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OGH vom 18.01.1996, 12Os127/95

OGH vom 18.01.1996, 12Os127/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Wietrzyk als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Alois und Renate W***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 33 Vr 1487/94-33, und vom , GZ 33 Vr 1487/94-50, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Fabrizy, und des Verteidigers Universitätsprofessor Dr.Sprung, jedoch in Abwesenheit der Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

In der Strafsache gegen Alois W***** und Renate W***** wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG, AZ 33 Vr 1.487/94 des Landesgerichtes Innsbruck, verletzen der Beschluß des Untersuchungsrichters vom , ON 33, und der Beschluß der Ratskammer vom , ON 50, jeweils das Gesetz in den Bestimmungen nach § 367 Abs 2 Z 2 und Abs 3 StPO.

Text

Gründe:

Zu AZ 33 Vr 1.487/94 des Landesgerichtes Innsbruck ist gegen Alois W***** und seine Ehegattin Renate W***** eine Voruntersuchung wegen des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinstrG (hinsichtlich Renate W***** in Form der Beitragstäterschaft nach § 11 dritter Fall FinStrG) anhängig. Dieser liegt der Verdacht zugrunde, daß die Beschuldigten (Alois W***** als Prokurist der Firma A***** Holland B.V., Nijmegen, und Renate W***** als Alleineigentümerin dieses Unternehmens) in den Jahren 1988 bis 1991 Abgabenverkürzungen in eine Million Schilling jedenfalls übersteigender Höhe bewirkten.

Die A***** Holland B.V., vertreten durch Alois W***** als Prokuristen, erwarb mit Kaufvertrag vom jenen (überwiegenden) Teil des künstlerischen Nachlasses der (am verstorbenen) Malerin Prof.Hilde G*****, der nach den letztwilligen Anordnungen der Künstlerin weder der zu gründenden Prof.Hilde G*****-Stiftung noch anderen von ihr namhaft gemachten Legataren zufallen sollte. Der vertragliche Kaufpreis belief sich auf 1,698.000 S. Mit Kaufvertrag vom 12. bzw veräußerte die A***** Holland B.V. die Kaufobjekte an die M***** Anstalt, Nendeln (Liechtenstein), um 1,700.000 S weiter. Die A***** Holland B.V. soll nach der Darstellung des Alois W***** hinsichtlich der M***** Anstalt die Gründerrechte halten. In der Folge verkaufte die M***** Anstalt ihrerseits erneut die in Rede stehenden Kunstwerke mit Vertrag vom an die M***** Art Limited, British Virgin Islands, um 1,700.000 S weiter. Im Zuge einer Betriebsprüfung bei der - gleichfalls von Renate W***** zu 100 % gehaltenen - A***** Bauträger GesmbH in Liquidation ergaben sich Geldzuflüsse seitens der M***** Anstalt in der Höhe von 5,063.140 S 1990) sowie der M***** Art Limited von 2,373.803 S 1991), die zu finanzbehördlichen Ermittlungen Anlaß gaben. Vor dem Hintergrund der Tatsache, daß die in Rede stehenden Kunstwerke aus dem Nachlaß nach Prof.Hilde G***** im Widerspruch zu den urkundlich belegten rechtlichen Transaktionen die Verfügungsgewalt des Beschuldigten Alois W***** nie verließen und letztlich am in der Renate W***** gehörigen, von ihr an die M***** Art Limited weitervermieteten Wohnung Innsbruck, Sterzingerstraße 8, sichergestellt wurden, wurden Anhaltspunkte dafür gesehen, daß es sich bei der M***** Anstalt und der M***** Art Limited lediglich um den wirtschaftlichen Einflußbereich des Alois W***** zuzuordnende sogenannte Briefkastenfirmen handelt.

