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VfGH vom 28.09.1992, B1213/91

VfGH vom 28.09.1992, B1213/91

Sammlungsnummer

13146

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Liegenschaftserwerbes wegen Entziehen eines Grundstückes aus der landwirtschaftlichen Nutzung ohne wichtigen Grund; keine überlange Verfahrensdauer

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird daher abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Kaufvertrag vom 1./ veräußerte R K aus der Liegenschaft EZ 91 I KG Nikolsdorf die Gp 1144 LN im Ausmaß von

41.876 m2 an R, P sowie E G.

2.1. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Nikolsdorf vom wurde diesem Rechtserwerb die Zustimmung versagt, weil das in Rede stehende Grundstück im Rahmen eines Landwirtschaftsbetriebes bewirtschaftet werde. Im Falle der Zustimmung zum beabsichtigten Rechtserwerb würde das Grundstück der Forellenfischzucht zugeführt und damit ohne zureichenden Grund iS des § 6 Abs 1 litc und Abs 2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1970 einer landwirtschaftlichen Nutzung entzogen werden.

2.2. Die Landesgrundverkehrsbehörde hat das Verfahren über die vom Verkäufer erhobene Berufung zunächst mit Beschluß vom (zugestellt am ) bis zum Abschluß des wasserrechtlichen Verfahrens über die Fischzuchtanlage ausgesetzt. Nachdem die wasserrechtliche Bewilligung für die Fischzuchtanlage rechtskräftig verweigert worden war, wies die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom , Z LGv - 492/4-81, die Berufung unter Anwendung des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol Nr. 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol Nr. 44/1984 und 45/1988 - hier also maßgeblich idF vor der Novelle LGBl. für Tirol Nr. 74/1991 (vgl. ArtII Abs 1 derselben) - (im folgenden: Tir. GVG 1983) als unbegründet ab.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:

"Das ergänzend durchgeführte Ermittlungsverfahren hat ... ergeben, daß das in Rede stehende Grundstück nach wie vor vom Verkäufer ... im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebes genutzt wird; die landwirtschaftliche Nutzung erfolgt derzeit als Acker. ...

...

Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , B226/65, ausgeführt hat, handelt es sich beim landwirtschaftlichen Grundverkehr um Maßnahmen mit dem Ziele, die aus der Freiheit des Verkehrs mit Grund und Boden entstehenden Gefahren für die bäuerliche Siedlung dadurch nach Möglichkeit zu steuern, daß die Übertragung des Eigentums, aber auch der sonstige Rechtserwerb an einem dem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb gewidmeten Grundstück nur dann zulässig sein soll, wenn dies den im Gesetz enthaltenen allgemeinen Interessen an der Erhaltung eines leistungsfähigen Bauernstandes nicht widerspricht. ...

In Auslegung der land- und forstwirtschaftlichen Schutzinteressen im Sinne des § 4 Abs 1 GVG 1983 führt § 6 Abs 1 litc leg.cit. aus, daß einem Grunderwerb insbesondere dann nicht zuzustimmen ist, wenn zu besorgen ist, daß Grundstücke der ihrer Bodenbeschaffenheit entsprechenden land- oder forstwirtschaftlichen Bestimmung oder einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb ohne zureichenden Grund entzogen werden. Nach § 6 Abs 1 lite leg.cit. ist einem Grunderwerb ... nicht zuzustimmen, wenn zu besorgen ist, daß die Arrondierung eines Besitzes ohne zwingenden Grund gestört oder die land- und forstwirtschaftliche Nutzung von Grundstücken dadurch erheblich erschwert oder unmöglich gemacht wird.

...

Durch den zur Genehmigung anstehenden Rechtserwerb soll ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück vom Landwirtschaftsbetrieb des Verkäufers abgetrennt werden. Da die Rechtserwerber eine landwirtschaftliche Nutzung unbestreitbar nicht beabsichtigen, sondern vielmehr dieses Grundstück im Rahmen einer gewerbsmäßigen Fischzuchtsanlage nutzen möchten, würde sohin das Vertragsobjekt seiner landwirtschaftlichen Bestimmung bzw. dem Landwirtschaftsbetrieb des Verkäufers entzogen werden. Es ist also im Sinne des § 6 Abs 1 litc GVG 1983 ('ohne zureichenden Grund') eine Interessensabwägung vorzunehmen, bei der zu prüfen ist, ob vom Standpunkt der im § 4 Abs 1 GVG 1983 geschützten Interessen bei einem Vergleich mit den im § 5 leg.cit. als höherwertig anerkannten öffentlichen Rücksichten die beabsichtigte Verwendung zweckmäßig (zulässig) erscheint. ... Daß die Interessenabwägung im Sinne des § 5 Z. 4 GVG 1983 zugunsten der neuen Verwendung ausschlagen kann, hat jedoch zur Voraussetzung, daß diese Verwendung bereits im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde zulässig ist. Dies trifft im vorliegenden Fall aber nicht zu, zumal den Käufern für die geplante Fischzuchtanlage die wasserrechtliche Bewilligung rechtskräftig nicht erteilt worden ist. ...

