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VfGH vom 17.06.1992, B1216/90

VfGH vom 17.06.1992, B1216/90

Sammlungsnummer

13097

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit bzw auf Freizügigkeit der Person durch Festnahme und Anhaltung; vertretbare Annahme der Lärmerregung; Dauer der Anhaltung gerechtfertigt

Spruch

Die Beschwerdeführer sind dadurch, daß sie am um 3.40 Uhr von Organen der Bundespolizeidirektion Wien festgenommen und bis 4.45 Uhr desselben Tages in Haft gehalten wurden, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird daher abgewiesen.

Die Beschwerdeführer sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Bund zuhanden der Finanzprokuratur die mit S 55.000,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. In der auf Art 144 Abs 1, zweiter Satz, B-VG (idF vor der B-VG-Novelle 1988, BGBl. 685/1988) gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wird vorgebracht, die Erstbeschwerdeführerin habe am den auf sie zugelassenen Pkw gelenkt und sei gegen 2.40 Uhr im ersten Wiener Gemeindebezirk von Organen der Bundespolizeidirektion Wien angehalten worden. Im Zuge der Kontrolle sei sie aufgefordert worden, sich einer Untersuchung ihrer Atemluft auf den Alkoholgehalt auf dem Wachzimmer der Bundespolizei Am Hof in 1010 Wien zu unterziehen. Der Zweitbeschwerdeführer und ein weiterer Beifahrer seien aufgefordert worden, das Fahrzeug zu verlassen. Dieser Aufforderung seien sie gefolgt und die Erstbeschwerdeführerin sei zum genannten Wachzimmer gebracht worden. Infolge einer protrahiert verlaufenden spastischen Bronchitis sei sie nicht in der Lage gewesen, den "Alkomatentest" in der verlangten Weise vorzunehmen. Dies sei von den Sicherheitswachebeamten als einer Weigerung der Vornahme der Untersuchung gleichkommend gewertet und ihr um 3.20 Uhr der Führerschein abgenommen worden.

Während bzw. gegen Ende dieser Untersuchung sei auch der Zweitbeschwerdeführer in das Wachzimmer gekommen. Beide Beschwerdeführer hätten sodann die Herausgabe des Teststreifens des Prüfgerätes verlangt, da ein Testgerät auch bei negativem Ergebnis eine Information erstelle. Die Herausgabe dieses Teststreifens sei von den Sicherheitswachebeamten verweigert worden. Hierauf habe der Zweitbeschwerdeführer eine schriftliche Bestätigung darüber gefordert, daß kein Testergebnis vorliege.

Nachdem die Beschwerdeführer auf ihren Forderungen bestanden hätten, sei ihnen für den Fall des Verharrens auf diesen Forderungen die Festnahme angedroht worden. Die Beschwerdeführer "beharrten jedoch auf ihrem Standpunkt, ... woraufhin sie festgenommen wurden (gegen 3.40 Uhr)", heißt es in der Beschwerde weiter. Sie seien in das Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, Deutschmeisterplatz, überstellt und um 4.45 Uhr des genannten Tages in Freiheit gesetzt worden.

Die Beschwerdeführer erachten sich durch diese Festnahme und Anhaltung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf persönliche Freiheit und auf Freizügigkeit der Person verletzt und beantragen, der Verfassungsgerichtshof wolle dies kostenpflichtig feststellen.

Sie begründen diesen Antrag damit, die Voraussetzungen des § 35 VStG 1950 für eine Festnahme der Beschwerdeführer sei nicht vorgelegen, weil die Beschwerdeführer keine strafbaren Handlungen, insbesondere auch nicht gemäß ArtVIII und ArtIX EGVG 1950 gesetzt hätten, zumal das Wachzimmer der Bundespolizei keinen öffentlichen Ort iS der zitierten Rechtsvorschriften darstelle.

