OGH vom 16.09.1997, 10Ob227/97y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer und Dr.Danzl als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am verstorbenen Dr.Edith S*****, zuletzt wohnhaft gewesen in *****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des "Testamentsvollstreckers und Verlassenschaftskurators" Dr.Walter H*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom , GZ 51 R 36/97m-46, womit infolge Rekurses des erbserklärten Gesetzeserben Hans Hubert T***** der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom , GZ 4 A 198/97g-43, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1.) Die Revisionsrekursbeantwortung des Rekursgegners Hans Hubert T***** wird zurückgewiesen.
2.) Soweit der Revisionsrekurs vom Revisions- rekurswerber als "Verlassenschaftskurator" erhoben wurde, wird er zurückgewiesen.
Im übrigen wird dem Revisionsrekurs, soweit er vom Rechtsmittelwerber in seiner Funktion als "Testaments- vollstrecker" erhoben wird, Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes, der in seinem Punkt 1. als unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, in seinem Punkt 2. wieder- hergestellt wird.
Text
Begründung:
Zu 1.):
Rechtliche Beurteilung
Die dem Rekursgegner freigestellte Erstattung einer Rekursbeantwortung (zur Zulässigkeit einer solchen vgl Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren2 Rz 54 sowie Mayr, Die Allgemeinen Anordnungen des Außerstreitgesetzes 18547, Rz 4 zu § 9) wurde seinen Vertretern am zugestellt. Der Revisionsrekursbeantwortungsschriftsatz wurde hingegen erst am zur Post gegeben. Damit ist die im Außerstreitverfahren uneingeschränkt (§ 11 Abs 1 AußStrG) geltende 14-tägige Frist zur Erstattung eines solchen Schriftsatzes nicht eingehalten worden, zumal die Vorschriften der ZPO über die Gerichtsferien gemäß Art XXXVI auf die Angelegenheiten des außerstreitigen Verfahrens keine Anwendung finden. Die Revisionsrekursbeantwortung war demgemäß als verspätet zurückzuweisen.
Zu 2.):
Hinsichtlich Vorgeschichte und Hintergrund der gegenständlichen Verlassenschaftssache wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche chronologische Darstellung einleitend der Begründung des Beschlusses des Obersten Gerichtshofes in dieser Sache vom , 10 Ob 2204/96g, verwiesen. In dieser Entscheidung war im wesentlichen ausgesprochen worden, daß für die Gründung eines Vereins, um den Willen der Erblasserin, nach ihrem Tode eine Stiftung mit dem Namen "Tirol 1809" zum Zwecke der Drucklegung eines Werkes aus dem Nachlaß ihres vorverstorbenen Vaters zu errichten, erfüllen zu können, das geltende VereinsG keine taugliche Rechtsgrundlage sei, sodaß die Versagung der verlaßgerichtlichen Genehmigung diesbezüglich vom Testamentsvollstrecker und gerichtlich bestellten Verlassenschaftskurator ausgearbeiteter Statuten (endgültig) zu versagen sei.
In der Folge stellte zunächst der gesetzliche Alleinerbe Hans Hubert T*****, dessen bedingte Erbserklärung vom Abhandlungsgericht bereits mit Beschluß vom angenommen worden war (ON 13), den Antrag auf Widerruf der RA Dr.Walter H***** übertragenen Nachlaßverwaltung und die Übertragung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses an sich (ON 41); der Verlassenschaftskurator seinerseits beantragte die Errichtung einer Privatstiftung (wenngleich mangels Einhaltung der Formvorschriften eines Notariatsaktes nicht von Todes wegen) im Sinne des PrivatstiftungsG (PSG) und sprach sich gleichzeitig "gegen jegliche Form der Überlassung der Besorgung und Verwaltung des Nachlasses" an den genannten Gesetzeserben aus (ON 42).
Das Erstgericht enthob mit seinem Beschluß (Punkt 1.) den Verlassenschaftskurator mit dem Wirkungskreis der Gründung eines Vereins zum Zweck der Herausgabe und Drucklegung des Werkes mit dem Arbeitstitel "1809 aus militärisch-wissenschaftlicher Sicht" von Viktor S*****, Generalmajor, - dieser Teil des Beschlusses erwuchs unbekämpft in Rechtskraft - und wies des weiteren den Antrag des erbserklärten Erben, ihm die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses zu übertragen, ab (Punkt 2.). Es begründete den zweiten Teil seiner Entscheidung (zusammengefaßt) damit, daß zunächst zwischen Testamentsvollstrecker und Gesetzeserben abzuklären sei, wie die letztwillige Anordnung der Erblasserin zu verstehen sei und in welcher Form ihr letzter Wille verwirklicht werden könne. Wenn dieser Wille erfüllt werde, kämen die dafür erforderlichen Vermögenswerte aus dem Nachlaß nicht dem erbserklärten Erben zu, sodaß ihm diesbezüglich auch keine Nachlaßverwaltung übertragen werden könne; eine bloß teilweise Überlassung des Nachlasses sei aber im Gesetz nicht vorgesehen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Gesetzeserben Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes in ihrem bekämpften Punkt 2. dahin ab, daß dem Genannten die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses nach dem § 145 AußStrG iVm § 810 ABGB übertragen wurde. Weiters wurde ausgesprochen, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-
übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das Rekursgericht vertrat - abweichend vom Erstgericht - die Auffassung, daß der Erbe, dessen Erbrecht hinreichend ausgewiesen sei, einen Rechtsanspruch auf die Besorgung und Benützung der Verlassenschaft habe; die Bestellung eines Testamentsvollstreckers durch den Erblasser bilde hiefür kein Hindernis, vielmehr habe sich dieser damit zu begnügen, beim Erben auf die Erfüllung der letztwilligen Anordnungen des Erblassers einzuwirken und allenfalls entsprechende Verfügungen des Verlassenschaftsgerichtes zu veranlassen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des "Testamentsvollstreckers und Verlassenschaftskurators" aus den Gründen der Mangelhaftigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluß des Erstgerichtes wieder herzustellen; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Gesetzeserbe hat auch eine freigestellte Revisionsrekursbeantwortung erstattet.