Der Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Innsbruck wies in der Folge mit Beschluß vom , GZ 33 Vr 1.487/94-33, den Antrag der M***** Art Limited auf Ausfolgung der sichergestellten Kunstwerke ab, hob jedoch - nach Einholung eines Schätzungsgutachtens und infolge Wegfalls weiterer Beweiszwecke - die gerichtliche Beschlagnahme auf und verfügte die Hinterlegung der Kunstobjekte gemäß § 367 Abs 3 StPO iVm § 1425 ABGB beim Bezirksgericht Innsbruck im wesentlichen mit der Begründung, daß nach Lage des Falles die behaupteten Eigentumsrechte der Antragstellerin zweifelhaft seien.

Der dagegen erhobenen Beschwerde der M***** Art Limited gab die Ratskammer mit Beschluß vom , GZ 33 Vr 1.487/94-50, Folge, hob den angefochtenen Beschluß auf und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an den Untersuchungsrichter zurück. Diesem wurde dabei aufgetragen, den von Prof.Hilde G***** eingesetzten Legataren Gelegenheit zur Äußerung darüber zu geben, ob und gegebenenfalls welche genau zu bezeichnenden einzelnen Kunstwerke sie beanspruchen würden. Sofern es in diesen Fällen nicht zu einer einvernehmlichen Ausfolgung an die Legatare kommen sollte, wäre - so die Beschwerdeentscheidung - mit Hinterlegung nach § 367 Abs 3 StPO iVm § 1425 ABGB beim Bezirksgericht vorzugehen. Die Ratskammer ließ sich dabei von der Erwägung leiten, daß der M***** Art Limited aufgrund der Kaufverträge das Eigentum an den Legatsobjekten nicht zustehe, weil diese jeweils ausdrücklich vom Kauf ausgenommen wurden.

Rechtliche Beurteilung

In ihrer zur Wahrung des Gesetzes gegen beide erörterten Gerichtsbeschlüsse erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde macht die Generalprokuratur - im Ergebnis zutreffend - Verstöße gegen die Bestimmung des § 367 StPO geltend, soweit daraus jeweils unbeschadet jedweder Deliktsverfangenheit der sichergestellten Objekte unter sinngemäßer Bejahung einer umfassenden strafgerichtlichen Fürsorgepflicht für zivilrechtliche Ansprüche die Ausfolgung der Sicherstellungsobjekte verweigert wird. Im Einklang mit den Erwägungen der Generalprokuratur trifft es nämlich zu, daß § 367 StPO - nicht anders als die gleichfalls im XXI.Hauptstück der Strafprozeßordnung mit der Überschrift: "Von den Erkenntnissen und Verfügungen des Strafgerichtes hinsichtlich der privatrechtlichen Ansprüche" enthaltene gesetzliche Regelung des sogenannten Bedenklichkeitsverfahren nach §§ 375 bis 379 StPO - ausschließlich auf die Wahrung der privatrechtlichen Ansprüche der durch eine strafbare Handlung (auch eine noch nicht bekannte - §§ 375 ff StPO) Geschädigten abstellt, insbesondere jener, denen durch eine strafbare Handlung Sachen entzogen wurden (AB zur StPO-Novelle 1978, 812 Blg z. d.StenProt d.NR XIV.GP, S 4). Davon ausgehend erweist sich aber die in § 367 Abs 2 Z 2 und Abs 3 StPO verankerte strafgerichtliche Fürsorgepflicht durch Hinterlegung nach § 1425 ABGB im Fall der Bedenklichkeit der Rechte eines die Ausfolgung anstrebenden Antragstellers auf solche Konstellationen beschränkt, bei denen Grund zu der Annahme besteht, daß die Beschlagnahmeobjekte einen deliktsspezifischen Schädigungsbezug aufweisen. Gerade in dieser für die Anwendbarkeit des § 367 StPO entscheidenden Richtung ist den bekämpften Beschlüssen kein entsprechendes Begründungssubstrat zu entnehmen, weil sie ersichtlich auf der nicht gesetzeskonformen Rechtsauffassung beruhen, daß die strafgerichtliche Erlagspflicht schon allein aus der die Sicherstellungsobjekte betreffenden unklaren Rechtssituation folgt. In ihrer jeweils darauf aufbauenden Begründung sind sie daher mit der geltend gemachten Gesetzesverletzung behaftet.

