Suchen Hilfe
VfGH vom 04.03.2011, B1239/10

VfGH vom 04.03.2011, B1239/10

******

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

II. Der Bund (Bundesministerin für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.620,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen, amtswegiges Gesetzesprüfungsverfahren

1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Türkei. Er stellte nach Einreise in das österreichische Bundesgebiet am einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom abgewiesen wurde. Die dagegen eingebrachte Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab.

Am stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde. Das dagegen eingebrachte Rechtsmittel wurde mit Entscheidung des Asylgerichtshofes vom abgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde ab.

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft verhängt, nachdem sämtliche ordentliche und außerordentliche Rechtsmittel gegen die Ausweisungsentscheidung erfolglos geblieben waren.

Während der Schubhaft stellte der Beschwerdeführer am einen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom zurückgewiesen wurde. Der Asylgerichtshof wies mit Entscheidung vom die dagegen erhobene Beschwerde ab.

1.2. Ebenfalls während der Schubhaft beantragte der Beschwerdeführer am gestützt auf § 44 Abs 4 NAG bei der Bezirkshauptmannschaft Landeck die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - beschränkt".

Am wurde der Beschwerdeführer aus Österreich in die Türkei abgeschoben.

Da über den Antrag auf Erteilung der Niederlassungsbewilligung nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden worden war, stellte der Beschwerdeführer am einen auf § 73 AVG gestützten Devolutionsantrag, der mit Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom mit der Begründung:

abgewiesen wurde, es liege kein überwiegendes Verschulden (in der Sache: keine Säumnis) der Behörde erster Instanz vor, weil das auf § 44 Abs 4 NAG gestützte erstinstanzliche Verfahren gemäß § 44 Abs 5 letzter Satz NAG als eingestellt gelte, wenn der Antragsteller das Bundesgebiet verlassen habe. Eine "bescheidmäßige Erledigung" sei daher nicht erforderlich.

2. Dagegen richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander, ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und Gewährleistung faktisch effizienten Rechtsschutzes sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung des als verfassungswidrig erachteten § 44 Abs 5 letzter Satz NAG sowie der Wortfolge "Im Bundesgebiet aufhältigen" in § 44 Abs 4 erster Satz NAG behauptet wird.

3. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 Abs 1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von § 44 Abs 5 letzter Satz des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Vsterreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009, ein. Mit Erkenntnis vom , G201/10-9, hob er diese Bestimmung als verfassungswidrig auf.

II. Erwägungen

1. Die Beschwerde ist begründet.

Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

2. Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in seinen Rechten verletzt (ständige Rechtsprechung beginnend mit VfSlg. 10.404/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

3. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,-- sowie eine Eingabengebühr gemäß § 17a VfGG in der Höhe von € 220,-- enthalten.

Fundstelle(n):
VAAAD-80681

Ihre Datenbank verwendet ausschließlich funktionale Cookies,

die technisch zwingend notwendig sind, um den vollen Funktionsumfang unseres Datenbank-Angebotes sicherzustellen. Weitere Cookies, insbesondere für Werbezwecke oder zur Profilerstellung, werden nicht eingesetzt.

Hinweis ausblenden