Suchen Hilfe
OGH 01.12.1999, 9Ob254/99i

OGH 01.12.1999, 9Ob254/99i

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fa. A*****, Inhaber Alois M*****, vertreten durch Dr. Hans Kortschak, Rechtsanwalt in Leibnitz, gegen die beklagte Partei Anita M*****, Landwirtin, *****, vertreten durch Dr. Norbert Scherbaum ua, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 584.315,38 sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 102/99y-52, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 11 Cg 20/96q-43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 21.618,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.603,- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Michael und Maria P*****, Stiefvater bzw. Mutter der Beklagten (in der Folge kurz: Übergeber), waren je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaften EZ 18 und EZ 138 je Grundbuch K*****, Gerichtsbezirk F*****und EZ 577 Grundbuch R*****, Gerichtsbezirk G*****. Die Übergeber hatten vom Kläger zur Bewirtschaftung ihrer auf den Liegenschaften betriebenen Landwirtschaft Waren im Wert von S 471.420,- bezogen. Mit rechtskräftigem Wechselzahlungsauftrag des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom wurden sie verpflichtet, dem Kläger diesen Betrag samt Zinsen und Kosten zu zahlen (siehe im Detail S 4 des Berufungsurteils). Noch am Tag der Zustellung des Wechselzahlungsauftrages räumten die Übergeber - offenkundig, um den Kläger zu benachteiligen - der Beklagten auf den Liegenschaften Veräußerungs- und Belastungsverbote ein, die in der Folge auch einverleibt wurden. Ein vom Kläger hinsichtlich dieser Belastungs- und Veräußerungsverbote eingeleitetes Anfechtungsverfahren ruht.

Im Februar 1995 waren auf den Liegenschaften Belastungen ua zu Gunsten der S*****Bank und Sparkassen AG (in der Folge: Bank) in Höhe von ca. S 5,8 Millionen intabuliert. Der "Verkehrswert ohne Wohnrechte der Liegenschaften" beträgt S 5.050.000,-. Der Wert der auf den Liegenschaften bereits im Februar 1995 lastenden Wohn- und Ausgedingsrechte beträgt S 654.000,-.

Die Beklagte wollte den wegen der schlechten finanziellen Lage der Übergeber drohenden Verkauf der Liegenschaften an Dritte verhindern und entschloss sich daher, sie selbst zu erwerben und darauf ein Seniorenwohnheim zu errichten. Am unterfertigte sie zur Besicherung der per mit S 5.396.917 aushaftenden Kredite der Bank die Kreditbeitrittserklärung Beil ./7. Am schloss sie mit den Übergebern den Kaufvertrag Beil ./1, mit dem sie die Liegenschaften um S 6,170.517,- erwarb. Die Berichtigung des Kaufpreises erfolgte durch Übernahme der Verbindlichkeiten bei der Bank sowie durch die Einräumung eines mit S 201.600,- bewerteten Wohnrechtes der Übergeber sowie eines Wohn- und Ausgedingsrechtes zu Gunsten der Ehegatten N*****, das mit S 72.000 bewertet wurde. Der Wert des Wohnrechtes der Übergeber beträgt S 499.000,-.

Nach mehreren Fahrnis- und Drittschuldnerexekutionen betrieb der Kläger seit die Zwangsverwaltung der Liegenschaften. Diese wurde von den Bezirksgerichten Feldbach und Güssing mit Beschlüssen vom und vom eingestellt. Vorher war den Parteien der die Liegenschaft EZ 577 betreffende Bericht des Zwangsverwalters vom zugestellt und mitgeteilt worden, dass die amtswegige Einstellung der Zwangsverwaltung beabsichtigt sei, zumal die Erzielung von Erträgnissen, die zur Befriedigung des betreibenden Gläubigers verwendet werden könnten, nicht zu erwarten sei.

Am suchte die Beklagte, die bis dahin bei den Übergebern gewohnt und in deren Landwirtschaft mitgearbeitet hatte, um die Genehmigung des Neubaues eines Betreuungsheimes auf der Liegenschaft EZ 18 an. Für die Errichtung dieses Heimes gewährte ihr die Bank einen Kredit über S 24.000.000,-, für den sie monatlich ca S 120.000,- an Zinsen zahlt.

