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OGH vom 11.04.1991, 8Ob537/91

OGH vom 11.04.1991, 8Ob537/91

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes

Hon.-Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Jelinek, Dr. Graf und Dr. Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Christina R*****, und 2.) Andreas H*****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Berger, Dr. Josef Aichlreiter und Dr. Wilhelm Sluka, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1.) Johann H*****, vertreten durch Dr. Bernd Berger und Dr. Franz Hitzenbichler, Rechtsanwälte in Salzburg,

2.) mj. Sabine R*****, 3.) mj. Irmgard R*****, vertreten durch den Kollisionskurator Dr. Paul Herzog, Rechtsanwalt in Mittersill und 4.) ungeborene Kinder nach Christina R***** und Andreas H*****, vertreten durch den Posterioritätskurator Dr. Paul Herzog, Rechtsanwalt in Mittersill, wegen Anfechtung eines Testaments (Streitwert S 2,159.478,90), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 3 R 157/90-21, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 6 Cg 319/89-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung

an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Irmgard H*****, die am verstarb, war Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ ***** KG M***** mit den Häusern H*****straße Nr. 3 (Gästehaus "S*****") und H*****straße Nr. 5 ("Hotel-Pension C*****"). Ihrer Ehe mit dem Erstbeklagten entstammen die Erstklägerin und der Zweitkläger. Die Zweit- und Drittbeklagte sind Kinder der Erstklägerin. Die Verlassenschaftsabhandlung erfolgte aufgrund des Testaments der Erblasserin vom , das am vom Notariat M***** kundgemacht wurde. Irmgard H***** setzte in diesem Testament den Erstbeklagten zum Alleinerben ein und vermachte ihm das lebenslange und unbeschränkte Fruchtgenußrecht an ihrem gesamten Nachlaß. Der Erstklägerin vermachte sie als Legat in Anrechnung auf deren gesetzlichen Pflichtteil das Haus H*****straße Nr. 3 samt Inventar und ca. 900 m2 Grund und verfügte, daß die Erstklägerin in dem Haus mietfrei wohnen dürfe, jedoch die Betriebskosten selbst zu tragen habe. Dem Zweitkläger vermachte sie in Anrechnung auf den gesetzlichen Pflichtteil das Haus H*****straße 5 mit dem übrigen Restgrundstück und verfügte auch für ihn, daß er das mietfreie Wohnungsrecht habe, er jedoch die Betriebskosten selbst tragen müsse. Punkt V des Testamentes lautet wie folgt:

"Für meine Tochter Christine R***** und für meinen Sohn Andreas H***** bestimme ich jedoch für das von mir ererbte Liegenschaftsvermögen eine fideikommissarische Substitution in der Weise, daß dieselben verpflichtet sind, den von mir ererbten Liegenschaftsbesitz entweder zu ihren Lebzeiten oder von Todes wegen einem ihrer ehelichen Kinder zu übergeben oder zu hinterlassen. Sollte beim Ableben meiner Tochter Christine R***** oder beim Ableben meines Sohnes Andreas H***** kein eheliches Kind vorhanden sein, bestimmte (richtig wohl: bestimme ich) eine fideikommissarische Substitution in der Weise, daß meine Tochter Christine R***** den von mir ererbten Liegenschaftsbesitz ihrem Bruder Andreas H*****, und mein Sohn Andreas H***** den von mir ererbten Liegenschaftsbesitz an seine Schwester Christine R***** überlassen muß."

Darüber hinaus verfügte die Erblasserin ein wechselseitiges Vorkaufsrecht zwischen den klagenden Parteien.

Im Verlassenschaftsverfahren nach Irmgard H***** gab der Erstbeklagte aufgrund des Testamentes vom die unbedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlaß ab. Diese wurde mit Beschluß des BG M***** vom , GZ A 31/85-10, zu Gericht angenommen. Mit Beschluß vom selben Tag wurde der Nachlaß dem Erstbeklagten zur Gänze eingeantwortet. In der Folge wurde die Liegenschaft EZ ***** KG M***** mit dem darauf befindlichen Haus H*****straße 3 neu gebildet und das Eigentumsrecht der Erstklägerin einverleibt. Hinsichtlich der verbleibenden Stammliegenschaft EZ ***** KG M***** mit dem Haus H*****straße 5 wurde das Eigentumsrecht des Zweitklägers im Grundbuch eingetragen; beide Eigentumsrechte wurden mit der Dienstbarkeit des Fruchtgenusses für den Erstbeklagten belastet und durch die fideikommissarische Substitution laut Punkt V des Testamentes beschränkt.

