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OGH vom 05.02.2008, 10ObS116/07t

OGH vom 05.02.2008, 10ObS116/07t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Johann Holper (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Elisabeth K*****, vertreten durch Kindel & Kindel Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Rs 69/07v-7, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 28 Cgs 159/06m-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am geborene Klägerin hat zum Stichtag insgesamt 212 Versicherungsmonate erworben, davon 157 Beitragsmonate der Pflichtversicherung. Sie hat eine Tochter, die am geboren wurde. Anlässlich der Geburt ihrer Tochter bezog die Klägerin Wochengeld. Dafür erwarb sie eine Ersatzzeit von vier Monaten. Für die Zeit der Kindererziehung erwarb sie 46 Monate Ersatzzeiten.

Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Pensionsversicherung den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung einer Berufsunfähigkeitspension ab, weil die Wartezeit nicht erfüllt sei. Mit der dagegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Gewährung der Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß seit . Nach § 236 Abs 4 Z 1 lit a ASVG sei zu diesem Stichtag die Wartezeit von mindestens 180 Beitragsmonaten für den Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit bereits erfüllt; die Zeiten der Kindererziehung im Ausmaß von „bis zu" 24 Monaten hätten nämlich gemäß § 236 Abs 4a ASVG [rückwirkend] als Beitragszeiten berücksichtigt werden müssen, weil die Klägerin während der Erziehung ihrer Tochter sämtliche Anspruchsvoraussetzungen des § 236 Abs 4a ASVG erfüllt habe und daher „nach der geltenden Rechtslage" für diese Zeiten Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld „gehabt hätte". Die beklagte Partei wendete ein, Erziehungszeiten für Kinder, die vor dem geboren wurden, seien nach § 236 Abs 4a ASVG nicht anrechenbar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Kinderbetreuungsgeld und die Bestimmung des § 236 Abs 4a ASVG seien durch BGBl I 103/2001 mit Wirksamkeit seit eingeführt worden, wobei die Anrechnung mit BGBl I 71/2003 ab von 18 auf 24 Monate erhöht worden sei. In den Regierungsvorlagen zu diesen Gesetzen würden die Worte „künftig" und „in Hinkunft" verwendet, die im Sinn von „in Zukunft" oder auch „von nun an" zu verstehen seien. Diese Regelungen seien daher nur auf Sachverhalte nach Inkrafttreten des Gesetzes anzuwenden. Dass § 236 Abs 4a ASVG - wie die Klägerin meine - rückwirkend alle Erziehungszeiten im Ausmaß von bis zu 24 Beitragsmonaten, bei denen abstrakt der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld nach dem KBGG in der Vergangenheit (noch vor der Schaffung dieses Gesetzes) bestanden hätte, anrechnen wollte, lasse sich aus den Gesetzesmaterialien somit nicht herauslesen. Auch durch die Formulierung des § 236 Abs 4a Z 1 ASVG in der Gegenwart (Anrechnung von Zeiten, für die ein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld „besteht") sei - im Hinblick darauf, dass es vor dem kein Kinderbetreuungsgeld gegeben habe - davon auszugehen, dass es die klare Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, Kindererziehungszeiten erst ab als Beitragsmonate zu berücksichtigen. Die beklagte Partei habe die Kindererziehungszeiten der Klägerin daher zu Recht lediglich als Ersatzzeiten gewertet. Die Wartezeit für die begehrte Berufsunfähigkeitspension sei daher nicht erfüllt. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es verwies auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des Erstgerichts und nahm zu den Berufungsausführungen wie folgt Stellung:

Gemäß § 595 Abs 1 ASVG sei § 236 Abs 4a ASVG mit in Kraft getreten. Gegen die Auslegung dieser Gesetzesstelle durch die Klägerin spreche unter anderem, dass es vor diesem Zeitpunkt einen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, auf den die Regelung abstelle, nicht gegeben habe. Da für die Kindererziehungszeiten vor dem die Regelung des § 227a ASVG über die Qualifikation dieser Zeiten als Ersatzzeiten Anwendung finde, ergebe sich durch die Auslegung des Erstgerichts auch keine Verschlechterung für die betroffenen Personen. Es liege im Wesen von Rechtsänderungen im Bereich des Sozialversicherungsrechts, dass diese teilweise erst Jahrzehnte später ihre (volle) Wirksamkeit entfalteten. Gemäß § 617 Abs 1 Z 1 und Abs 3 ASVG gelte § 8 Abs 1 Z 2 lit g ASVG idF BGBl I 142/2004 erst für Kindererziehungszeiten ab dem für ab dem Geborene. Auch diese Bestimmung werde daher erst bei Pensionsanträgen jener Elterngeneration volle Wirksamkeit entfalten, die ab dem Kinder zur Welt gebracht und erzogen haben. Es treffe nicht zu, dass § 236 Abs 4a ASVG in der Auslegung durch das Erstgericht nur auf einen eingeschränkten Personenkreis anzuwenden sei. Vielmehr werde diese Bestimmung größtenteils erst in ferner Zukunft wirksam werden. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich alle - unabhängig von ihrer zeitlichen Lagerung - vorhandenen Kindererziehungszeiten im Ausmaß von 18 bzw 24 Monaten als Beitragszeiten qualifizieren wollen, dann hätte er dies in § 236 Abs 4a ASVG und in den dazu gehörigen Übergangsbestimmungen klar zum Ausdruck gebracht. Weder deren Wortlaut noch die vom Erstgericht dargestellten Gesetzesmaterialien deckten eine derart „revolutionäre" (weitreichende) rückwirkende Änderung der pensionsrechtlichen Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten. Hätte der Gesetzgeber eine solche vornehmen wollen, wäre auch § 227a ASVG geändert worden und in § 236 Abs 4a ASVG für Zeiträume vor dem nicht auf einen Kinderbetreuungsgeldbezug, sondern auf einen Karenzgeldbezug abgestellt worden.