Die Übergeber helfen der Beklagten beim Betrieb des Seniorenheimes - die Mutter der Beklagten hilft ihr in der Küche und vertritt sie bei Kundenanfragen, der Stiefvater erledigt Außenarbeiten im Garten - erhalten dafür aber keinen Lohn. Die Beklagte trägt ihre Lebenshaltungskosten und gibt ihnen Bargeld, wenn sie es benötigen. Sie zahlt auch für die Übergeber die Beiträge zur Sozialversicherung.

Die Bank hat die Übergeber aus ihrer persönlichen Haftung für die per mit S 5,394.917,- aushaftenden Kredite entlassen; wann dies der Fall war, ist den Feststellungen nicht zu entnehmen.

Mit seiner am eingelangten Klage begehrt der Kläger von der Beklagten S 584.315,38 sA (Wechselforderung samt Zinsen und Kosten sowie Kosten der exekutiven Betreibung). Er beruft sich auf § 1409 ABGB. Die Beklagte habe die Verbindlichkeit ihrer Eltern gekannt und dennoch deren im Wesentlichen einziges Vermögen übernommen. Zwischen den Liegenschaften und der Forderung des Klägers bestehe ein wirtschaftlicher Zusammenhang. Anstelle der Liegenschaften sei kein Verkaufserlös verblieben; dem Kläger sei die Haftungsgrundlage entzogen worden. Die Beklagte habe nicht bewiesen, bis zum Aktivwert der Liegenschaften Schulden abgedeckt zu haben. Sie habe die Schulden der Eltern nicht übernommen, sondern sei ihnen nur beigetreten.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Dem Kläger sei keine Haftungsgrundlage entzogen worden, weil die Liegenschaften ohnedies über ihren Wert hinaus belastet gewesen seien. Auch die Zwangsverwaltung sei mangels relevanter Erträge eingestellt worden. Die Beklagte habe die Verbindlichkeiten der Eltern übernommen und erklärt, sie schad- und klaglos zu stellen. Sie könne nur mit dem Wert der übernommenen Aktiven haften, von dem die hypothekarischen Sicherstellungen abzuziehen seien. Die Übernahme dieser Verbindlichkeiten von S 5.896.917,- stelle die Kaufpreisberichtigung dar. Die Veräußerer seien von der Bank aus ihrer Haftung entlassen worden, wodurch eine die Haftung nach § 1409 ABGB ausschließende befreiende Schuldübernahme erfolgt sei. Überdies habe die Beklagte die Verbindlichkeiten ihrer Eltern weder gekannt noch kennen müssen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und vertrat die Rechtsauffassung, dass den Erwerber keine Haftung für die Schulden des Veräußerers treffe, soweit er einen den Wert des Unternehmens bzw. Vermögens entsprechenden Kaufpreis im Auftrag des Veräußerers zur Befriedigung seiner Gläubiger verwendet habe. Hier habe die Beklagte die den Wert der Liegenschaften übersteigenden Verbindlichkeiten der Übergeber gegenüber der Bank übernommen, wobei - da die Übergeber von der Bank aus der Haftung entlassen worden seien - eine befreiende Schuldübernahme vorliege, die dem Erwerber voll anzurechnen sei. Außerdem habe die Beklagte nicht das gesamte Vermögen der Übergeber übernommen, zumal sich diese ein Wohnrecht im Wert von S 499.000,-