Mit der vorliegenden, am beim Erstgericht eingelangten Klage begehren die Kinder der Erblasserin, Christina R***** und Andreas H*****, das Testament vom für ungültig und unwirksam zu erklären und die Beklagten für schuldig zu erkennen, ihnen je zu einem ideellen Drittel die Verlassenschaft nach Irmgard H***** ohne Belastung durch das Fruchtgenußrecht des Erstbeklagten und ohne Beschränkung durch eine fideikommissarische Substitution abzutreten.

Die Kläger brachten dazu vor, das Testament vom sei nicht formgerecht zustandegekommen, da es lediglich vom damaligen Notariatssubstituten Dr. Z***** in Gegenwart der Erblasserin als Testamentszeuge unterschrieben worden sei. Danach habe Dr. Z***** das Testament mit nach Hause genommen und dort die Unterschrift der weiteren Testamentszeugen in Abwesenheit der Erblasserin eingeholt. Die Erblasserin sei von Dr. Z***** nicht über die Rechtswirkungen der fideikommissarischen Substitution aufgeklärt worden, sie habe sich in einem wesentlichen Irrtum im Sinne des § 570 ABGB befunden.

Die Beklagten bestritten das Klagevorbringen und beantragten die Abweisung des Klagebegehrens; die zweit-, dritt- und viertbeklagte Partei erhoben unter anderem die Einrede der Verjährung mit der Begründung, die Klage sei nicht innerhalb von 3 Jahren ab Testamentskundmachung eingebracht worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, daß die Erbschaftsklage im Sinne des § 823 ABGB gemäß den §§ 1478, 1485 Abs. 1 ABGB grundsätzlich erst nach 30 bzw. 40 Jahren verjähre; müsse aber der Kläger damit zugleich eine letztwillige Erklärung "umstoßen", dann unterliege die Klage gemäß § 1487 ABGB der dreijährigen Verjährungsfrist. Die kurze Verjährungsfrist greife auch im vorliegenden Fall Platz, da das Testament keine äußerlichen Formmängel aufweise und daher die Erklärung einer letztwilligen Anordnung "umgestoßen" werden müsse. Die Verjährungsfrist habe unabhängig davon, ob und wann die klagenden Parteien vom Anfechtungsgrund Kenntnis erlangten, mit der Testamentskundmachung zu laufen begonnen. Zum Zeitpunkt der Klageeinbringung sei die Verjährungsfrist aber bereits abgelaufen gewesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Parteien mit dem Antrag, in Abänderung der angefochtenen Entscheidung der Klage stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten begehrten in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, dem Rechtsmittel der Kläger nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes sind, wie im folgenden noch darzulegen sein wird, Lehre und Rechtsprechung zur Frage des Beginnes des Laufes der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1487 ABGB uneinheitlich, sodaß eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO vorliegt.

Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, daß die vorliegende Klage der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1487 ABGB unterliegt. Die Kläger fechten das äußerlich formgültige Testament ihrer Mutter mit der Begründung an, daß entgegen der Vorschrift des § 579 ABGB nicht wenigstens zwei Zeugen bei der Erklärung des letzten Willens zugleich gegenwärtig gewesen seien; überdies habe sich die Erblasserin in einem wesentlichen Irrtum befunden. Die Kläger müssen, um mit ihrem Verlangen durchdringen zu können, erst das äußerlich formgültige Testament ihrer Mutter "umstoßen", und dieser Anspruch unterliegt der dreijährigen Verjährung nach § 1487 ABGB (SZ 53/10; Klang in Klang, VI2, 627).