Jedenfalls sei mit dem Eintreffen des Rechtsfreundes der Beschwerdeführer um 4.15 Uhr ein allenfalls vorliegender Haftgrund weggefallen und die weitere Anhaltung bis 4.45 Uhr zweifellos gesetzlos gewesen.

2. Die durch die Finanzprokuratur vertretene Bundespolizeidirektion Wien als belangte Behörde dieses verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die bekämpften Amtshandlungen verteidigt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

In dieser Gegenschrift wird der Ablauf der Ereignisse ebenfalls im einzelnen, allerdings in wesentlichen Punkten abweichend vom Beschwerdevorbringen, dargestellt. Die Verhaftung der Beschwerdeführer habe sich auf § 35 litc VStG 1950 gestützt; die beiden Beschwerdeführer hätten Verwaltungsübertretungen nach ArtVIII, zweiter Fall, und ArtIX Abs 1 Z 1 und 2 EGVG 1950 gesetzt.

Unmittelbar nach der Festnahme der Beschwerdeführer hätten die eingeschrittenen Sicherheitswachebeamten den Zentraljournaldienst versehenden Beamten des rechtskundigen Dienstes als zuständigen Behördenvertreter darüber informiert, der fernmündlich die Abgabe der Beschwerdeführer in den Arrest verfügt habe, weshalb ab diesem Zeitpunkt die Festgenommenen der Behörde übergeben gewesen seien. Ab diesem Zeitpunkt komme ein Wegfall des Haftgrundes nicht mehr in Frage, vielmehr seien die Festgenommenen gemäß § 36 Abs 1 VStG 1950 unverzüglich der sachlich zuständigen Behörde vorzuführen und von dieser sofort zu vernehmen. Hier sei die Vernehmung entgegen dieser Bestimmung nicht durchgeführt, jedoch um 4.45 Uhr die Entlassung der Beschwerdeführer verfügt worden. Durch diese Vorgangsweise sei die Dauer der Haft zum Vorteil der Festgenommenen verkürzt worden; eine Einvernahme hätte die Haftdauer verlängert.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

A. Zur Zulässigkeit.

1.1. Das beim Verfassungsgerichtshof im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesverfassungsgesetzes vom (Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988), BGBl. 685, das ist der (ArtX Abs 1 Z 1 des genannten BVG), bereits anhängig gewesene Verfahren ist kraft der Übergangsbestimmung des ArtIX Abs 2 leg.cit. nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen (s. dazu ArtII des Bundesgesetzes vom , BGBl. 329).

1.2. Gemäß Art 144 Abs 1, zweiter Satz, B-VG idF vor der B-VG-Novelle 1988 erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fallen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Novelle 1975, BGBl. 302, nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativem Inhalt) bekämpfbar waren, wie dies zB für die Festnahme und Anhaltung einer Person zutrifft (vgl. etwa VfSlg. 12031/1989, 12071/1989, 12116/1989 und die dort zitierte Rechtsprechung).

Demgemäß ist festzuhalten, daß die Beschwerde Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt iS des Art 144 Abs 1 B-VG idF vor der B-VG-Novelle 1988 bekämpft.

1.3. Der Verfassungsgerichtshof folgt dem insoweit übereinstimmenden und offenbar zutreffenden, durch den Akteninhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahmen (vgl. dazu sogleich unter II.B.) gedeckten Vorbringen der Beschwerde und der Gegenschrift, daß gegen die beiden Beschwerdeführer unmittelbar verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt iS des Art 144 Abs 1, zweiter Satz, B-VG idF vor der B-VG-Novelle 1988 durch deren Festnahme und Anhaltung ausgeübt wurde.