vorbehalten hätten.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und ging überdies in tatsächlicher Hinsicht davon aus, dass bereits seit der 1983 erfolgten Übernahme der Liegenschaften EZ 18 und EZ 139 durch die nunmehrigen Übergeber im Grundbuch ein Veräußerungsverbot zugunsten der Beklagten eingetragen gewesen sei.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass die Regelung des § 1409 ABGB bezwecke, die Gläubiger vor dem Verlust des exekutiven Zugriffes auf den Haftungsfonds zu bewahren. Damit müsse aber auch berücksichtigt werden, dass die Liegenschaften EZ 18 und EZ 138 schon wegen des seit 1983 eingetragenen Veräußerungsverbotes zugunsten der Beklagten dem exekutiven Zugriff des Klägers entzogen gewesen seien. Da auch die Zwangsverwaltung der Liegenschaft EZ 577 keine nennenswerte Erträge habe erwarten lassen, könne jedenfalls nicht von einer maßgeblichen Veränderung der Sicherheiten für die nicht dinglich besicherten Gläubiger der Übergeber ausgegangen werden, zumal die Liegenschaften deutlich überbelastet gewesen seien. Überdies habe die Beklagte die Übergeber von sachbezogenen Verbindlichkeiten in einem den Wert der übernommenen Aktiven übersteigenden Ausmaß befreit. Da § 1409 ABGB keine Verteilungsvorschrift enthalte, hätte die Beklagte durch Übernahme dieser Verbindlichkeiten der Übergeber, die von der Bank aus ihrer Haftung entlassen worden seien, haftungsbefreiend eine Gläubigerbefriedigung bewirkt. Wenn sie auch tatsächlich keine Tilgungsleistungen erbracht habe, habe sie doch durch das Pflegeheim einen zusätzlichen Haftungsfonds für die Bank geschaffen.

Im Hinblick auf die Einzelfallproblematik sei die ordentliche Revision nicht zuzulassen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die außerordentliche Revision zu "verwerfen".

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil die hier entscheidenden Frage, ob die Obergrenze der aus § 1409 ABGB resultierenden Haftung des Erwerbers um den Wert der auf dem übernommenen Vermögen pfandrechtlich sichergestellten Forderungen zu reduzieren ist, in Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet wird. Sie ist allerdings im Ergebnis nicht berechtigt.

Gemäß § 1409 Abs 1 ABGB ist jemand, der ein Vermögen oder ein Unternehmen übernimmt, unbeschadet der fortdauernden Haftung des Veräußeres den Gläubigern aus den zum Vermögen oder Unternehmen gehörigen Schulden, die er bei der Übergabe kannte oder kennen mußte, unmittelbar verpflichtet. Er wird aber von der Haftung insoweit frei, als er an solchen Schulden schon so viel berichtigt hat, wie der Wert des übernommenen Vermögens oder Unternehmens beträgt.

Unter Vermögen oder Unternehmen iSd § 1409 ABGB versteht die herrschende Rechtsprechung die Aktiven (SZ 56/140; SZ 44/170; RIS-Justiz RS0010004). Mit der Frage ob Pfandbelastungen des Übernommenen bei der Wertberechnung des Vermögens oder Unternehmens in Abzug zu bringen sind, befassen sich aber in Wahrheit - soweit überblickbar - nur die Entscheidungen SZ 8/150, JBl 1966, 523 und ÖBA 1987/50.

In SZ 8/150 führt der Oberste Gerichtshof aus, dass eine etwaige Pfandbelastung des übernommenen Vermögens nicht in Abzug zu bringen sei, und begründet dies damit, dass es Sache des Übernehmers sei, zu beurteilen, welche Schulden er zweckmäßigerweise abzutragen habe, um dem Unternehmen zu dienen und im Rahmen seiner Haftung eine günstige Entwicklung des Unternehmens zu fördern. Dieser Standpunkt wird in der Entscheidung JBl 1966, 523 geteilt und ebenfalls damit begründet, dass der Übernehmer bestimmen könne, in welcher Reihenfolge er die zum übernommenen Vermögen gehörigen Schulden berichtige; es bleibe ihm demnach auch überlassen, die pfandrechtlich sichergestellten Forderungen zunächst abzudecken. Im Gegensatz dazu bezeichnet es der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung ÖBA 1987/50 ohne nähere Begründung als "richtig, dass Pfandrechtsbelastungen bei der Wertberechnung des Vermögens in Abzug zu bringen sind", wobei er neben der (insoweit nicht ergiebigen) Entscheidung JBl 1967, 206 die Entscheidung SZ 8/150 zitiert, die aber - wie ausgeführt - den gegenteiligen Standpunkt vertritt. Ebenso unklar sind weitere Ausführungen der Entscheidung, die für eine konkrete Pfandbelastung das eben referierte Ergebnis unter Hinweis auf die Notwendigkeit einer privativen Schuldübernahme offenkundig wieder einschränken.

