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VfGH vom 25.09.1995, B1224/94

VfGH vom 25.09.1995, B1224/94

Sammlungsnummer

14212

Leitsatz

Keine Gleichheitsbedenken gegen die in der BeitragsO 1994 der Rechtsanwaltskammer für Wien enthaltene Regelung über die Verpflichtung zur Entrichtung eines Zuschlags zur Kanzleiabgabe für die am Beginn eines Quartals bei einem Rechtsanwalt beschäftigten Rechtsanwaltsanwärter

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid der Abteilung I des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 1 Z 2 der Beitragsordnung 1994 der Rechtsanwaltskammer für Wien (im folgenden: BO 1994) für das erste Quartal 1994 die Zahlung eines Betrages in Höhe von S 2.750,-- vorgeschrieben. Begründet wurde dies damit, daß zum Stichtag beim Beschwerdeführer ein Rechtsanwaltsanwärter beschäftigt war.

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Vorstellung, welcher vom Plenum des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien mit Beschluß vom keine Folge gegeben wurde.

1.3. Dagegen wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Verordnung geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

1.4. Der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer Wien hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher er den bekämpften Bescheid verteidigt und den Antrag stellt, der Beschwerde nicht Folge zu geben.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

2.1. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf § 1 Z 2 der BO 1994; diese Bestimmung lautet:

"Jede(r) Rechtsanwalt(in), welche(r) eine(n) Rechtsanwaltsanwärter/anwärterin beschäftigt, hat darüber hinaus für jedes begonnene Jahresviertel, während welchem das Ausbildungsverhältnis zu einem/einer Rechtsanwaltsanwärter/anwärterin aufrecht besteht, einen Zuschlag zur Kanzleiabgabe von je S 2.750,-- zu entrichten."

2.2. Der Beschwerdeführer hegt das Bedenken, daß diese - in Ausführung des § 27 Abs 2 RAO ergangene - Bestimmung dem Gleichheitssatz widerspricht. Der Beschwerdeführer begründet dies mit dem "Grundsatz der (annähernden) Gleichbehandlung (annähernd) gleich(dauernder) Beschäftigungsverhältnisse"; es sei unsachlich, daß "im Extremfall bei begründeter Auflösung ... für nur einen (oder zwei) Tag(e) tatsächlicher Beschäftigung ein dem Äquivalent für zumindest 90 Tage Beschäftigung entsprechender Zuschlag zu entrichten (sei)."

2.3. Der Verfassungsgerichtshof teilt dieses Bedenken nicht:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verletzt eine Verordnung das Gleichheitsgebot, wenn sie auf einem gleichheitswidrigen Gesetz beruht oder wenn sie Differenzierungen schafft, die sachlich nicht gerechtfertigt sind

(VfSlg. 10492/1985, 13482/1993). Im vorliegenden Fall hat die verordnungserlassende Behörde für die Ermittlung der vom Rechtsanwalt für seine Rechtsanwaltsanwärter zu entrichtenden Zuschläge an den Monatsersten eines jeden Quartals angeknüpft. In dieser Anknüpfung kann nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes kein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot erblickt werden. Der Verfassungsgerichtshof übersieht dabei nicht, daß der von der belangten Behörde gewählte Anknüpfungspunkt in einigen Fällen insoweit zu Härten führen kann, als ein Rechtsanwalt unter Umständen für einen bei ihm weniger als drei Monate beschäftigten Rechtsanwaltsanwärter zwei Zuschläge zur Kanzleiabgabe zu entrichten hat. Extreme Härtefälle werden jedoch durch eine andere Bestimmung der BO 1994 verhindert: Gemäß § 4 dritter Satz der BO 1994 ist "der Zuschlag zur Kanzleiabgabe für Rechtsanwaltsanwärter(innen) ... über Antrag des/der Rechtsanwaltes/Rechtsanwältin nachzusehen, wenn das Ausbildungsverhältnis innerhalb von 30 Tagen (Probemonat) endet."

Darüber hinaus sieht § 4 erster Satz der BO 1994 in besonders berücksichtigungswürdigen Einzelfällen die Möglichkeit einer Ermäßigung vor. Schon im Hinblick auf diese Bestimmungen ist der Verfassungsgerichtshof der Ansicht, daß der Verordnungsgeber den durch das Gesetz vorgegebenen Rahmen nicht überschritten hat.

2.4. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschrift kann eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. zB VfSlg. 12670/1991 und 13560/1993) nur vorliegen, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hätte. Eine solche Vorgangsweise der belangten Behörde wird vom Beschwerdeführer jedoch nicht einmal behauptet und ist aus den vorgelegten Akten auch nicht ersichtlich.

2.5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

2.6. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

2.7. Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art 144 Abs 3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

2.8. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.