Es sei auch verfassungsrechtlich völlig unbedenklich, eine pensionsrechtliche Regelung für Geburten bzw Kindererziehungszeiten ab einem bestimmten Zeitpunkt zu verbessern; andernfalls müsste der Gesetzgeber jede Verbesserung - wollte er nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßen - auch für Jahrzehnte davorliegende Sachverhalte gewähren.

Gemäß § 607 Abs 1 Z 1 ASVG sei § 236 Abs 4a ASVG idF BGBl I 71/2003 mit in Kraft getreten, sodass eine Berücksichtigung von 24 Beitragsmonaten erst für Kinderziehungszeiten ab diesem Zeitpunkt in Betracht komme. Hätte der Gesetzgeber tatsächlich auf den abstrakten Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld abstellen wollen, wäre dies leicht anders als in der vorliegenden Fassung des § 236 Abs 4a ASVG zu formulieren gewesen, nämlich etwa dahin, dass darauf abgestellt werde, ob vor dem bei Anwendung des KBGG ein Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld „bestanden hätte".

Es sei auch nicht richtig, dass § 236 Abs 4a ASVG in der Auslegung des Erstgerichts insgesamt obsolet sei, weil das APG für ab dem Geborene gelte, sodass die genannte Bestimmung nur Personen betreffe, die vor diesem Zeitpunkt geboren und demnach im Jahr 2002, also bei Inkrafttreten des KBGG, bereits über 47 Jahre alt gewesen seien. Hinsichtlich der Kindererziehungszeiten ab dem gelte für ab dem geborene Eltern § 8 Abs 1 Z 2 lit g ASVG idF BGBl I 142/2004 und für vor dem Geborene gemäß § 617 Abs 3 ASVG weiterhin § 227a ASVG (und auch § 236 Abs 4a ASVG), während auf Erziehungszeiten ab dem bis - entgegen den Ausführungen der Klägerin - unabhängig vom Geburtsdatum der Eltern § 236 Abs 4a ASVG und auch § 227a ASVG anzuwenden seien. Da für den genannten Zeitraum § 236 Abs 4a ASVG auch für die ab geborenen Eltern Anwendung finde, habe er sehr wohl einen Anwendungsbereich. Das Erstgericht sei daher zutreffend zu einer Nichtanwendung dieser Bestimmung auf die Kindererziehungszeiten der Klägerin gelangt.

Die Revision sei zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur „Ausführung" (gemeint: Auslegung) des § 236 Abs 4a ASVG nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

In seinen Revisionsausführungen wiederholt die Klägerin lediglich die Rechtsrüge ihrer Berufung, ohne auf die (Gegen-)Argumente der Berufungsentscheidung, die sich mit den dort aufgeworfenen Fragen im Einzelnen auseinandersetzen, einzugehen. Die Revision macht zwar jeweils geltend, dass die Beurteilung des Berufungsgerichts „aus folgenden Gründen unrichtig" sei; auf diese Überschrift folgt jedoch immer nur die wortgleiche Wiedergabe jenes Punkts der Berufung, mit dem sich das Gericht zweiter Instanz ohnehin bereits befasst hat. Der einzige neue, auf die Beurteilung des Berufungsgerichts eingehende Absatz der insgesamt acht Seiten umfassenden Rechtsmittelausführungen lautet wie folgt: „Dass der Gesetzgeber allenfalls auch § 236 Abs 4a ASVG anders hätte formulieren können, ändert nichts an vom Gesetzgeber eindeutig mit dieser Bestimmung verfolgten Ziel, eine Verbesserung [hier fehlt: der] pensionsrechtlichen Stellung der Frau zu bewirken."

Da der Oberste Gerichtshof die Begründung des Urteils des Berufungsgerichts für zutreffend erachtet, genügt ein Hinweis auf deren Richtigkeit (§ 510 Abs 3 ZPO). Den Revisionsausführungen ist daher nur kurz zu erwidern:

Wie schon die Revisionsbeantwortung zutreffend aufzeigt, bedürfte die „rückwirkende Gestaltung" einer Rechtsnorm einer ausdrücklichen Regelung (vgl etwa: § 617 Abs 2 und 3 ASVG), die dem § 236 Abs 4a ASVG jedoch nicht zu entnehmen ist. Da das Kinderbetreuungsgeld erst ab eingeführt wurde und § 236 Abs 4a ASVG auf das Bestehen eines Anspruchs auf Kinderbetreuungsgeld abstellt, findet diese Bestimmung im Fall der Klägerin somit keine Anwendung. Dass sie die Wartezeit für die begehrte Pensionsleistung nicht erfüllt, wenn Kindererziehungzeiten nicht als Beitragszeiten nach der zitierten Bestimmung angerechnet werden, zieht die Klägerin aber gar nicht in Zweifel.

Der Revision musste daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.