Ob allerdings hinsichtlich der in Rede stehenden Kunstwerke jedweder strafrechtlich relevante Schadensbezug und damit im konkreten Fall eine gesetzeskonforme Anwendung des § 367 Abs 2 Z 2, Abs 3 StPO auszuschließen ist, läßt sich nach umfassender Prüfung der zu AZ 33 Vr 1.487/94 und 34 Vr 1.162/89 des Landesgerichtes Innsbruck sowie A 255/80 des Bezirksgerichtes Kitzbühel aktenkundigen Verfahrensergebnisse nicht abschließend beurteilen. Gegenstand des Verfahrens AZ 34 Vr 1.162/89 des Landesgerichtes Innsbruck waren nämlich Vorhebungen gegen Klaus A***** und Alois W***** wegen des Verdachtes doloser Schädigung der Verlassenschaft nach Prof.Hilde G***** (§§ 133; 146 f; 153 StGB), die am gemäß § 90 StPO eingestellt wurden. Soweit sich der Tatverdacht auf die hier in Rede stehenden, erst im Finanzstrafverfahren zu AZ 33 Vr 1487/94 am (in der Wohnung Innsbruck, Sterzingerstraße 8) sichergestellten Kunstwerke erstreckte, basierte er auf Geschäftskontakten, die Klaus A***** (als von Prof.Hilde G***** letztwillig ins Auge gefaßter Geschäftsführer der angestrebten Stiftung und faktischer Nachlaßverwalter) zu Alois W***** als Ankaufsinteressenten initiiert hatte und die letztlich dazu führten, daß dieser als Vertreter der Firma A***** Holland B.V. mit Vertrag vom den (nicht ausdrücklich auf Dauer der Stiftung bzw einzelnen Legataren vorbehaltenen) Großteil des künstlerischen Nachlasses um 1,698.000 S von der Stiftung erwarb. Bei diesem Kaufabschluß waren für die Kaufpreisorientierung auf der Verkäuferseite in den Jahren 1984 bzw 1986 - jeweils ohne detaillierte Individualisierung der besichtigten Kunstwerke - vorgenommene Schätzungen durch den Direktor des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum Dr.Erich E***** entscheidend (ON 69, S 241/I in A 255/80 des Bezirksgerichtes Kitzbühel bzw 245/I in 34 Vr 1.162/89 des Landesgerichtes Innsbruck), deren Abwicklung (insbesondere hinsichtlich des Umfangs der jeweils offengelegten Schätzungsobjekte) der - durch das Fehlen jedweder detaillierten Nachlaßinventarisierung im Verlassenschaftsverfahren begünstigten - Alleindisposition einerseits des Klaus A***** bzw andererseits des Alois W***** überlassen war (26 f/II in 34 Vr 1.162/89 des Landesgerichtes Innsbruck). Die am (demnach Jahre nach der Verfahrenseinstellung zu AZ 34 Vr 1.162/89 des Landesgerichtes Innsbruck) an von den seinerzeitigen Verwahrungsorten abweichender Adresse sichergestellten Kunstobjekte aus dem Nachlaß nach Prof.Hilde G***** weisen inhaltlich der (erstmals detaillierten) Auflistung in dem vom gerichtlichen Sachverständigen DDDr.August H***** erstatteten Schätzungsgutachten vom (ON 26, S 349 ff/I in 33 Vr 1.487/94 des Landesgerichtes Innsbruck) sowohl nach der Stückzahl als auch nach der gutächtlichen Bewertung derart gravierende Abweichungen von den seinerzeit bestimmenden Wertgrundlagen auf (demnach beläuft sich allein der nunmehr objektivierte Graphiknachlaß auf einen Gesamtwert von mehr als 15 Mio S), daß diese aus der Sicht der zu AZ 34 Vr 1.162/89 des Landesgerichtes Innsbruck eingestellten Vorerhebungen gegen Klaus A***** und Alois W***** neuen Beweismittel (§ 352 Abs 1 StPO) eine Prüfung der so gesehen modifizierten Verdachtslage in Richtung allfälliger Wiederaufnahme des Strafverfahrens sinnfällig nahelegen. Dies insbesondere im - infolge erweiterter Beweisgrundlagen neu zu gewichtenden - Zusammenhang damit, daß nach den aktenkundigen Verfahrensergebnissen der (ua durch Beteiligung an internationalen Kunstmessen - 125/I in A 255/80 des Bezirksgerichtes Kitzbühel) fachlich versierte Galeriebetreiber Klaus A***** in seinem Schreiben vom an den Gerichtskommissär auf eine pauschale Nachlaßbewertung in der Höhe von "höchstens" 500.000 S drängte (205/I in A 255/80 des Bezirksgerichtes Kitzbühel), während er sich bereits am von der A***** Holland B.V. für die den künstlerischen Nachlaß nach Prof.Hilde G***** betreffende Verkaufsanbahnung eine Provision in der Mindesthöhe von 2 Mio S ausbedungen hatte (75/I in 34 Vr 1.162/89 des Landesgerichtes Innsbruck) und selbst in einem an das Bezirksgericht Kitzbühel gerichteten Schreiben der Rechtsanwälte Dr.Diemand und Dr.Greinz vom bei der Anmeldung von Kaufinteresse hinsichtlich des Nachlasses nach Prof.G***** schon vor einer Besichtigung und ohne detaillierte Erfassung des in Betracht kommenden Werkbestandes vorweg von einer 3 Mio S jedenfalls nicht unterschreitenden Wertdimension ausgegangen wurde (415/I in A 255/80). In die Neuabwägung der Verdachtslage wird (ua) auch miteinzubeziehen sein, daß Alois W***** nach den Akten sinnfällige Tendenzen zeigte, der objektiven Nachlaßerfassung entgegenzuwirken (Verweigerung der Depotbekanntgabe - 91, 99/II und 107/III in A 255/80 des Bezirksgerichtes Kitzbühel).

