VfGH vom 10.06.1992, B1256/90
Sammlungsnummer
13064
Leitsatz
Keine denkunmögliche Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Ausländergrunderwerbs wegen bestehender Überfremdung in einem Zweitwohnungsgebiet; keine Bedenken gegen den Versagungstatbestand der Überfremdung im Sbg GVG
Spruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Erstbeschwerdeführer erwarb von der Zweitbeschwerdeführerin die Eigentumswohnung Top W 156 im Haus Sonnbichl in Saalbach-Hinterglemm 302, Grundstück 360 in EZ 374, Grundbuch 57307 Hinterglemm.
Beide Vertragsparteien sind Staatsangehörige der Bundesrepublik Deutschland.
Die Grundverkehrslandeskommission Salzburg wies den Antrag des Erstbeschwerdeführers auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zu diesem Kaufvertrag unter Berufung auf § 9 Abs 1 Z 3 des Salzburger Grundverkehrsgesetzes 1986, LGBl. 73 (im folgenden: SGVG 1986), ab. Begründend führte sie der Sache nach aus, daß die den Gegenstand des Kaufvertrages bildende Wohnung, die dem Erstbeschwerdeführer als Zweitwohnsitz dienen solle, in einem Zweitwohnungsgebiet (Zweitwohnungsgebiet Sonnbichl im Gebiet der Gemeinde Saalbach-Hinterglemm) gelegen sei und daß sich in diesem Zweitwohnungsgebiet mehr als 50 vH des Grundeigentums, in dem betreffenden Wohnobjekt mehr als 50 vH des ideellen Miteigentums im Besitz von Ausländern befinde, somit eine Überfremdung iS des § 9 Abs 1 Z 3 (iVm Abs 3) SGVG 1986 bestehe. Dabei sei es
unerheblich, daß sich die in Rede stehende Wohnung in ausländischem Besitz befinde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 Abs 1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, mit der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.
3. Die Grundverkehrslandeskommission als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch abgesehen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige (s. etwa ) - Beschwerde erwogen:
1. Die im vorliegenden Fall in erster Linie bedeutsamen Vorschriften des SGVG 1986 haben folgenden Wortlaut:
"Beschränkung des Grundverkehrs für Ausländer
§8. (1) Unbeschadet des Erfordernisses einer Zustimmung der Grundverkehrsbehörde gemäß § 2 Abs 1 bedürfen folgende Rechtsgeschäfte unter Lebenden einer Zustimmung der Grundverkehrsbehörde, wenn der Rechtserwerber ein Ausländer ist und staatsvertragliche Bestimmungen nicht anderes bestimmen:
a) die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, Gebäude oder an Teilen hievon;
...
Voraussetzungen für die Zustimmung
§9. (1) Die Zustimmung darf nur erteilt werden, wenn kein Versagungsgrund gemäß § 10 vorliegt und
1. ...
3. der Gegenstand des Rechtsgeschäftes dem Ausländer zur Begründung eines Zweitwohnsitzes dienen soll, sofern dieser in einem Zweitwohnungsgebiet (§12 Abs 1 Z 6 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977, LGBl. Nr. 26) gelegen ist und in diesem Gebiet oder in dem betreffenden Wohnobjekt noch keine Überfremdung (Abs3) besteht oder durch das Rechtsgeschäft eintritt;
...
(3) Überfremdung im Sinne des Abs 1 Z 3 liegt vor, wenn
a) in dem Zweitwohnungsgebiet zumindest 50 vH des Grundeigentums,
b) bei Bauten mit mehr als drei Wohnungen aber zumindest 50 vH des ideellen Miteigentums
sich im Besitz von Ausländern befinden. Bei der Feststellung des ausländischen Grundeigentums gemäß lita ist ideelles Miteigentum unter Einschluß eines solchen gemäß litb anteilig zu berücksichtigen. ...
..."
