OGH vom 04.12.2019, 15Os127/19v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schrott als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mica L***** wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 und Abs 5 SMG über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 11 U 212/15v-74, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Geymayer, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 11 U 212/15v-74, verletzt in der rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Taten (auch) unter § 27 Abs 3 und Abs 5 SMG das Gesetz in diesen Bestimmungen.
Dieses Urteil wird aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien verwiesen.
Text
Gründe:
Mit Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom [richtig:] , GZ 11 U 212/15v-74, wurde Mica L***** „des“ Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 und Abs 5 SMG schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe verurteilt.
Während das Protokoll über die Hauptverhandlung vom (ON 73) – entgegen § 447, 271 Abs 1 Z 7 StPO – keinen Ausspruch enthält, welcher Tat der Angeklagte für schuldig befunden wurde (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; vgl RIS-Justiz RS0098552 [T2]), hat er nach der mit „“ datierten schriftlichen Urteilsausfertigung (ON 74; vgl RIS-Justiz RS0123475) „vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar Kokain, anderen durch Verkauf überlassen, und zwar im Zeitraum von April 2015 bis Ende Mai 2015 zumindest 40 Gramm brutto durch den Verkauf an Dragoljub D*****, Yakup K***** und andere nicht mehr ausforschbare Abnehmer, wobei Mica L***** selbst an Suchtmittel, nämlich Kokain, gewöhnt ist und die Straftaten vorwiegend deshalb beging, um sich für seinen persönlichen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen“.
Den Entscheidungsgründen (US 2 f) zufolge war der bislang unbescholtene Angeklagte zum Tatzeitpunkt süchtig und konsumierte täglich Kokain und Cannabis. Als er im April 2015 Sasa N***** kennenlernte, verkaufte er für diesen zwei Monate lang ca 5 Gramm Kokain pro Woche an verschiedene Abnehmer und lieferte das Entgelt an Sasa N***** ab, wofür er als Gegenleistung Suchtgift für den Eigenkonsum erhielt. Der Angeklagte handelte dabei „zumindest mit bedingtem Vorsatz“ und wusste, dass der Umgang mit Suchtgiften verboten ist, wollte damit aber seinen eigenen Suchtgiftkonsum finanzieren.
Im Übrigen ging das Gericht davon aus, dass sich der Angeklagte zwar mit einer vorläufigen Verfahrenseinstellung und einer Suchtbehandlung einverstanden erklärt und zugesichert hatte, zum Gesundheitsamt zu gehen, jedoch Ladungen des Ambulatoriums der Sucht- und Drogenkoordination zu einer Begutachtung nach § 11 SMG nicht nachgekommen ist.
Dieses Urteil blieb unbekämpft.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt, steht das erwähnte Urteil in seiner rechtlichen Unterstellung der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Taten unter § 27 Abs 3 SMG und demzufolge auch unter § 27 Abs 5 SMG mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Gewerbsmäßigkeit iSd § 27 Abs 3 SMG hat zur Voraussetzung, dass der Täter eine (hier:) in Abs 1 leg cit genannte Tat in der Absicht ausführt, sich durch deren wiederkehrende Begehung längere Zeit hindurch ein den Voraussetzungen des § 70 Abs 2 StGB entsprechendes Einkommen zu verschaffen. Zusätzlich zur Absicht, ein nicht bloß geringfügiges, fortlaufendes und nach einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung monatlich den Betrag von 400 Euro übersteigendes Einkommen zu erzielen, muss der Täter zumindest eines der in § 70 Abs 1 Z 1 bis 3 StGB enthaltenen Kriterien erfüllen, dh unter Einsatz besonderer Fähigkeiten oder Mittel handeln, die eine wiederkehrende Begehung nahelegen (§ 70 Abs 1 Z 1 StGB), zwei weitere solche Taten schon im Einzelnen geplant haben (§ 70 Abs 1 Z 2 StGB), bereits zwei solche Taten begangen haben (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB) oder schon einmal wegen einer solchen Tat verurteilt worden sein (§ 70 Abs 1 Z 3 zweiter Fall StGB). Darauf bezogene Konstatierungen lässt das Urteil zur Gänze vermissen, weshalb es nicht nur an einer hinreichenden Tatsachenbasis für die vorgenommene rechtliche Unterstellung des Sachverhalts unter § 27 Abs 3 SMG, sondern – anknüpfend daran – auch unter § 27 Abs 5 SMG mangelt, wo eine Privilegierung für an Suchtmittel gewöhnte Täter einer „Straftat nach Abs 3 oder Abs 4 Z 2“ SMG vorgesehen ist.
Da dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen dem Angeklagten zum Nachteil gereicht, war der Feststellung einer Gesetzesverletzung konkrete Wirkung zuzuerkennen.
Um im neuerlichen Verfahren im Fall geänderter Umstände die allfällige Möglichkeit einer diversionellen Erledigung (§§ 35 Abs 2, 37 SMG) zu eröffnen (RIS-Justiz RS0119278), war nicht nur die rechtliche Unterstellung der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Taten (auch) unter § 27 Abs 3 und Abs 5 SMG, sondern gemäß § 289 StPO das Urteil zur Gänze aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu verweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0150OS00127.19V.1204.000 |
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