Bei der gebotenen umfassenden Beurteilung sämtlicher derzeit verfügbarer Unterlagen trifft es demnach nicht zu, daß es dem sichergestellten Bestand an Kunstwerken an dem für die Anwendbarkeit des § 367 StPO im Sinne der obigen Ausführungen unabdingbaren Bezug zu strafrechtlich faßbaren Vorgängen (Schädigung der Prof.Hilde G*****-Stiftung durch dolos wertentstellende Täuschungshandlungen bei der Kaufanbahnung bzw -abwicklung) ermangeln würde. Dies umsoweniger, als nach dem zu AZ 33 Vr 1.487/94 des Landesgerichtes Innsbruck eingeholten Sachverständigengutachten eine Marktentwicklung, die die angesprochene exorbitante Wertdifferenz (in der Höhe eines zweistelligen Millionenbetrags) als erst nachträglichen Zuwachs erklären könnte, auszuschließen ist (111/I in 33 Vr 1.487/94 des Landesgerichtes Innsbruck).

Da jene rechtlichen Erwägungen, mit denen in den bekämpften Beschlüssen jeweils die Anordnung der zivilgerichtlichen Hinterlegung der Beschlagnahmeobjekte begründet wird, aus den dargelegten Erwägungen mit dem Gesetz nicht im Einklang stehen, war unbeschadet der aus anderer Sicht indizierten Anwendbarkeit der Bestimmungen nach § 367 Abs 2 Z 2, Abs 3 StPO in Stattgebung der zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde spruchgemäß zu entscheiden.