2. Die Beschwerdeführer stützen die Behauptung der Verletzung des Eigentumsrechtes (ebenso wie die Verletzung in ihren Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes) allein auf die Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs 1 Z 3 iVm Abs 3 SGVG 1986, die ihrer Ansicht nach darin gelegen ist, daß - unter anderem - die Zustimmung zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück oder Gebäude oder an Teilen davon unter den dort festgelegten Voraussetzungen auch dann versagt werden muß, wenn der Veräußerer Ausländer ist. Diese Regelung steht, so meinen die Beschwerdeführer der Sache nach, in Widerspruch zu Art 5 StGG, weil in einem Fall dieser Art die Übertragung des Eigentums eine Überfremdung weder herbeiführe noch verstärke und daher keineswegs dem öffentlichen Interesse zuwiderlaufe, zu dessen Wahrung Eigentumsbeschränkungen durch Art 5 StGG zugelassen seien. Insbesondere aber läuft nach Ansicht der Beschwerdeführer die gegenständliche Regelung dem Art 1 Abs 1 (1.) ZPEMRK zuwider, weil sie keineswegs den Kriterien entspreche, die nach dieser im Verfassungsrang stehenden Vorschrift für die Zulässigkeit eines Eigentumseingriffes erforderlich seien: Danach müsse der Eingriff im Gesetz vorgesehen sein, dem Grundsatz der "Achtung des Eigentums" Rechnung tragen, im öffentlichen Interesse gelegen und verhältnismäßig sein.
3.a) Durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück (Gebäude, Grundstücks- oder Gebäudeteil) vom bisherigen Eigentümer an einen Ausländer wird sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber in der Ausübung privater, den Schutz des Art 5 StGG genießender Rechte beschränkt und somit ein Eingriff in das Eigentum bewirkt (s. etwa VfSlg. 6546/1971; s. auch, was den Erwerber betrifft, etwa VfSlg. 10271/1984, 10895/1986, 11689/1988).
Art 1 Abs 1 des (1.) ZPEMRK ist, wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkannt hat (zB VfSlg. 5378/1966, 5382/1966, 8212/1977, 9911/1983, 11689/1988, 11690/1988, 12074/1989, 561; ), nur auf den Eigentumsentzug, nicht aber auch auf Eigentumsbeschränkungen - wie sie auch das Erfordernis der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung darstellt (VfSlg. 11689/1988, 468) - anzuwenden.
Damit sind die auf Art 1 Abs 1 (1.) ZPEMRK Bezug nehmenden Beschwerdeausführungen vom Ansatz her verfehlt (VfSlg. 11689/1988, 469).
Ein Eingriff in das Eigentum wäre nach der ständigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (s. zB VfSlg. 10356/1985, 10482/1985) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei der Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte.
b) Daß der angefochtene Bescheid nicht gesetzlos ergangen ist, ist offenkundig. Daß er in denkunmöglicher Anwendung des Gesetzes ergangen ist, ist gleichfalls zu verneinen und wird auch von den Beschwerdeführern nicht behauptet.
c) Er beruht aber auch nicht auf einem verfassungswidrigen Gesetz. Der Gesetzgeber kann verfassungsrechtlich unbedenklich Eigentumsbeschränkungen normieren, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unverletzlichkeit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (s. zB VfSlg. 9911/1983, 671, 11689/1988, 468). Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit einer gesetzlichen Regelung, die die Übertragung des Eigentums an Grundstücken (oder Gebäuden oder an Teilen davon) auch dann an eine Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bindet, wenn der Veräußerer Ausländer ist, hat der Verfassungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen bestätigt (zB VfSlg. 7448/1974, 428, 10025/1984, 10271/1984, 10895/1986, 11689/1988, 11957/1989, 63; , B870/90; vgl. in diesem Zusammenhang etwa auch , mwH). Er hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, daß es sich offenkundig sachlich nicht rechtfertigen ließe, im Bereich des Grundverkehrs den Rechtserwerb durch Ausländer deshalb zu begünstigen, weil schon der Veräußerer Ausländer war oder weil im Hinblick auf den bestehenden ausländischen Grundbesitz eine Überfremdung bereits vorlag (zB , mwH).
Es ist somit festzuhalten, daß die die materielle Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides bildende Vorschrift des § 9 Abs 1 Z 3 (iVm Abs 3) SGVG 1986 nicht aus den in der Beschwerde dargelegten Gründen verfassungswidrig ist. Aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles sind auch sonst keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift entstanden.
d) Die Beschwerdeführer sind somit durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden.
4. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in einem von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden sind.
5. Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften (s. dazu unter II.3.c) ist es auch ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sind.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.