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OGH vom 07.05.1981, 7Ob592/81

OGH vom 07.05.1981, 7Ob592/81

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Thoma als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick, Dr. Petrasch, Dr. Wurz und Dr. Warta als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günther D*****, vertreten durch Dr. Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei Brigitte Irene D*****, vertreten durch Dr. Hugo Häusle, Rechtsanwalt in Rankweil, wegen Unterhaltsverwirkung (Streitwert 90.000 S), infolge Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom , GZ R 650/80-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Feldkirch vom , GZ C 1605/79-16, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Keiner der Revisionen wird Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Ehe der Streitteile wurde im Jahre 1974 aus beiderseitigem gleichteiligen Verschulden geschieden. Die fünf minderjährigen ehelichen Kinder verblieben bei der Beklagten. Der Kläger musste für sie einen monatlichen Unterhaltsbetrag von insgesamt 7.100 S bezahlen. Infolge Todes eines der Kinder und Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit eines zweiten wurde diese Unterhaltsverpflichtung des Klägers nunmehr mit 4.900 S monatlich festgesetzt. In Pflege und Erziehung der Beklagten befinden sich von den ehelichen Kindern nur mehr die 14jährige Tochter Heidi und der 16jährige Sohn Walter.

Am schlossen die Streitteile vor dem Bezirksgericht Feldkirch einen Vergleich dahin, dass sich der Kläger verpflichtete, der Beklagten ab einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 4.000 S zu zahlen. Infolge der vereinbarten Wertsicherung beläuft sich dieser monatliche Unterhaltsbetrag derzeit auf 4.995 S. Der Kläger begehrt die Feststellung, dass der Unterhaltsanspruch der Beklagten zur Gänze erloschen sei, hilfsweise die Herabsetzung des monatlichen Unterhaltes auf 1.000 S. Er bringt hiezu vor, die Beklagte lebe seit mindestens zwei Jahren in Lebensgemeinschaft mit Werner E*****, der auch der Vater der von der Beklagten im Sommer 1977 und 1978 geborenen zwei außerehelichen Kinder sei. Unter diesen Umständen würde es gegen die guten Sitten verstoßen, der Beklagten einen Unterhaltsanspruch zuzuerkennen. Außerdem habe sich der Kläger am wiederverehelicht.

Die Beklagte bestritt die behauptete Lebensgemeinschaft und wendete ein, sie könne infolge der notwendigen Betreuung der ehelichen und unehelichen Kinder keiner regelmäßigen Berufstätigkeit nachgehen. Sie verdiene als Heizwart monatlich lediglich 1.000 S. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers seien überdurchschnittlich gut.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen und hiebei folgende wesentlichen Feststellungen getroffen:

Im Jahre 1976 nahm die Beklagte geschlechtliche Beziehungen zu dem verheirateten Werner E***** auf. Diesen Beziehungen entstammen zwei außereheliche Kinder (nach den zusätzlichen Feststellungen des Berufungsgerichtes ist die Beklagte von Werner E***** zum dritten Male schwanger). Ende 1978 zog E***** zu der Beklagten. Zwischen den beiden bestand bis zur Klagseinbringung eine Wohnungs- und Geschlechtsgemeinschaft, teilweise auch eine Wirtschaftsgemeinschaft. Nachdem die Beiden nach Klagszustellung erfahren hatten, dass das Bestehen einer Lebensgemeinschaft zum Ruhen des Unterhaltsanspruches der Beklagten führen könne, zog E***** von der Beklagten weg zu seiner Mutter. Diese führt ihm nunmehr die Wirtschaft und den Haushalt. Zwischen ihm und der Beklagten besteht seit August 1979 lediglich eine Geschlechtsgemeinschaft. E***** übernachtet zwar meistens bei der Beklagten und schläft nur ein- oder zweimal wöchentlich bei seiner Mutter, nimmt jedoch in der Regel bei dieser seine Mahlzeiten ein und lässt sich von ihr Kleidung und Wäsche besorgen. Von der Beklagten wird er am Sonntag regelmäßig zum Mittagessen eingeladen. Das Frühstück nimmt er gelegentlich bei der Beklagten ein. Zwischen ihm und der Beklagten besteht keine wirtschaftliche Gemeinschaft.

Das Einkommen des Klägers als ÖBB-Beamter und Landtagsabgeordneter sowie seine Bezüge aus einer Unfallsrente haben sich seit Vergleichsabschluss real zumindest nicht verschlechtert. Die Beklagte war damals nicht berufstätig. Sie bezieht heute als Heizwart eine monatliche Entschädigung von 1.000 S. Außerdem hat sie in der Zwischenzeit auf Grund einer Teilzeitbeschäftigung und als Aushilfskellnerin fallweise ein Entgelt bezogen.