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht in seiner rechtlichen Beurteilung nicht auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles eingegangen ist, was aus Gründen der Richtssicherheit vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen ist. Das Rechtsmittel ist auch - soweit der Rechtsmittelwerber seine Legitimation als Testamentsvollstrecker ableitet - berechtigt. Soweit der Rechtsmittelwerber hingegen seine Legitimation darüber hinaus auch als "Verlassenschaftskurator" ableitet (Rubrum des Schriftsatzes ON 47), ist er darauf zu verweisen, daß er von dieser Funktion mit Beschluß des Erstgerichtes vom (ON 43, Punkt 1.) enthoben wurde, dieser Teil des Beschlusses unangefochten blieb und damit in Rechtskraft erwachsen ist. Insoweit war daher sein nunmehr dennoch erhobener Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.
Darüber hinaus war folgendes zu erwägen:
Soweit unter dem Rechtsmittelgrund der Mangelhaftigkeit - ebenso wie in den Ausführungen zur Zulässigkeit des Rechtsmittels - Beschwerde darüber geführt wird, daß sich das "Berufungsgericht" (richtig: Rekursgericht) nicht mit seinem Antrag vom (ON 42) auf Errichtung einer Privatstiftung im Sinne des PSG auseinandergesetzt habe, ist hinzuweisen, daß das Erstgericht hierüber mit seinem angefochtenen Beschluß gar nicht abgesprochen hatte (diese Entscheidung betraf ausschließlich den Antrag des Gesetzeserben ON 41), sodaß das Rekursgericht schon aus diesem Grunde hierüber keine Entscheidung fällen konnte; die Entscheidung kann daher auch diesbezüglich mit keinem Verfahrensmangel behaftet sein.
Die Erbserklärung des Hans Hubert T***** als einzigem in Frage kommenden Gesetzeserben wurde vom Erstgericht bereits mit Beschluß vom (ON 13) rechtskräftig zu Gericht angenommen und sein Erbrecht als ausgewiesen anerkannt. Damit ist einem solchen erbserklärten Erben zwar grundsätzlich nach § 810 ABGB die Besorgung und Benützung einer Verlassenschaft zu überlassen und hat er darauf auch grundsätzlich einen subjektiven Rechtsanspruch (MGA ABGB34 E 1, 2 und 4 zu § 810; Welser in Rummel, ABGB2 I Rz 3 zu § 810; Eccher in Schwimann, ABGB2 III Rz 3 zu § 810), zumal auch widersprechende Erbserklärungen sonstiger Personen nicht vorliegen. Der Genannte hat sich auch mehrfach (ON 21, 44 sowie zuletzt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, welche ohne Ordnungsnummer im Akt erliegt) aktenkundig bereit erklärt, dem Willen der Erblasserin zur Drucklegung des Werkes aus dem Nachlaß ihres Vaters nachzukommen. Diesbezüglich stünde er auch unter der Aufsicht des Verlassenschaftsgerichtes (Welser, aaO Rz 17). Trotzdem kann nach den Besonderheiten des vorliegenden Falles eine Übertragung der Nachlaßverwaltung an den Genannten derzeit noch nicht erfolgen.
