OGH vom 06.12.2018, 12Os126/18y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Sischka als Schriftführer in der Strafsache gegen Peter B***** wegen Verbrechen nach § 3g VG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Geschworenengericht vom , GZ 49 Hv 49/17a-44, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Peter B***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen mehrerer Verbrechen nach § 3g VG (I./) sowie der Vergehen nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG und nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG (II./) schuldig erkannt.
Danach hat er – soweit für die Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – in G***** und anderen Orten Österreichs
I./ sich auf andere als die in § 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er
A./ am im Rahmen seiner Teilnahme an der Trauungszeremonie einer „BikerHochzeit“ des Motorradclubs „M*****“ eine Gürtelschnalle mit darauf deutlich sichtbarem Hakenkreuzsymbol und der Inschrift „Heil Hitler“ und „Sieg Heil“ in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise im Sinn einer demonstrativen Zurschaustellung trug;
B./ zumindest zwischen dem und dem in OnlineAnwendungen und sozialen Netzwerken, nämlich WhatsApp, Telegramm, Facebook und LinkedIn, zahlreiche – nationalsozialistische Maßnahmen und Zielsetzungen einseitig propagandistisch vorteilhaft darstellende – Beiträge verfasste und versendete oder verbreitete, und zwar insbesondere
1./ am , dem Geburtstag Hitlers, ein Hitlerbild mit dem in deutscher Frakturschrift ausgeführten Text „Happy Birthday Onkel Dolf“;
4./ am die Abbildung eines Weihnachtsmanns in schwarzer Kutte mit weißer Verbrämung, weißem Gürtel, Hakenkreuzarmbinde und einem roten Sack mit Hakenkreuzemblem sowie dem Text „Allen Froinden und Kameraden ein frohes Fest 2016“;
5./ mehrere Bilder von Motorrädern mit einem Hakenkreuz auf dem hinteren Kotflügel;
7./ das Bild eines auf die Frage „Hat jemand eine Idee, wie wir die Einwanderung in den Griff kriegen?“ grinsend aufzeigenden Adolf Hitler;
8./ ein „Selfie“ vor einem Gemälde in nationalsozialistisch anmutender Stilistik mit deutlich und groß dargestellten SSRunen;
9./ eine Abbildung von – mit Reichsadler und Hakenkreuz versehenen – Weihnachtsglocken und Lametta, einem weiteren Hakenkreuzsymbol mit der Überschrift „Deutschland erwache!“, sowie dem Bilduntertext „Deutsche Weihnachtsgrüße“;
10./ ein Bild Adolf Hitlers beim Abfeuern einer Feuerwerksrakete mit Hakenkreuzsymbol und der Überschrift „Happy New Year“;
12./ ein Bild eines an einer Parade im Dritten Reich teilnehmenden, mit Adolf Hitler und weiteren NSGranden besetzten, ein Hakenkreuzfähnchen am rechten vorderen Kotflügel tragenden Mercedes 770 Cabriolet mit dem Text „Fast and Führerious Auchwits Drift“;
14./ ein „Selfie“ in Ledermantel, eine Kappe mit Reichsadler und Hakenkreuz tragend, mit der Beifügung „Muss heut no a paar Asylanträge erledigen ...“;
16./ am das Faksimile eines Aufrufs der NSDAP mit dem Text „Fahnen heraus am Geburtstag des Führers! Der Geburtstag des Führers ist ein Freudentag der ganzen Nation! Wehende Fahnen sollen an diesem Tag Ausdruck der Freude und der Verbundenheit des Volks mit dem Führer und seiner Bewegung sein! Darum, Volksgenossen in Stadt und Kreis beflaggt morgen, am Geburtstag des Führers, eure Häuser! Heil Hitler!“;
18./ ein „Selfie“, eine Tellerkappe mit Reichsadler und Hakenkreuz tragend;
19./ Abbildungen einer Schoko/Topfentorte „mit speziellen Überzug“ in Form einer Hakenkreuzfahne sowie der Zutaten des Entstehungsprozesses;
23./ die Abbildung dreier Menschen – eines mit fettleibigem, eines mit abgemagertem und eines mit athletischem Körperbau – samt Bilduntertext „Capitalism Communism Nationalsozialismus“;
24./ ein Bild mit dem Aufdruck „Gute Zeiten schlechte Zeiten“, das in der oberen Hälfte Adolf Hitler vor einer Hakenkreuzfahne und in der unteren Hälfte Angela Merkel vor einer Deutschlandflagge zeigt;
30./ die Kommentierung der Abbildung einer Tellerkappe mit Reichsadler, Hakenkreuz und SSTotenkopf sowie dem Text „Liebe Flüchtlinge, an diesen Mützen erkennen Sie ihren Sachbearbeiter“ mit dem Wortlaut: „Zeitlos elegant – afoch scheen!“;
33./ eine Nachahmung der Umschlagseite eines Kinderbuchs mit dem Titel „Jakob und seine Kameraden“, worauf zwei Hakenkreuzarmbinden tragende blonde Kinder gemeinsam auf ein am Boden liegendes dunkelhäutiges Kind eintreten;
35./ eine – die in ein Konzentrationslager führenden – Eisenbahnschienen als „Hollo Coaster Tycoon 3“ nach Art einer Jahrmarktsattraktion verharmlosende Abbildung;
38./ eine Selbstdarstellung auf LinkedIn als „Scharfrichter bei RSHA“, wobei es sich um eine Anspielung auf das Reichssicherheitshauptamt handelt.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs 1 Z 4, Z 5, Z 10a und Z 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Aus Z 4 und Z 5 des § 345 Abs 1 StPO macht der Beschwerdeführer geltend, seiner mit Schriftsatz vom (ON 38) in Ansehung der für den anberaumten Hauptverhandlung gestellten Vertagungsbitte sei nicht entsprochen worden. Weiters releviert er gestützt auf § 52 Abs 3 StPO, dass seinem mit Eingabe vom (ON 39) gestellten Antrag auf Herstellung und Übersendung einer vollständigen Aktenabschrift nicht „unverzüglich“, sondern erst eine Woche nach dem entsprochen worden sei.