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

B. In der Sache.

1.1. Aufgrund des Parteienvorbringens, der vorgelegten Verwaltungsakten und der im Rechtshilfeweg erhobenen Beweise, nämlich der Einvernahme von DDr. G G, F D, der Inspektoren M O, E P und H K, von Gruppeninspektor O B und von Revierinspektor E R sowie von Dr. M W als Zeugen sowie der Beschwerdeführer als Parteien nimmt der Verfassungsgerichtshof folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt als gegeben an:

Nachdem der Versuch, in den Morgenstunden des im Wachzimmer Am Hof den Alkoholgehalt der Atemluft der Erstbeschwerdeführerin festzustellen, kein Meßergebnis zeitigte, kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den beiden Beschwerdeführern und im Wachzimmer anwesenden Sicherheitswachebeamten. Die Beschwerdeführer verlangten mehrfach und lautstark schreiend die Herausgabe des Meßstreifens bzw. einer Bestätigung darüber, daß kein Meßergebnis erzielt werden konnte. Die Sicherheitswachebeamten hingegen erklärten, daß das Gerät in Fällen der vorliegenden Art kein Ergebnis ausdrucke; sie versuchten, eine Eskalation zu vermeiden und wirkten darauf hin, daß die Beschwerdeführer das Wachzimmer verließen. Dies gelang ihnen in der Folge auch.

Die Beschwerdeführer verließen also das Wachzimmer, lärmten aber vor diesem weiter und kehrten alsbald dorthin zurück, wo sie ihr Begehren wiederum lautstark vortrugen. Sie wurden abermals darüber belehrt, daß kein Ergebnis vorliege, und aufgefordert, sich zurückzuhalten und das Wachzimmer zu verlassen. Die Beschwerdeführer setzten ihr schreiendes und aggressives Verhalten jedoch fort und weigerten sich, das Wachzimmer zu verlassen. Die Sicherheitswachebeamten werteten dieses Verhalten der Beschwerdeführer als Verwaltungsübertretungen gemäß ArtVIII, zweiter Fall, und ArtIX Abs 1 Z 1 und 2 EGVG 1950. Sie wurden von Inspektor O zumindest einmal abgemahnt, dieses ihr Verhalten einzustellen.

Nachdem die Beschwerdeführer ihre Forderungen schreiend wiederholten und im Wachzimmer verblieben, wurden sie um 3.40 Uhr des gemäß § 35 litc VStG 1950 festgenommen und in das Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, Deutschmeisterplatz, überstellt. Bald nachdem dort ihr Rechtsvertreter erschienen war, wurden sie um 4.45 Uhr des genannten Tages auf freien Fuß gesetzt.

1.2. In Würdigung der aufgenommenen Beweise gelangte der Verfassungsgerichtshof aus folgenden Überlegungen zu den unter II.B.1.1. dargelegten Feststellungen:

Der äußere Ablauf der maßgeblichen Geschehnisse wird von der Beschwerde und der Gegenschrift in Übereinstimmung mit dem Akteninhalt und den Aussagen der als Zeugen einvernommenen Personen sowie der beiden Beschwerdeführer in vielen Belangen übereinstimmend dargestellt; insoweit war diesem Vorbringen zu folgen.

Strittig sind zwei - allerdings entscheidungswesentliche - Punkte:

Zum einen in die Richtung, ob sich die Beschwerdeführer, wie sie vorbringen, zurückhaltend verhalten haben. Zum anderen dahingehend, ob eine Abmahnung der Beschwerdeführer erfolgt ist oder nicht.

