OGH vom 30.07.1992, 7Ob581/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta, Dr.Egermann, Dr.Niederreiter und Dr.Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Peter K*****, vertreten durch Dr.Dieter Huainigg, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei K*****, reg. GenmbH, *****, vertreten durch Dr.Ullrich Polley und Dr.Helmut Sommer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen S 55.000 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom , GZ 6 R 259/91-17 , womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom
2. Spetember 1991 , GZ 22 Cg 103/91-12 , bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.348,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 724,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger behauptet, daß am in einem Verkaufslokal der beklagten Partei eine 1 Liter-Coca-Cola-Flasche beim Herausnehmen aus dem Selbstbedienungsregal zerborsten sei, wodurch er eine schwere Verletzung an der linken Hand erlitten habe. Er begehrt, gestützt unter anderem auf das Produkthaftungsgesetz ein Schmerzengeld von S 55.000 sA.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach seinen Feststellungen liegt das Verkaufslokal direkt an der Hauptstraße, welche von Osten nach Westen verläuft. Der Eingang liegt im östlichen Bereich ca. 30 m südlich der Hauptstraße. Das Lokal weist zur Hauptstraße hin an der Nordseite ein ca. 2 x 2 m großes Fenster auf. In diesem Bereich ist das Obst angeordnet. Im südlichen Bereich, gegenüber der Kühlvitrine, befindet sich ein Regal, in welchem die Coca-Cola-Flaschen angeordnet waren. Eine Sonneneinstrahlung auf dieses Regal ist nicht möglich. In der Sommersaison wird Coca Cola jede Woche neu angeliefert. Das Coca Cola wurde im fraglichen Zeitraum von der E*****GmbH aus K***** geliefert. Die Getränke kommen vom Wagen in den Lagerraum, von dort werden sie nach Bedarf ins Geschäft getragen und eingeschlichtet. Eine längere Lagerzeit der Coca-Cola-Flaschen bei der beklagten Partei gab es nicht. Maximal stehen Coca-Cola-Flaschen in der betreffenden Filiale der beklagten Partei 8 bis 10 Tage, bevor sie verkauft sind. Der Lagerraum befindet sich ca. 50 m südlich des Geschäftes. Es handelt sich um einen alten Gewölbekeller mit Steinmauern, der kühl temperiert ist. Die letzte Coca-Cola-Lieferung vor dem Unfall erfolgte von der E***** GmbH am mit Lieferschein Nr. 671769.
Auf das Schreiben des Klagevertreters vom teilte der Haftpflichtversicherer der beklagten Partei mit Schreiben vom mit, daß die gegenständliche Coca-Cola-Flasche von der E*****GmbH K*****, S*****, abgefüllt und ausgeliefert wird. Auf das Schreiben des Klagevertreters an die E*****GmbH vom teilte diese mit, daß die Abfüllproduktion Mitte Mai 1989 eingestellt wurde und die GmbH ab diesem Zeitpunkt die 1 Liter -Coca-Cola-Flaschen von der S*****bezogen hat. Sie sei der Ansicht, daß die betroffene Flasche von der S*****abgefüllt worden sei. Auf ein weiteres Schreiben des Klagevertreters vom an die S***** teilte diese mit Schreiben vom mit, daß sie nicht beurteilen könne, ob die die Verletzung des Klägers auslösende 1 Liter-Coca-Cola-Flasche in ihrem Unternehmen abgefüllt wurde oder ob die Flasche aus einem allfälligen Restbestand der E*****GmbH stammt, was nur durch Überprüfung des Flaschenverschlusses möglich ist. In einem weiteren Schreiben des Klagevertreters vom wurde die beklagte Partei um Aufklärung des Sachverhaltes ersucht. Die beklagte Partei teilte in der Folge mit, daß sie im Sinne des Produkthaftungsgesetzes den Erzeuger des Endproduktes namhaft gemacht habe.
Das Erstgericht verneinte ein Verschulden der beklagten Partei und vertrat die Auffassung, daß sich die beklagte Partei, die das Produkt in den Verkehr gebracht habe, von ihrer Haftung durch Benennung ihres unmittelbaren Vorlieferanten befreit habe.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es teilte dessen Rechtsansicht und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig ist.
