VfGH vom 16.06.2010, B1215/09
19105
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung eines Antrags auf Studienbeihilfe für ein Masterstudium an einer Fachhochschule nach erfolgreichem Abschluss eines Bachelorstudiums wegen Überschreitung der Altersgrenze; Festlegung einer Altersgrenze im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer hat im September 2008 unmittelbar
nach erfolgreichem Abschluss des Bachelorstudiums ein Masterstudium an der Fachhochschule St. Pölten aufgenommen. Im April 2008 hatte er das 35. Lebensjahr vollendet.
Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid wurde sein Antrag auf Gewährung der Studienbeihilfe für das Masterstudium mit der Begründung abgewiesen, er hätte zum Zeitpunkt des Beginns des Masterstudiums die in § 6 Z 4 StudFG festgelegte (absolute) Altersgrenze von 35 Jahren bereits überschritten.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, die die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und die Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet.
Es sei der belangten Behörde eine gleichheitswidrige Auslegung des Gesetzes, konkret des § 6 Z 4 StudFG, anzulasten, weil die Altersgrenze des § 6 Z 4 StudFG (30 Jahre) sowohl um 5 Jahre wegen Selbsterhaltung (gemäß lita) als auch um 5 Jahre wegen Beginn eines Masterstudiums im Anschluss an ein Bachelorstudium (gemäß litd) zu verlängern sei; eine absolute Obergrenze von 35 Jahren bestehe nach dieser Bestimmung nicht, weil beide Tatbestände kumulativ anzuwenden seien. Studierende, die im Anschluss an ein Bachelorstudium ein Masterstudium aufnehmen, würden sonst gegenüber Studierenden von Diplomstudien unsachlich benachteiligt.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde mit näherer Begründung beantragt.
II. Rechtslage:
1. § 6 Z 4 StudFG sah in seiner Stammfassung (BGBl. 305/1992) eine einheitliche Altersgrenze für alle Studienbeihilfenwerber mit dem vollendeten 40. Lebensjahr zu Beginn des Studiums, für das Studienbeihilfe beantragt wird, vor. Diese Altersgrenze wurde mit BGBl. 201/1996 auf das vollendete 30. Lebensjahr gesenkt, wobei in der Folge mit BGBl. I 71/1998 folgende Ausnahmen für Selbsterhalter eingeführt wurden:
"... Diese Altersgrenze erhöht sich für Selbsterhalter gemäß
§27
a) um ein weiteres Jahr für jedes volle Jahr, in dem sie sich länger als vier Jahre zur Gänze selbst erhalten haben, sowie
b) um die Hälfte der Zeit, die Selbsterhalter Kinder bis zum Ende des zweiten Lebensjahres gepflegt und erzogen haben, sofern sie dazu gesetzlich verpflichtet waren,
höchstens jedoch um insgesamt fünf Jahre."
Nicht nur der Gesetzestext, auch die Materialien zu dieser Fassung des § 6 Z 4 StudFG (AB 1145 BlgNR 20. GP) stellten klar, dass
"... auch bei insgesamt längeren Zeiten eines Selbsterhaltes ... das
Studium längstens vor Vollendung des 35. Lebensjahres begonnen worden sein [muss], um Anspruch auf Studienbeihilfe zu haben."