Mit dem Hinweis der Käufer, daß sie 'zur gegebenen Zeit' wiederum um die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Fischzuchtanlage ansuchen werden (vgl. den Schriftsatz vom ), kann in diesem Zusammehang nichts zu gewinnen sein. Dies deshalb, weil die Landesgrundverkehrsbehörde nach den im Zeitpunkt ihrer Entscheidung gegebenen tatsächlichen Verhältnissen und nicht nach eventuellen zukünftigen Möglichkeiten zu entscheiden hatte (vgl. das Erk. d. VfGH. vom , B404/82). ..."

3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde des Verkäufers, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Liegenschaftserwerbsfreiheit sowie auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter bzw. ein Verfahren nach Art 6 EMRK geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3.2. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1. Soweit der Beschwerdeführer die Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs 1 Z 1 Tir. GVG 1983 als zweifelhaft erachtet und die amtswegige Prüfung dieser Bestimmung anregt, weil die erfolgte Widmungsänderung für ein Grundstück als verbindliche Entscheidung einer Vorfrage zu werten sei, genügt es, den Beschwerdeführer auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. insbesondere VfSlg. 7838/1976, 8415/1978, 8718/1979 und 9005/1981) zu verweisen und festzuhalten, daß sich der Verfassungsgerichtshof auch aus der Sicht der vorliegenden Beschwerde zur amtswegigen Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nicht veranlaßt sieht. Allein aus der Widmung einer Grundfläche unter raumplanerischen Gesichtspunkten ist zur Beantwortung der Frage, ob ein Grundstück als land- oder forstwirtschaftliches Grundstück iS des § 1 Abs 1 Tir. GVG 1983 zu gelten hat, nichts zu gewinnen (vgl. insbesondere auch VfSlg. 7580/1975).

4.2. Der Beschwerdeführer behauptet weiters, der angefochtene Bescheid verletze ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, weil es nicht darauf ankomme, daß das Kaufgrundstück im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde als landwirtschaftlich genutztes Grundstück zu qualifizieren sei; vielmehr sei der Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages, also das Jahr 1981, dafür maßgeblich, ob das gegenständliche Grundstück landwirtschaftlichen Zwecken diene; die belangte Behörde hätte daher richtigerweise feststellen müssen, daß die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Grundverkehrsgesetzes nicht vorgelegen seien.

Diesem Vorbringen - die Gegenschrift verweist mit Recht darauf, daß während des gesamten Administrativverfahrens eine solche Behauptung vom Beschwerdeführer nie aufgestellt wurde - ist entgegenzuhalten, daß mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Nikolsdorf vom - vom Beschwerdeführer unwidersprochen - festgestellt wurde, daß das in Rede stehende Grundstück im Rahmen eines Landwirtschaftsbetriebes bewirtschaftet werde. Der Verfassungsgerichtshof sieht aufgrund der Beschwerdeausführungen keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Feststellung, die in den angefochtenen Bescheid eingeflossen ist, zu zweifeln. Wenn im gegebenen Zusammenhang der Beschwerdeführer eine überlange - gegen Art 6 EMRK verstoßende - Dauer des Berufungsverfahrens geltend macht und herausstreicht, er hätte das Kaufobjekt nur deshalb als Acker landwirtschaftlich genutzt, weil er das Objekt nicht durch zehn Jahre habe brach liegen lassen können, dann ist ihm - wie in der Gegenschrift von der belangten Behörde zu Recht vorgebracht - entgegenzuhalten, daß die Aussetzung des Verfahrens nur deshalb erfolgte, weil die wasserrechtliche Bewilligung für die von den Käufern beabsichtigte Errichtung einer Fischzuchtanlage für den Großteil der verstrichenen Zeit in Schwebe war. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, daß die Dauer des Berufungsverfahrens vor der belangten Behörde mit Art 6 EMRK nicht in Einklang stand, kann auch daraus für die Beschwerde nichts gewonnen werden; der Vorwurf, der angefochtene Bescheid habe den Beschwerdeführer aus den genannten Gründen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt, ist in jedem Falle offenkundig unbegründet. Was den vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang relevierten Verstoß gegen Art 6 EMRK anlangt, so kann diesem - selbst wenn der Vorwurf zutreffen sollte - nicht durch Aufhebung des Bescheides abgeholfen werden.

