OGH vom 20.03.2018, 11Ns2/18k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Dr. Michel-Kwapinski und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressel als weitere Richter in der Strafsache gegen Walid B***** wegen des Vergehens der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach § 228 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, im Zuständigkeitsstreit zwischen dem Bezirksgericht Salzburg AZ 28 U 147/17x und dem Bezirksgericht Eisenstadt AZ 6 U 14/17x nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo. 2005 den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Für die Durchführung des Strafverfahrens gegen Walid B***** ist das Bezirksgericht Eisenstadt zuständig.
Text
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Salzburg legt mit Strafantrag vom , AZ 52 BAZ 598/17a, Walid B***** als die Vergehen der mittelbaren unrichtigen Beurkundung oder Beglaubigung nach § 228 Abs 2 StGB und der unrechtmäßigen Inanspruchnahme von sozialen Leistungen nach § 119 erster Fall FPG beurteiltes Verhalten zur Last (ON 3). Demnach habe er
„1./ im November und Dezember 2016 in S***** beim Regionalbüro des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl gegenüber dem zuständigen Bearbeiter angegeben, er wäre am geboren worden und habe dadurch bewirkt, dass gutgläubig eine Tatsache in einer inländischen öffentlichen Urkunde (Verfahrenskarte grün gemäß § 50 AsylG) unrichtig beurkundet wurde, wobei er diese Urkunde im Rechtsverkehr gebraucht habe, sowie
2./ im Zeitraum 8. November bis in S***** unter Berufung auf ein gemäß § 120 Abs 2 FPG erschlichenes Recht soziale Leistungen, nämlich Sozialhilfe von 6,09 Euro in Anspruch genommen“.
Mit Beschluss vom , AZ 28 U 147/17x (ON 8), trat das Bezirksgericht Salzburg das Verfahren gemäß § 36 Abs 3 StPO dem Bezirksgericht Eisenstadt ab, weil sich aus dem Abschlussbericht vom einschließlich des Protokolls über die Vernehmung des Beschuldigten (ON 2 S 23 ff) und der Niederschrift vom (ON 2 S 73 ff) ergebe, dass die erste inkriminierte Tathandlung des Angeklagten, nämlich die Angabe des falschen Geburtsdatums am im Rahmen seiner Erstbefragung in Eisenstadt gesetzt worden sei.
Mit Beschluss vom , AZ 6 U 14/17x (ON 12), sprach das Bezirksgericht Eisenstadt seine örtliche Unzuständigkeit aus und legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt gemäß § 38 StPO vor.
Begründend führte es aus, das Verhalten des Beschuldigten gegenüber der die Befragung durchführenden Polizeibeamtin im Competence Center Eisenstadt der Landespolizeidirektion Burgenland, nämlich die am erfolgte Angabe eines falschen Geburtsdatums, erfülle keinen strafrechtlichen Tatbestand, insbesondere keinen Fall des § 120 Abs 2 FPG, weil die falschen Angaben vor der zur Ausstellung berufenen Behörde bzw vor dem Bundesamt oder vor dem Bundesverwaltungsgericht erfolgen müssen, um tatbildlich zu sein. § 120 Abs 2 FPG könne demnach nur erfüllt werden, wenn die Angabe „von Angesicht zu Angesicht“ der Behörde, des Bundesamts, des Bundesverwaltungsgerichts bzw einer Person erfolgt, die zur Vertretung gesetzlich befugt ist (vgl Tipold in WK² FPG § 119 Rz 5/2). Falschangaben, die zu einem früheren Zeitpunkt anderen Personen oder Behörden, hier der zuständigen Sachbearbeiterin der Landespolizeidirektion Burgenland gegenüber gemacht worden seien, würden den Tatbestand nicht erfüllen.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 36 Abs 3 erster Satz StPO ist für das Hauptverfahren – soweit hier von Bedeutung – das Gericht zuständig, in dessen Sprengel die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte.
Gegenstand des zu 1./ gegen B***** erhobenen Vorwurfs ist die Erschleichung einer mit einem unrichtigen Geburtsdatum versehene Verfahrenskarte grün gemäß § 50 AsylG mit dem Vorsatz, dass diese inländische öffentliche Urkunde im Rechtsverkehr zum Beweis dieser Tatsache gebraucht werde.
Die einzige, dem Akteninhalt zu entnehmende örtlich zuordenbare diesbezügliche Tathandlung setzte der Angeklagte anlässlich seiner am im Competence Center Eisenstadt erfolgten Erstbefragung im Asylverfahren, wobei er als Geburtsdatum den nannte und sich dadurch fälschlich als (unbegleiteter) Minderjähriger ausgab (vgl ON 2 S 27 iVm S 73). Im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung gab der Angeklagte zwar auch an, im Zuge des Asylverfahrens immer wieder das Geburtsdatum angegeben und bekräftigt zu haben; ob dies aber bereits vor Ausstellung der gegenständlichen Verfahrenskarten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl Nr 161511941-001 und 002 (ON 2 S 85 bis 91) der Fall gewesen ist, ist den Akten nicht zu entnehmen. Es ist daher derzeit davon auszugehen, dass jene zur mittelbaren unrichtigen Beurkundung führende Tat des Angeklagten in Eisenstadt gesetzt wurde.
Ob bzw wenn ja, wann und wo der Angeklagte diese Verfahrenskarten zum Beweis seines darin beurkundeten Geburtsdatums gebraucht hat, somit Anhaltspunkte für eine die Strafbarkeit nach § 228 Abs 1 StGB verdrängende Verwirklichung des Tatbestands des § 228 Abs 2 StGB liegen derzeit nicht vor.
Auch bezüglich des Vorwurfs der unrechtmäßigen Inanspruchnahme von sozialen Leistungen nach § 119 FPG ist den Akten nur die im Competence Center Eisenstadt gesetzte Tathandlung, bei der sich der Angeklagte als Minderjähriger ausgegeben haben soll, zu entnehmen.
Insoweit bestimmt sich die Zuständigkeit für das gegen den Angeklagten zu führende Verfahren nach dem einzigen aktenkundigen Ort (mit Ausnahme der zeitlich später gesetzten Handlungen, die zu den Strafanträgen ON 3 in ON 5 und ON 6 in ON 11 führten), an dem er eine Ausführungshandlung im Sinn des Strafantrags ON 3 gesetzt hat, woraus sich – ungeachtet des in ON 3 genannten Tatorts „in Salzburg“ – die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Eisenstadt ergibt.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0110NS00002.18K.0320.000 |
Schlagworte: | Strafrecht; |
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