2. In der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I 47/2008 wurden die Ausnahmetatbestände des § 6 Z 4 StudFG für alle Studienbeihilfenwerber erweitert. § 6 StudFG in dieser Fassung lautet:
"§6. Voraussetzung für die Gewährung einer Studienbeihilfe ist, daß der Studierende
1. sozial bedürftig ist (§§7 bis 12),
2. noch kein Studium (§13) oder keine andere gleichwertige Ausbildung absolviert hat,
3. einen günstigen Studienerfolg nachweist (§§16 bis 25),
4. das Studium, für das Studienbeihilfe beantragt wird, vor Vollendung des 30. Lebensjahres begonnen hat. Diese Altersgrenze erhöht sich
a) für Selbsterhalter gemäß § 27 um ein weiteres Jahr für jedes volle Jahr, in dem sie sich länger als vier Jahre zur Gänze selbst erhalten haben, höchstens jedoch um insgesamt fünf Jahre,
b) für Studierende gemäß § 28, die zur Pflege und Erziehung mindestens eines Kindes gesetzlich verpflichtet sind, um maximal zwei Jahre je Kind, höchstens jedoch um insgesamt fünf Jahre,
c) für behinderte Studierende gemäß § 29 um fünf Jahre,
d) für Studierende, die ein Masterstudium aufnehmen, um fünf Jahre, sofern sie das Bachelorstudium vor Überschreitung der Altersgrenze unter Berücksichtigung der lita bis c begonnen haben."
Die Materialien zur Novelle BGBl. I 47/2008 (RV 405 BlgNR 23. GP, 5) führen zu § 6 Z 4 StudFG Folgendes aus:
"Im Studienförderungsgesetz gilt als generelle Altersgrenze das vollendete 30. Lebensjahr zu Beginn des geförderten Studiums. In einigen Ausnahmefällen ist die Anhebung der Altersgrenze höchstens bis zum 35. Lebensjahr bei Studienbeginn vorgesehen.
Diese Ausnahmeregelung war bisher nur auf Selbsterhalter beschränkt. Die gegenständliche Änderung erweitert den Katalog der Personen, die auch bei einem späteren Studienbeginn eine Studienbeihilfe erhalten, um Studierende mit Kindern, um behinderte Studierende sowie um Studierende, die nach einem geförderten Bachelorstudium ein Masterstudium absolvieren.
...
Schließlich wird für Studierende, die ein Masterstudium nach einem Bachelorstudium aufnehmen, die Altersgrenze auf 35 Lebensjahre angehoben. Damit werden Nachteile in der Studienförderung beim Umstieg vom Diplomstudium auf das Bolognamodell verhindert.
Die absolute Obergrenze von 35 Jahren bei Studienbeginn bleibt damit bestehen, ist aber in einer größeren Zahl von Fällen anwendbar."
3. § 15 Abs 3 StudFG normiert idF BGBl. I 47/2008 Folgendes:
"(3) Anspruch auf Studienbeihilfe für ein Masterstudium besteht trotz Absolvierung eines Bachelorstudiums, wenn die Studierenden
1. das Masterstudium spätestens 24 Monate nach Abschluss des Bachelorstudiums aufgenommen haben und
2. die vorgesehene Studienzeit zur Absolvierung des Bachelorstudiums um nicht mehr als drei Semester überschritten haben."
III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Grundsätzlich muss ein Studium, für das Studienbeihilfe gewährt werden soll, vor Vollendung des 30. Lebensjahres begonnen werden (§6 Z 4 erster Satz StudFG). Gemäß § 6 Z 4 StudFG ist jedoch in Ausnahmefällen eine Anhebung dieser Altersgrenze um bis zu fünf Jahre vorgesehen. Während diese Ausnahmeregelung vor der Novelle BGBl. I 47/2008 auf Selbsterhalter beschränkt war, wurde sie mit der zitierten Novelle auch auf Studierende mit Kindern, auf Studierende mit Behinderung und auf Studierende, die nach einem geförderten Bachelorstudium ein Masterstudium absolvieren, ausgeweitet.
Gemäß § 6 Z 4 StudFG idF BGBl. I 47/2008 erhöht sich die im ersten Satz dieser Bestimmung normierte Altersgrenze von 30 Jahren im Fall eines Selbsterhalters ausnahmsweise um bis zu fünf Jahre (lita). Eine Anhebung der Altersgrenze um fünf Jahre sieht diese Bestimmung weiters dann vor, wenn es sich um ein an ein gefördertes Bachelorstudium anschließendes Masterstudium handelt und das vorangehende Bachelorstudium vor Überschreiten der Altersgrenze (unter Berücksichtigung der lita bis c) aufgenommen wurde (litd).
2. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass die Ausnahmetatbestände des § 6 Z 4 lita und d StudFG kumulativ anzuwenden sind, und wendet sich gegen eine absolute Altersgrenze von 35 Jahren bei Studienbeginn für die Gewährung von Studienbeihilfe. Seiner Ansicht nach müsste bei Aufnahme eines Masterstudiums nach Abschluss eines geförderten Bachelorstudiums die Altersgrenze von 35 Jahren (§6 Z 4 litd StudFG) bei Vorliegen einer der Sondersituationen des § 6 Z 4 lita bis c StudFG um bis zu fünf weitere Jahre angehoben werden.
3. Der Verfassungsgerichtshof kann nicht erkennen, dass der (Studienförderungs)Gesetzgeber von Verfassungs wegen dazu gehalten wäre:
Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (vgl. etwa VfSlg. 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg. 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine rechtspolitischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (vgl. etwa VfSlg. 16.176/2001, 16.504/2002). Der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass der rechtspolitische Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Gewährung von Beihilfen generell ein weiter ist (so VfSlg. 8605/1979; zur Studienförderung vgl. VfSlg. 18.638/2008; vgl. weiters VfSlg. 14.694/1996, 16.542/2002 zu familienpolitischen Maßnahmen).
In diesem weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers liegen auch die Festlegung einer Altersgrenze bei der Gewährung von Studienbeihilfe (vgl. dazu auch die Ausführungen der RV zum Strukturanpassungsgesetz 1996, 72 BlgNR 20. GP, Art 89 Z 2) und die Erhöhung dieser Grenze aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen. Es ist dem Gesetzgeber aber unbenommen festzulegen, dass bei Vorliegen mehrerer berücksichtigungswürdiger Gründe nicht jeder dieser Gründe kumulativ zu einer Erhöhung der Altersgrenze führt. Der Verfassungsgerichtshof kann insbesondere nicht erkennen, dass der Gesetzgeber seinen (weiten) rechtspolitischen Gestaltungsspielraum überschreitet, wenn er bei der Frage der Einhaltung einer schon ausnahmsweise erhöhten Altersgrenze nicht auf die Studienrichtung, sondern auf das geförderte Studium abstellt, sodass die Begünstigung auf diese Weise allenfalls nur bei einem Erststudium voll zum Tragen kommt. Dass Bachelor- und Masterstudien jeweils eigenständige Studien sind, ergibt sich aus § 51 Abs 2 Z 2 UG 2002.
Es ist dem Gesetzgeber daher unbenommen, die Sondersituationen des § 6 Z 4 lita bis c StudFG nur bei der Studienförderung für ein Erststudium, nicht aber auch für weitere Studien (wie etwa Master- oder Doktoratsstudien) trotz grundsätzlicher Beibehaltung der Studienrichtung vollumfänglich zu berücksichtigen und auf diese Weise der absoluten Altersgrenze (gegen die - wie erwähnt - keine verfassungsrechtlichen Einwände bestehen) mehr Gewicht beizumessen als dem Umstand, dass bei Fehlen der Sondersituationen des § 6 Z 4 lita bis c StudFG die Studienförderung sich auch auf ein im Anschluss an ein Bachelorstudium in Angriff genommenes Masterstudium erstrecken kann.
4. Der belangten Behörde kann vor diesem Hintergrund auch kein Vorwurf einer gleichheitswidrigen Auslegung gemacht werden. Ob sie zu Recht davon ausgegangen ist, dass wegen Überschreiten der Altersgrenze des § 6 Z 4 StudFG kein Anspruch auf Studienbeihilfe besteht, ist angesichts der vorhergehenden Überlegungen eine einfachgesetzliche Frage. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
5. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.