In der Lehre vertritt Wolff (in Klang**2 VI 354) ebenfalls den Standpunkt, dass Pfandrechte auf Gegenständen des übernommenen Vermögens bei Berechnung des Wertes nicht abzuziehen seien, weil es dem Übernehmer überlassen bleiben solle, welche Schulden er im Interesse des Unternehmens in erster Linie abtrage. Diese Auffassung teilen auch Klang (§ 1409 ABGB in der Rechtsprechung, JBl 1948, 437 [443f] und - in jüngerer Zeit - Riedler (Der Vermögens- und Unternehmensbegriff des § 1409 ABGB, JBl 1992, 563 [573]. Demgegenüber ist der Erwerber nach Ehrenzweig (System**2 II71, 283) berechtigt, die auf den übernommenen Aktiven sichergestellten Schulden vorweg abzuziehen. Ertl (in Rummel, ABGB**2 Rz 6) vertritt die Auffassung, dass Schulden, die auf Teilen der übernommenen Aktiven sichergestellt sind, vom Übernehmer jedenfalls zu begleichen seien; im übrigen sei ihre Anrechnung strittig. Auch nach Mayerhofer (Schuldrecht, Allgemeiner Teil 531) hat der belangte Übernehmer für Schulden, die auf Teilen der übernommenen Aktiven sichergestellt sind, in jedem Fall einzustehen. Daraus leitet er zur Vermeidung von ungerechtfertigen Vor- oder Nachteilen ab, dass vor der Bezahlung ein entsprechender Betrag im Haftungsrahmen dem gesicherten Gläubiger reserviert sei und nur der den Forderungsbetrag allenfalls übersteigende Restwert des Sicherungsobjekts für die Ermittlung jener Grenze herangezogen werden könne, bis zu der der Übernehmer Schulden zu begleichen habe. Durch die Zahlung der gesicherten Schuld werde dann das Sicherungsobjekt freigestellt und komme dessen Wert für die Aufstockung der Verpflichtungshöhe des Übernehmers soweit in Betracht, als der reservierte Wertbetrag durch die Zahlung der gesicherten Schuld nicht augenützt worden sei (etwa weil der Gläubiger auf einen Teil verzichtet habe).

Die wiedergegebenen Ausführungen machen deutlich, dass die in SZ 5/180 und in JBl 1966, 523 sowie von Wolff, Klang und Riedler vertretene Meinung, pfandrechtlich sichergestellte Schulden führten zu keiner Verminderung des Haftungsrahmens, vor allem mit der Überlegung begründet wurde, dass es ohnedies im freien Ermessen des Übernehmers stehe, in welcher Reihenfolge er die zum übernommenen Vermögen gehörigen Schulden berichtige. Nach völlig herrschender Lehre und Rechtsprechung hat aber der Übergeber, wenn der übernommene Wert zur Befriedigung aller auf dem Übernommenen lastenden Passiven nicht ausreicht, die Gläubiger nicht nach freiem Ermessen, sondern "nach dem Zuvorkommen" zu befriedigen, also in der zeitlichen Reihenfolge, in der sie ihre Ansprüche geltend gemacht haben (so ohnedies Wolff, aaO, 354; siehe ferner Honsell/Heidinger in Schwimann, ABGB**2, Rz 27 zu § 1409; sowie Ertl, aaO, Rz 6 zu § 1409; je mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; die vom Berufungsgericht zitierten gegenteiligen Entscheidungen in diesem Sinne - eben die Entscheidungen JBl 1966,523 und SZ 5/180 - sind insofern vereinzelt geblieben und überholt).