Zur Frage, wann die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 ABGB zu laufen beginne, wurden in der Rechtsprechung verschiedene Standpunkte vertreten:

1.) Maßgeblich sei die Testamentskundmachung (GlU 7037);

2.) für die auf den Zivilrechtsweg verwiesenen gesetzlichen Erben beginne die Frist mit Rechtskraft der Verweisung (GlUNF 587);

3.) die Frist beginne spätestens mit der Einantwortung aufgrund des umzustoßenden Testaments zu laufen (JBl. 1954, 462);

4.) die Verjährungsfrist laufe ab dem Tag der ersten Möglichkeit zur gerichtlichen Geltendmachung, es müßten die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden (SZ 52/58);

5.) es komme auf den Zeitpunkt der Aktualisierung des konkreten Interessenwiderspruchs an; spätestens mit der Annahme der auf ein strittiges Testament gestützten Erbserklärung der Testamentserben zu Gericht werde der Interessenwiderspruch aktualisiert (SZ 60/239).

In der Lehre wurde die Ansicht vertreten, maßgeblich sei der Zeitpunkt, zu dem die Verfügung kundgemacht und dem Anfechtungsberechtigten der Tod des Erblassers bekannt geworden sei (Ehrenzweig-Kralik, ErbR 111). Nach Mader (in Schwimann, Rz 3 zu § 1487) ist auf den Zeitpunkt der Testamentskundmachung abzustellen und Verjährungshemmung zwischen der Abgabe einer nicht der letztwilligen Verfügung entsprechenden Erbserklärung und der Zuteilung der Klägerrolle anzunehmen. Nach Klang (aaO, 628) und Schubert (in Rummel, Rz 2 zu § 1487) beginnt die Frist bei Testamenten und Erbverträgen - sofern nicht ohnehin widerstreitende Erbserklärungen vorliegen - erst mit der Annahme der Erbserklärungen bei Gericht zu laufen.

Nach Ansicht des erkennenden Senates beginnt die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 ABGB - sofern nicht widerstreitende Erbserklärungen vorliegen - zu dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem klar ist, daß man klagen muß, um die Erbschaft zu erlangen. Jedem, dem bei Hinfälligkeit einer strittigen letztwilligen Verfügung Ansprüche auf die Verlassenschaft zustünden, kommt ein eigener, nur seine eigenen Interessen berührender Anspruch auf Klärung der Rechtswirksamkeit der letztwilligen Verfügung gegen diejenigen zu, die aus der strittigen Verfügung Ansprüche für sich ableiten. Dieser Anspruch entsteht mit der Aktualisierung des konkreten Widerspruches zwischen den individuellen Trägern dieser widersetzlichen Interessen (SZ 60/239). Es kommt schließlich darauf an, ab wann die Klageführung sinnvoll ist, denn es soll jede sinnlose Klageführung vermieden werden. In der Regel wird mit der Annahme der auf ein strittiges Testament gestützen Erbserklärungen der Testamentserben zu Gericht der Interessenwiderspruch zu allen Angehörigen des Erblassers, die ihrerseits aufgrund des Gesetzes die Erbschaft anzutreten beabsichtigen (SZ 60/239), aktualisiert. Eine Klageführung zu einem früheren Zeitpunkt wäre dann sinnlos, wenn aufgrund des strittigen Testamentes keine Erbserklärung abgegeben wird. Es ist nicht auszuschließen, daß der testamentarische Erbe den Anfechtungsgrund anerkennt und daher aufgrund des Testamentes gar keine Erbserklärung abgibt. In einem solchen Falle fehlte es der Klage des gesetzlichen Erben am erforderlichen Rechtsschutzinteresse.

Da im vorliegenden Fall die Erbserklärung des Erstbeklagten aufgrund des strittigen Testamentes mit Beschluß vom zu Gericht angenommen wurde, war zum Zeitpunkte der Klageeinbringung am die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen.

Die Abweisung des Klagebegehrens wegen Verjährung beruht demnach auf einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung durch die Vorinstanzen. Da zu den behaupteten Anfechtungsgründen keine Feststellungen getroffen wurden, war der Revision Folge zu geben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung in die erste Instanz zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.