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OGH vom 15.09.1999, 9Ob229/99p

OGH vom 15.09.1999, 9Ob229/99p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Heinz Paul und Dr. Jörg Wirrer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Günter K*****, Vertreter, *****, vertreten durch Dr. Ursula Oys, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei S***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Marisa Schamesberger und Dr. Günther Millner, Rechtsanwälte in Graz, wegen Rechnungslegung und Leistung, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 250/98s-19, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Rekurswerberin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

In der mündlichen Berufungsverhandlung schlossen die Parteien einen Vergleich, der wirksam werden sollte, "wenn er nicht mit bis längstens bei diesem Gericht einlangenden Parteienschriftsatz widerrufen wird".

Der an das Erstgericht adressierte Schriftsatz der Beklagten, mit dem sie den Widerruf dieses Vergleiches erklärte, traf am beim Erstgericht ein, das ihn an das Berufungsgericht weiterleitete, wo er am einlangte. Die beiden Gerichte haben keine gemeinsame Einlaufstelle.

Das Berufungsgericht wies die Widerrufserklärung der Beklagten zurück. Da die Parteien ausdrücklich vereinbart hätten, daß der Widerruf längstens am beim Berufungsgericht eingelangt sein müsse, sei der zunächst beim Erstgericht eingebrachte und daher erst am nächsten Tag beim Berufungsgericht eingelangte Schriftsatz verspätet. Daß sich Erst- und Berufungsgericht an der gleichen Anschrift befänden, ändere daran nichts.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs ist zulässig, weil der angefochtenen Beschluß der Zurückweisung der Berufung gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO gleichzuhalten ist (2 Ob 391/97g; 2 Ob 211/98p; daher einseitiges Rekursverfahren: RIS-Justiz RS0098745; zuletzt 7 Ob 146/98s). Er ist aber nicht berechtigt.

Die Vereinbarung einer Frist für den Widerruf eines bedingt abgeschlossenen gerichtlichen Vergleiches ist nicht verfahrensrechtlicher Natur. Es handelt sich vielmehr um eine zwischen den Parteien vereinbarte Ausschlußfrist mit materiellrechtlicher Wirkung. Die §§ 126 ZPO oder 89 Abs 1 GOG sind daher auf die Fristberechnung grundsätzlich nicht anzuwenden (SZ 42/26; 6 Ob 1697/93; 9 ObA 23/96; 2 Ob 391/97g). Haben die Parteien nicht ausdrücklich vereinbart, bei welchem Gericht der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens und die Widerrufserklärung einzubringen sind, so genügt die Einbringung eines solchen Schriftsatzes beim Erstgericht (Arb 8655; 2 Ob 391/97g; 2 Ob 211/98p).

Hier haben aber die Parteien ausdrücklich vereinbart, daß der Widerruf innerhalb der vereinbarten Frist beim (den Vergleich protokollierenden) Berufungsgericht ("bei diesem Gericht") einlangen muß. Die gegenteilige Meinung der Rekurswerberin, die Formulierung "bei diesem Gericht" lasse offen, welches Gericht tatsächlich gemeint sei, entbehrt jeder Grundlage. Damit hätte aber der Widerruf noch am beim Berufungsgericht einlangen müssen, was nicht der Fall war.

Daß Erst- und Berufungsgericht die gleiche Anschrift haben, ändert daran nichts. Nach der vergleichbaren Rechtsprechung zur Rechtzeitigkeit von Rechtsmitteln (2 Ob 211/98p mwN) schadet die unrichtige Adressierung an ein anderes Gericht nur dann nichts, wenn die Einlaufstellen der in Betracht kommenden Gerichte iS des § 37 Abs 2 Geo vereinigt sind (SZ 23/394; RZ 1991/31; zuletzt 9 ObA 133/99w). Diese Voraussetzung trifft aber hier nicht zu.

Die Entscheidung über die Rekurskosten gründet sich auf die §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

Fundstelle(n):
NAAAD-80461