Dies bedeutet aber, dass - wollte man für pfandrechtlich sichergestellte Forderungen vom Grundsatz der Notwendigkeit des "Zuvorkommens" keine Ausnahme machen - der Übernehmer Gefahr liefe, die Forderungen der "zuvorgekommenen" Gläubiger (allenfalls sogar bis zur Höhe der übernommenen Aktiven) zu befriedigen und dessen ungeachtet im Hinblick auf die davon nicht berührte Sachhaftung des übernommenen Pfandgegenstandes - wenn auch nur mit diesem - dem Zugriff der Pfandgläubiger ausgesetzt zu sein und damit gegebenenfalls insgesamt über die dem Wert der Aktiven entsprechende Haftungsgrenze hinaus für Schulden des Übergebers zahlen zu müssen. Dieses Ergebnis liegt aber nicht in der Intention der Regelung des § 1409 ABGB. Es lässt sich aber nur dann vermeiden, wenn man entweder - wie Ertl und Mayerhofer - davon ausgeht, dass der Übernehmer für die auf übernommenen Aktiven sichergestellten Schulden in jedem Falle, also ungeachtet des Zuvorkommens nicht pfandrechtlich gesicherter Gläubiger, einzustehen hat und durch die Zahlung pfandrechtlich gesicherter Schulden eine Reduktion der Haftungsgrenze bewirkt, oder wenn man - wie (weitergehend) Ehrenzweig - bei der Ermittlung der Haftungsgrenze von vornherein und ohne Rücksicht auf eine Zahlung durch den Erwerber die pfandrechtlich gesicherten Schulden vom Wert des übernommenen Vermögens abzieht.

Beide Varianten lassen sich nach Ansicht des erkennenden Senates mit dem Zweck der Regelung des § 1409 ABGB vereinbaren. Diese Regelung soll die Gläubiger, die im Vertrauen auf das Vermögen des Schuldners Kredit gewährt haben, vor dem Verlust des Haftungsfonds bewahren (Honsell/Heidinger, aaO, Rz 1 zu § 1409). Jener Gläubiger, der im Vertrauen auf ein mit Pfandrechten belastetes Vermögen Kredit gewährt, muss aber damit rechnen, dass ihm dieses Vermögen nur insoweit als Haftungsfonds dienen wird, als sein Wert die Höhe der pfandrechtlich sichergestellten Forderungen übersteigt. Durch die Veräußerung des belasteten Vermögens wird ihm daher trotz der mit beiden Varianten verbundenen Bevorzugung pfandrechtlich gesicherter Gläubiger in Wahrheit kein Haftungsfonds entzogen. Aber selbst dann, wenn die nicht sichergestellte Forderung aus einer Zeit stammt, in der die konkurrierenden Forderungen noch nicht pfandrechtlich sichergestellt waren, ist mit einer derartigen Bevorzugung kein nicht zu rechtfertigender Eingriff in das durch § 1409 ABGB geschützte Vertrauen des Gläubigers verbunden. Auch ohne Veräußerung der Liegenschaft muss der Gläubiger, der nicht für die pfandrechtliche Sicherstellung seiner Forderung sorgt, mit der Möglichkeit rechnen, dass später auftretende Gläubiger Pfandrechte erwirken und ihm auf diese Weise bei der Verteilung des Erlöses der Pfandsache zuvorkommen.

Für den hier zu beurteilenden Fall reicht es aus, festzuhalten, dass der Übernehmer aus den erörterten Gründen jedenfalls durch die Zahlung von auf dem Übernommenen pfandrechtlich sichergestellten Forderungen die durch den Wert der Aktiven gebildete Haftungsgrenze reduziert; ob darüber hinaus generell und unabhängig von einer Zahlung des Übernehmers die pfandrechtlich sichergestellten Forderungen vom Wert der Aktiven abzuziehen sind, braucht hier aus folgenden Überlegungen nicht geklärt werden.

Die Beklagte hat zwar nicht unter Beweis gestellt, auf die pfandrechtlich sichergestellten Forderungen der Bank Zahlungen geleistet zu haben; nach den Feststellungen hat sie aber die Haftung für diese Ansprüche der Bank gegen die Übergeber übernommen. Eine vom Erwerber rechtsgeschäftlich übernommene Haftung für Schulden des Veräußerers wird dann gleich einer Zahlung haftungsmindernd angerechnet, wenn eine im Einverständnis mit dem Gläubiger erfolgte und den Übergeber befreiende Schuldübernahme vorliegt (ÖBA 1987, 657; 7 Ob 216/72; Ertl, aaO, Rz 1 zu § 1409).