Dazu genügt unter dem Aspekt der Z 4 der Hinweis, dass der herangezogene Nichtigkeitsgrund vorliegt, wenn in der Hauptverhandlung eine Bestimmung verletzt oder missachtet worden ist, deren Einhaltung das Gesetz – in taxativer Aufzählung (RISJustiz RS0099128 [T1]) – bei sonstiger Nichtigkeit anordnet. Einen solchen Fehler bezeichnet der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen hingegen nicht.
Grundlage einer Verfahrensrüge nach § 345 Abs 1 Z 5 StPO können nur in der Hauptverhandlung gestellte Anträge sein. Anträge, die in Schriftsätzen außerhalb der Hauptverhandlung eingebracht wurden, erfüllen diese Voraussetzung nur, wenn sie vom Antragsteller – wie hier zu Recht von der Beschwerde nicht einmal behauptet – in der Hauptverhandlung wiederholt wurden (RISJustiz RS0099099 [insbesondere T 4, T 7]). Schon deshalb versagt die darauf bezogene Verfahrensrüge.
Die Kritik, aufgrund der „mangelnde[n] Zustellung der bestellten Aktenabschrift im Zeitpunkt der Verhandlung“ sei das Verfahren „wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs nichtig“, lässt keinen Bezug zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.
Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RISJustiz RS0119583). Urteilsnichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 10a StPO ist daher gegeben, wenn die Laienrichter das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben und damit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert nahe liegt (T13).
Diesen Anfechtungsrahmen verfehlt der Beschwerdeführer mit dem bloßen Einwand, seiner Meinung nach läge „keine politische Absicht“ vor.
Soweit die Rüge in diesem Zusammenhang die Stellung einer Eventualfrage zur Hauptfrage I./ nach der– strafbaren Tatbestand normierenden – Vorschrift des § 3 Abs 1 Abzeichengesetz 1960 vermisst, bleibt das Vorbringen unverständlich.
Gestützt auf Z 12 des § 345 Abs 1 StPO behauptet die Beschwerde, die dem Schuldspruch I./B./ zugrundeliegenden Taten seien durch unrichtige Gesetzesauslegung einem Strafgesetz unterzogen worden, das darauf nicht anzuwenden sei, weil sämtliche Bilder keine Glorifizierung des Nationalsozialismus darstellten und ohne jegliche politische Absicht erfolgt seien. Damit geht sie schon daran vorbei, dass Gegenstand der Subsumtionsrüge (Z 12) ausschließlich eine andere – ausdrücklich zu bezeichnende – rechtliche Unterstellung einer Tat bei akzeptierter gerichtlicher Strafbarkeit ist (Ratz, WKStPO § 281 Rz 644).
Unter dem Aspekt der Z 11 lit a des § 345 Abs 1 StPO verkennt die Beschwerde, dass die Beurteilung der Sachverhaltsgrundlagen des normativen Tatbestandsmerkmals „nationalsozialistisch“ – einschließlich des Bedeutungsinhalts einer Äußerung oder eines Verhaltens – auf der Feststellungsebene angesiedelt und somit den Geschworenen vorbehalten ist (RISJustiz RS0119234). Bejahen diese die Schuldfrage, ist davon auszugehen, dass sie eben jene Voraussetzung als erwiesen angenommen haben, aufgrund deren das zu beurteilende Sachverhaltselement dem normativen Tatbestandsmerkmal „nationalsozialistisch“ entspricht, sodass dessen Bejahung einer Anfechtung mit Rechts oder Subsumtionsrüge entzogen ist (RISJustiz RS0119234 [T2]; Lässig in WK² VG § 3g Rz 17).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 344, 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt daher dem Oberlandesgericht zu (§§ 344, 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00126.18Y.1206.000 |
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