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Kann der Hersteller oder - bei eingeführten Produkten - der Importeur nicht festgestellt werden, so haftet gemäß § 1 Abs 2 Produkthaftungsgesetz (PHG) jeder Unternehmer, der das Produkt in den Verkehr gebracht hat, wenn er nicht dem Geschädigten in angemessener Frist den Hersteller bzw den Importeur oder denjenigen nennt, der ihm das Produkt geliefert hat. Durch diese, in der EG-Richtlinie als Auffanghaftung bezeichnete subsidäre Haftung des Lieferanten soll vermieden werden, daß der Geschädigte nicht an der Suche nach dem Hersteller oder Importeur scheitert, wenn diese nicht feststellbar sind wie zB durch Aufdrucke auf dem Produkt selbst; es soll einer Verschleierung der Identität des tatsächlichen Herstellers durch anonyme Produkte entgegengewirkt werden (272 BlgNr 17. GP 8). Der Händler kann sich außer durch Benennung des Herstellers oder Importeurs von seiner Haftung auch dadurch befreien, daß er seinen unmittelbaren Vorlieferanten benennt. Auf letzteren verlagert sich die Haftung, wenn er nicht seinerseits die erforderlichen Aufklärungen geben kann (Fitz-Purtscheller-Reindl, Produkthaftung Rz 41 zu § 1; Welser, Produkthaftungsgesetz, Kurzkommentar Rz 19 zu § 1). Die Haftung des Händlers setzt voraus, daß der Hersteller nicht festgestellt werden kann. Die Gesetzesmaterialien zur Auffanghaftung rechtfertigen den Schluß, daß an diese Voraussetzung keine strengen Anforderungen zu stellen sind. Dem Geschädigten solle die Schadensliquidation erleichtert werden, es bedarf keiner besonderen Feststellungsversuche durch ihn. Er kann nur dann den Lieferanten nicht in Anspruch nehmen, wenn er den primär haftpflichtigen Erzeuger oder Importeur aus Aufdrucken auf dem Produkt selbst oder aus der Werbung kennt (Welser aaO). Eine solche Kenntnis des Geschädigten wurde hier nicht einmal behauptet. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat die beklagte Partei jedoch den Kläger auf dessen Anfrage mitgeteilt, daß die gegenständliche Coca-Cola-Flasche von der E*****GmbH K*****, S*****, abgefüllt und ausgeliefert wird. Aus dieser Mitteilung ergibt sich jedenfalls klar der Name und die Anschrift desjenigen, der der beklagten Partei das schadensstiftende Produkt geliefert hat. Die Vorinstanzen haben im vorliegenden Fall diese Mitteilung zu Recht als Benennung des unmittelbaren Vormannes im Sinne des § 1 Abs 2 PHG beurteilt, die geeignet ist, die Haftungsbefreiung der beklagten Partei zu bewirken. Die gegenteilige Auffassung des Klägers kann nicht geteilt werden. Richtig ist, daß der Händler, wenn nötig, auch mehrmals Auskunft geben muß (Welser aaO Rz 21). Desgleichen wird bei Nennung des Vorlieferanten die Bekanntgabe von dessen Namen und Anschrift nicht immer genügen. Einzelheiten des Bezuges werden mitgeteilt werden müssen, soweit dies zur Rückverfolgung der Ansprüche des Geschädigten erforderlich ist. Ebenso wie der Produktgeschädigte gegenüber dem Lieferanten nachweisen muß, daß gerade er das betreffende Produkt weiterveräußert hat, muß er auch gegenüber dem Vorlieferanten den Lieferantennachweis erbringen. Dazu ist der Produktgeschädigte aber normalerweise nur in der Lage, wenn ihm der Lieferant über die Firmenbezeichnung hinaus auch diejenigen Fakten aufdeckt, aus denen sich ergibt, daß der Vorlieferant das betreffende Produkt weitervertrieben hat. Dagegen erstreckt sich die Auskunftsverpflichtung nicht auch auf sonstige Unterstützungen des Geschädigten in der Verfolgung seiner Ansprüche gegen den Hersteller (Schmidt-Salzer, EG-Richtlinie Art. 3 Rz 330 f; Kullmann-Pfister, Produzentenhaftung 1 Kza 3605 S. 18; vgl auch Westphalen, Produkthaftungshandbuch 2 § 63 Rz 89). Es war hier nie zweifelhaft oder strittig, daß der von der beklagten Partei benannte Vorlieferant das Produkt auch tatsächlich vertrieben hat. Ergänzender Mitteilungen über Einzelheiten des Bezuges bedurfte es daher in dieser Richtung nicht. Aus den Feststellungen der Vorinstanzen über die Korrespondenz des Klagevertreters ergibt sich, daß nicht festgestellt werden konnte, ob der von der beklagten Partei benannte Vorlieferant oder der von diesem als wahrscheinlicher Hersteller bezeichnete Unternehmer das Produkt tatsächlich hergestellt hat. Ob die vom Vorlieferanten der beklagten Partei dem Klagevertreter erteilte Aufklärung eine Haftungsbefreiung des Vorlieferanten bewirken konnte, ist mehr als fraglich, kann aber hier unerörtert bleiben. Daß die beklagte Partei den tatsächlichen Hersteller kannte, in welchem Fall sie zur Bekanntgabe verpflichtet gewesen wäre, wurde nicht behauptet. Bei unzureichender Aufklärung durch den vom Händler benannten Vorlieferanten und einer sich daraus ergebenden Unklarheit über den tatsächlichen Hersteller trifft den Händler aber keine Pflicht, Erwägungen darüber anzustellen, welchen von mehreren möglichen Herstellern nach den Umständen die Produktion wahrscheinlich zuzuordnen ist und darüber dem Geschädigten Auskunft zu geben. Hat der Händler seinen Vorlieferanten benannt und steht dieser fest, tritt nicht wieder eine Haftung des Händlers ein, wenn der Vorlieferant seinerseits seiner Benennungspflicht nicht hinreichend nachkommt.
Daß die Benennung des Vorlieferanten durch die beklagte Partei nach den konkreten Umständen nicht in angemessener Frist erfolgt wäre (vgl Welser aaO Rz 25), wurde nicht behauptet und in dieser Richtung auch kein Sachvorbringen erstattet. Die Frist ist eine Schutznorm zugunsten des Geschädigten; sie ist verzichtbar und ihre Einhaltung ist nicht von Amts wegen zu untersuchen.
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.