Dass eine solche befreiende Schuldübernahme schon anlässlich des Erwerbs der Liegenschaften durch die Beklagte stattgefunden habe, wurde weder behauptet noch bewiesen. Nach den Feststellungen hat die Beklagte damals lediglich eine "Kreditbeitrittserklärung" (S 11 des Ersturteils) abgegeben, was mit dem Wortlaut des Kaufvertrages Beil ./1 übereinstimmt, in dem nur von einer Übernahme der Verbindlichkeiten und einer Schad- und Klagloshaltung der Übergeber die Rede ist. Auch im dazu erstatteten Vorbringen der Beklagten in der Tagsatzung vom (S 255 des Aktes) ist von einer Kreditbeitrittserklärung die Rede sowie davon, dass den Übergebern eine Entlassung aus der Haftung für den Fall ihres Wohlverhaltens und der Unterstützung der Beklagten bei der Bewirtschaftung der übernommenen Liegenschaft zugesagt wurde; erst "in weiterer Folge" (S 257 des Aktes) seien die Übergeber aus der Haftung entlassen worden. Dass die Übergeber schließlich aus der Haftung entlassen wurden, wurde auch festgestellt. Mit diesem Zeitpunkt - wann, steht nicht fest; jedenfalls noch vor Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz - wurde daher ein einer befreienden Schuldübernahme gleichzuhaltendes Ergebnis hergestellt. Dies ist im Sinne der oben wiedergegebenen Rechtsprechung einer Zahlung gleichzuhalten. Dass der Kläger mit seiner Klageführung der befreienden Schuldübernahme "zuvorgekommen" ist, ist nicht entscheidend, weil der Übernehmer - wie oben ausführlich begründet - für pfandrechtlich sichergestellte Forderungen in jedem Falle einzustehen hat und eine darauf geleistete Zahlung (oder eine der Zahlung gleichzuhaltende befreiende Schuldübernahme) jedenfalls die Haftungsgrenze des Erwerbers reduziert.

Da nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen die Beklagte pfandrechtlich sichergestellte Forderungen der Bank in einer den Wert der übernommenen Liegenschaften übersteigenden Höhe übernommen hat, hat sie ihre Haftungsgrenze jedenfalls auf Null reduziert, sodass sie für die Forderung des Klägers nicht mehr einstehen muss. Ob die Haftungsgrenze von vornherein - unabhängig von einer Zahlung - um den Wert der pfandrechtlich sichergestellten Forderungen (soweit sie tatsächlich aushafteten) zu reduzieren gewesen wäre, braucht daher nicht geklärt zu werden.

Auf die vom Revisionswerber bekämpften Argumente, mit denen das Berufungsgericht die Haftung der Beklagten verneint hat, braucht daher nicht mehr eingegangen zu werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fa. A. u. E. M*****, Inhaber Alois M*****, vertreten durch Dr. Hans Kortschak, Rechtsanwalt in Leibnitz, gegen die beklagte Partei Anita M*****, Landwirtin, *****, vertreten durch Dr. Norbert Scherbaum und andere, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 584.315,38 sA, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom wird in seiner Begründung dahin berichtigt, dass

1) auf S 11 des Urteils in der 4. und in der 16. Zeile des zweiten Absatzes jeweils das Wort "Übergeber" durch das Wort "Übernehmer" ersetzt wird;

2) auf S 13 des Urteils in der 5. Zeile des zweiten Absatzes die Formulierung "gegen die Beklagte" durch die Formulierung "gegen die Übergeber" ersetzt wird und

3) auf S 14 des Urteils in der 10. und 11. Zeile des ersten Absatzes die Worte "der Bank" zu entfallen haben.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die im Spruch ersichtlichen Richtigstellungen betreffen aus dem Zusammenhang offenkundig ersichtliche Diktat- bzw Übertragungsfehler, die gemäß § 419 ZPO von Amts wegen zu berichtigen waren.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:1999:0090OB00254.99I.1201.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
WAAAD-81203