In der Entscheidung 1 Ob 2138/96k vom (veröffentlicht in
JBl 1997, 306) hatte der 1.Senat erst jüngst über einen durchaus
ähnlichen Sachverhalt zu entscheiden. Dort hatte eine Erblasserin in
ihrer letztwilligen Verfügung einerseits einen Alleinerben eingesetzt
und andererseits in bezug auf ihre Vermögensanteile an einer
Kommanditgesellschaft, welche eine Apotheke betrieb, eine
Vermächtnisnehmerin bestimmt und hiezu die Errichtung einer Stiftung
angeordnet; überdies wurde (so wie hier) eine Rechtsanwältin zur
Testamentsvollstreckerin bestimmt. Der Oberste Gerichtshof hat - in
ausführlicher Darlegung der rechtsgeschichtlichen Entwicklung des
Stiftungsrechtes, ausgehend von § 646 ABGB bis zum PSG 1993 -
ausgesprochen, daß ein Erblasser, der sein Vermögen oder einen Teil
desselben Stiftungszwecken zukommen lassen möchte, zwar von Todes
wegen mit letztwilliger Stiftungserklärung selbst eine Stiftung
errichten und diese zum Erben oder Miterben einsetzen bzw ihr ein
Vermächtnis aussetzen kann, doch müsse die letztwillige Verfügung
dann eine Willenserklärung enthalten, die unmittelbar auf die
Errichtung der Stiftung durch sie selbst (nämlich die Erblasserin)
gerichtet ist. Für die Errichtung einer Privatstiftung von Todes
wegen mangelt es hier jedoch - wie bereits in der Vorentscheidung 10
Ob 2204/96g ausgesprochen wurde - am Formerfordernis des
Notariatsaktes nach den §§ 39 Abs 1 iVm § 8 Abs 1 PSG. Aus dem
Testament ist allerdings - so wie auch in der Entscheidung JBl 1997,
306 - zwanglos abzuleiten, daß die Erblasserin diese Stiftung
ohnedies nicht selbst - von Todes wegen - errichten wollte, sondern
vielmehr den Auftrag erteilte, erst eine solche zu errichten ("Mein
Wille ist es, daß eine Stiftung nach meinem Tode geschaffen wird ...
Herr Dr.Walter H***** ... wird von mir als Testamentsvollstrecker und
Beauftragter bestimmt, damit die Abwicklung der Verlassenschaft in meinem obigen Sinne erfolgt".). Aufgabe des Testamentsvollstreckers ist es daher hier primär, die Erfüllung dieses erblasserischen Willens und damit auch das Abhandlungsgericht zu unterstützen (Eccher aaO Rz 5 zu § 816 mwN; JBl 1997, 306). Hinsichtlich der Einzelheiten zur Effektuierung dieses erblasserischen Willens ist es freilich dem Obersten Gerichtshof (derzeit) verwehrt, inhaltlich weitergehend Stellung zu nehmen, da - wie bereits ausgeführt - das Erstgericht über den diesbezüglichen Antrag des Testamentsvollstreckers vom noch gar nicht entschieden hat, sodaß hiezu auch vom Obersten Gerichtshof - da nicht primärer Prüfungsgegenstand des vorliegenden außerordentlichen Revisionsrekurses - nicht gleichsam vorgreifend Stellung genommen werden darf.
Auch wenn vom erbserklärten Gesetzeserben - wie bereits betont - das grundsätzliche Einverständnis abgegeben wurde, dem erblasserischen Willen nach Drucklegung der Nachlaßmanuskripte des Vaters der Erblasserin nachzukommen, so besteht doch zwischen dem Genannten und dem hiezu beauftragten Testamentsvollstrecker seit Beginn des Verlassenschaftsverfahrens Streit einerseits über die (rechtliche wie faktische) Verwirklichung dieses Vorhabens als auch über Art und Umfang der hiefür aus dem Nachlaß der Verstorbenen einzusetzenden und aufzubringenden Vermögenswerte. Bei dieser Sachlage hält es der Oberste Gerichtshof - in Übereinstimmung mit dem Erstgericht - nicht für angebracht, einem Erben im Rahmen einer Verwaltungseinräumung nach § 810 ABGB gleichsam in Vorgriff zu einer späteren Einantwortung Rechte über Vermögenswerte einzuräumen, von denen derzeit noch gar nicht feststeht, ob sie überhaupt im Rahmen der künftigen Einantwortung dem erbserklärten Gesetzeserben zustehen werden. Zu berücksichtigen ist - dies wiederum in am Willen und den persönlichen Vorstellungen der Erblasserin orientierter Auslegung (siehe hiezu die zahlreichen Nachweise in der Vorentscheidung 10 Ob 2204/96g) -, daß diese den Genannten ausdrücklich und ausschließlich mit einzelnen, offensichtlich für die Verwirklichung des primären Stiftungswillens bedeutungslosen Sachlegaten bedacht hat, wohingegen durch die vom Rekursgericht erfolgte Beschlußfassung eine uneingeschränkte Vermögensbesorgung und Benützung der Verlassenschaft verbunden wäre, ohne daß ausreichende Garantien dafür bestünden, die es dem Testamentsvollstrecker ermöglichen würden, im Zusammenwirken mit dem Abhandlungsgericht weiterhin das Stiftungsvorhaben der Erblasserin in rascher zeitlicher Abfolge zu verwirklichen. Insoweit ist daher auch die Auffassung des Erstgerichtes, wonach das bloß vorläufige Recht (der Nachlaßverwaltung und -benützung bis zur Einantwortung) nicht weitergehender sein könne als das mit der Einantwortung erreichbare (hier also um den Stiftungsanteil reduzierte Restvermögen), durchaus zutreffend und daher auch vom Obersten Gerichtshof nicht zu beanstanden (EvBl 1984/89).
Aus allen diesen Erwägungen war daher dem Rekurs wie aus dem Spruch ersichtlich Folge zu geben und die bekämpfte Entscheidung des Rekursgerichtes durch Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichtes im angefochtenen Umfange abzuändern.