Der Verfassungsgerichtshof konnte in beiderlei Richtung dem Beschwerdevorbringen nicht folgen, da die im Rechtshilfeweg als Zeugen einvernommenen Sicherheitswachebeamten den Tatablauf übereinstimmend und glaubwürdig, aber auch (entgegen etwa der Aussage der Erstbeschwerdeführerin vor dem Rechtshilfegericht) in Übereinstimmung mit der am Tattag verfaßten Anzeige des Inspektors O dargestellt haben, daß sich ferner die Beschwerdeführer zugegebenermaßen geweigert haben, das Wachzimmer auch über mehrmalige Aufforderung seitens der Sicherheitswachebeamten zu verlassen - dies trotz mehrfacher Darlegung durch die Sicherheitswachebeamten, daß das Prüfgerät kein Ergebnis ausgedruckt habe und dessen Herausgabe deshalb nicht möglich sei. Die im Wachzimmer anwesenden Sicherheitswachebeamten haben sich demgegenüber zurückhaltend benommen und auf eine Beruhigung der offenkundig sehr gespannten Situation hingewirkt, was zunächst auch insoferne erfolgreich war, als die Beschwerdeführer das Wachzimmer kurzfristig verlassen haben. Erst nachdem diese dorthin zurückgekehrt waren und sie ihr Verhalten fortsetzten, wurden die Generalien des Zweitbeschwerdeführers zwecks Anzeigeerstattung aufgenommen, worauf die Beschwerdeführer heftig reagierten.

Die Erstbeschwerdeführerin bestätigte anläßlich ihrer Einvernahme durch das Rechtshilfegericht: "Es ist richtig, daß wir auf jeden Fall das Wachzimmer nicht verlassen haben." (S 9 des Protokolls des ersuchten Gerichtes über die Einvernahme am zu Zl. 7 Hc 19/91); der Zweitbeschwerdeführer, der bei der Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin anwesend war, bestätigte deren Aussagen (S 10 des genannten Protokolls, wonach der Zweitbeschwerdeführer die Angaben der Erstbeschwerdeführerin "mitangehört" hat und dazu "ergänzend" weitere Angaben machte).

Insgesamt erweisen sich deshalb die Aussagen der einvernommenen Sicherheitswachebeamten als glaubwürdig, in sich widerspruchsfrei und in bezug auf die erfolgte Abmahnung der beiden Beschwerdeführer deshalb als in hohem Maß wahrscheinlich, weil sich die Auseinandersetzungen längere Zeit hinzogen und an sich im Dienst sehr erfahrene Sicherheitswachebeamten anwesend waren, sodaß mit der nötigen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, daß die Verhaftung der Beschwerdeführer ganz plötzlich und ohne vorherige Abmahnung erfolgt wäre. Insbesondere gestehen sogar die Beschwerdeführer zu (die Erstbeschwerdeführerin S 9, der Zweitbeschwerdeführer durch die Bestätigung deren Aussage laut S 10 des genannten Protokolls), daß "schon einmal das Wort 'Festnahme' gebraucht worden" sei; dies sei jedoch "ganz am Anfang" der Fall gewesen. Die Auseinandersetzungen im Anschluß an den mißlungenen Versuch der Feststellung des Alkoholgehalts der Atemluft der Erstbeschwerdeführerin vor dem Verlassen des Wachzimmers, dem Lärmen vor demselben und nach dem alsbaldigen Wiedererscheinen der Beschwerdeführer dort sind aber als in einem Zuge erfolgt zu betrachten und als unmittelbar zusammenhängend zu werten.

Dem Umstand aber, daß die gegen die Beschwerdeführer eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren in hier nicht näher zu erörterndem Umfang eingestellt worden sind, vermag an den getroffenen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes deshalb nichts zu ändern, weil diese Einstellungen, soweit dies erhoben werden konnte, insgesamt bzw. in überwiegendem Maße aus Gründen der Verjährung erfolgten.

2. Der unter II.B.1. festgestellte Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu würdigen:

2.1.1. Gemäß Art 8 Abs 4 des BVG über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 684/1988, sind im Zeitpunkt des Inkrafttretens desselben - das ist gemäß seinem Art 8 Abs 1 der - anhängige Verfahren, einschließlich solcher vor dem Verfassungsgerichtshof, die in diesem BVG geregelte Angelegenheiten betreffen, nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen; dies gilt somit, da dieses verfassungsgerichtliche Verfahren am vor dem Verfassungsgerichtshof anhängig war (vgl. schon II.1.), auch für diesen Beschwerdefall.