4.3. Der Beschwerdeführer behauptet weiters, der angefochtene Bescheid verletze ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums: Es sei denkunmöglich, wenn die Behörde den Schluß ziehe, daß iS der §§4 bis 6 Tir. GVG 1983 das Interesse an der Erhaltung der bisherigen Nutzung des Grundstückes das Interesse an der neuen Verwendung überwiege, weil die geplante Fischzuchtanlage in absehbarer Zeit nicht in die Tat umgesetzt werden könne. Werde so argumentiert, liege ein so schwerer Fehler vor, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen sei. Auch eine gewerbsmäßige Fischzuchtanlage stelle nämlich einen landwirtschaftlichen Betrieb dar. Daß die geplante Verwendung des Grundstückes als Fischzuchtanlage nicht möglich sei, entbehre zusätzlich jegliche Grundlage; auch das Vorliegen einer rechtskräftigen Bau- oder Betriebsbewilligung bilde für eine grundverkehrsbehördliche Bewilligung keinesfalls eine Voraussetzung. Wieso die wasserrechtliche Bewilligung im konkreten Fall nicht erteilt wurde, werde von der belangten Behörde gar nicht erörtert, sodaß auch auf den Umstand nicht eingegangen werde, daß "Käufer vor der Genehmigung ihres Eigentumserwerbes nicht in der Lage sind, solche ... Genehmigungen zu erhalten". Ebensowenig werde berücksichtigt, daß eine neuerliche Antragstellung nach der Genehmigung des Kaufvertrages aufgrund der geänderten Verhältnisse jederzeit möglich sei.

Der angefochtene Bescheid greift tatsächlich in das Eigentum ein. Er stützt sich auf § 4 Abs 1 iVm § 6 Abs 1 litc Tir. GVG 1983. Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlage (vgl. zB VfSlg. 7198/1973, 7544/1975, 8245/1978, 9009/1981, 10822/1986, 11413/1987) könnte die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nur vorliegen, wenn die belangte Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 10370/1985).

Davon kann hier jedoch keine Rede sein. Da die Nutzung der in Rede stehenden Liegenschaft im Rahmen einer gewerblichen Fischzuchtanlage derzeit schon aus rechtlichen Gründen nicht möglich ist, was auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten wird, ist es jedenfalls nicht denkunmöglich, wenn die belangte Behörde auf dem Boden der damit gegebenen Verhältnisse eine Interessenabwägung iS des § 5 Z 4 Tir. GVG 1983 als nicht möglich erachtete und die geplante Verwendung des Grundstückes als Fischzuchtanlage nicht als zureichenden Grund iS des § 6 Abs 1 litc Tir. GVG 1983 ansah, der es erlauben würde, das Grundstück dem landwirtschaftlichen Betrieb des Verkäufers zu entziehen. Ob die Behörde das Gesetz richtig angewendet hat, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen.

Auch die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums liegt somit nicht vor.

4.4. Der Beschwerdeführer behauptet schließlich, der angefochtene Bescheid verletze ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Liegenschaftserwerbsfreiheit. Auch dieser Vorwurf ist offenkundig verfehlt.

Das durch Art 6 StGG gewährleistete Recht, Liegenschaften zu erwerben und darüber frei zu verfügen, richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur gegen jene historisch gegebenen Beschränkungen, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Klassen bestanden haben. Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen enthalten sind, werden durch Art 6 StGG nicht ausgeschlossen (VfSlg. 9682/1983). Das durch Art 6 StGG gewährleistete Recht könnte durch den angefochtenen Bescheid somit nur dann berührt worden sein, wenn die Genehmigung des Rechtsgeschäftes versagt worden wäre, um einen Landwirt beim Erwerb der Grundstücke zu bevorzugen (VfSlg. 9070/1981, 10797/1986, 12204/1989).

Daß die belangte Behörde die Genehmigung des Rechtsgeschäftes nur deshalb verweigert hätte, um einen Landwirt beim Erwerb des Grundstückes zu bevorzugen, wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

Auch die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Liegenschaftserwerbsfreiheit liegt somit nicht vor.

4.5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.