zurückgewiesen.
Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Ausspruch des Berufungsgerichts über die Auferlegung einer vorläufigen Zahlung (Absatz 4 des Spruchs) zu lauten hat:
"Der beklagten Partei wird aufgetragen, der klagenden Partei vom bis bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheids eine vorläufige Zahlung von 350 EUR monatlich zu erbringen, und zwar die bis zur Zustellung des Urteils fälligen vorläufigen Zahlungen binnen 14 Tagen, die weiteren jeweils im Nachhinein am Ersten des Folgemonats."
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. In den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag () war er überwiegend als Hilfsarbeiter auf dem Bau beschäftigt. Er leidet insbesondere an einem Zustand nach Herzinfarkt und ist derzeit nicht in der Lage, geregelte Arbeiten zu verrichten.
Mit Bescheid vom lehnte die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter den Antrag des Klägers vom auf Gewährung einer Invaliditätspension ab.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, dem Kläger ab eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zu bezahlen. Eine vorläufige Zahlung gemäß § 89 Abs 2 ASGG wurde der beklagten Partei nicht aufgetragen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und sprach dem Kläger vom bis eine Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß zu. Weiters wurde der beklagten Partei aufgetragen, bis zur Beendigung des Rechtsstreits an den Kläger eine vorläufige Leistung (vorläufige Zahlung) in Höhe von monatlich 350 EUR zu erbringen. Aus den erstgerichtlichen Feststellungen gehe hervor, dass der Kläger derzeit keine geregelten Arbeiten verrichten könne. Damit werde zum Ausdruck gebracht, dass keine dauernde Invalidität vorliege. Aufgrund der Sachverständigengutachten und der erstgerichtlichen Feststellungen sei davon auszugehen, dass beim Kläger unter entsprechender Therapie eine Besserung zu erwarten sei. Damit sei aber die Invaliditätspension gemäß § 256 Abs 1 ASVG nur befristet zu gewähren. In diesem Sinn sei, ohne auf die Beweisrüge der beklagten Partei im Detail einzugehen, die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts zu korrigieren. Im Übrigen komme der Berufung der beklagten Partei auch hinsichtlich der Kostenentscheidung Berechtigung zu.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern und der beklagten Partei jedenfalls den Ersatz der gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig (RIS-Justiz RS0103990), aber nicht berechtigt.
Vorweg ist festzuhalten, dass die Bezeichnung der beklagten Partei von Amts wegen von "Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter" auf "Pensionsversicherungsanstalt" zu berichtigen war, weil mit alle Rechte und Verbindlichkeiten der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter auf die neu errichtete Pensionsversicherungsanstalt als Gesamtrechtsnachfolger übergingen (§ 538a ASVG idF 59. ASVG-Nov BGBl I 2002/1).
§ 256 ASVG sah bereits in seiner Stammfassung (BGBl 1955/189) vor, dass die "Invaliditätsrente" bei vorübergehender Invalidität für eine bestimmte Frist zuerkannt werden kann. Mit der 9. ASVG-Nov BGBl 1962/13 wurde das Wort "Invaliditätsrente" durch "Invaliditätspension" ersetzt. Mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl 1996/201, trat insofern eine Änderung der Rechtslage ein, als seither Pensionen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw der Erwerbsunfähigkeit gemäß § 256 Abs 1 ASVG grundsätzlich nur mehr befristet für die Dauer von längstens 24 Monaten zuerkannt werden. Besteht die geminderte Arbeitsfähigkeit nach Ablauf der Befristung weiter, so ist die Pension jeweils für die Dauer von längstens 24 Monaten weiter zuzuerkennen, sofern die Weitergewährung der Pension spätestens innerhalb von drei Monaten nach deren Wegfall beantragt wurde. Die Pension ist ohne Befristung zuzuerkennen, wenn aufgrund des körperlichen oder geistigen Zustandes dauernde Invalidität anzunehmen ist (§ 256 Abs 2 ASVG).
Nach den Gesetzesmaterialien (RV 72 BlgNR 20. GP 248) sollte dadurch den Pensionsversicherungsträgern im Hinblick auf die nicht vorhersehbare Weiterentwicklung medizinischer Behandlungsmethoden sowie die Unsicherheit medizinischer Langzeitprognosen an sich eine flexiblere Zuerkennungspraxis bei Pensionen aus den Versicherungsfällen der geminderten Arbeitsfähigkeit bzw der Erwerbsunfähigkeit ermöglicht werden. Durch die auf Antrag erfolgende Weitergewährung der Pension bei Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit komme es zu keiner Verschlechterung in den Rechten des Leistungsbeziehers; in der Vergangenheit zu Tage getretene Schwierigkeiten beim Entzug von unbefristet zuerkannten Pensionen aufgrund des Wegfalls der Arbeitsunfähigkeit würden jedoch in Hinkunft nicht mehr auftreten.
Dass die in der objektiven Beweislast des Klägers liegende (10 ObS 130/01t, 10 ObS 344/02i) anspruchsbegründende Tatsache der dauernden Invalidität im vorliegenden Fall nicht erwiesen ist, ergibt sich aus der - aufgrund des vom Erstgericht eingeholten internistischen Gutachtens getroffenen - Feststellung, dass der Kläger derzeit nicht in der Lage ist, geregelte Arbeiten zu verrichten. Von dieser durch die Beweisergebnisse gedeckten Feststellung ist das Berufungsgericht nicht abgewichen. Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens ist daher nicht zu erkennen. Auch die auf der angeführten Tatsachengrundlage getroffene rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Invaliditätspension befristet zuzuerkennen sei, erweist sich als zutreffend.
Da die nach § 89 Abs 2 ASGG aufzutragende vorläufige Zahlung in allen Punkten (Leistungsbeginn, Auszahlung der Leistung usw) gleich zu behandeln ist wie eine der Höhe nach endgültig zuerkannte Leistung (SSV-NF 3/58; 4/26 ua), ist im Urteil der Leistungsbeginn und im Fall der Befristung der Leistung das Leistungsende der vorläufigen Zahlung auszusprechen. Die vorläufige Zahlung gebührt nach § 89 Abs 2 ASGG bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides; im Hinblick auf die Befristung der Invaliditätspension endet der Anspruch auf diese Leistung aber jedenfalls mit . Für die bis zur Zustellung des Urteils fällig gewordenen vorläufigen Zahlungen ist gemäß § 409 Abs 1 ZPO eine vierzehntägige Leistungsfrist anzuordnen. Für die weiteren bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheids fällig werdenden vorläufigen Zahlungen ist im Hinblick auf die Bestimmung des § 104 Abs 2 ASVG, derzufolge die Pensionen monatlich im Nachhinein am Ersten des Folgemonats ausgezahlt werden, auszusprechen, dass auch die vorläufigen Zahlungen jeweils am Ersten des Folgemonats im Nachhinein zu erbringen sind.
Eine Anfechtung der Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz im Kostenpunkt ist ausgeschlossen; dies gilt auch in Sozialrechtssachen (SSV-NF 5/37, 8/115; 10 ObS 2352/96x = SVSlg 44.612; 10 ObS 2421/96v = SVSlg 44.618 ua; Kuderna ASGG2 498).
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe, die einen Kostenzuspruch aus Billigkeit rechtfertigen könnten, werden in der Revision nicht aufgezeigt und sind auch aus dem Akt nicht ersichtlich.