Der somit hier anzuwendende Art 8 StGG gewährt - ebenso wie Art 5 EMRK (vgl. zB VfSlg. 10441/1985, 11426/1987) - Schutz gegen gesetzwidrige "Verhaftung":

Das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit, RGBl. 87/1862, das gemäß Art 8 StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. 142/1867, zum Bestandteil dieses Gesetzes erklärt ist und gemäß Art 149 Abs 1 B-VG als Verfassungsgesetz iS des Art 44 Abs 1 B-VG gilt, bestimmt in seinem § 4, daß die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt in den vom Gesetz bestimmten Fällen eine Person in Verwahrung nehmen dürfen.

§ 35 VStG 1950 ist ein solches Gesetz (s. zB VfSlg. 7252/1974), doch setzt die Festnahme durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes in allen in dieser Gesetzesvorschrift angeführten Fällen (lita bis c) voraus, daß die festzunehmende Person "auf frischer Tat betreten" wird. Sie muß eine als Verwaltungsübertretung strafbare Handlung begehen und bei Verübung des Delikts angetroffen werden.

Gemäß der litc des § 35 VStG 1950 ist eine Festnahme unter den schon umschriebenen Voraussetzungen zum Zweck der Vorführung vor die Behörde aber nur dann statthaft, wenn der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen versucht. Freilich kommt es hier nicht auf die Richtigkeit des erhobenen Vorwurfs an; es genügt vielmehr, wenn das amtshandelnde Sicherheitsorgan aus damaliger Sicht - nach Lage des Falles - mit gutem Grund (d.i. vertretbar) der - subjektiven - Auffassung sein durfte, daß die in Rede stehende Tat verübt worden sei (vgl. zB VfSlg. 4143/1962, 7309/1974, 10321/1985, 10658/1985, ).

2.1.2. Die den Beschwerdeführern ua. zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nach ArtVIII, zweiter Tatbestand, EGVG 1950 begeht, wer ungebührlicherweise störenden Lärm erregt.

Das Tatbild dieser Verwaltungsübertretung ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg. 8654/1979, 9919/1984, 10480/1985, 11327/1987) und des Verwaltungsgerichtshofes (; , 83/10/0288) dadurch gekennzeichnet, daß (störender) Lärm dann "ungebührlicherweise" erregt wird, wenn das inkriminierte Verhalten jene Rücksichtnahme vermissen läßt, welche die Umwelt regelmäßig verlangen kann.

Angesichts der Verfahrensergebnisse vermag der Verfassungsgerichtshof der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie die Auffassung verficht, daß die einschreitenden Sicherheitswachebeamte - nach der sich ihnen damals darbietenden Situation - mit gutem Grund annehmen durften, die Beschwerdeführer hätten durch das beschriebene Verhalten (mehrfaches Schreien beider Beschwerdeführer) die Verwaltungsübertretung nach ArtVIII, zweiter Tatbestand, EGVG 1950 begangen. Da die Qualifikation des Verhaltens der Beschwerdeführer als Verwaltungsübertretung immerhin vertretbar war, die Beschwerdeführer auf frischer Tat betreten wurden und die Tat trotz förmlicher Abmahnung (wobei es unerheblich ist, ob die der Festnahme vorausgegangene Abmahnung die Androhung der Festnahme enthielt; vgl. dazu VfSlg. 11810/1988) wiederholten, war der - von der Behörde herangezogene - Festnahmegrund des § 35 litc VStG 1950 gegeben. Die bekämpften Festnahmen entsprachen somit dem Gesetz.

Erwähnt sei, daß der Verwaltungsstraftatbestand gemäß ArtVIII, zweiter Begehensfall, EGVG 1950 entgegen der Beschwerdeannahme nicht auf einen öffentlichen Ort abstellt (vgl. VwSlg. NF 7202 A/1967); im übrigen aber stellt ein Polizeiwachzimmer einen öffentlichen Ort gemäß ArtIX Abs 1 Z 1 EGVG 1950 dar (vgl. VwSlg. NF 6581 A/1965; VfSlg. 9114/1981, 11097/1986, ).