Rechtlich vertrat das Erstgericht den Standpunkt, infolge Wegfalls der Lebensgemeinschaft sei der Unterhaltsanspruch der Beklagten nach wie vor aufrecht. Auf Grund der Umstandsklausel fehle ein Anlass zur Unterhaltsherabsetzung, weil sich die wirtschaftlichen Verhältnisse seit Vergleichsabschluss nicht wesentlich geändert hätten. Eine Berufstätigkeit könne der Beklagten mit Rücksicht auf die Sorgepflichten für vier minderjährige Kinder (zwei eheliche und zwei uneheliche) nicht zugemutet werden.

Das Berufungsgericht setzte den Unterhaltsanspruch der Beklagten mit Wirkung vom auf monatlich 2.500 S herab. Es übernahm zwar die erstrichterlichen Feststellungen, führte aber in rechtlicher Hinsicht aus, der Beklagten könne die Unfähigkeit, einer regelmäßigen Berufstätigkeit nachzugehen, nicht unter Berücksichtigung der beiden außerehelichen Kinder zugebilligt werden. Zu berücksichtigen seien nur die beiden ehelichen Kinder. Deren Alter rechtfertige jedoch die Aufnahme einer Halbtagsbeschäftigung. Aus Billigkeitserwägungen komme ein gänzliches Erlöschen der Unterhaltspflicht nicht in Frage. Nach den getroffenen Feststellungen liege eine Lebensgemeinschaft nicht mehr vor. Die Motive für ihre Beendigung seien unerheblich. Dass nur eine scheinbare Beendigung vorliege, könne den getroffenen Feststellungen nicht entnommen werden.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richten sich die Revisionen beider Parteien, und zwar insoweit, als ihrem jeweiligen Prozessstandpunkt nicht Rechnung getragen worden ist. Beide machen den Revisionsgrund des § 503 Z 4 ZPO geltend und beantragen die Abänderung dahin, dass im Sinne ihres Sachbegehrens entschieden werde. Die Beklagte stellt darüber hinaus einen Aufhebungsantrag. Beide Parteien beantragen, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Vorerst war die Zulässigkeit der Revisionen zu prüfen, weil nach § 502 Abs 2 Z 1 ZPO die Anrufung des Obersten Gerichtshofes in Fragen der Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes grundsätzlich ausgeschlossen ist. Zur Unterhaltsbemessung gehören die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind, und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (EFSlg 34.463, 32.059, 30.033 ua). Auch die Frage, ob die Ehefrau verpflichtet ist, durch Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit ihren Unterhalt selbst zu verdienen, betrifft die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes (EFSlg 34.469, 34.468, 30.041 ua). Ebenso fällt die Berücksichtigung der Billigkeit eines nach § 68 EheG erhobenen Unterhaltsanspruches, soferne nicht die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit dieser Gesetzesstelle strittig sind, in den Bereich der Unterhaltsbemessung (EFSlg 34.473, 25.350 ua). Auch die Frage, ob der vertraglich festgesetzte gesetzliche Unterhalt wegen geänderter Verhältnisse zu ändern ist, betrifft eine Bemessungsfrage (EFSlg 32.063, 25.349 ua).

Die Entscheidung über eine behauptete Verwirkung des Unterhaltsanspruches gehört dagegen nicht zum Bemessungskomplex. Gerade dies strebt aber der Kläger an. Aus diesem Grunde muss seine Revision zumindest grundsätzlich als zulässig angesehen werden. Die Beklagte wendet sich unter anderem dagegen, dass das Berufungsgericht in ihrem Falle die Herabsetzung auch unter Hinweis auf § 73 EheG vorgenommen hat. Die genannte gesetzliche Bestimmung führt zu der Festsetzung des Unterhaltes nach anderen Grundsätzen als die Bemessung nach § 68 EheG. Welche Grundsätze für die Bemessung eines Unterhaltes maßgebend sind, ist aber nicht eine bloße Bemessungsfrage und daher auch revisibel. Demnach erscheint auch die Revision der Beklagten zulässig.

Ungeachtet der grundsätzlichen Zulässigkeit beider Revisionen kann aber der Oberste Gerichtshof auf den Bemessungskomplex selbst nicht eingehen, weil er mit der Bemessungsfrage auch nicht im Rahmen einer zulässigen Revision befasst werden darf (EFSlg 27.826, 23.147 ua).

