VfGH vom 22.09.2003, B1266/01

VfGH vom 22.09.2003, B1266/01

Sammlungsnummer

16937

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Ausländergrunderwerbs mangels Berücksichtigung offenkundiger privater Interessen der Beschwerdeführerin

Spruch

Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, der Beschwerdeführerin zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit € 2.143,68 bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Schenkungsvertrag vom 14. November/ schenkte F F ein mit einem Einfamilienwohnhaus bebautes Grundstück in Going seiner Tochter M F-Sch und seinem Schwiegersohn P Sch. Das Ehepaar hat seit Mai 1998 mit seinen gemeinsamen Kindern seinen Hauptwohnsitz in dem geschenkten Haus. P Sch ist österreichischer Staatsbürger, seine Ehefrau und deren Vater, der Geschenkgeber, sind amerikanische Staatsbürger.

2. Die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel als Grundverkehrsbehörde erster Instanz stellte hinsichtlich des Erwerbes des Hälfteanteiles durch den österreichischen Staatsbürger P Sch eine Bestätigung gemäß § 25a Abs 1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im folgenden: TGVG 1996) aus, wonach der Rechtserwerb von der Erklärungspflicht nach § 10 TGVG 1996 ausgenommen sei. Dem Rechtserwerb des Hälfteanteiles durch M F-Sch versagte die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel die grundverkehrsbehördliche Genehmigung mit Bescheid.

3. Die dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom als unbegründet abgewiesen.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen, nämlich der Sache nach des § 12 Abs 2 und des § 13 Abs 1 litc TGVG 1996, behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

5. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. § 12 TGVG 1996, LGBl. 61/1996, lautet:

"(1) Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte und Rechtsvorgänge, die den Erwerb von Rechten im Sinne des § 9 an Baugrundstücken oder von Rechten im Sinne des § 4 an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken oder an sonstigen Grundstücken durch Ausländer zum Gegenstand haben.

(2) In folgenden Fällen bedarf es nicht der Genehmigung nach Abs 1:

a) beim Rechtserwerb durch Erben oder Vermächtnisnehmer, die zum Kreis der gesetzlichen Erben gehören, sofern nicht von der Anordnung des Gesetzes oder des Erblassers oder von den Bestimmungen des Erbvertrages durch besondere Übereinkommen (Erbteilungsübereinkommen) abgegangen wird;

b) beim Rechtserwerb nach rechtskräftiger Scheidung, Nichtigerklärung oder Aufhebung einer Ehe zwischen den früheren Ehegatten im Zuge der Aufteilung des ehelichen Vermögens."

§ 13 TGVG 1996 lautet:

(1) Die Genehmigung nach § 12 Abs 1 darf nur erteilt werden, wenn

a) ...

b) bei Rechtserwerben an Baugrundstücken die Erklärung nach § 11 Abs 1 oder 2 vorliegt; der Erklärung nach § 11 Abs 1 oder 2 lita bedarf es jedoch nicht beim Rechtserwerb an einem Freizeitwohnsitz nach § 14 Abs 1,

c) in allen Fällen der Rechtserwerb staatspolitischen Interessen nicht widerspricht und ein öffentliches Interesse am Rechtserwerb durch den Ausländer, insbesondere in wirtschaftlicher, kultureller oder sozialer Hinsicht, besteht.

..."

Nachfolgende Novellen haben diese Bestimmungen nicht geändert.

2. Soweit in der Beschwerde ohne nähere Begründung Bedenken gegen § 13 TGVG 1996 (der Sache nach gegen § 13 Abs 1 litc) vorgebracht werden, genügt es darauf hinzuweisen, daß der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, daß gegen die vergleichbare Regelung des § 5 Abs 2 Vorarlberger GVG 1977 keine Bedenken bestehen (VfSlg. 10271/1984, 11689/1988). Auch gegen § 13 Abs 1 litc TGVG 1996 sind im Lichte des Beschwerdevorbringens keine Bedenken entstanden.

3. Weiters wird in der Beschwerde mit näherer Begründung vorgebracht, daß der angefochtene Bescheid das Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletze.

3.1. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewandt hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 10370/1985, 11470/1987).

3.2. Dies ist tatsächlich der Fall: Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid in allgemeinen Ausführungen nur damit auseinandergesetzt, daß ein besonderes öffentliches Interesse am Rechtserwerb nicht hervorgekommen sei. Sie hat sich aber überhaupt nicht mit den Umständen des Einzelfalles befaßt. Obwohl es sich um eine Eigentumsübertragung zwischen Blutsverwandten in gerader Linie handelt und das hiebei in Frage stehende Objekt seit mehreren Jahren von der Beschwerdeführerin und ihrer Familie gemeinsam bewohnt wird, hat sich die belangte Behörde in der Bescheidbegründung mit den privaten Interessen der Beschwerdeführerin (und ihrer Familie) nicht auseinandergesetzt. So heißt es in der Bescheidbegründung lediglich, daß die Beschwerdeführerin kein öffentliches Interesse darzutun vermöge, es handle sich ausschließlich "um ein rein privates wirtschaftliches Interesse der Vertragsparteien".

3.3. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen (VfSlg. 11689/1988, 11690/1988, 11691/1988; vgl. auch VfSlg. 10894/1986), daß private Interessen am Rechtserwerb nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Auch Eigentumsbeschränkungen dürfen nämlich nur verfügt werden, wenn sie sachlich gerechtfertigt sind, also dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen. § 13 Abs 1 TGVG 1996 umschreibt mit hinreichender Deutlichkeit (Art18 B-VG) die bei Beurteilung des Genehmigungsantrages zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen. Zwar gebietet diese Bestimmung nicht ausdrücklich, auf die privaten Interessen an der Genehmigung des Rechtserwerbes Bedacht zu nehmen. Aus dem Schweigen des Gesetzgebers ist jedoch nicht abzuleiten, daß er eine solche Bedachtnahme ausschließen wollte. Jedem an die Grundverkehrsbehörde gerichteten Genehmigungsantrag liegen nämlich meist sehr wesentliche private Interessen zugrunde; daher konnte es der Gesetzgeber als geradezu selbstverständlich ansehen, daß diese Interessen bei der Beurteilung des Ansuchens ebenso wie die im Gesetz näher umschriebenen öffentlichen Interessen angemessen zu berücksichtigen sind.

Die belangte Behörde hat die offenkundigen privaten Interessen der Beschwerdeführerin - sie bewohnt das in Frage stehende Objekt sei mehreren Jahren gemeinsam mit ihrem Ehemann und ihren Kindern als Hauptwohnsitz - in keiner Weise berücksichtigt.

Der angefochtene Bescheid war sohin allein schon wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte.

4. Der Kostenzuspruch gründet sich auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 327,- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG von € 181,68,- enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.