Bei diesem Ergebnis erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob sich die Festnahme der beiden Beschwerdeführer auch darauf stützen konnte, daß sie trotz Abmahnung im strafbaren Verhalten gemäß ArtIX Abs 1 Z 1 und 2 EGVG 1950 verharrten.

2.1.3.1. Die Beschwerdeführer vermeinen aber auch, ihre weitere Anhaltung ab "Eintreffen des Rechtsfreundes der Bf", also von 4.15 Uhr bis 4.45 Uhr des , sei jedenfalls gesetzlos gewesen, da die Enthaftung der Beschwerdeführer unverzüglich nach Wegfall des angenommenen Verhaftungsgrundes hätte vorgenommen werden müssen.

2.1.3.2. Dem Verfassungsgerichtshof ist nicht ersichtlich, warum das Eintreffen des Rechtsfreundes der Beschwerdeführer den Wegfall des Haftgrundes hätte bewirken können; eine derartiges anordnende Rechtsnorm besteht nicht.

Gemäß § 36 Abs 1 VStG 1950 hat die Behörde den (von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes Verhafteten und von dieser) Übernommenen sofort, spätestens aber binnen 24 Stunden nach der Übernahme zu vernehmen. Vorliegendenfalls wurden die beiden Beschwerdeführer nicht sofort vernommen, sondern alsbald freigelassen. Im diesbezüglichen Aktenvermerk vom heißt es dazu, die Erstbeschwerdeführerin sei nach Wegfall des Haftgrundes, nach Überprüfung der Identität und der Meldeangaben aus der Haft entlassen worden. Bemerkt werde, daß sie mehrere falsche Wohnungsanschriften angegeben habe, wodurch sich die Entlassung verzögert habe. Gleiche Angaben enthält der AV auch bezüglich des Zweitbeschwerdeführers.

Der Verfassungsgerichtshof kann nicht finden, daß unter diesen Umständen die Anhaltung der beiden Beschwerdeführer über das zulässige zeitliche Maß hinaus aufrechterhalten wurde, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Beschwerdeführer - was sie auch gar nicht bestreiten - unrichtige Angaben über ihre Wohnadresse machten, was zu - frustrierten - Überprüfungen Anlaß gab.

Daraus folgt, daß auch die weitere Anhaltung der Beschwerdeführer am von 4.15 Uhr bis 4.45 Uhr im Gesetz gedeckt war.

2.1.4. Die Beschwerdeführer wurden deshalb durch die jeweils bekämpfte Festnahme und Anhaltung nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt.

2.2.1. Die Beschwerdeführer machen auch die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Freizügigkeit der Person gemäß Art 4 StGG geltend.

2.2.2. Art 4 StGG schützt zwar davor, durch die Staatsgewalt daran gehindert zu werden, sich nach einem bestimmten Ort oder in ein bestimmtes, räumlich begrenztes Gebiet zu begeben. Dieser Schutz ist aber kein schrankenloser. Die Schranken liegen in der gesamten Rechtsordnung. Daraus ergibt sich, daß Art 4 StGG von vornherein nur eine Freizügigkeit im Rahmen der Rechtsordnung garantiert (VfSlg. 3447/1958, 7379/1974, 7686/1975, 8373/1978, 11397/1987 und die dort zitierte Rechtsprechung).

2.2.3. Wie unter II.B.2.1. dargestellt, war aber die Verhaftung und Anhaltung der Beschwerdeführer durch das Gesetz gedeckt. Es ist daher ausgeschlossen, daß sie im bezogenen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurden.

3. Da die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes gleichfalls nicht stattgefunden hat und auch kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß die Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

C.1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VerfGG. Im zugesprochenen Betrag ist ein Streitgenossenzuschlag von 10 % enthalten.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4, erster Satz, und Z 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.