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionen sind nicht gerechtfertigt.

A) Zu der Revision des Klägers:

Das Wesen einer Lebensgemeinschaft hat das Berufungsgericht ebenso richtig dargestellt wie den Grundsatz, dass eine Lebensgemeinschaft der geschiedenen Frau zwar zum Ruhen, nicht aber zum Erlöschen ihres Unterhaltsanspruches führt. Geschlechtliche Beziehungen einer geschiedenen Frau zu einem anderen Mann ohne Aufnahme einer Lebensgemeinschaft sind für einen Unterhaltsanspruch ohne Bedeutung, und zwar selbst dann, wenn sie von dauerhafter Art sind, weil für die geschiedene Ehefrau keine Treuepflicht besteht (Heller-Berger-Stix I, 382, EFSlg 25.112). Eine bloße Geschlechtsgemeinschaft, gemeinsame Wochenendausflüge und zeitweiliger, wenn auch häufiger (regelmäßiger) Aufenthalt eines Mannes in der Wohnung einer Frau geht nicht über das hinaus, was üblicher Weise als intimes Verhältnis bezeichnet zu werden pflegt und rechtfertigt daher nicht die Annahme einer Lebensgemeinschaft (EFSlg 29.652).

Nach den getroffenen Feststellungen entspricht das derzeitige Verhältnis zwischen der Beklagten und Werner E***** nicht den Kriterien einer Lebensgemeinschaft. Dies dürfte im Übrigen der Kläger selbst erkennen. Für die Annahme, dass die Trennung zwischen den Beiden nur zum Schein vorgenommen worden wäre, und in Wahrheit eine Lebensgemeinschaft weiterhin besteht, bieten die Feststellungen der Untergerichte, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist, keinen Anhaltspunkt. Das Motiv für die Beendigung einer Lebensgemeinschaft ist also unterhaltsrechtlich ohne Bedeutung.

Mit Recht hat sohin das Berufungsgericht einen gänzlichen Wegfall der Unterhaltspflicht des Klägers im Hinblick auf die noch aufrechten Beziehungen der Beklagten zu Werner E***** verneint.

B) Zu der Revision der Beklagten:

Das Berufungsgericht hat bezüglich der Beklagten auch § 73 Abs 1 EheG in seine Erwägungen einbezogen. Nach dieser Bestimmung kann ein Unterhaltsberechtigter, der infolge sittlichen Verschuldens bedürftig ist, nur den notdürftigen Unterhalt verlangen. Diesbezüglich verweist das Berufungsgericht auf die Ausführungen von Schwind (in Klang2 I/1, 895), denenzufolge unter anderem auch ein leichtfertiger Lebenswandel und leichtfertige Spekulationen typische Beispiele für das in dieser Gesetzesbestimmung genannte sittliche Verschulden sind. Ob im vorliegenden Fall § 73 Abs 1 EheG für die Beurteilung des Unterhaltsanspruches der Beklagten überhaupt herangezogen werden kann, muss nicht weiter geprüft werden. Auch das Berufungsgericht hat den Anspruch der Beklagten unter Heranziehung von Billigkeitserwägungen, also jedenfalls nach § 68 EheG, beurteilt und hiebei zur Stützung seiner Rechtsansicht lediglich auch auf die sich aus § 73 EheG ergebenden Gedankengänge verwiesen. Dass die Beklagte einen Unterhaltsanspruch nach § 68 EheG hat, bestreitet sie selbst nicht. Dass bei einer diesbezüglichen Billigkeitsentscheidung auch nicht vom geschiedenen Ehemann stammende außereheliche Kinder der geschiedenen Frau zu berücksichtigen sind, kann der genannten gesetzlichen Bestimmung nicht entnommen werden, weshalb die Nichtberücksichtigung solcher Kinder nicht gegen eine ausdrückliche Anordnung des § 68 EheG verstoßen kann. Inwieweit die Nichtberücksichtigung den Grundsätzen der Billigkeit entspricht, ist aber eine Frage der Unterhaltsbemessung.

Auf die Frage, ob die Billigkeitserwägungen des Berufungsgerichtes richtig sind, ob und inwieweit der Beklagten eine eigene Berufstätigkeit zugemutet werden kann und ob der verbliebene Restunterhalt den gegebenen Verhältnissen ohne Berücksichtigung der außerehelichen Kinder entspricht, kann der Oberste Gerichtshof nicht eingehen, weil es sich hiebei um Bemessungsfragen handelt, deren Überprüfung ihm verwehrt ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO.